Jack Slade 1006 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 1006 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Kurz vor dem amerikanischen Bürgerkrieg war der spätere Staat Nevada noch ein sogenanntes Territorium. Viel hing davon ab, dass das US-Schatzamt die reichen Silbervorkommen dieses Territoriums in die Hände bekam. Zu diesem Zweck heckte man einen komplizierten Plan aus, in dessen Zentrum ein ungewöhnlicher Agent stehen sollte ...


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Inhalt

Cover

Der Mann vom Schatzamt

Vorschau

Impressum

Der Mann vom Schatzamt

Das Schatzamt schickt seinen besten Special Agent nach Nevada. Josh McKendrick soll ein gewagtes Vorhaben ausführen: Die Vereinigten Staaten sind auf den Silberhandel mit den Minenbesitzern angewiesen. Doch der Schlüssel zu diesem Plan ist der Safeknacker Ray Cutler, der zehn Jahre im Zuchthaus absitzt.

Am Vorabend der Wahl, ob Nevada der nächste Staat der Union wird oder ein Territorium der Gesetzlosen bleiben soll, müssen deshalb zwei Männer zusammenarbeiten, die unterschiedlicher nicht sein könnten ...

Der Posten lehnte sich im steinernen Wachtturm an die Wand, was gegen die Vorschrift verstieß. Selbst hier, im Schatten des Holzdachs, war die Hitze fast unerträglich. Wie musste sie erst für die Sträflinge unten im Gefängnishof sein, die der prallen Sonne schutzlos ausgeliefert waren!

Der Vorschrift nach hätte er den Karabiner in Vorhaltestellung halten oder ihn zumindest über der Schulter tragen müssen. Er stellte den Kolben neben sich. Nur einen Moment, dachte er. Nur einen Moment wollte er sich mit dem Rücken an die kühlende Steinwand lehnen. Und die Augen vor der Sonne schließen, die das Gelände rund um die Gefängnismauern flirren ließ.

Nur eine Sekunde hatte er die Augen zumachen wollen. Als er sie wieder öffnete, wurde er sich bewusst, dass er fast eine Minute im Stehen geschlafen hatte. Denn auf dem Steinweg, der zum eisernen Gefängnistor führte, hatte sich ein Wagen schon auf halber Strecke genähert. Er hätte die Kutsche, die von einem Gespann gezogen wurde, viel früher melden sollen.

Verdammt!, fluchte er in sich hinein. Diese verdammte Hitze kann sogar eine Eidechse schläfrig machen!

»Posten Nummer 1!«, rief er nun hinunter und machte so viel zu spät Meldung. »Irgendein Karren kommt den Weg herauf!«

Der zweite Posten, der unten am Tor seinen Dienst tat, hatte sich ebenfalls in den Schatten seiner Holzbox zurückgezogen und den Wagen noch nicht bemerkt.

Der Wachtposten im Turm richtete den Blick wieder auf den Wagen. Den Kutscher konnte er nicht erkennen, denn der Kutschbock war mit einem Vordach ausgestattet, das seinen Schatten auf den Mann an den Zügeln warf.

Als der unbekannte Besucher schon fast am Tor war, konnte die Wache erkennen, dass es keine gewöhnliche Kutsche war. Es war ein Käfig auf vier Rädern.

»Das ist ein Gefängniswagen!«, rief er seinem Kameraden im Hof zu, der angestrengt durch die Schießscharte im Tor blickte.

Der Fremde zügelte die beiden schweißnassen Pferde, als er das Tor erreichte. Dann reckte er sich auf dem Bock nach vorn, um unter dem Dach hervorzulugen.

»Dürfte ich Sie freundlichst bitten, das Tor Ihrer Einrichtung zu öffnen?«, rief er freundlich zum Wachtposten hinauf, obwohl dieser seinen Karabiner auf ihn gerichtet hatte, wie es die Vorschrift verlangte.

Der Wachtposten wusste noch nicht recht, ob die Hitze ihm einen Streich spielte. Seit vier Stunden stand er schon auf seinem Posten. Hatte ihm die Sonne den Verstand vernebelt, oder sah er wirklich einen Dandy in einem schneeweißen Anzug auf dem Kutschbock sitzen?

»Was wollen Sie?«, brüllte er ungehalten zum fragwürdigen Kutscher hinab.

Der antwortete mit unveränderter Freundlichkeit: »Einen Gefangenen in Gewahrsam nehmen. Ich habe die erforderlichen Papiere.« Er deutete eine leichte Verbeugung an, und der Wachtposten wusste nicht, ob der Mann ihn damit auf den Arm nehmen wollte oder seine Manieren wirklich so vollendet waren.

