Jack Slade 1002 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 1002 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der Saloon war an diesem frühen Nachmittag schlecht besucht. Anständige Menschen gingen um die Tageszeit ihrer Arbeit nach, die Goldgräber befanden sich in ihren Minen oder auf den Claims. Wer um die Zeit im Saloon hockte, hatte entweder einen besonderen Grund dafür oder gehörte zum Gesindel, von dem es in Butte nicht wenig gab. Da taumelte plötzlich ein bärtiger Goldgräber mit blutigem Gesicht durch die Schwingtür. Er röchelte und rang nach Luft, hielt sich den Hals ...


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Inhalt

Cover

Den Feind im Rücken

Vorschau

Impressum

Den Feind im Rücken

Der Goldgräber Henry Barton ist ein relativ windiger Bursche, der wenig Lust hat, dem Mitinhaber des gemeinsamen Claims bei der Arbeit zur Hand zu gehen. Lieber treibt er sich in Butte, Montana, herum und vergnügt sich mit schönen Frauen. Bis eines Tages ein Rotrock in der Bretterbudenstadt auftaucht: ein waschechter kanadischer Mounty in voller Montur.

Den Feind im Rücken haben beide schneller, als ihnen lieb sein kann. Im Zuge seiner Jagd nach dem Mörder eines Mounty-Kameraden stöbert Justin de Lasalle eine Menge Gelichter auf, das sich auf den Goldfeldern Montanas tummelt. Henry schließt sich ihm an, aber nicht immer ist der Jäger listiger als der Gejagte!

Der Goldgräber Henry Barton, Winchester Henry genannt, stiefelte übler Laune die Mainstreet von Butte entlang. Er hatte Nora Fletsher aufsuchen wollen, seine Geliebte. Doch ausgerechnet war ihr Mann, der Fleischgroßhändler Bud, früher nach Hause gekommen. Dabei hatte sich Henry auf das Zusammensein mit der heißblütigen Nora sehr gefreut.

Jetzt überlegte er, ob er zu einer anderen gehen sollte – er kannte noch mehr Frauen in Butte und Umgebung. Bei den Weibern rackerte er sich mehr ab und schenkte ihnen mehr Aufmerksamkeit als seiner nicht sehr ergiebigen Goldmine. Sein Partner tadelte ihn oft dafür.

Doch er war mit Nora verabredet gewesen, und wie er bei den anderen ankam, wusste er nicht. So ein Pech, dachte er, was muss der Esel von Metzger auch früher heimkommen!

Bud Fletsher war ein gelernter Metzger – jetzt belieferte er Saloons, Restaurants, die Großküche in der Armon Street und Goldgräbercamps mit Fleisch. Das bezog er von Jägern und Trappern und Wer-weiß-woher. Er war ein umtriebiger und cleverer Mann und hatte alles Griff.

Nur seine viel jüngere und hübsche Frau nicht.

»Mir wird jedes Mal schlecht, wenn er mich mit seinen groben Metzgerpfoten anfasst«, hatte sie Henry anvertraut.

»Warum bleibst du dann bei ihm?«

»Ph«, hatte Nora gemacht. Sie lag nackt bäuchlings im Bett, rauchte ein Zigarillo und war von der Liebe erhitzt, »es gibt Schlimmere als ihn. Er ist reich, er bietet mir Luxus und Sicherheit.«

Das waren Argumente. Henry hatte kein schlechtes Gewissen, es mit Bud Fletshers Frau zu treiben. Er hatte überhaupt wenig Gewissen, was Frauen betraf, die seine Leidenschaft waren.

Er überlegte. In ein Hurenhaus wollte er nicht gehen, das war ein Prinzip von ihm. Für Sex bezahlte er grundsätzlich kein Geld.

Gerade als er am »Gold Hill Saloon« vorbeikam, hörte er drinnen Lärm. Es rappelte und polterte. Geschrei erklang. Da war eine zünftige Rauferei im Gang. Das gab es in Butte öfter – normalerweise hätte es Henry nicht interessiert.

Doch dann hörte er französische Flüche und eine Männerstimme mit einem etwas fremdartigen Akzent.

