Israel - Ruth Kinet - E-Book

Israel E-Book

Ruth Kinet

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Beschreibung

Israel entfernt sich immer weiter von der Weltgemeinschaft. Seine vielschichtigen Konflikte im Innern sind kaum noch zu verstehen, der Friedensprozess existiert nur noch in den Wunschphantasien westlicher Politiker, und die politische Rhetorik beschwört das Gefühl, Israel stehe allein gegen den Rest der Welt. Der Graben des Unverständnisses zwischen Israel und seinen Nachbarn und Verbündeten vertieft sich zusehends. Ruth Kinet erforscht die israelische Gesellschaft mit einem empathischen Blick. Sie beschreibt Israel aus der Innensicht und fragt, was die Menschen in diesem Land bewegt, was sie zusammenhält, was sie hoffen und wovor sie Angst haben. Die Autorin nimmt den Leser mit in den israelischen Alltag und ermöglicht Einblicke in die Lebensthemen und das Lebensgefühl der Israelis.

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Seitenzahl: 330

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Ruth Kinet

Israel

Ruth Kinet

Israel

Ein Länderporträt

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überwww.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, September 2013 (entspricht der 1. Druck-Auflage von April 2013) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected] Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Stephan Pramme Lektorat: Günther Wessel, Berlin Satz: Andrea Päch, Berlin

Inhalt

Vorwort

Leben im Kollektiv

Die Familie

Konformistisch: Heiraten und eins, zwei, drei Kinder

Avantgardistisch: Die »neue Familie« und der Primat der Fortpflanzung

Das »Wir«-Gefühl

Narrativ vom Kollektiv: Von Pessach bis zum Unabhängigkeitstag

Zionistische Initiation: Die Vermittlung von Geschichte und Tradition in Kindergarten und Schule

Von der Pflicht zu siegen: Die Armee

Die »Anderen«

Vom Staat privilegiert: Ultraorthodoxe

Nicht erwünscht: Menschen mit Behinderungen

Ohne Rechte: Fremdarbeiter und Flüchtlinge

Die ultimativ »Anderen«: Arabische Israelis

Lebensentwürfe

Visionäre Kraft: Pioniere und Idealisten

Immerwährender Neuanfang: Einwanderer, Umsteiger und Selbsterfinder

Lebensrhythmus

Erster bis fünfter Tag: Tempo, Tachles und Telefon

Sechster Tag: Betriebsamkeit und Müßiggang

Schabbat: Ruhen und ruhen lassen

Schluss

Anhang

Glossar

Literatur

Basisdaten

Übersichtskarte Israel

Danke!

Vorwort

»Hier brauchst du Ellbogen«, belehrte mich meine Hebräischlehrerin Rachel im Tel Aviver Ulpan Gordon, der populärsten Sprachschule der Stadt, kurz nachdem ich in Israel angekommen war. Im Laufe meiner Jahre in Tel Aviv wurde mir bewusst, dass ich die Ellbogen nicht erst entwickeln musste, sondern dass sie zu meiner Grundausstattung gehörten. Ich entdeckte überrascht einen Körperteil, der schon seit meiner Geburt Teil meiner selbst war, über dessen Einsatzmöglichkeiten mich allerdings zuvor niemand aufgeklärt hatte. Jetzt kann ich sagen, dass ich mich nach dieser Entdeckung in gewisser Weise vollständiger fühle.

Denn eines lernte ich in Tel Aviv schnell: Israelis verstoßen mit größter Natürlichkeit gegen das in Europa gängige comme il faut. An diesem Nonkonformismus kann man Israelis an vielen Orten auf der Welt schnell erkennen. Mir scheint es mitunter, als kosteten Israelis ihre Unangepasstheit in vollen Zügen aus. Aber das ist möglicherweise eine Projektion meiner eigenen verkappten Sehnsucht nach Nonkonformismus. Meiner Sehnsucht danach, einfach mal ganz unverstellt unverschämt zu sein. Vermutlich genießen Israelis ihn gar nicht, diesen Aspekt ihres Nonkonformismus. Sie atmen tief ein und Chuzpe aus. Ganz ohne Anstrengung. Vollkommen natürlich. Den Zwang, den mitteleuropäischen Umgangsformen entsprechen zu müssen, den kennen sie nicht.