»Mein Name ist McKendrick. Das Schatzamt schickt mich.«

Wer so höflich ist, der kann gar nichts Böses im Schilde führen, dachte der Wachtposten, und obwohl er wusste, wie dumm dieser Gedanke war, hieß er seinen Kameraden, das Tor für den Besucher zu öffnen.

Ohne sich sein Interesse anmerken zu lassen, musterte McKendrick die Sicherheitsvorkehrungen. Die Mauern des Gefängnisses waren zwar gebaut, um die Insassen drin zu halten, aber sie sahen solide genug aus, um auch einem Angriff von außen standzuhalten. Das Gelände rund um diese Institution war frisch gerodet worden. Die Baumstrünke waren noch klebrig vom Harz.

Im zweiten Wachtturm sah McKendrick Metall aufblitzen. Zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass es sich um Läufe aus Messing handelte – das musste die neue Gatling Gun sein. Eine automatische Schusswaffe mit sechs Läufen. Dass sie in westliche Richtung ausgerichtet war, war zu seinem Vorteil.

Von drinnen konnte McKendrick hören, wie ein schwerer Holzbalken in seiner Verankerung bewegt wurde. Dann schwangen die schweren Eisenflügel auf wie der Eingang zur Hölle.

Der Mann in Weiß schnalzte mit der Zunge. »Hü, Pferdchen.« Das Gespann fuhr an, und der Käfigwagen rollte in den Innenhof des Nevada State Prison.

Die steinernen Gefängnismauern waren so hoch, dass drei Mann hätten auf ihren Schultern stehen müssen, um über den Rand zu sehen – wobei ihre Bewacher freilich nicht einmal den Versuch zuließen. Im Hof waren einige Sträflinge mit Werkzeugen an der Arbeit. Der Pfiff des Aufsehers verkündete eine Pause, worauf sie sich niederließen, wo sie gerade standen. Die Männer trugen gestreifte Kleidung und Strohhüte.

Sie betrachteten die Kutsche und den Kutscher mindestens genauso aufmerksam wie die bewaffneten Wärter. Sie alle waren für eine Unterbrechung des eintönigen Gefängnisalltags dankbar.

McKendrick ließ den Blick über die armselige Gruppe von abgemagerten Gespenstern schweifen, die hier ihre harte Strafe abarbeiteten, für welche Verbrechen auch immer. Er fragte sich, ob einer dieser Männer Raymond Cutler war. Der verurteilte Bankräuber, den er abholen sollte.

Abraham Curry wartete geduldig, bis McKendrick das Dokument aus der Innentasche seines blütenweißen Anzugs geholt und auseinandergefaltet hatte. Wenn er als Gefängnisdirektor eines hatte, so war es Zeit. Und ein Besuch von einem Beamten des US Treasury, des Schatzamts der Vereinigten Staaten, war zumindest keine alltägliche Sache.

»Hier bitte, Sir.« McKendrick legte das Papier auf den Schreibtisch des Gefängnisdirektors, strich es sorgsam glatt und trat dann respektvoll einen Schritt zurück.

Der 60jährige Direktor beäugte das Dokument durch seine dicke Brille. »Raymond Cutler?«

Er blickte den Mann vom Schatzamt fragend an. Ob da auch wirklich kein Fehler vorlag? »Was wollen Sie denn mit dem?«

Josh McKendricks Oberlippe war von einem fein geschnittenen Schnurrbart geziert. In Momenten wie diesem – wenn er sich seine nächsten Worte genau überlegte – pflegte er mit Daumen und Zeigefinger über die Schnurrbartenden zu streichen.

»Er wird in einem Gerichtsfall benötigt, Sir. Als Zeuge.«

»In einem Gerichtsfall? Wo denn das?«

»In Virginia City, Sir. Seine Aussage ist von größter Wichtigkeit.«

»Von größter Wichtigkeit? Warum denn?«, hakte der Direktor nach und wünschte sich, dass dieser Beamte sich nicht alles aus der Nase ziehen lassen würde.

Wie im Entlassungsbefehl geschrieben stand, sollte Raymond Cutler in genau einer Woche dem Gericht in Virginia City als Zeuge zur Verfügung stehen. Cutler saß gegenwärtig im Gefängnis von Nevada eine Strafe von zehn Jahren ab. Wegen bewaffneten Bankraubs. Dass das Schatzamt ihm für seine Aussage fünf Jahre erlassen würde, behielt McKendrick für sich.

