Iwein Löwenritter - Felicitas Hoppe - E-Book

Iwein Löwenritter E-Book

Felicitas Hoppe

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Beschreibung

Von einem, der auszog, das Abenteuer zu suchen Iwein ist jung, er ist stark und er ist ein Ritter – der Beste der Besten! So gewinnt er auch das Herz der schönen Laudine. Bis zu seinem Lebensabend könnte er nun glücklich sein, an der Seite seiner Frau und als Herrscher vom Land Nebenan. Aber muss ein Ritter nicht weiter kämpfen, um sich zu beweisen? Iwein zieht aus und stürzt sich in die Abenteuer. Er kämpft mit Drachen, gewinnt einen Löwen zum Freund und besiegt sogar einen Riesen. Doch das größte aller Abenteuer wartet noch auf ihn. Ein Roman über die Freundschaft zwischen einem Ritter und seinem Löwen in der sagenhaften Welt von König Artus – fulminant!

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Seitenzahl: 221

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Felicitas Hoppe

Iwein Löwenritter

Nach einem Roman von Hartmann von Aue

Roman

 

 

Illustriert von Michael Sowa

Über dieses Buch

 

 

Von einem, der auszog, das Abenteuer zu suchen

 

Iwein ist jung, stark und er ist ein Ritter – der Beste der Besten! So gewinnt er auch das Herz der schönen Laudine. Bis zu seinem Lebensabend könnte er nun glücklich sein, an der Seite seiner Frau und als Herrscher vom Land Nebenan. Aber muss ein Ritter nicht stets kämpfen? Iwein zieht los und stürzt sich ins Abenteuer. Er kämpft mit Drachen, gewinnt einen Löwen zum Freund und besiegt einen Riesen. Doch das größte aller Abenteuer, das wartet noch auf ihn ...

Ein Roman über die Freundschaft zwischen einem Ritter und seinem Löwen in der sagenhaften Welt von König Artus – fulminant!

 

»Ein zeitloser Roman für alle Leser.« Deutschlandfunk

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de

Biografie

 

 

Felicitas Hoppe, geboren 1960 in Hameln, lebt als Schriftstellerin in Berlin und Leuk und ist reisend und vortragend rund um die Welt unterwegs. Seit 1996 veröffentlicht sie Erzählungen, Romane, Kinderbücher und Feuilletons und ist auch als Übersetzerin tätig. Ihr Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Sie ist u.a. Trägerin des Georg-Büchner-Preises und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

 

Michael Sowa, geboren 1945 in Berlin, gehört zu den namhaftesten Illustratoren Deutschlands. Seit dem Abschluss seines Kunstpädagogikstudiums 1975 ist er als freier Maler und Zeichner tätig. Seine Bilder erscheinen im Satiremagazin Titanic, in Büchern, auf Buchcovern und sogar auf der Kinoleinwand (Die fabelhafte Welt der Amélie). Michael Sowa wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. 1995 mit dem Olaf-Gulbransson-Preis und 2004 mit dem Berliner Buchpreis (Kategorie Kinderbuch). Er lebt in Berlin.

Impressum

 

 

Erschienen bei Fischer Sauerländer E-Book

 

© 2025, Fischer Sauerländer GmbH, Hedderichstraße 114, 60596 Frankfurt am Main

Zuerst erschienen 2008 als Hardcover mit farbigen Illustrationen in der Reihe Die Bücher mit dem blauen Band im S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main

Lektorat: Alexandra Rak

Covergestaltung: Dahlhaus & Blommel, Media Design, Vreden, unter Verwendung einer Illustration von Michael Sowa, und nach einem Entwurf von Jan Buchholz

Coverabbildung: Michael Sowa

ISBN 978-3-7336-1061-6

 

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

 

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Inhalt

[Widmung]

