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"Wie weit liegen eigentlich Verschwörungsphantasien und Religionen auseinander?" "Jesus lebt fort in der Liebe! Er ist auferstanden in die Liebe und es gilt: Wo geliebt wird, da ist Freiheit, da ist Gott!" Beide Sätze kommen in diesem Buch vor. Sie umreißen in etwa die Spannbreite des Dialogs, der hier wiedergegeben ist. Es handelt sich um den per E-Mails geführten Dialog zweier Freunde, die sich aus den Augen verloren und nach mehr als 50 Jahren im Internet wiedergefunden haben. Beide hatten Theologie studiert, allerdings mit unterschiedlichem Ausgang. Der eine hat sich den biblischen Glauben wegstudiert, der andere ist Religionslehrer geworden, kann sich aber mit dem Machtapparat Kirche nicht identifizieren. Auf ähnlichen, aber doch unterschiedlichen Positionen diskutieren sie über "Gott und die Welt".
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2023
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als Gerd mich vor einiger Zeit mit seiner Absicht konfrontierte, dass er unseren Brief- bzw. Mailwechsel öffentlich machen möchte, da fiel mir zuerst nur „Schnapsidee“ ein. Mir vorzustellen, dass unsere Korrespondenz irgendwen auch nur annähernd interessieren könnte, gelang mir nicht.
Dennoch wagte ich einen Versuch und bat einen Bekannten, unseren Gedankenaustausch einmal mit den Augen eines unbeteiligten Dritten zu betrachten. Sein Resultat überraschte mich, denn dieser Leser meinte, dass er die Lektüre nicht nur spannend, sondern sogar sehr spannend fände.
Diese Qualifizierung machte mich in meinem abwertenden ersten Urteil wankelmütig und mir fiel Goethes Faust ein: „Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt, und wo Ihr’s packt, da ist’s interessant.“ Und so konnte ich mir Gerds „Schnapsidee“, unsere Korrespondenz öffentlich zu machen, als ein ernstes Anliegen zu eigen machen und einer Veröffentlichung mit voller Überzeugung zustimmen.
Was für den Menschen heilig ist oder nicht, das darf er selbst herausfinden, denn heilig ist ihm das, was für ihn in seinem Leben wichtig und wertvoll ist, das, was ihn „heil“ (=ganz) macht.
Um zu beurteilen, was in den vorliegenden Texten heilig ist und was nicht, dazu hat jeder seine eigene Zugangsmethode. Wer mehr rational unterwegs ist, der wird interessante Ansätze und Fragen finden, die ihn ermutigen, weiter zu denken und zu analysieren. Wer sich mehr beschaulich in der Welt bewegt, der wird vielleicht Bilder entdecken, die ihm weitere und tiefere Anschauungen ermöglichen; Anschauungen, die ihn berühren und seiner Seele gut tun, weil sie dort heilend wirken.
Maria Thalheim, im Februar 2023, Egon Weiß
Eine Korrespondenz per E-Mail
War‘s das?
10.11.2019
Lieber Gerd,
Grüß Gott und guten Morgen aus dem bayerischen Maria Thalheim nach Mainz hinauf. Ich finde deine Adresse im Internet und erlaube mir, dich so vertraulich anzureden, da ich vermute, dass du der bist, von dem ich meine, dass er es ist!
Liebe Grüße
Egon Weiß
10.11.2019
Lieber Egon,
schön, dass du mich gefunden hast.
Habe auf facebook bereits geantwortet. Was machst du in Bayern? Wie kommst du dahin?
Ich erinnere mich sehr gern an dich, schließlich warst du es, der mich zum Abendgymnasium gebracht hat. Vielleicht können wir locker in Verbindung bleiben?
Viele Grüße
Gerd
23.11.2019
Lieber Gerd,
Beginnen muss ich mit einem riesigen Kompliment! Wir haben nämlich begonnen dein Büchlein „Entrüstung reicht nicht“ (Titel erinnert an Stéphane Hessels „Empört euch“) zu lesen. Mein Gott - woher hast du alle diese Kenntnisse, da kommt man sich ja völlig klein und unwissend vor! Doch dieses Milieu scheint dein (politisch-gesellschaftliches) Zuhause zu sein!? Wir sind jetzt beim Kapitel „Die Macht der Kirche“, das mich als Ex-Religionslehrer (kath.) besonders interessiert. Ein wenig werden wir bei der Lektüre auch an Christian Felbers „Gemeinwohl Initiative“ erinnert“
Es gibt hier ein Wochenblatt „Hallo Erding“ mit Namen, in welchem es auch eine Rubrik „Religion im Fokus“ gibt, wo ich gelegentlich ebenfalls mit einem Beitrag erscheine. Ich lege dir mal meinen Beitrag zu Allerheiligen als Anhang bei! Vielleicht magst du ihn sogar lesen!?
