IT-Freelancer-Spitzen - Thomas Matzner - E-Book

IT-Freelancer-Spitzen E-Book

Thomas Matzner

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Beschreibung

Von Herbst 2004 bis Herbst 2010 hatte ich das Privileg, alle zwei Monate eine Glosse über Themen für IT-Freelancer schreiben zu dürfen. Auftraggeber war das IT Freelancer Magazin, das, wie so manche Formate für diese Zielgruppe, wegen deren sinkendem Interesse eingestellt werden musste und nunmehr in Online-Form unter anderer Leitung weiterlebt. Ich hatte keine inhaltlichen oder stilistischen Vorgaben; lediglich der Umfang war auf eine knappe Druckseite je Folge begrenzt. Dieser Zwang zur Pointierung hat mir viel Freude gemacht; es war für mich manches Mal erstaunlich, wie viel ich aus einem ursprünglichen Entwurf ohne Verlust an der Botschaft noch herauskürzen konnte. Viele der damals getroffenen Aussagen sind auch jetzt noch gültig, andere nicht mehr. Sie zeigen uns Trends auf, nicht immer erfreuliche im Sinn der IT-Freelancer, aber auch ihrer Auftraggeber. So ist etwa die Geschäftsabwicklung der Zwischenhändler - in den Ursprungskolumnen sprach ich oft noch von Software- oder Beratungshäusern - immer oberflächlicher geworden.

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Thomas Matzner ist Diplom-Informatiker und seit 1992 selbständig. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die Konzeption von Informationssystemen. Er arbeitet in der Rolle des Requirements Engineers, Product Owners, Business Process Managers und Business Analysts.

Vorwort

Von Herbst 2004 bis Herbst 2010 hatte ich das Privileg, alle zwei Monate eine Glosse über Themen für IT-Freelancer schreiben zu dürfen. Auftraggeber war das IT Freelancer Magazin, das, wie so manche Formate für diese Zielgruppe, wegen deren sinkendem Interesse eingestellt werden musste und nunmehr in Online-Form unter anderer Leitung weiterlebt. Ich hatte keine inhaltlichen oder stilistischen Vorgaben; lediglich der Umfang war auf eine knappe Druckseite je Folge begrenzt. Dieser Zwang zur Pointierung hat mir viel Freude gemacht; es war für mich manches Mal erstaunlich, wie viel ich aus einem ursprünglichen Entwurf ohne Verlust an der Botschaft noch herauskürzen konnte.

Viele der damals getroffenen Aussagen sind auch jetzt noch gültig, andere nicht mehr. Sie zeigen uns Trends auf, nicht immer erfreuliche im Sinn der IT-Freelancer, aber auch ihrer Auftraggeber. So ist etwa die Geschäftsabwicklung der Zwischenhändler – in den Ursprungskolumnen sprach ich oft noch von Software- oder Beratungshäusern – immer oberflächlicher geworden.

Um dem Leser eine Einordnung der inzwischen historischen Glossen zu ermöglichen, habe ich ihnen eine Darstellung der derzeitigen Situation auf dem Markt für IT-Freelancer vorangestellt. Diese habe ich vor wenigen Jahren, damals noch als Sprecher des Beirats für Selbständige der Gesellschaft für Informatik e. V., auf Anregung von deren Geschäftsführung geschrieben. Sie wurde jedoch in deren Vereinsorgan nicht abgedruckt, wohl weil sie dem Chefredakteur nicht in das ansonsten recht akademische Format hineinpasste. Sie wird also hier zum ersten Mal publiziert.

Die darauf folgenden Glossen habe ich an wenigen Stellen aktualisiert bzw. Hinweise auf damals aktuelle Anlässe explizit gemacht. Kommentare aus der Gegenwart sind, so wie dieses Vorwort, in Kursivschrift gesetzt, um sie von den Originaltexten abzuheben.

Je kürzer ein Text, umso schwieriger ist er in verständliche und vor allem unmissverständliche Form zu bringen. Alle diese Texte wurden von Ruth Stubenvoll kritischen Reviews unterzogen, woraus eine Vielzahl von Verbesserungen entstanden. Dafür danke ich ihr herzlich.

München, im Sommer 2019

Thomas Matzner

[email protected]

Inhalt

Vorwort

IT-Freelancer – Unternehmer oder prekäre Zeitarbeiter?

Solides Unternehmertum...