»Sacrebleu! Cinq contre un, c'est injuste!« Dann, von derselben Stimme in Englisch: »Mich kriegt ihr nicht klein. Ein Rotrock gibt sich nicht geschlagen.«

Henry verstand recht gut Französisch. Er hatte einen Onkel in Kanada und war als Kind und später mehrmals bei ihm gewesen. Der Onkel war Frankokanadier, und bei ihm hatte Henry Französisch in der frankokanadischen Version gelernt.

Verdammt, und: Fünf gegen einen, das ist unfair!, hatte der Rotrock in dem Saloon gerufen. Ein Rotrock, das waren die Männer der Royal Canadian Mounted Police, der Elite-Polizeitruppe Kanadas. Was hatte ein Mounty in Montana zu suchen?, fragte sich der junge Goldgräber.

Neugierig trat er näher. Noch bevor er durch die Schwingtür trat, taumelte ihm ein bärtiger Goldgräber mit blutigem Gesicht entgegen. Er röchelte, rang nach Luft und hielt sich den Hals.

Anscheinend hatte er eins auf die Gurgel gekriegt, so, wie er die Augen aufriss und nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Henry ließ ihn vorbei und trat ein.

Der Saloon war am frühen Nachmittag schlecht besucht. Anständige Menschen gingen um diese Tageszeit ihrer Arbeit nach. Die Goldgräber befanden sich in ihren Minen oder auf den Claims. Wer um diese Zeit im Saloon hockte, hatte entweder einen besonderen und triftigen Grund dafür oder gehörte zu dem Gesindel, von dem es in Butte nicht wenig gab.

Ein paar Zuschauer hielten sich heraus. Frauen, also Saloongirls, waren nicht im Raum. Der schielende Joe, der Barkeeper, stand grinsend hinter dem Tresen. An der Wand über den Flaschenregalen hing ein mächtiges Elchgeweih.

Vier Strolche hatten den Mounty in der Mangel. Sie prügelten wüst auf den hochgewachsenen barhäuptigen Mann mit dem roten Rock und den hohen Stiefeln ein. Der Mounty hatte dunkles Haar und einen kleinen Schnurrbart. An seinem Gürtel hing ein Revolver in einem geschlossenen Holster.

Doch den zog er nicht. Er wehrte sich seiner Haut, wie Henry es selten gesehen hatte. Mit Händen und Füßen teilte er aus. Er brachte sogar Tritte und Stöße mit der Fußkante in Kopfhöhe an. Drei seiner Gegner schickte er zu Boden.

Den Vierten hätte er auch geschafft. Doch der zog einen kurzläufigen Bulldog-Revolver.

Er grinste. »Jetzt geht es dir an den Kragen, Franzmann. Hoch mit euch, Jungs, wir wollen das Schwein erledigen, das unseren guten Freund Shang Croyd hochnehmen will.«

Henry sträubten sich die Haare. Shang Croyd war ein berüchtigter Name in den Goldfeldern von Montana. Wenn man aufzählte, was er nicht verbrochen hatte, war man früher fertig als mit einer Liste seiner Verbrechen. Doch er hatte sich immer wieder einer Verurteilung entziehen können.

Selbst die Vigilanten hatten ihn nicht gekriegt.

Der Mounty blieb starr stehen. Er wusste, wenn er sich verkehrt bewegte, knallte es. Von den Männern, die er zu Boden geschickt hatte, standen zwei wieder auf, von seinen Fäusten und Füßen gezeichnet.

Dem einen stand die Nase schief, dem anderen schwoll ein Auge zu. Am Boden war Blut zu sehen, und ein paar Zähne lagen herum. Der Mounty hat den Teufel im Leib, dachte Henry.

Doch jetzt war er dran. Der mit der schiefen blutigen Nase nahm eine Flasche vom Tresen und zerschlug sie. Er hielt die scharfkantige Scherbe in der Hand.

»Dir zerschneide ich die Visage!«, drohte er dem Rotrock. »Rocky, schieß ihm in den Bauch, wenn er auch nur zuckt.«

Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Jetzt kam auch der Bärtige herein, der vorher nach Luft schnappend hinausgetaumelt war. Auch er hatte eins von dem Mounty gekriegt. Er hielt ein langes Bowiemesser in der Hand.