I. Iwein

1. Im Immerwald

2. Am Hof von vor tausend Jahren

3. Der Aufbruch

4. Das Land Nebenan

5. Der Mann in Gestalt eines Ungeheuers

6. Die Gewitterquelle

7. Der Burgherr vom Land Nebenan

8. Lunete

9. Der Ring, der unsichtbar macht

10. Laudine

11. Kopf und Herz

12. Der beste Ritter von allen

13. Lunete überzeugt Laudine

14. Iwein und Laudine

15. Der Herzenstausch

16. König Artus plant einen Ausflug

17. König Neugier erlebt ein Abenteuer

18. Der neue Burgherr

19. Schach dem Herzen

20. Im Garten

21. Abschied und Urlaub

22. Blaue Bänder

23. Der rote Sonntag nach Ostern

24. Der Fluch

25. Iweins Wahnsinn

26. Auf der Rodung

27. Die Herrin mit den weißen Händen

28. Iweins Heilung

29. Iwein wacht auf

30. Der Kampf gegen den Herrn mit den schwarzen Händen

II. Der Löwenritter

1. Der Drachenkampf

2. Die Rückkehr zum Brunnen

3. Die Stimme in der Kapelle

4. Die dreizehnte Burg

5. Der Kampf gegen den Riesen Harpin

6. Iwein rettet Lunete

7. Der Löwenritter und Laudine

8. Iwein versorgt seinen König

9. Der letzte Gast

10. Der Streit der beiden Schwestern

11. Die jüngere Schwester am Artushof

12. Die Suche

13. Unterwegs mit dem Löwenritter

14. Die Burg zum Schlimmen Abenteuer

15. Die gefangenen Frauen

16. Das Rasthaus zur letzten Nacht

17. Der doppelte Ritter

18. Der Kampf gegen den doppelten Ritter

19. Der König der Tiere entscheidet den Kampf

20. Die Rückkehr an den Hof von Artus

21. Der Zweikampf

22. Das Wiedersehen

23. Frieden

24. Fest und Abschied

25. Die Rückkehr

26. Am Brunnen

27. Laudine reitet aus

28. Der Wunsch

29. Wettstreit der Herzen

30. Ein König nimmt Abschied

Meinen vier furchtlosen Neffen

I.Iwein

1.Im Immerwald

KENNT IHR DIE GESCHICHTE VON IWEIN, der eines Tages aus lauter Langeweile auszog, um Abenteuer zu suchen, und sein Herz dabei gegen ein anderes tauschte und deshalb seinen Verstand verlor? Danach irrte er durch den Immerwald und musste gegen tausend Ungeheuer kämpfen, bis alles doch noch ein gutes Ende nahm.

Wie das kam, wollt ihr wissen? Dann hört mir gut zu, denn besser als ich erzählt die Geschichte euch keiner, ich war nämlich dabei. Die Geschichte ist übrigens ziemlich alt, mindestens tausend Jahre. Kann aber auch sein, sie ist erst gestern passiert, als ihr gerade unterwegs ins Bett wart, auf dem Weg in die Träume.

Ich liebe die Träume. Besonders nach einem gewonnenen Kampf oder nach einem guten Essen. Man liegt warm und satt im Halbschlaf und hört lange Geschichten, in denen die Zeit keine Rolle spielt. Um die Zeit habe ich mich sowieso nie gekümmert, wahrscheinlich ist sie nur eine Erfindung der Lehrer, und von Stundenplänen verstehe ich nichts.

Also vergesst die Schule, und stellt euch stattdessen einen Wald vor, einen Wald wie im Märchen. Finster und voller Geräusche und voller unsichtbarer gefährlicher Tiere. Das ist der Wald von vor tausend Jahren, der Immerwald.

Ein endloser Wald ohne Wege und Schilder, in dem sich selbst Ritter und Könige verirren und in dem die Bäume so hoch in den Himmel wachsen, dass man keinen Himmel mehr sieht.

Keine Sonne bei Tag, keinen Mond in der Nacht und auch keine Sterne.