...

vs. Zwischenhändlermodell

Qualität? Schlagzahl erhöhen!

Scheinselbständigkeits-Gesetze: Teil des Problems, nicht der Lösung

Literatur

Nach der Dotcom-Krise

Dauerthema ScheiSe

Die Branche der Preisdrücker

Zufriedene Lemminge

Skill-Listen sind doch so bequem

Juristen hilflos im Dschungel der Informatik

Monster-Verträge für Alltagsgeschäfte

Am liebsten arbeite ich umsonst

Programmieren ist doch ganz einfach

Die Liebe zur Oberfläche

Da geht der Trend hin – ganz bestimmt

Service? Ach leckt mich

Techies sind cool, Controller zum Kotzen

Hypes bitte ernst nehmen

Je größer, desto schwächer

Hard facts about soft skills

Wir können nichts – außer beauftragen

Nur nicht zu viel versprechen

Der Blinde prüft den Sehenden

Wir sind nur Kostenfaktor

Die Mär vom Fachkräftemangel

Hauptsache eine Urkunde

Das Wort zum Sonntag: Vom Wert des Menschen

Mit High-Tech werden wir produktiver

Nur Große dürfen glitzern

Den Preis wünsch ich mir

Nur Finanzprodukte machen glücklich

Je toller der Berater, desto dümmer der Kunde

Und wieder: Die Branche der Preisdrücker

Nachricht aus dem Keller der Hackordnung

Zwischenhändler? Kommunikationskrüppel!

Wir tragen das Kind in drei Wochen aus

Als Kunden sind wir doch egal

IT kann doch jeder Laie

So züchtet man Monopolisten

Globalisierung schafft Arbeitsplätze

IT-Freelancer – Unternehmer oder prekäre Zeitarbeiter?

Der Markt für IT-Freelancer spaltet sich in zwei Teile: einen für echtes Unternehmertum und einen stetig wachsenden, in dem vornehmlich schnell verfügbare, billige Arbeitskräfte gesucht werden. Das schadet den Freelancern ebenso wie ihren Auftraggebern, da die eigentlichen Entscheider in dem Geschäftsmodell, die Einkäufer und die Zwischenhändler, weder das komplexe Problem des Auftraggebers noch das Leistungsangebot des Freelancers richtig erfassen können. Diese Entwicklung macht eine erneute Bewertung selbständiger Tätigkeiten in der IT in Richtung auf Scheinselbständigkeit erforderlich.

Die Wirtschaft in Deutschland hat im vorigen Jahrzehnt gebrummt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, stattdessen wird Fachkräftemangel proklamiert. Der Informatik wird heute hohe und für die Zukunft noch steigende Bedeutung an dieser Situation zugeschrieben. Das sollte für alle, die dazu etwas beizutragen haben, Grund zum Jubel sein.

Dennoch gibt es auf dem Markt für IT-Freelancer – darunter verstehen wir in [2] diejenigen Selbständigen, die ihre Leistung persönlich erbringen und nicht etwa Inhaber einer Kapitalgesellschaft mit Beschäftigten sind – eine Entwicklung, die zur Sorge oder zumindest zu kritischer Beobachtung Anlass gibt. Der Markt für IT-Freelancer hat sich in zwei Teile geteilt: in einen für echte Selbständige und in einen Zeitarbeitsmarkt, der die Unsicherheit des selbständigen Daseins bereithält, ohne die Chancen des Unternehmertums zu bieten.

Solides Unternehmertum...

Beginnen wir mit dem ersten, quantitativ kleineren Teil. (Es gibt keine Meldepflicht und keine flächendeckenden Statistiken über IT-Freelancer, deshalb sind für alle quantitativen Angaben nur Schätzungen möglich.) Hier handelt es sich um Freelancer, die alle Aufgaben eines Unternehmers wahrnehmen wollen, können – und dürfen. Dazu gehören

die Definition eines attraktiven, an den Bedürfnissen der Abnehmer ausgerichteten Dienstleistungsprodukts, das den Unternehmer vor anderen sichtbar heraushebt,

die Kommunikation dieses Produkts durch eine klare und ansprechende Produktdarstellung, die Ansprache und Kontaktpflege mit potentiellen Auftraggebern – kurz der Vertrieb,

die Erbringung der Leistung

und natürlich das, was Außenstehende manchmal als die Essenz der selbständigen Tätigkeit wahrnehmen, obwohl es zum Erfolg viel weniger beiträgt als die ersten drei Punkte: die Befolgung einiger Spezifika des Steuer- und Sozialversicherungsrechts.