»Ich schlachte den Mounty!«, knirschte er. »Ich hole ihm die Eingeweide heraus.«

»Wenn ich Shang Croyd nicht nach Kanada bringe, damit er gehängt werden kann, wird es ein anderer tun«, sagte der Mounty. »Meine Kameraden von der berittenen Polizei werden mich rächen.«

»Die kriegen uns nicht«, sagte der bullige Typ mit der Flaschenscherbe. »Und selbst wenn, du hast nichts mehr davon.«

Der Hagere mit dem Bulldog-Revolver grinste. Es war klar, dass er abdrücken würde, wenn der Mounty auch nur verkehrt zuckte. Und im »Golden Hill Saloon«, der besser »Dirty Hole Saloon« geheißen hätte – Dreckloch Saloon – würde es keine dafür Zeugen geben, wer den Mounty abgemurkst oder verstümmelt hatte.

Das wollte Henry nicht mit ansehen. Er stellte dem Bärtigen mit dem Bowiemesser ein Bein, sodass der Mann lang hinschlug. Dann feuerte er – sein Winchesterschuss krachte.

Scheinbar ohne zu zielen, schoss er dem Hageren den Revolver aus der Hand, lud blitzschnell durch und schoss dem Halunken mit der Flaschenscherbe ein Stück davon weg. Dann haute er dem Bärtigen vor ihm den Kolbenboden der Winchester mit Wucht ins Genick, dass er sich langlegte und eine Weile kampfunfähig war.

Schon hielt er die Winchester wieder schussbereit. Er hatte sich blitzschnell bewegt. Drei der Halunken schauten ihn an. Zwei lagen am Boden und regten sich nicht.

Alle im Saloon starrten auf Henry, auch der Rotrock. Er sah dankbar und erleichtert aus. Der Barkeeper griff unter den Tresen. Henry bemerkte es.

»Du da, Crosseye, unter dem Elchgeweih! Nimm deine Flossen hoch, damit ich sie sehen kann.«

Der Barkeeper schien in die Ecke zu schauen statt in die rauchende Mündung.

»Was mischst du dich ein, Winchester Henry?«, fragte er. »Damit machst du dir gefährliche Leute zum Feind.«

Der breitschultrige und dunkelhaarige junge Goldgräber mit den blitzend blauen Augen im scharfgeschnittenen und markanten Gesicht lachte. Er war glattrasiert und trug eine dunkle Lederweste und Jeans. Ein kühner Mann – was kostet die Welt, sagte sein Lachen?

»Sorge dich deswegen nicht, Crosseye. Für diese Leute bin ich gefährlicher als sie für mich. Ich mag es nun mal nicht, wenn Leute aus unserem Nachbarland schlecht behandelt werden. Der Rotrock ist Gast in unserem Land.« Henry wandte sich an diesen. »Lass uns gehen, Monsieur. Oder sollen wir diese Schurken zum Sheriff bringen?«

»Was sollte das bringen?«, fragte der Mounty in kanadisch eingefärbtem Englisch. »Ich bin kein Monsieur, ich bin Kanadier. Mein Name ist Justin Armand Gaétan de Lasalle. Ich bin Corporal der Königlich Kanadischen Berittenen Polizeitruppe und befinde mich in einer besonderen Mission in den USA. Danke, dass Sie mir geholfen haben, Sir.«

Der Mounty grüßte militärisch.

»Ich bin kein Sir«, sagte Henry trocken. »Henry Barton, mein Name, genannt Winchester Henry. Goldgräber. Lass uns dieses Dreckloch verlassen, Mounty. Ich habe dir die Haut gerettet, vermutlich sogar das Leben. Blutend wie ein Schwein und mit zerschnittenem Gesicht hätten sie dich hier nicht rauslassen dürfen. Auf die Förmlichkeiten sollten wir also verzichten.«

»Sag Justin zu mir.« Der Mounty grinste. »Wir gehen.«

Sie verließen den Saloon. Der Bärtige bei der Tür am Boden regte sich wieder. Der andere, den der Mounty ausgeknockt hatte, lag immer noch in tiefer Bewusstlosigkeit. Der Hagere, dem Henry den Bulldog-Revolver aus der Faust geschossen hatte, hielt sich die geprellte Hand.

Die Schwingtür pendelte hinter den beiden Männern. Sie bildeten ein ungleiches Paar. Henry mit seiner fransenbesetzten Wildlederjacke und der Mounty im roten bis zur Hüfte reichenden Waffenrock mit gelben Knöpfen und königsblauen Abzeichen, mit Tressen, dunkelblauen Breeches, kniehohen Stiefeln sowie breitkrempigem Stetson mit eingebeulter Krone. Selbst hier, wo allerlei abstruse Gestalten umherliefen, fiel der Mounty erheblich auf.