Die Chuzpe hinterlässt nach ersten oberflächlichen Begegnungen mit Israelis einen unauslöschlichen Eindruck. Meist ist es eine Mischung aus Schock und Staunen, die bleibt. Das hebräische Wort chuzpa kann am treffendsten mit Dreistigkeit übersetzt werden.

Israelis fühlen sich auch ganz und gar frei, anspruchsvoll zu sein. Zum Beispiel im Café, wenn sie der Bedienung ihre persönlichen Vorlieben anvertrauen: »Ich möchte einen Milchkaffee im Glas, bloß nicht in der Tasse. Der Kaffee muss kurz und stark sein mit einem bisschen Milchschaum obendrauf. Daneben will ich noch ein extra Glas mit warmer Milch. Ungeschäumt. Und einen langen Löffel dazu.«

Kundzutun, was man will und was nicht, wird nicht als Egoismus moralisch gebrandmarkt und als kapriziös verurteilt. Die Bestellung einer Tasse Kaffee darf deshalb gerne eine Minute in Anspruch nehmen. Tel Aviver Kellner irritiert das nicht. Die Obsessionen ihrer Gäste sind ihr Geschäft.

So schmeckt sie, die Freiheit, Israeli zu sein. Israelis sind frei vom Zwang zu einer Höflichkeit und Rücksichtnahme, die im raffiniert zivilisierten Westeuropa in der erstbesten Miniaturkrise, in der Warteschlange vor einem Münchner Lufthansa-Schalter beim Fluglotsen-Streik zum Beispiel, zerbröseln kann und plötzlich den Blick auf das in Wahrheit geltende Jeder-gegen-Jeden freilegt.

In Israel ist es umgekehrt: Im alltäglichen Spiel der Kräfte gilt das Recht des Stärkeren. Autos schneiden Fahrradfahrern und Kinderwagen beim Rechtsabbiegen mit größter Selbstverständlichkeit den Weg ab. Aber wenn einer von einem solchen Auto fast niedergemäht wird, sind von allen Seiten Hände da, die den Geschockten auffangen, ihm frisches Wasser reichen, Menschen, die beruhigende und tröstende Worte zusprechen, die fragen, ob sie einen Krankenwagen rufen oder den Verstörten nach Hause begleiten sollen.

Im Oktober 2012 traf ich den 36-jährigen Schriftsteller Nir Baram in Tel Aviv zu einem Interview für dieses Buch und fragte ihn zum Schluss unseres Gesprächs, welches Missverständnis ihm bei seinen Reisen ins Ausland am häufigsten begegnet sei und den Blick auf Israel am nachhaltigsten verstelle. Nach längerem Nachdenken sagte Nir Baram: »Alle denken immer, dass wir uns hier nur mit einem Thema beschäftigen: dem Konflikt mit den Palästinensern. Solange die Menschen nicht selbst in Israel waren, verstehen sie nicht, wie normal das Leben hier an der Oberfläche ist. Mein neues Buch Gute Leute spielt im Deutschland des Nationalsozialismus und im stalinistischen Russland. Ich werde oft gefragt: Warum hast du dieses Buch geschrieben und nicht ein Buch über Israel? Die Leute denken, Palästinenser und Juden leben hier in einer Wüste und jagen sich in einem fort gegenseitig. Sie denken, wir leben in einem permanenten Bürgerkrieg, wachen morgens auf und denken als Erstes an die Besatzung. Das ist so falsch. Vermutlich unterschätzen die Menschen, die nicht in Israel leben, den Grad an Verdrängung, den es hier gibt.«

In Tel Aviv fällt diese Verdrängung besonders leicht. Ich habe fünf Jahre im Zentrum von Tel Aviv gewohnt. Ich habe diese Jahre sehr und je länger ich dort war, desto mehr genossen. Dabei konnte ich den Israelis als Deutsche belgischer Herkunft vermutlich unbelasteter und freier begegnen als Deutsche deutscher Herkunft. Die unzähligen Alltagsbegegnungen mit Verkäufern beim Bäcker, im Bioladen und am Saftstand, die von dieser unverwechselbaren Vertrautheit lebten, die entsteht, wenn man sich jeden zweiten Morgen im immer gleichen Kontext sieht, vor allem aber die Intensität und Spontaneität des Zusammenlebens mit meinen Freunden, die alle in der Nähe wohnten, all dies hat mir nach einer Weile das Gefühl gegeben, in Israel zu Hause zu sein. Hier, an diesem Ort der vielschichtigen Identitäten, fühlte ich mich als belgische Deutsche und deutsche Belgierin wunderbar aufgehoben.