Der Boden auf dem du stehst ist heilig. Wer oder was ist eigentlich heilig? Das Eigenschaftswort „heilig“ ist vornehmlich in der Sprache der Religionen anzutreffen und dort inhaltlich nicht leicht zu fassen. So haben wir Katholiken einen Heiligen Vater. Wir haben einen heiligen Stuhl, eine heilige Stadt, ein heiliges Land und ein heiliges Buch. In Trier haben wir einen heiligen Rock und in Köln die Gebeine der heiligen drei Könige und wir feiern eine Heilige Messe. Mit den anderen Religionen zusammen haben wir heilige Zeiten, heilige Gegenstände, heilige Orte und natürlich viele heilige Menschen. Und da man sich nicht an die Fülle der Heiligen einzeln erinnern kann, hat die Kirche ihnen zu Ehren den Gedenktag Aller-Heiligen eingeführt. Was nun aber tatsächlich mit heilig gemeint ist, das lässt sich aus dieser Vielfalt nicht eindeutig erschließen. Wahrscheinlich ist das auch mit ein Grund, warum der Begriff heilig in unserer Alltagssprache selten vorkommt. Im heiligen Strohsack z.B. oder im heiligen Bimbam finden wir ihn, vielleicht noch im Sankt (=heilig) Nimmerleinstag, der Tag, der nie eintrifft und sich deshalb für ungewünschte Termine bestens eignet. Tennisfreunde kennen sicher den heiligen Rasen in Wimbledon und die Württemberger haben ihr heiliges Blechle. Heilig scheint also in der Alltagssprache nur ein dekorativer Begriff zu sein. Um aber heilig in seiner biblischen Bedeutung zu fassen, kann eine Erzählung aus dem Alten Testament helfen!? Heilig ist dort zunächst einmal nur Gott. Doch der Mensch, der sich einzufühlen vermag, kann von dessen Heiligkeit berührt werden, denn wenn Gott heilig ist, dann ist auch seine Schöpfung heilig!
Mose, so heißt es z.B. in einer Legende im Buch Exodus, ist als Hirte mit seinen Schafen unterwegs, in einer Gegend, in der er wohl jeden Stein, jeden Grashalm und jeden Strauch mit „Vornamen“ kennt. Dennoch scheint Mose nicht in gedanklicher Routine erstarrt zu sein, sondern im Gegenteil, emphatisch offen für neue Erfahrungen. Und so kommt es, dass er eines Tages einen Dornbusch sieht, der zu brennen, aber nicht zu verbrennen scheint. Mose nähert sich neugierig diesem Phänomen, wird aber von einer „Stimme“ aufgehalten, die ihm befiehlt: „Mose…Zieh deine Schuhe aus, denn der Boden auf dem du stehst ist heilig.“ (Ex 3,5) Versucht man, dieses Bild auf dessen tiefere Bedeutung hin zu untersuchen, so wird man sagen können, dass die Heiligkeit des Bodens sich nur aus der Erfahrung erschließt, die Mose dort macht. Er erlebt eine Erleuchtung, und erfährt im unmittelbaren (barfüßigen) Kontakt den An-Spruch einer Macht oder Kraft, die „hinter“ den sichtbaren Dingen wirkt und als aufklärendes Licht „Stimme“ hat, die ihn persönlich mit Namen anspricht. Er ist gemeint, niemand sonst! Mose erlebt, dass der Boden auf dem er steht (die Wirklichkeit), eine Tiefendimension hat, die wir heute den „Urgrund allen Seins“ (der „Gott der Väter“?) nennen. Damit ist jene kreative Intelligenz gemeint, die man auch Gott nennen kann, welche „Die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe). Mose erkennt offenbar diese Ganzheit, in der die erfahrene Macht (Gott) in tiefgreifender Zusammenarbeit mit allem und in engster Beziehung mit allem und allen steht, sodass ihm aus diesem erweiterten Bewusstsein heraus auch die Verwundung klar wird, unter welcher die Schöpfung leidet. Er spürt persönliche Verantwortung und erkennt, dass die Willkürherrschaft von Menschen über andere Menschen ein Verbrechen ist.