Hier kennen sich nur noch die Tiere aus. Denn selbst bei Tag ist dieser Wald so stockdunkel, dass man die Hand nicht vor Augen sieht. Will ein Mensch diese Finsternis besiegen, dann braucht er viel Kraft. Aber Kraft allein reicht nicht, man braucht auch Mut und ein starkes Herz und ein schlagendes Schwert. Wenn man damit die Finsternis in zwei Hälften haut, steht man plötzlich auf einer Lichtung.

Stellt euch jetzt also die Lichtung vor und auf dieser Lichtung zwei wilde Tiere. Einen prächtigen Löwen und einen schrecklichen Drachen, die bis aufs Blut miteinander kämpfen.

Ihr behauptet, ihr wisst, was Löwen sind? Vielleicht habt ihr sogar neulich einen gesehen? Aber ich rede hier nicht von Löwen im Zoo oder im Zirkus, die auf kleinen Hockern sitzen und gähnen, um ihre Zähne zu zeigen, und wenn der Dompteur mit der Peitsche knallt, springen sie manchmal durch brennende Reifen.

Das sind keine Löwen, das sind große Katzen, die nur so tun, als ob sie Könige wären. Weiß eine von diesen Katzen wirklich, was es bedeutet, einen Kampf auf Leben und Tod zu führen? Auge in Auge mit einem Drachen?

Ich dagegen weiß das genau. Denn wenn ich von Drachen rede, dann meine ich Drachen, ich meine den Fürchterlichsten von allen. Das ist der Immerwalddrache. Sein Atem ist Feuer, seine Zunge eine Peitsche, seine Beine sind Säulen, sein Schritt dröhnt wie Trommeln, und sein Leib ist ein Panzer aus Schuppen und Schlamm.

Aber schlimmer als alles ist sein Hunger, denn der Immerwalddrache muss Tag und Nacht fressen und wird trotzdem nicht satt. Er kennt keinen Schlaf und keine Träume. Ruhelos wandert er durch den Wald und ist immer allein, weil alle ihn fürchten. Seine Zähne sind Messer, und sein Schlund ist ein Abgrund, in dem alles verschwindet. Alles, was atmet, muss der Drache verschlingen.

Ich bin zwar noch nie in der Hölle gewesen, aber schlimmer kann auch die Hölle nicht sein.

Der Löwe ist aber der König der Tiere, und ein König muss kämpfen, sonst ist er kein König. Also stellt euch jetzt vor, wie der Löwe gegen den Drachen kämpft, mit Zähnen und Klauen, brüllend und schlagend, bis ihm am Ende die Luft ausging, weil ihn der Atem des Drachen dort traf, wo bei uns allen das Leben sitzt, nämlich mitten ins Herz.

Aber als der Löwe sich schon ans Sterben machte, hörte er plötzlich eine Stimme. Eine klare und kräftige Stimme, die vom Rand der Lichtung herüberkam. Und aus dem fetten Nebel aus Rauch und Gestank trat ein Ritter.

Und wenn ich Ritter sage, dann meine ich Ritter! Einen echten Ritter. Sein Pferd war weiß, seine Rüstung war weiß, und in der Faust hielt der Ritter ein Schwert. Ein Immerschwert. Das ist das beste Schwert von allen. Nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu leicht, nicht zu schwer, sondern genau richtig.

Wenn man weiß, wie so ein Schwert zu führen ist, dann kann man damit die Finsternis zerhauen und sogar den Immerwalddrachen erschlagen. Und dieser Ritter wusste genau, wie man ein Immerschwert führen muss. Denn dies ist der beste Ritter von allen.

Auch der Drache erkannte den Ritter sofort und begriff, dass seine Stunde geschlagen hatte. Aber er wollte sich nicht geschlagen geben, sondern bäumte sich ein letztes Mal auf und spuckte ein letztes Mal Galle und Gift und stieß einen allerletzten Schrei aus. Ein grässliches Brüllen, so laut und entsetzlich, dass der ganze Wald plötzlich erstarrte, als wäre ein Frost in den Wald gefahren.