Zum Beispiel wusste Lior, der bei meinem Lieblingsbäcker die Brötchen verkauft, genau, was ich wollte, wenn ich einen Espresso macchiato zum Mitnehmen bestellte: den Kaffee kurz und ölig, den Milchschaum üppig. Oder Orli, die in der Saftbar Tamara unter den Ficus-Bäumen auf dem Mittelstreifen des Ben-Gurion-Boulevards frische Früchte und frisches Gemüse in Shakes und Säfte verwandelt. Als ich nach einem Monat Urlaub in Europa wieder vor ihr stand und meinen Lieblingsshake aus Açaí-Beeren bestellte, sagte sie zu meiner Überraschung: »Hey, Ruth, wo warst du so lange? Ich habe dich vermisst!« Und das, obwohl sie täglich geschätzt 500 Leute bedient.

Zwischen dem angenehmen Alltag in Tel Aviv und der Entwürdigung palästinensischer Kinder, Frauen und Männer an den Checkpoints, der Obszönität der Mauer oder der Gefangenschaft der Bewohner des Gaza-Streifens gab es keine Berührungspunkte.

Als offiziell beim Presseamt der israelischen Regierung akkreditierte ausländische Journalistin hatte ich immerhin die Möglichkeit, in den Gaza-Streifen zu fahren. Im Gegensatz zu meinen israelischen Freunden und Kollegen.

Einmal, es war mehr als ein Jahr nach dem Ende des Gaza-Kriegs im Januar 2009, brach ich morgens aus Tel Aviv auf, fuhr die etwa 60 Kilometer auf gut ausgebauten Straßen nach Süden, zum Grenzposten Erez. Ich parkte mein Auto, zeigte israelischen Soldaten an zwei aufeinanderfolgenden Kontrollposten meinen Pass und meine Akkreditierung, durchquerte zu Fuß einen etwa einen Kilometer langen Drahtkäfig, passierte die Hamas-Kontrolle und war »drüben«. Auf der anderen Seite war ein Großteil der Straßen ungeteert. Eselskarren zuckelten über unebene Sandpisten. Noch ein Jahr nach dem israelischen Bombardement vom Dezember 2008 und Januar 2009 fuhren im Gaza-Streifen viele Autos ohne Windschutzscheiben und Fenster, und das mitten im Winter. Eine Stunde Autofahrt und 15 Minuten fußläufig von meiner Wohnung im Zentrum von Tel Aviv entfernt lebten Menschen in Häuserruinen und waren auf Lebensmittellieferungen des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Palästinenser (UNWRA) angewiesen.

Ich war in den Gaza-Streifen gekommen, um Material für eine Reportage über häusliche Gewalt gegen Frauen zu recherchieren. Von Ahmed Jounis, meinem dortigen Informanten und Übersetzer, der als praktizierender Internist intime Einblicke in die Lebensgeschichten von Menschen bekommt, hatte ich erfahren, dass viele Männer seit dem Krieg ihre Verzweiflung und Ohnmacht durch Gewalt gegen ihre Frauen auslebten. In Deirel-Balah, einem Vorort von Gaza-Stadt, traf ich zwölf schwarz verschleierte Frauen, die mir zuerst zögerlich, schließlich aber erstaunlich offen von entwürdigenden Misshandlungen durch ihre Ehemänner erzählten.

Auf dem Weg zurück nach Tel Aviv musste ich 19 israelische Sicherheitsschleusen und einen Nacktscanner durchlaufen, bevor ich wieder israelischen Boden betreten durfte. Ich passierte den Checkpoint kurz vor Schließung zwischen halb vier und vier Uhr nachmittags, stieg in mein Auto auf dem Parkplatz in Erez, und anderthalb Stunden später sang ich mit meinem Sohn hebräische Kinderlieder zur Gitarrenbegleitung von Merav in einem eleganten Veranstaltungszentrum für Kinder und Eltern am Tel Aviver Ben-Gurion-Boulevard.