Wie gesagt, ein Teil der IT-Freelancer füllt diese Aufgaben vollumfänglich aus und nimmt damit an dem Spiel um Chancen und Risiken des Unternehmers ohne Wenn und Aber teil. Wenn sich der Rest dieses Artikels mit dem anderen Teil der Freelancer befasst, darf das nicht als Generalisierung für alle, Auftraggeber wie Auftragnehmer, aufgefasst werden.

... vs. Zwischenhändlermodell

Gerade weil die IT so allgegenwärtig ist, wird für sie viel Personal benötigt. Die Zahl der IT-Freelancer in Deutschland wird auf 50.000 bis 100.000 geschätzt. Genauer geht es schon deshalb nicht, weil die Abgrenzung etwa zu Ingenieuren mit IT-Schwerpunkt oder zu Webdesignern, zu Arbeitnehmern, die zusätzlich oder zeitweise selbständig arbeiten, fließend ist. Fast alle davon werden von Unternehmen beauftragt, davon wieder die meisten von Großunternehmen.

Wegen ihrer Vielzahl stellen nun die IT-Freelancer für große Unternehmen einen bedeutsamen Kostenfaktor dar. Dadurch sind sie ins Visier der Einkaufsabteilungen dieser Unternehmen geraten, was an sich nichts Verderbliches ist. Alle Lieferanten wichtiger Güter bekommen es mit den Einkäufern zu tun. Für die IT-Freelancer haben sich hieraus jedoch Strukturen entwickelt, bei denen die Risiken des Unternehmerdaseins weiterhin bestehen, die Chancen jedoch eingeebnet werden.

Zwischen den Einkäufern und den Freelancern hat sich nämlich eine Branche etabliert, die sich selbst meist als "Recruiter" bezeichnet und die dem Endkunden verspricht, seinen Bedarf an Freelancern zu decken. Einkäufer sind stets darauf bedacht, die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren; dies begrenzt den Aufwand der Einkäufer selbst, also das Beobachten des Marktes, das Verhandeln von Verträgen, das Bewerten der Lieferanten, es erhöht auch das vom einzelnen Lieferanten eingekaufte Volumen und dient dadurch als Hebel für Preissenkungen.

Personalberatungen, neudeutsch Recruiter, gibt es schon seit langem. Geht es um Festangestellte, agieren sie als Vermittler: Sie suchen Bewerber, wirken beim Bewerbungsprozess mit, etwa durch das Sichten von Bewerbungsunterlagen und das Führen von Interviews, und im Fall eines Vertragsabschlusses erhalten sie eine Provision, die sich in derRegel an der Bedeutung und Dotierung der Position misst. Den Arbeitsvertrag schließt natürlich der Arbeitgeber direkt mit der Arbeitskraft ab.

Wer Freelancer im großen Stil vermarktet, agiert ganz anders. Aus Gründen, die in Kürze klar werden, nennen wir ihn in [2] nicht Recruiter, sondern Zwischenhändler. Sie nutzen eigene oder fremde Datenbanken, in denen sehr viele – einer der Großen nennt etwa mehr als 70.000 – IT-Freelancer registriert sind, zur Recherche nach passenden Freelancern. Eine solche Suche setzt natürlich Stichwörter voraus, die der Kunde zuvor geliefert hat, etwa gewünschte Technologiekenntnisse, Branchen- und Produkterfahrung. Die passend erscheinenden Resultate aus der Datenbank werden in Form eines "Profils" gebracht und dem Einkäufer des Kunden zugesandt. Dieser hat oft mehrere Lieferanten angefragt, bekommt also eine Handvoll Profile, unter denen er mit oder ohne Mitwirkung des eigentlichen Auftraggebers auswählt.

Dieses Geschäftsmodell sieht bei erster Betrachtung ganz vernünftig aus; entscheidend ist, was dabei nicht stattfindet.

Hauptinteresse des Auftraggebers ist die rasche und zuverlässige Lösung eines Problems, natürlich auf wirtschaftliche Art uns Weise. Er denkt jedoch nicht primär in Honorarsätzen, sondern hat innerhalb eines Budgetrahmens möglichst viele gute Leistungen zu erbringen. Für einen Freelancer, der durch besondere Qualifikation und Erfahrungen in der Lage ist, eine Aufgabe rascher als geplant zu erledigen oder Aufwände an anderer Stelle zu vermeiden, wäre der Auftraggeber aufgeschlossen.