Die Tiere erstarrten, die Bäume erstarrten, alle Büsche und Zweige erstarrten, und an den Zweigen erstarrten die Blätter. Auch das Pferd des Ritters erstarrte. Nur der Ritter erstarrte nicht. Aber wie er sein Pferd auch drängte und trieb, mit Händen und Füßen und guten Worten, es rührte sich nicht von der Stelle.

Was dem Ritter da übrig blieb? Nicht viel. Er sprang einfach vom Pferd und ging zu Fuß weiter. Sein Immerschwert fest in beiden Fäusten ging er voran und wich nicht zurück.

Und während der Ritter weitergeht, Fuß vor Fuß und Auge in Auge mit dem Immerwalddrachen, hält der Immerwald seinen Atem an, die ganze Welt hört auf zu atmen. Als wäre die Zeit plötzlich stehengeblieben.

Glaubt es mir, oder glaubt es mir nicht, wahr ist es trotzdem: Mit einem einzigen Hieb erschlug der Ritter den Immerwalddrachen, mitten hindurch, von oben nach unten, kurzerhand vom Scheitel zum Fuß!

Und zwischen den Hälften des stürzenden Drachen stieg eine Säule aus Feuer und Rauch über der Lichtung des Immerwalds zum Himmel empor.

Das habe ich selbst gesehen.

2.Am Hof von vor tausend Jahren

ABER WENN IHR WISSEN WOLLT, wie die Geschichte jetzt weitergeht, dann müsst ihr erst wissen, was vorher geschah. Denn die Geschichte fängt nicht im Immerwald an, sondern in einem anderen Land.

Das ist das Land von vor tausend Jahren. Dort lebt an seinem prächtigen Hof der größte und mächtigste König von allen. Unter den Menschen jedenfalls ist er der größte, und ich wette, ihr kennt ihn, denn jeder hat irgendwann von ihm gehört. Sein Name ist Artus.

Stellt euch jetzt also den Königshof vor. Dort ist der Himmel immer blau. Morgens hellblau und abends dunkelblau. Man sieht die Sonne bei Tag und den Mond bei Nacht und alle Sterne. Dort steht in einem herrlichen Garten der schönste und größte Palast der Welt.

Und in dem Garten gehen schöne Frauen spazieren, die, wenn ich das richtig verstanden habe, eigentlich gar keine Frauen sind, sondern Damen, die Gedichte aufsagen und Lieder singen. Manche spielen auch Schach. Sie spielen übrigens besser als alle Ritter, aber weil sie so gut erzogen sind, lassen sie immer die Ritter gewinnen.

Am Hof von König Artus herrschen nämlich strenge Regeln, und die oberste Regel ist Höflichkeit.

Und jetzt der Palast. Dort gibt es einen riesigen Saal. Und in der Mitte dieses riesigen Saals steht ein riesiger runder Tisch, den haben tausend Tischler gezimmert. An diesem riesigen runden Tisch haben mindestens tausend Ritter Platz. Der König hat nämlich andauernd Gäste. Natürlich hat sich herumgesprochen, dass hier nur die Besten der Besten sitzen.

Stellt euch jetzt also den runden Tisch vor, an dem nur die Besten der Besten sitzen.

Aus der Küche zieht der Duft von saftigen Braten, die Köche schleppen goldene Schüsseln herein und rollen Fässer, aus denen der Wein in silberne Becher fließt. Das ist der Wein von vor tausend Jahren, der Immerwein, den nur die Besten der Besten vertragen, weil allein schon der Duft betrunken macht.

Manchmal gibt es vor dem Essen auch noch ein Turnier. Dann steigen die Ritter auf ihre Pferde, bis an die Zähne bewaffnet mit Lanzen und Schwertern. Das sind die besten Schwerter von allen, die berühmten Immerschwerter, die es nur am Hof von König Artus gibt.