»Nun«, antwortete er schließlich, »er soll gegen einen früheren Komplizen aussagen. Ein Halunke von ausgeprägt krimineller Natur, wenn ich das hinzufügen darf, Herr Direktor. Sollte er für seine Taten verurteilt werden, dann dürfen Sie ihn bald als Gast begrüßen.«

Abraham Curry wusste nicht, ob der Mann in seinem geschniegelten Anzug ihn mit seinen blumigen Worten auf den Arm nehmen wollte. Der Fremde hatte den Stetson, ebenfalls weiß, beim Betreten des Büros abgesetzt und hielt ihn mit beiden Händen vor dem Bauch wie ein Bittsteller.

Ohne den geringsten Zeitdruck las der Direktor sich das Papier noch einmal durch. Unten im Hof ertönte erneut die schrille Pfeife, worauf die Arbeit wieder aufgenommen wurde.

Dann setzte er die Brille ab. »Um die Wahrheit zu sagen, Mister ...«

»McKendrick, Sir. Josh McKendrick. Eigentlich Joshua. Aber ich liebe Abkürzungen.«

»Mister McKendrick. Die Sachlage ist mir nicht ganz klar. Ihr Schreiben besagt zwar, dass ich meinen Gefangenen dem Schatzamt der Staaten aushändigen soll. Aber Nevada ist, wie Sie sicherlich wissen, nicht Teil des Staatenbunds.«

»Das ist mir durchaus bewusst«, sagte McKendrick, als spreche ein Schüler mit seinem Oberlehrer.

»Dieser Raymond Cutler, den Sie haben wollen, ist bei uns in Nevada verurteilt worden, für ein Verbrechen, das er in unserem Territorium verübt hat, und damit gehört er ganz genau weitere neun Jahre und vier Monate mir.«

»Ich habe nur vor, ihn mir auszuleihen, Sir.« Unter dem gezwirbelten Schnauzbart erschien ein gewinnendes Lächeln. »Ich bringe Ihnen Ihren Sträfling umgehend zurück.«

Abraham Curry tunkte eine Feder in ein Tintenfass. Er war geneigt, dem Gesuch nachzugeben. Doch dann schwebte die Spitze der Feder unentschlossen über dem Papier.

McKendrick hatte auf den richtigen Moment gewartet, den versiegelten Brief zu übergeben, den er bei sich trug. Das Couvert trug das Wappen der US Treasury: eine Waage mit einem Schlüssel. Er überreichte das Dokument wortlos.

Curry brach das Siegel mit erhobenen Augenbrauen, die noch weiter in die Stirn hinaufkletterten, als er den Brief des Direktors des Schatzamtes las, der an ihn persönlich gerichtet war. Schließlich sah er wieder zum Überbringer dieser Nachricht hoch. »Und Sie glauben wirklich«, fragte er zweifelnd, »dass das gelingen wird, Special Agent McKendrick?«

»Vieles hängt davon ab, Herr Direktor. Und ich werde sicherlich mein Bestes tun.«

Dass das US Treasury Abraham Curry zu einem Verbündeten dieses gewagten Unternehmens machte, hing damit zusammen, dass Curry mehr war als ein strenger Gefängnisdirektor. Er war in höheren Kreisen Washingtons gut bekannt als ein Befürworter des Beitritts von Nevada in den Staatenbund der Union. Was noch wichtiger war: Abraham Curry versah nicht nur diese Pflichten, er war gleichzeitig der Manager der neu gebauten Münzprägeanstalt von Nevada. Ein wichtiger Teil in diesem Puzzle.

»Als bekennender Befürworter des Eintritts von Nevada in die Union ist Ihnen die Bedeutung dieser Mission sicherlich bewusst, Sir«, sagte McKendrick, als seiner Meinung nach genügend Zeit mit Schweigen verbracht worden war.

»Das ist sie, Sir, das ist sie in der Tat«, sagte der hagere Gefängnisdirektor. »Und unser Territorium kann nur ein Staat werden, wenn wir Recht und Gesetz hochhalten und Verbrecher wie diesen Cutler reformieren. Unter meiner Führung gab es keinen einzigen Ausbruch aus dieser Anstalt und auch keine Rückfälle von Entlassenen. Ich sorge dafür, dass dies so bleibt.«

McKendrick wusste, dass diese Erfolgsbilanz weniger dem Können dieses 60jährigen Gefängnisdirektors zu verdanken war, sondern vielmehr der Tatsache, dass diese Institution noch relativ neu war. In der kurzen Zeit seit der Erbauung des Nevada State Prison konnte ja kaum jemand ausgebrochen sein. Aber er behielt den Gedanken für sich, weil Curry noch immer zauderte.

Endlich senkte der Alte die Feder auf das Papier und kritzelte seine Unterschrift unter das Entlassungsgesuch.