Damit zeigt er Anteil an der Heiligkeit des „Bodens“ (= der Schöpfung) und „hört“ die „Stimme“ seines Gottes: „Ich habe das Elend meines Volkes (in der Sklaverei) gesehen…führe mein Volk in die Freiheit.“ (Ex 3,10) Dieser sich mitteilende Gott ist namenlos und gestaltlos, kein omnipotenter (=allmächtiger) Macher, der dem Menschen die Arbeit abnimmt, sondern ein ohnmächtiger Gott, der sich einzig als Da-Seiender, als Inspirator und Motivator, als „Kümmerer“ und besorgter „Influencer“ offenbart! Aber die Heilung der Welt, das ist einzig Sache des Menschen.
Und Mose tut, was er als seine „heilige“ Pflicht erkannt hat. Er führt das versklavte Volk in die Freiheit! Dieses heilsame Tun macht ihn erst zu einem Heiligen. Wenn wir nun vor diesem Hintergrund die Welt betrachten, dann müssten wir erkennen können, wer oder was heilig ist und wer bzw. was nicht.
Mit Verwunderung dürften wir wahrnehmen, dass wir umgeben sind von Heiligen, von Menschen, die auf dem heiligen Boden der Tatsachen stehen und aus dessen Tiefe heraus eine Ethik der Empathie entwickeln, mit der all das Elend und das Kaputte in der Welt erspürt wird und heilendes Handeln eingeübt und eingefordert wird!
Stellvertretend für all diese heiligen Menschen seien nur einige wenige bekannte genannt: Mahatma Gandhi, der sich für die Gleichberechtigung der Inder einsetzte. Martin Luther King, der die Aufhebung der Rassentrennung in den USA erreichte. Nelson Mandela, der In Südafrika, das Apartheid-Regime zu Fall brachte. Und in unseren Breiten: Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland möglich machten. Gustav Heinemann (ehemaliger Bundespräsident) mit seiner Forderung: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe…sondern der Friede“. Willy Brandt (ehemaliger Bundeskanzler) und dessen Kniefall in Warschau am 7. Dezember 1970, am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos. Eine berührende Geste mit der Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Die mutigen Frauen und Männer, die im Oktober 1989 auf die Straßen in Leipzig gingen, um gewaltlos zu demonstrieren und ohne Blutvergießen (Ein beispielloses Ereignis in der Geschichte!) das Ende der DDR einleiteten! Und Angela Merkel, die 2015 das Elend der Flüchtlinge an den Grenzen Europas sah und diese Grenzen öffnen ließ. Sie stellte Barmherzigkeit über politisches Kalkül.
Und dann die 16-jährige Greta Thunberg aus Schweden, die das Elend einer Welt sieht, die offenen Auges in die Klimakatastrophe schlingert, und dagegen handelt. Und schließlich noch die vielen Menschen, die nach dem Verbrechen in Halle ein eindrucksvolles Zeichen der Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und - bürgern setzten. In all diesen heilsamen Taten entfaltet ein mitfühlender Gott sich selbst, und der „Dornbusch“ beginnt erneut zu „brennen“! Da leuchtet ein Gott auf, der nicht verehrt oder gefeiert, sondern gelebt werden will, und wo das geschieht, da sind echte Heilige unterwegs und der Boden auf dem sie das tun ist heiliger Boden!
Egon Weiß; Maria Thalheim
23.3.2020
Lieber Egon,
Respekt vor diesem Text. Er hat mich beeindruckt. Dennoch habe ich mir ein paar abweichende Gedanken dazu gemacht.
Um am Ende anzufangen: Es gab und gibt immer wieder Menschen, die uns als Vorbilder dienen können, weil sie in Wort und/oder Tat Herausragendes für unsere Gesellschaft leisten beziehungsweise geleistet haben. Sie als Heilige zu bezeichnen, scheint mir allerdings nicht ganz passend zu sein. Der Begriff „heilig“ – was immer darunter genau verstanden werden mag – ist immer Gott-bezogen. Sei es der christlich/jüdische Gott oder die Gottheit der jeweiligen Religion. Den Begriff zu benutzen oder ihn für sich zu akzeptieren, setzt den Glauben an die jeweilige Gottheit voraus.