Die Ritter hauen und stechen, so gut sie können, bis einer von ihnen schließlich vom Pferd fällt. Manchmal dauert das ziemlich lange, denn keiner will sich geschlagen geben. Die Ritter reiten, die Damen klatschen. Und wenn am Ende der Beste gewinnt, bekommt er zur Belohnung ein blaues Band und bindet es seinem Pferd in die Mähne.

Das ist das berühmte blaue Band. Es ist überaus kostbar, deshalb darf es nur Ginevra vergeben, denn Ginevra ist die Frau von Artus und die größte und schönste Königin. Eine schönere gibt es auf der Welt nirgends, deshalb liebt sie der König auch mehr als sein Leben. Alle anderen lieben sie auch. Aber davon darf der König nichts wissen.

Wie ihr seht, besitzt König Artus alles, was ein Mensch nur besitzen kann. Aber trotzdem ist er nicht glücklich. Vielleicht hat er einfach die Lust verloren, seit tausend Jahren König zu sein.

Seinen Palast verlässt er nur selten, die Lust am Jagen hat er verloren, und so kommt es, dass er wenig erlebt. Im Immerwald ist er nie gewesen, wahrscheinlich hat er noch nie einen Drachen gesehen und niemals selbst gegen einen gekämpft. Das meiste kennt er nur aus Geschichten, die ihm seine Ritter erzählen.

Ohne Geschichten kann der König nämlich nicht schlafen. So groß ist sein Hunger nach Geschichten, dass alle Ritter am runden Tisch ununterbrochen erzählen müssen, von morgens bis abends, bis zur Erschöpfung. Vor lauter Erschöpfung schlafen sie manchmal beim Erzählen fast ein. Nur der König bekommt niemals genug. Er wird einfach nicht satt.

Deshalb nennen ihn manche auch König Neugier oder den König der großen Langeweile. Aber nur hinter vorgehaltener Hand, denn große Könige sind empfindlich.

Und weil der König mehr Geschichten hören will, als selbst tausend Ritter erzählen können, und weil sie sich vor seinem Hunger fürchten, müssen sie Abenteuer erfinden, die sie noch gar nicht selber erlebt haben.

Aber das merkt der König sofort, denn der König sehnt sich nach wahren Geschichten. Wahre Geschichten sind allerdings selten, vor allem an einem Königshof.

3.Der Aufbruch

SO WAR ES AUCH AN EINEM SONNTAG vor Ostern, der schön war und blau. Über dem Feuer brieten die letzten Ochsen, aber die Ritter waren längst satt. Alle hatten wie immer zu viel gegessen und viel zu viel roten Wein getrunken. Selbst den Besten der besten Gäste fielen keine Geschichten mehr ein.

Und wie immer hatte es Streit gegeben, denn alle wollten an der Seite des Königs sitzen oder an der Seite der Königin. Aber jetzt war es schon weit nach Mitternacht, und sie stritten nicht mehr um die besten Plätze, sondern saßen schläfrig Schulter an Schulter um den runden Tisch herum.

Der König saß neben der Königin, und neben der Königin saß Ritter Iwein, denn das ist der Allerbeste der Besten. Auf der anderen Seite des Königs saß Ritter Gawein. Diesen Namen müsst ihr euch merken, das ist der beste Freund von Iwein. Oder auch nicht. Das wird sich noch zeigen.

Und dann gab es da noch einen, der saß nicht am Tisch, sondern der lag unter dem Tisch, zwischen den Füßen der betrunkenen Ritter. Den müsst ihr euch besonders gut merken, der will nämlich nicht mit an der Tafel sitzen und immer dieselben Geschichten hören. Der zieht den Schlaf den Geschichten vor, besonders nach einem guten Essen.