»Nun gut. Damit übergebe ich Raymond Cutler offiziell in Ihre Obhut. Ich wünsche Ihnen zum Gelingen Ihres Plans viel Glück, Special Agent. Wenn ich Ihnen aber noch einen Rat geben darf ...«

McKendrick drehte leicht den Kopf, um dem Direktor zu verstehen zu geben, dass er ganz Ohr sei.

»Trauen Sie Cutler nicht, keinen Moment. Er ist ein Verbrecher, der jede Gelegenheit zur Flucht nutzen wird, ein ganz und gar verdorbener Charakter, der sich nie bessern wird.«

»Sie hatten diesen Mann für acht Monate hinter diesen Mauern, Herr Direktor«, sagte der Mann vom Schatzamt, und Abraham Curry wusste nicht recht, ob die weiteren Worte seines Besuchers zynisch gemeint waren, denn der Mann lächelte weiter so charmant wie ein Dandy bei einer Teeparty, »und Sie haben ihm bis jetzt nicht reformieren können?«

Raymond Cutler warf einen Blick auf den Käfigwagen, um dann auszuspucken. »Da steig' ich nicht ein. Ohne mich. Ich vertausch' doch nicht eine Gefängniszelle mit einem Gefängniskarren.«

Er sah über die Schulter zu seinen Leidensgenossen, die im Schatten einer Steinmauer zusahen.

»Das ist ja wie ein fahrbarer Hühnerkäfig!« Der letzte Ausspruch trug ihm das Gelächter seiner Mitgefangenen ein. Zu Cutlers eigener Überraschung lachte auch der Mann in Weiß über den Witz.

»Fahrbarer Hühnerkäfig, das ist wirklich gut!« McKendrick warf den Kopf in den Nacken und lachte lauter, als für diese witzige Bemerkung unbedingt nötig war, und länger als die Strafgefangenen.

Cutler besah sich den Unbekannten vom geleckten Scheitel bis zur polierten Sohle. So ein Fatzke war ihm noch nicht untergekommen! In seinem weißen Sonntagsanzug sah er aus, als wollte er zur Kirche und nicht zum Gefängnis. Und doch: Dieser Mann war offenbar zuständig für den Gefangenentransport. Aber wo waren die Wachen? Er wollte ihn ja wohl nicht alleine durch die Prärie kutschieren?

»Also dann«, sagte der Mann im weißen Anzug, »bitte einzusteigen, Mister Cutler.« Sein Schlüssel öffnete die Hintertür des Käfigwagens. »Wir haben einen weiten Weg vor uns.«

Cutler entblößte eine Reihe gelber Zähne, die seit langem keine Zahnbürste mehr gesehen hatten.

»Sie haben wohl eben nicht ganz verstanden, Mister, wer auch immer Sie sind. Ich steige da nicht ein.«

Der Aufseher mit der Pfeife zog einen glattpolierten Holzstock aus dem Gürtel. Das Instrument sah aus, als sei es schon häufiger benutzt worden. Der Aufseher wartete nur auf eine neue Gelegenheit, den Knüppel tanzen zu lassen.

»Du kannst entweder von selbst einsteigen, Cutler«, und damit ließ er den Stock einmal auf die Ladefläche der Kutsche niedersausen, sodass das Eisengestänge klirrte, »oder wir laden dich Stück für Stück ein.«

McKendrick sah den Aufseher tadelnd dafür an, dass er mit dem Knüppel den Käfig malträtiert hatte.

»Vorsicht, Sir, das ist Staatseigentum. Und Handarbeit eines gekonnten Schmieds.«

Abraham Curry wusste nicht so recht, ob er aus dem Fenster seines Büros einem wirklichen Gespräch lauschte oder einem Theaterstück. In Chicago hatte er einmal auf der Bühne eine solche Farce gesehen. Der Darsteller damals agierte genauso geschwollen wie dieser McKendrick.

»Mister McKendrick!«

Currys Kopf erschien im Bürofenster. »Ich werde Ihnen eine Eskorte mitgeben. Sie können doch unmöglich diesen Verbrecher alleine bis nach Virginia City bringen.«

Alleine? Cutler schöpfte Hoffnung, dass seine Zeit als Gefangener bald vorbei sein würde. Dieser Stutzer, dieser Dude aus dem Osten, wollte ihn alleine kutschieren? Wie Cutler sehen konnte, trug er nicht einmal ein Gewehr bei sich. Seine einzige Bewaffnung bestand aus einer Handfeuerwaffe, die in einem mit Knopf verschlossenen Holster steckte. Das Ding sah aus, als würde der Dude eine Minute brauchen, um es zu ziehen.