Das ist die nur schwer fassbare Gleichzeitigkeit zweier Welten, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Das menschliche Bewusstsein kann diese beiden Welten nicht auf Dauer gleichzeitig gewärtigen. Das übersteigt das emotionale und mentale menschliche Vermögen. Die Verdrängung, von der Nir Baram sprach, ist eine Überlebenstechnik, ohne die das Leben in Israel zu den gegenwärtigen politischen Bedingungen nicht möglich wäre.

Gegenstand dieses Buches ist das Leben in Israel. Der Begriff Leben zieht sich daher wie ein roter Faden durch alle Kapitel. Im Mittelpunkt dieses Buches steht die Frage, was das Leben der Menschen in diesem Land ausmacht. Was bewegt sie? Was hält die Israelis zusammen? Was hoffen und was fürchten sie, worauf gründen sie ihre Hoffnungen und Ängste? Wie gestalten sie ihr Leben? Nach welchem Rhythmus leben sie?

Das Leben in Israel hat unzählige Facetten. Schlichte Schablonen, die aus der Ferne das Fremde so komfortabel zu ordnen scheinen wie die Begriffe säkular und ultra-orthodox, politisch links oder rechts, bleiben an der Oberfläche; ebenso die Festlegung Israels auf Beschreibungen wie »Land im permanenten Ausnahmezustand«, »Land am Rande des Nervenzusammenbruchs« oder »Land der Extreme«. Auf derlei Gemeinplätze werden Israel und das Lebensgefühl in Israel oft reduziert.

Israel ist das Land, das alle Deutschen bis zum Überdruss aus den Nachrichten kennen, das mit Schlagworten wie »Konflikt«, »Kassam-Raketen« und »Mauer« verbunden wird. Dabei bleibt im Dunkeln, wer die Israelis eigentlich sind.

Außerdem ist Israel eines der unpopulärsten Länder der Welt, wie eine jährliche Umfrage des BBC World Service in 27 Ländern immer wieder ergibt. Im Jahr 2011 rangierten nur Pakistan, Nordkorea und Iran noch hinter Israel.

Zugleich aber wächst die Zahl der Touristen, die Israel besuchen, beständig. Im Jahr 2012 waren es 3,5 Millionen Menschen und somit vier Prozent mehr als im Vorjahr. Tourismusminister Stas Misezhnikov bezifferte den Beitrag des Tourismus zum Bruttoinlandsprodukt des abgelaufenen Jahres im Dezember 2012 auf über 3,6 Millarden Euro, das entspricht einem Anteil von zwei Prozent. Der Fremdenverkehr ist in Israel ein wichtiger Motor des wirtschaftlichen Wachstums. Er generiert Tausende Jobs, vor allem in der Peripherie des Landes.

Dabei haben die Touristen, die den Felsendom, die Klagemauer und die Grabeskirche in Jerusalem, das Tote Meer und den See Genezareth besuchen, meistens keine Gelegenheit, Israelis kennenzulernen. Sie erleben vielleicht die Grobheit der israelischen Sicherheitskräfte am Flughafen oder sind verstört angesichts des lebensmüden Fahrstils ihres Tourbus-Fahrers. Vermutlich kann auch jeder Israel-Reisende nach seiner Rückkehr mindestens eine Geschichte von einem unverschämten Postkartenverkäufer oder Kellner zum Besten geben. Damit aber wären die Israelis unzureichend beschrieben.

Die Menschen, die hier leben, kommen aus allen Erdteilen und Schichten. Sie sind erschütternd selbstbezogen und pflegen zugleich eine hochentwickelte Kultur der Selbstironie.

»What’s the purpose of your visit?«, fragen die israelischen Grenzbeamten jeden Einreisenden bei der Passkontrolle am Flughafen Ben Gurion. »Was ist der Zweck Ihres Besuchs?« Eigentlich eine zu komplexe Frage, um sie mal eben im Stehen gegenüber einem unbekannten Soldaten im Glaskasten zu beantworten. Und überhaupt lässt sich der Zweck einer Reise ohnehin meist erst aus der Rückschau benennen. Was also kann man schon bei der Einreise ehrlicherweise darüber zu Protokoll geben?