Das ist Herr Keie. Aber obwohl Keie unterm Tisch liegt und schläft und gegen die Höflichkeitsregel verstößt, ist er bei Hof ein wichtiger Mann. Keie ist nämlich Oberhofmeister und herrscht über das ganze Hofpersonal. Der hat Aufsicht über tausend Köche und Gärtner und über alles, was bei Hof die Arbeit macht.

Keie schläft aber nur zum Schein, denn selbst im Schlaf hält er immer ein Auge offen und weiß genau, was vorgeht, dem macht man nichts vor. Und er hat eine gefährliche Zunge, die ist schärfer als jedes Immerschwert. Darum fürchten ihn alle.

Keie erzählt nämlich keine Geschichten, sondern sagt frei heraus, was er denkt und fühlt. Seine Zunge spricht wie sein Herz. Und Keies Herz ist nicht freundlich, sondern düster.

Vielleicht kommt das davon, dass er von morgens bis abends befehlen muss. Deshalb ist er am Hof auch so unbeliebt und hat keine Freunde und liegt nach dem Essen unterm Tisch, anstatt oben mit in der Runde zu sitzen.

Aber es ist keiner der tausend Ritter gewesen, sondern der Oberhofmeister Keie persönlich, der in der blauen Nacht am Sonntag vor Ostern plötzlich unter dem Tisch seine Zunge wetzte und Iwein gegen die Schienbeine klopfte und leise und deutlich zu flüstern begann.

»Hör mir gut zu, Iwein«, flüsterte Keie, »ich weiß genau, dass du der Allerbeste bist, und ich sehe genau, wie sehr du dich langweilst und dass du hier nur deine Zeit vertust. Du kommst hier bei Hof nicht auf deine Kosten. Das ist auch kein Wunder, denn was sind das für Männer? Und was sind das für Frauen? Warum verschwendest du deine Zeit mit Schach und Turnier und schlechten Geschichten? Du brauchst dringend ein richtiges Abenteuer, vielleicht sogar zwei oder drei oder tausend!«

Während er sprach, rückte Keie immer dichter an Iwein heran und schob unterm Tisch seinen Mund an Iweins Knie und sagte mit nochmals gesenkter Stimme:

»Iwein, ich will dir etwas verraten. Keine Geschichte, sondern ein Geheimnis. Das ist das Geheimnis vom Land Nebenan, in dem es noch richtige Abenteuer gibt. Und wenn ich Abenteuer sage, dann meine ich Abenteuer, nicht Schachspiel und Tanzen. Ich rede von richtigen Ungeheuern. Jenseits der Grenze im Land Nebenan leben noch richtige Ungeheuer. Und nicht nur richtige Ungeheuer, sondern auch richtige Frauen. Und wenn ich Frauen sage, dann meine ich Frauen! Nicht Frauen, die Gedichte aufsagen und Lieder singen und aus Höflichkeit im Schachspiel verlieren. Aber dass du das nicht der Königin sagst, das könnte sie kränken.«

Da gingen Iwein die Ohren auf. Und nicht nur die Ohren, sondern auch das Herz. Er war plötzlich hellwach, und er wurde sehr aufgeregt. Sein Blut begann schneller zu fließen, und das Herz in seiner Brust schlug so heftig, wie es schon lange nicht mehr geschlagen hatte.

Ihr wisst ja selbst, wie gut sich ein schlagendes Herz anfühlt! Und ihr könnt euch denken, wie sehr Iwein der Gedanke gefiel, jetzt sofort und ohne zu zögern aufzustehen und auf der Stelle davonzureiten, in ein anderes Land, das er niemals gesehen hatte. In das unbekannte Land Nebenan, jenseits der Grenze.

»Erzähl mir mehr davon!«, sagte Iwein hastig, und seine Stimme zitterte vor Ungeduld. »Von was für Ungeheuern sprichst du?«

Da lachte Keie und schlug Iwein mit leichter Hand aufs Knie, denn er lag immer noch unter dem Tisch.