»Danke verbindlichst, Sir«, sagte McKendrick mit der Geste eines Saluts an den ersten Stock hinauf, »aber dieser Personalaufwand wäre vollkommen unnötig.«

Raymond Cutler stellte seinen Fuß auf den Tritt des Käfigwagens, um nun doch noch einzusteigen.

»Wie könnte ich eine so freundliche Einladung zu einem Ausflug ablehnen?«

Eine Minute später öffneten sich die Eisentore für den seltsamen Karren, und der Wachtposten in seinem steinernen Turm sah schläfrig zu, wie der Gefangenentransport im Flimmern der Hitze verschwand. Am heutigen Feierabend würde er mit seinen Kameraden in der Stube bestimmt über den seltsamen Besuch sprechen. Und vielleicht würden auch Wetten abgeschlossen, ob dieser Schatzamt-Mann ihren Sträfling tatsächlich irgendwann zurückbrachte. Der Wachmann wollte einen Monatssold darauf wetten, dass Cutler diesem Beamten bei der erstbesten Gelegenheit mit einem Steinbrocken hinterrücks den Schädel einschlug und irgendwo in der Prärie verscharrte. Wenn er sich überhaupt mit einem Begräbnis aufhielt.

Mit jeder Meile, die der Karren zwischen sich und das Zuchthaus brachte, fühlte Raymond Cutler sich besser. Acht Monate mögen im ganzen Leben eines Mannes nicht lang sein, aber wenn man acht Monate in Tagen rechnet, und wenn man an jedem einzelnen Tag stundenlang geschunden und zur Arbeit gepresst wurde, dann konnten acht Monate sich verdammt lange anfühlen. Hätte er nicht in einem Käfig gehockt, dann hätte er sich glatt wie ein freier Mann gefühlt.

»Und, wie geht es da hinten?«, fragte McKendrick fürsorglich nach. »Nicht zu holprig?«

»Sie brauchen ja nicht gleich jedes Schlagloch mitzunehmen!«, rief der Mann im Käfig nach vorne. Er saß auf einer dünnen, mit Stroh gefüllten Matte, die aber wenig dagegen half, dass er bei jedem Loch, das durchfahren wurde, auf und ab hüpfte wie ein Ball.

»Die widrigen Umstände Ihres Transports tun mir ausgesprochen leid«, sagte McKendrick.

»Sag mal, redest du immer so geschwollen?«

Nun, da der Knast außer Sicht war und es nicht danach aussah, dass der Unbekannte umkehren würde, um ihn zurückzubringen, hatte Cutler nicht die Absicht, weiter Höflichkeiten auszutauschen.

»Ich spreche so, wie ich erzogen wurde.« Falls McKendrick durch die Bemerkung gekränkt war, dann war ihm das nicht anzuhören. Er klang beinahe fröhlich. »Es gibt doch nichts Besseres als einen Ausflug an der frischen Luft.«

»Wenn sie nicht gesiebt ist!«

McKendrick lachte wieder herzhaft.

»Glaubst du nicht, dass du mir langsam erklären willst, wohin wir überhaupt fahren?«

»Ich werde Sie über unsere Reisepläne gerne aufklären, Mister Cutler.«

Donnerwetter. Es war über acht Monate her, dass ihn jemand »Mister« genannt hatte. Dieser McKendrick gab sich alle Mühe, sein Vertrauen zu gewinnen. Er behandelte ihn ja fast wie einen Menschen, nicht wie einen verurteilten Bankräuber. Was hatte das alles auf sich?

»Sagen Sie, waren Sie schon einmal in Virginia City?«

Cutler ließ mit der Antwort auf sich warten, bis er schließlich log: »Ich war mal hier, mal da, ich war schon ziemlich überall in Nevada. Nur nach Virginia City hat es mich noch nie gezogen.« Er rieb sich den schmerzenden Hintern, auf dem er wiederum unsanft landete, als sein Fahrer den Wagen durch ein Loch manövrierte.

»Dann werde ich Ihrem Gedächtnis wohl etwas nachhelfen müssen, Mister Cutler. Vielleicht haben Sie das vergessen, aber Sie waren schon einmal in Virginia City. Vor gut einem Jahr waren Sie an einem Raubüberfall beteiligt. Mein Auftrag ist, Sie nach Virginia City zu bringen. Wir werden in zwei bis drei Tagen da sein.«

Zwei bis drei Tage, um aus diesem Käfig zu entkommen und dieses Greenhorn irgendwo zu verscharren. Dazu sollte sich bestimmt eine günstige Gelegenheit bieten.