Mit diesem Buch möchte ich Sie auf Ideen bringen, wie Sie diese erste Frage, die Ihnen auf israelischem Boden gestellt werden wird, für sich selbst beantworten könnten.

Ich möchte versuchen, etwas von dem weiterzugeben, was ich bei meiner Arbeit als Journalistin und in meinem Alltag als Frau, Mutter und Ausländerin von Israel und den Israelis verstanden habe.

Den Großteil meiner persönlichen Beobachtungen habe ich im säkularen Teil der israelischen Gesellschaft gemacht. Ich habe fünf Jahre im Stadtzentrum von Tel Aviv gelebt, von Ende 2007 bis Ende 2012. Die Erfahrungen, die ich dort gewonnen habe, prägen meinen Blick auf die israelische Gesellschaft.

Auch dieses Buch kommt nicht ohne Verallgemeinerungen aus. Es ist darin viel die Rede von »den Israelis«. Derlei Generalisierungen sind oft ungenau und problematisch, zugleich sind sie aber auch ein notwendiges Mittel der Beschreibung. Ich habe versucht, die israelische Gesellschaft als eine lebendige und vielfältige Gesellschaft zu beschreiben. Meine Darstellung ist selbstverständlich lückenhaft und subjektiv. Deshalb bitte ich Sie: Fahren Sie nach Israel und machen Sie sich selbst ein Bild. Machen Sie es sich nicht so bequem wie Jakob Augstein, der kürzlich in einem Spiegel-Streitgespräch mit Dieter Graumann bekannte, er sei noch nie in Israel gewesen, weil er sich nicht mit der Politik der israelischen Regierung gemeinmachen wolle. Versuchen Sie nicht, Ihre Israel betreffenden politischen Überzeugungen vor einer Konfrontation mit der Realität zu bewahren.

Fahren Sie nach Israel! Fahren Sie mit offenen Augen und einem offenen Herzen. Wenn Sie dazu bereit sind, dann wird diese Reise ihren Blick auf viele Dinge verändern. Das kann ich Ihnen versprechen.

Berlin, im Frühjahr 2013 Ruth Kinet

Leben im Kollektiv

Eine machzelet ist Teil der Grundausstattung jedes israelischen Haushalts. Eine machzelet ist eine Matte, manchmal aus Stroh, meist aus widerstandsfähigem Plastik, mindestens drei mal drei Meter groß, die Israelis immer im Kofferraum ihres Autos mit sich führen. Und wer kein Auto hat, lagert seine machzelet zu Hause. Denn auf der machzelet kann man sich jederzeit spontan niederlassen, auf Teer, Sand oder Staub, in einem lichten Pinienwäldchen oder an einem unbewirtschafteten Strand. Eine kleine machzelet bietet Platz für mindestens sieben bis zehn Leute. Sie ist ein Insignium des Volkes Israel im 21. Jahrhundert, sie ist das tribalistische Accessoire einer Stammesgemeinschaft mit nomadischer Vergangenheit. Verabredet man sich mit Israelis im Park, wird als Erstes die machzelet ausgebreitet, dann werden sämtliche mitgebrachten Tupperschüsseln darauf verteilt, und schon fühlen sich alle angekommen.

Bejachadness ist eine neue hebräische Wortschöpfung. Shaul Zaban, ein Freund und dynamischer Unternehmer, der immer gerade irgendeine neue erfolgversprechende Idee für ein Business entwickelt, verwendet dieses Wort gerne. Vielleicht hat er es sich ausgedacht. Wer weiß das schon. Ich kenne es jedenfalls von ihm. Das Wort also kommt von , und das bedeutet auf Hebräisch »zusammen« oder »gemeinsam«. Es bezeichnet das Zusammengehörigkeitsgefühl der Israelis, das große »Wir«, das die ganze Heterogenität und Gegensätzlichkeit der Herkunft überspannt, die sich zwischen streng orthodoxen, nationalreligiösen, traditionellen und säkularen Juden, zwischen Mizrachim und Aschkenasim, den orientalischen Juden also und denen mittel- und osteuropäischer Herkunft auftut.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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