Aber dann senkte er wieder die Stimme und sagte leise: »Wie kann ich das wissen? Ich bin nie im Land Nebenan gewesen, ich habe nur davon gehört. Wenn du Genaueres wissen willst, dann steig auf dein Pferd und reite drei Tage. Reite immer der Sonne nach. Und wenn du bis dahin geritten bist«, wieder klopfte er gegen Iweins Knie, »wirst du das Ungeheuer erblicken. Und sobald du das Ungeheuer erblickst, wirst du auch wissen, wer es ist, wie es aussieht, was es tut und spricht. Und danach kommst du wieder und erzählst mir davon. Oder auch nicht. Ganz danach, wie es kommt.«

So redete Keie.

Und so kam es, dass am Ende der Nacht, noch bevor zwischen Sonntag und Montag die Sonne aufging, Iwein heimlich den Hof von Artus verließ. Er bestieg sein Pferd und ritt einfach davon, und niemandem hat er den Plan verraten.

Nicht dem König und auch nicht der Königin, nicht einmal seinem besten Freund Gawein. Er ritt einfach davon und hat sich nicht umgedreht.

4.Das Land Nebenan

UND WO SIND WIR JETZT? Wir befinden uns zwischen Nacht und Morgen, zwischen gestern und heute, wir befinden uns genau auf der Grenze, denn eben hat mit den hinteren Hufen Iweins Pferd ganz flüchtig die Grenze berührt. Und schon sind wir drüben, jenseits, auf der anderen Seite. Wir sind im Land Nebenan.

Allerdings merkte Iwein das nicht, denn die Grenze war eigentlich gar nicht zu sehen, und das Land Nebenan sah nicht anders aus als das Land, aus dem er gekommen war.

Auch hier standen Bäume mit Zweigen und Blättern, und auf den Ästen saßen Vögel, die sangen, was alle Vögel singen. Was man so singt, wenn es Morgen wird.

Denn es wurde Morgen. Es wurde heller und heller, aber Iwein dachte gar nicht daran, anzuhalten und auszuruhen, er dachte auch nicht an sein Pferd, das die ganze Nacht durch gelaufen war und bestimmt von frischem Wasser träumte. Er trieb es einfach weiter voran, immer der Sonne nach, wie Keie ihm geraten hatte.

So sind Ritter. Solange sie selbst keinen Durst verspüren, gibt es für sie überhaupt keinen Durst, auch nicht den Durst ihres eigenen Pferdes.

So war auch Iwein. Sein Durst auf Abenteuer war so groß, dass er den richtigen Durst vergaß. Also ritt er immer weiter und konnte nichts Besonderes finden im Land Nebenan.

Da war er enttäuscht. Aber wie er so ritt und weiter ritt, immer der Sonne nach, merkte er plötzlich, dass es dunkler wurde, obwohl es noch nicht einmal Mittag war und die Sonne noch nicht am höchsten stand.

Das war, weil der Wald immer dichter wurde und die Büsche dicker und die Bäume höher. Auch die Stimmen der Vögel wurden jetzt leiser. Denkt aber nicht, wir wären im Immerwald, denn so dunkel wie der Immerwald kann der Wald Nebenan niemals sein.

Iwein war es auch so schon dunkel genug. Die Zweige hingen so tief von den Bäumen, dass sie in die Mähne des Pferdes griffen, und manche Zweige schlugen ihm beim Reiten ins Gesicht oder auf seinen Nacken. Aber dafür hat ein Ritter ja Rüstung und Helm.

Wie er so ritt, kam er plötzlich durch das Dickicht auf eine Rodung, auf einen offenen Platz, ganz ohne Bäume, der sah wie ein frisch gepflügter Turnierplatz aus.

Zu sehen war zwar keine Menschenseele, aber dafür war der Platz voller Tiere. Und wenn ich Tiere sage, dann meine ich Tiere, nicht solche, wie ihr sie zu Hause habt, sondern richtige Tiere. Wilde Tiere aller Arten und Größen, die in einem heftigen Streit miteinander lagen.