Außerdem sah er tipptopp aus und war tadellos gepflegt. An seiner Uniform war kein Stäubchen zu sehen. Die blankgeputzten Stiefel wiesen nur wenige Dreckspritzer auf. Selbst nach der Rauferei im Saloon wirkte er noch fast aus wie aus dem Ei gepellt.

Durch höfliche Manieren zeichnete er sich auch noch aus. Eine Ausnahme in Montana.

»Bist du ein Adliger?«, fragte Henry den Mounty, als sie in einem anderen warmen Saloon saßen.

Es hatte angefangen zu regnen. Es war Spätherbst und kalt. Bald würde der Winter hereinbrechen. Der Himmel über den Bergen war wolkenverhangen und grau.

»Die de Lasalles, meine Familie, sind einfache Seigneurs, was der niederste Adelstitel in Frankreich ist. Mein Vater, ein jüngerer Bruder, wanderte nach Kanada aus, den Besitz erbte der Älteste. In bin in die USA gekommen, um Shang Croyd zu fassen und nach Kanada zurückzubringen.«

Er machte eine rhetorische Pause.

»Ich bin ein Nachkomme des Husaren-Generals Antoine Charles Louis de Lasalle, der, von Napoleon hoch ausgezeichnet, 1809 in der Schlacht von Wagram fiel. Wenn dir das etwas sagt, Henri.«

Er sprach den Namen immer Französisch aus.

»Nein, tut es nicht. Woher soll ich jeden Franz ...« Franzmann hatte er sagen wollen. « ... jeden napoleonischen Heerführer kennen?«

»Eh bien. Nun ja. Ihr Amerikaner wisst wenig bis nichts über die Geschichte Europas.« De Lasalle holte eine fein ziselierte Schnupftabakdose aus der Tasche und nahm mit spitzen Fingern eine Prise. Er kniff ein Auge zu und nieste verhalten. »Napoleon kennst du aber?«

»Yes. Das war der Kaiser von Frankreich. Er fing Kriege an, eroberte eine Menge, schlug glorreiche Schlachten und unternahm Feldzüge bis nach Ägypten und Russland. Der nach Russland endete verheerend für ihn. Der russische Winter vernichtete die Grande Armée. Wir Amerikaner haben mit unseren Angelegenheiten zu tun. Wir müssen einen Kontinent erschließen und innerpolitische Probleme lösen. Da können wir uns nicht viel darum kümmern, was in Europa geschah und geschieht. Ich weiß, dass die Einwohner der Alten Welt einen Dünkel haben und sich viel auf ihre Kultur und ihre Geschichte einbilden. Hier bei uns ist alles jünger und frischer, es geht pragmatischer zu. Im alten Europa ist es eng und verstaubt.«

»Das sagst du. Doch darüber wollen wir uns nicht streiten, mon ami.«

»Wollen wir nicht.« Henry trank einen Schluck Grog. »Du bist im offiziellen Auftrag der Mounties hier? The Mounties always get their man, heißt es. Die Mounties fangen ihre Verbrecher immer.«

»Das sagt man uns nach, und es stimmt. Ob hoch in den Norden bis an den Yukon, ob hinunter nach Mexiko, die Mounties kriegen jeden. Dir kann ich es sagen.« Es war warm im Saloon, der viel besser eingerichtet und gediegener war als das ›Golden Hill‹. »Ja, ich habe den Auftrag, Shang Croyd zu fassen und über die Grenze zu bringen, tot oder lebendig. Doch es ist auch mein eigenes Interesse. Croyd hat einen guten Freund von mir umgebracht. Offizielle Befugnisse in den USA habe ich nicht. Doch die Mounties sind hoch angesehen. Meist werden wir von den Behörden unterstützt. Verlangen kann ich es nicht.«

Er nahm einen Schluck von dem Grog. »Ich war schuld, dass mein Freund starb, der wie ich zu den Mounties gehörte. Ich schickte ihn zu dem Treffen mit Croyd, dessen wahre Identität ich nicht kannte und den ich für harmlos hielt. Dafür bin ich drei Ränge zurückgestuft worden. Wenn ich Croyd nicht zur Strecke bringe, ist meine Karriere bei den Mounties beendet. Ich kann bei ihnen bleiben, doch ich werde nie mehr befördert. Aber das ist nicht ausschlaggebend. Wichtiger ist, dass ich meinen Freund in den Tod schickte.«

Er verstummte und schaute trübsinnig in sein Glas.