Das nützt ihm aber während der Personalauswahl nichts, denn zwischen ihm und dem Freelancer stehen sein Einkäufer und die von diesem ausgewählten Zwischenhändler, beide keine IT-Experten. Ihr Erfolg misst sich in anderen Kategorien.

Der Einkauf steckt hinsichtlich seiner Mission in einem Dilemma, das in [1] plastisch beschrieben wird. Den Auftraggeber dürfte freuen, was dort auf S. 31 gesagt wird: "Beschaffungsentscheidungen werden auf dem Prinzip des besten Gegenwertes für das eigene Unternehmen getroffen." Der Einkäufer und seine Gehilfen agiert jedoch nach der Devise von S. 16: "Der Wertbeitrag des Einkaufes entsteht durch Kosteneinsparungen oder -verhinderungen." Wer will es den Einkäufern nun verdenken, wenn sie den besten Gegenwert aus den Augen verlieren, wenn irgendwo eine Kosteneinsparung winkt? Der „beste Gegenwert“ freut den Auftraggeber im IT-Projekt, dem Einkäufer hingegen wird die Einsparung beim Honorarsatz als Erfolg angerechnet, und darauf konzentriert er sich.

Qualität? Schlagzahl erhöhen!

Als Folge davon verläuft auch beim Zwischenhändler der Auswahlprozess für Freelancer kaum nach dem Prinzip "bester Gegenwert". Für klassische Personalarbeit, also die umfassende Einschätzung einer Person und ihrer Leistungsfähigkeit, fehlt die Zeit. Stattdessen werden sowohl der Bedarf des Auftraggebers wie auch die Fähigkeiten des Freelancers auf eine Reihe von Stichworten, auf "Skills", reduziert. Nun kann man die Anforderungen aus der Projektausschreibung gegen eine Datenbank laufen lassen und alle Freelancer mit passenden "Skills" und günstigem Preis selektieren. Diese rasche und flüchtige Auswahl wird durch den Kostendruck beim Zwischenhändler notwendig. Entgegen einem bei Freelancern verbreiteten Vorurteil haben nämlich auch die Zwischenhändler keine traumhaften Margen mehr. Auch ihre Marge wurde von den Einkäufern als Objekt der Kosteneinsparung entdeckt. Das wiederum fördert einen Trend zu großen Zwischenhändlern, die ihre Tätigkeit taylorisieren: Vertriebler ermitteln den Bedarf beim Kunden, Recruiter – besser gesagt Researcher, denn Personalarbeit leisten sie kaum – suchen passende Profile und klären rasch die wichtigsten Daten, nämlich Preis und baldige Verfügbarkeit, mit dem Freelancer ab.

Nach außen hin erheben die Zwischenhändler natürlich den Anspruch, mit höchstem Einsatz genau die richtige, auf das Kundenproblem passende Person auf die Stelle zu bringen. Im Hintergrundgespräch hört man, und zwar aus den unterschiedlichsten Zwischenhändler-Unternehmen, hingegen oft ein und denselben Slogan: "Schlagzahl erhöhen!" Vertriebler werden an der Anzahl besetzter Positionen gemessen, Researcher an der Anzahl Telefonate, beide an der erzielten Marge.Da der Verkaufspreis an den Endkunden schon längst vom Einauf festgelegt wurde, ist die Marge nur durch Drücken des Einkaufspreises, also des Freelancer-Honorars zu steigern. Die variablen Gehaltsbestandteile des Personals der Zwischenhändler hängen von solchen, einfach messbaren, Größen ab, nicht von der perfekten Passform der weiterverkauften Freelancer. Dazu passt gut, dass mancherorts der Einkauf seinen Zwischenhändlern sogar verbietet, direkt mit den Auftraggebern zu sprechen. Wer also genauer als in der dürren "Skill"-Liste wissen will, wie die Anforderungen aussehen, verhält sich regelwidrig. Wir können nur vermuten, dass der Einkauf damit verhindern will, bei Absprachen über die zu beauftragende Person übergangen zu werden.

Zusammenfassend ist dieser Akquisitionsprozess in folgender Abbildung dargestellt. Eine detaillierte Untersuchung des Zwischenhändlermodells gibt [2].