Der heilige Berg der australischen Aborigines ist nicht schlechthin ein heiliger Berg, sondern nur der heilige Berg der Aborigines. Der Papst ist für mich keineswegs der Heilige Vater. Dass Katholiken ihn als Heiligen Vater ansehen, nehme ich hin, obwohl mir das Verständnis dafür schwerfällt. Beim heiligen Rasen oder dem heilix Blechle handelt es sich um Verballhornungen mit ernst zu nehmendem Hintergrund. Fußball- oder Tennis-Stars werden von vielen Menschen nahezu wie Götter verehrt. Fußball und Religion haben vergleichbare Funktionen. Und das eigene Auto ist vielen ein Götze.
Vorbildliche Menschen als Heilige zu bezeichnen, würde bedeuten, ihre Vorbildlichkeit bezieht sich auf ihr Verhältnis zu ihrem Gott. Will sagen, sie handeln vorbildlich, weil sie ihre Motivation aus dem Einklang mit Gott beziehen. Zum Vergleich: Engagement zum Schutz der Umwelt wird oft als Beitrag zum Bewahren der Schöpfung gelobt. Aus solchem Lob lässt sich ablesen, die Umwelt sei schützenswert, weil es sich um die Schöpfung Gottes handle, auf dessen Wohlwollen man angewiesen zu sein glaubt. Dass die Umwelt als Grundlage allen Lebens, also auch des eigenen Lebens, geschützt werden muss, steht dabei nicht im Focus.
Lieber Egon, dass du die Exodus-Erzählung als Legende bezeichnest, gefällt mir sehr gut. Was du davon ableitest, zeigt, dass du dich nicht an den biblischen Text klammerst, sondern eigene Vorstellungen dazu entwickelst. Die Frage ist aber, ob deine Vorstellungen denen des Autors der Legende entsprechen. Wenn du Mose ein erweitertes Bewusstsein unterstellst, in dem Gott offenbar nicht als Person, sondern als kreative Intelligenz vorkommt, dann unterstellst du dies letztlich dem Autor der Legende. Was du Mose unterstellst, müsste der Autor ihm bereits unterstellt haben. Und wenn das so ist, warum sagt er es nicht? Vielleicht nur, weil er sein eigenes Werk (das Bild, das er in Form einer Legende gemalt hat) nicht kommentiert?
Wer ein Bild malt, hat sich dabei – so darf man vermuten – etwas gedacht und möchte wohl auch etwas zum Ausdruck bringen. Dem Betrachter sind keine Grenzen gesetzt, das Bild zu interpretieren. Ob aber diese Interpretation mit dem übereinstimmt, was der Maler/Autor zum Ausdruck bringen will, ist sehr unwahrscheinlich.
Die „Heilung“ der Welt ist Aufgabe der Menschen. Das sehe ich auch so. Wie aber kommen wir zu dieser Annahme? Lässt sie sich aus deiner Definition, was Gott ist und was er nicht ist, ableiten? Ich glaube, eher nicht. Und wenn doch, wie kommst du zu dieser Definition?
Ich halte es für richtig und notwendig, dass wir uns Gedanken über den Sinn des Lebens machen, darüber, wer oder was Gott sein könnte, ob es ihn/sie überhaupt gibt, ob die Evolution vielleicht ein lernfähiges System ist oder eine steuernde Kraft den Laden zusammenhält. Dabei könnte es vielleicht hilfreich sein, zu wissen, welche Antworten andere Menschen vor vielen tausend Jahren auf diese Fragen gefunden haben. Erstens kennen wir aber ihre Antworten nicht und zweitens wäre es fatal, diese zu übernehmen und in unser dank wissenschaftlicher Erkenntnisse völlig geändertes Weltbild einzupassen.
Die Ansicht, Gott sei ein ohnmächtiger Gott, eine kreative Intelligenz oder was auch immer, lässt sich nicht aus biblischen Texten, nicht aus vor Jahrtausenden entwickelten Vorstellungen herleiten. Wenn wir solche Herleitungen dennoch versuchen, handelt es sich lediglich um Versuche der Rückversicherung. Als Menschen mit mehr oder weniger christlich/religiösem Entwicklungshintergrund suchen wir in biblischen Texten nach Bestätigung unserer eigenen Gedanken. Bestätigungen finden wir aber nur, indem wir die Texte interpretieren. Und die Interpretationen sind aus unserer eigenen Vorstellungswelt geprägt. Daraus ergibt sich ein Zirkelschluss.