Alle zeigten Hörner, Zähne und Klauen und stießen, hauten und bissen damit aufeinander ein, als hätte man lauter Ritter als Tiere verkleidet. Nur waren keine Zuschauer da, kein König und keine Königin, auch keine Damen. Es war überhaupt niemand zu sehen.

Erst als Iwein aus dem Dickicht hinaus auf den Platz trat, sah er zu seinem Erstaunen, dass die Tiere doch nicht ganz unter sich waren. Mitten unter den wilden Tieren saß ein Mensch, auch wenn er nicht aussah wie ein Mensch, sondern wie ein Mann in Gestalt eines Ungeheuers.

5.Der Mann in Gestalt eines Ungeheuers

ER WAR VOLLKOMMEN SCHMUTZIG, von Kopf bis Fuß schwarz, als trüge er eine Rüstung aus Schlamm. Sein Kopf war größer als der eines Ochsen. Sein Gesicht war rund wie die Tafelrunde. Der Mund darin war breit wie die Ofenklappen in den Küchen der tausend Köche bei Hof. Und seine Ohren waren groß wie Schüsseln, aber nicht aus Gold, sondern mit fettem Moos bewachsen.

So war auch die Nase und das ganze Gesicht, durch das Falten zogen wie tiefe Gräben. In der Mitte saßen rote Augen, die waren klein und zornig und wild. Vielleicht waren sie aber einfach nur müde.

Sein Haar war ein Teppich aus Ruß und Filz, und so war auch sein Bart. Von seinen Zähnen sprechen wir besser nicht, das waren die Zähne eines Ebers, richtige Hauer.

Sein Rücken war gebeugt, denn er trug einen Buckel, wie den Höcker eines Kamels. Anstelle von Kleidern trug er Felle, die hatte er seinen Tieren abgezogen.

So saß er zwischen den Tieren und sah ihnen ungerührt beim Kämpfen zu. In der Faust hielt er eine Keule. Die gefiel Iwein gar nicht.

Aber Iwein fasste sich trotzdem ein Herz, schließlich suchte er Abenteuer. Wozu sonst war er unterwegs? Also trat er in die Mitte des Platzes, zwischen die wütenden Tiere. Dabei hielt er sein Immerschwert fest umfasst. Denn er fürchtete die Tiere.

Den Mann fürchtete er auch. Vielleicht war dieser Mann gar kein Mann, sondern genau jenes Ungeheuer, von dem Keie unterm Tisch geflüstert hatte.

Und weil der seltsame Mann nicht sprach, erhob Iwein jetzt selbst seine Stimme und fragte:

»Willst du mir wohl oder übel?«

Der Mann in Gestalt eines Ungeheuers sagte laut und deutlich in menschlicher Sprache:

»Tust du mir nichts, tu ich dir nichts.«

»Und was bist du für einer?«, fragte Iwein.

»Ich bin, wie du siehst, ein Mann wie du«, sagte der Mann in Gestalt eines Ungeheuers.

»Wenn du ein Mann bist, was machst du dann zwischen den wilden Tieren?«, fragte Iwein.

»Das siehst du doch, ich hüte sie. Ich muss sie hüten, und sie müssen gehorchen«, sagte der Mann.

»Aber wie können dir diese Tiere gehorchen?«, fragte Iwein. »Sie sind wild, und kein Mensch kann sie zähmen.«

Da lachte der Mann in Gestalt eines Ungeheuers und sagte:

»Ich sehe, du verstehst nichts von Menschen und Tieren. Warum sollen sie nicht gehorchen? Sie müssen gehorchen. Ich zähme sie nämlich auf dreierlei Weise. Erstens mit meiner Hand, zweitens mit meiner Zunge und drittens mit meiner Geduld.«

Da schwieg Iwein verlegen, denn er verstand überhaupt nicht, wovon der Mann sprach.