»Ich bin seit drei Wochen in den USA. Meine Nachforschungen haben bisher nichts ergeben. Ich stieß nur auf eine Mauer des Schweigens. Und heute geriet ich in diesem Schmutzsaloon übel in die Klemme. Wenn du nicht gewesen wärst ...«

»Dafür musst du dich nicht bedanken. Du hättest dasselbe für mich getan. Ich kann dir Hoffnung machen, was deine Suche nach Shang Croyd betrifft, der ein Viertel Chinesenblut in den Adern hat. Ich hörte, er treibt sich am Boulder River herum, bei Boulder – im Beaverhead Deerwood Forest.«

»Woher weißt du das?«

»Von den Vigilanten, von denen ich welche kenne und zu denen ich gute Beziehungen pflege. Sie haben Shang, den man auch Helldog nennt – den Höllenhund – unter Beobachtung. Ihm wird allerhand nachgesagt. Er wurde auch schon mal steckbrieflich gesucht – das zerschlug sich dann. Einige Belastungszeugen zogen ihre Aussagen zurück, andere Leute entlasteten ihn mit falschen Zeugnissen. Er ist ein Grenzfall und schwimmt in einer Grauzone. Die Vigilanten beobachten ihn. Er steht auf der Liste derjenigen, die sie aufhängen wollen.«

Die Vigilanten, eine Geheimorganisation, sorgten auf ihre Weise in den Goldfeldern für Ordnung. Es war Selbstjustiz, die sie übten. Das war gesetzlich verboten, doch die Sheriffs und Behörden drückten diesbezüglich gern ein Auge zu.

Lieber Vigilantenjustiz als gar keine, sagten sie.

»Die Vigilanten«, sagte de Lasalle. »Können wir auf ihre Unterstützung hoffen? Pardon, wenn ich sagte, wir – ich meinte mich.«

Henry grinste.

»Du kannst ruhig wir sagen, Justin. Shang Croyd gehört schon lange aus dem Verkehr erzogen. Wenn nur ein Bruchteil von dem stimmt, was von ihm erzählt wird, hat er mehrfach den Tod verdient. Mit ist sowieso langweilig, ich könnte eine Abwechslung gebrauchen.«

»Du willst mich begleiten? Das würdest du?« Henry nickte. »Ich kann dir Spesen und einen Lohn zahlen. Geld habe ich aus Kanada mitgebracht und kann auch hier welches abheben.«

»Darum geht es nicht. Ich bin Besitzer einer Goldmine, mit einem Partner zusammen.«

Das stimmte, jedoch warf die Mine wenig ab – viel Arbeit gab es, wenig goldhaltiges Gestein. Henry war nicht enthusiastisch, was das Arbeiten in der Mine betraf. Unter Tage ging er sowieso nur sehr ungern. Das Zertrümmern von erzhaltigem Gestein, das sein Partner zutage förderte, und das Herausschmelzen des Goldes im Hochofen gefielen ihm auch nicht.

Er stellte lieber den Frauen nach, ging auf die Jagd und war unterwegs. Er und Mole Bob Hoskins, sein Partner, hatten deshalb einen Chinesen angestellt, der zudem noch für sie kochte – sie beide konnten das nicht gut.

Doch die Lage der H&B-Mine war kritisch. Mole Bob meckerte oft über Henrys Arbeitsmoral. Henry wusste, dass er recht hatte. Er wusste jetzt auch, dass er lieber zur Mine dreißig Meilen weiter westlich von Butte zurückgekehrt wäre. Er war in der Stadt gewesen, um Vorräte, Werkzeug und Sprengstoff zu kaufen.

Das hatte er getan und die Gelegenheit für sexuelle Abenteuer genutzt. Jetzt hätte er wieder zu der Schufterei und der öden Maloche zurückkehren müssen.

Also log er sich selbst vor, das Schicksal hätte ihn hergeführt, um dem Mounty aus der Klemme zu helfen. Es wäre ein gutes Werk, de Lasalle weiter zu helfen und den üblen Schurken Shang Croyd zur Strecke zu bringen. Außerdem reizte ihn das Abenteuer.

Bei seiner Mine gab es keine Abwechslung, dort galt es Steine zu klopfen und im Ofen das Gold herauszuschmelzen. Bei Letzterem konnte man sich durch die Dämpfe die Lunge ruinieren.

»Du musst für mich nicht ohne Lohn arbeiten«, sagte de Lasalle. »Ich ernenne dich hiermit zum Deputy Royal Canadian Mounted Police Officer.«

»Das ist doch mal was!«, rief Henry so laut, dass die anderen Saloongäste zu ihnen herschauten. Er wurde leiser. »Kriege ich einen Stern oder ein Abzeichen?«

De Lasalle nahm es aus der Tasche.

Es war ein Abzeichen aus Metall, das gut in eine Handfläche passte. In Dunkelblau, mit einem Büffelkopf in der Mitte. Um diesen stand in einem Kreis in Großbuchstaben >MAINTIENS LE DROIT<, >Wahre das Recht<.

Eichenlaub und Schnörkel sowie die kanadische Flagge mit dem Ahornblatt waren unter dem Büffelkopf. Oben stand links RCMP und links GRC, unten Police Assistant. Es war ein sehr schönes Abzeichen, viel hübscher als ein Sheriffstern mit eingestanzten Buchstaben.

De Lasalle erklärte es, als er Henrys fragenden Blick sah.

»RCMP heißt Royal Canadian Mounted Police – das ist Englisch.«

»Das hätte ich nie gedacht.«

De Lasalle überhörte den Spott.

»GRC bedeutet Gendarmerie royale du Canada.«

»Französisch – verstehe. Kanada ist zweisprachig.«

»Die Krone steht dafür, dass Kanada zum Britischen Commonwealth gehört. Das nominelle Oberhaupt ist Queen Victoria, de facto kann sie für unsere Regierungsangelegenheiten nur Empfehlungen geben. Kanadas Amtssprachen sind Englisch und Französisch. Der französische Einfluss und eine Bindung an Frankreich sind nach wie vor stark – die Franzosen waren zuerst am St.-Lorenz-Strom und dominieren die Provinzen Quebec, Ontario und die westlichen. Obwohl wir jetzt zum Commonwealth gehören.«

»Du brauchst mir keine Geschichtsstunde zu halten und keine politische Aufklärung zu liefern«, winkte Henry ab.

»Eins will ich noch sagen. In vielem sind wir Kanadier fortschrittlicher und aufgeschlossener als ihr Amerikaner.«

»Sagt ihr.«

»William Osgoode, der oberste Richter der Provinz Ontario, erklärte schon 1803 die Sklaverei für mit dem britischen Recht unvereinbar. Um so weit zu kommen, habt ihr einen Bürgerkrieg gebraucht. In Kanada gab es niemals Sklaven. Mit den Indianern gehen wir auch anders um. Sitting Bull suchte nicht umsonst in Kanada Zuflucht mit seinen letzten Getreuen, nachdem die Präriestämme geschlagen und ihre Überreste in Reservate gezwungen worden waren.«

»Lassen wir das, ihr habt auch eure Probleme, Justin. Ich muss noch was regeln. Einen Transport zu meiner Mine schicken, wo mein Partner ihn dringend erwartet.«

»E bien – nun gut. Du hast noch nicht nach der Bezahlung gefragt.«

Henry winkte ab, obwohl er das Geld gut gebrauchen konnte und ihm nicht abgeneigt war.

»Es ist mir eine Ehre, ein Hilfssheriff der Königlich Kanadischen Berittenen Polizei zu sein. Davon werde ich noch meinen Enkeln erzählen.«

»Du solltest das ernst nehmen, mein Freund. Ich sehe, du bist ein Bruder Leichtfuß. Doch dass du vorhin eingriffst und mich rettetest, spricht für dich und löscht diesen oberflächlichen Eindruck aus. Jetzt zur Bezahlung.«

De Lasalle nannte einen Betrag, der viel höher war, als ihn Henry gefordert hätte. Er gab ihm gleich eine Anzahlung in kanadischen Dollar, die man hier jedoch durchaus als Zahlungsmittel nehmen konnte.