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Sam Hostetter ist der Erste, der den mutigen Schritt auf den berüchtigten Santa Fé Trail wagt - und hinter ihm entsteht eine Legende. Mit seinem unerschütterlichen Pioniergeist ebnet er den Weg durch die unerbittliche Wildnis des Westens. Doch seine Geschichte endet nicht hier. Sein Sohn Bob, genannt Rolling Bob, übernimmt das Erbe, kämpft sich durch hitzige Gefechte und tückische Wüsten, getrieben von der Sehnsucht nach Freiheit und Ruhm. Doch es ist Cassie, Sams Enkelin, die mit ihrer Schönheit und Revolverschnelligkeit die staubige Spur des Santa Fé Trails mit Leidenschaft und Blut durchzieht.
In einer Welt, in der jeder Schritt den Tod bedeuten kann, schreibt die Familie Hostetter die Geschichte des amerikanischen Westens - voller Gefahren, Kämpfe und unbeugsamer Leidenschaft.
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Die Unaufhaltsamen
Vorschau
Impressum
DieUnaufhalt-samen
Sam Hostetter ist der Erste, der den mutigen Schritt auf den berüchtigten Santa Fé Trail wagt – und hinter ihm entsteht eine Legende. Mit seinem unerschütterlichen Pioniergeist ebnet er den Weg durch die unerbittliche Wildnis des Westens. Doch seine Geschichte endet nicht hier. Sein Sohn Bob, genannt Rolling Bob, übernimmt das Erbe, kämpft sich durch hitzige Gefechte und tückische Wüsten, getrieben von der Sehnsucht nach Freiheit und Ruhm. Aber es ist erst Cassie, Sams Enkelin, die mit ihrer Schönheit und Revolverschnelligkeit die staubige Spur des Santa Fé Trails mit Leidenschaft und Blut durchzieht.
In einer Welt, in der jeder Schritt den Tod bedeuten kann, schreibt die Familie Hostetter die Geschichte des amerikanischen Westens – voller Gefahren, Kämpfe und unbeugsamer Leidenschaft.
Bill Becknell haute im Hinterzimmer des ›Keelboat Saloons‹ in Franklin auf den Tisch, dass die Gläser sprangen.
»Seid ihr Männer oder Waschlappen?«, brüllte er, dass man es bis hinaus auf die Straße hörte. »Ich sage doch, ich habe einen Weg gefunden, um Wagenladungen an Waren nach Santa Fé zu bringen. Ihr könnt riesige Gewinne machen, wenn ihr euch beteiligt.«
Keelboat Jimmy sog an seiner Pfeife. Er war ein bedächtiger Mann. Böse Zungen behaupteten, bevor er einen fahren ließ, würde er fünf Minuten überlegen.
»Du meinst wohl, wir sollen das finanzieren, Bill«, sagte er. »Wie ich dich kenne, wenn man dich auf den Kopf stellt und deine Taschen leert, fallen noch keine fünf Cent heraus. Wir sollen das gesamte finanzielle Risiko tragen.«
»Das dürft ihr nicht so sehen, Freunde«, widersprach Becknell.
Er war ein Prärie- und Waldläufer, Trapper und Fallensteller. Er liebte die Freiheit, die ungebundene Weite. In einer Town oder Stadt hielt er es kaum ein paar Tage aus. Wenn, dann nur, um sich zu besaufen und es mit wüsten Weibsbildern arg zu treiben.
Von der Sorte gab es in der Hafentown flussaufwärts von St. Louis einige.
»Das ist unsere große Chance«, fuhr er fort. Sein Schwung und seine Begeisterung wirkten mitreißend. »Mexiko ist seit Neuestem unabhängig von Spanien, der lange Krieg ist gewonnen. Die Mexikaner sind noch nicht in der Lage, alles, was sie benötigen, selbst herzustellen. Das werden sie noch lange nicht sein. Von Spanien bekommen sie nichts mehr oder nur noch zu horrenden Preisen. Es lassen sich erstklassige Geschäfte machen.«
»Für einen Trapper weißt du eine ganze Menge«, sagte Sam Hostetter, der dritte Mann am Tisch. »Wieso willst du plötzlich Geschäfte machen?«
»Ich habe eine Vision. Es gibt einen Weg nach Santa Fé. Ich hatte schon immer den Drang nach Höherem. Ich werde einen Trail begründen – auf der Route, die ich ausgekundschaftet habe, werden bald Wagenzüge rollen. Große Trecks, die nicht nur dem Handel, sondern auch der Erschließung des Landes dienen. Ich sehe ...«
Er stand auf. Seine Augen leuchteten, und er gestikulierte in der Luft.
»Ich sehe Hunderte von Wagen. Forts und Handelsposten und Ansiedlungen auf der Strecke von hier nach Santa Fé. Wir werden Geschichte schreiben. Das ist wie bei einem Damm. Wenn das Wasser erst einmal einen Riss gefunden hat, einen Weg, dann bricht es in gewaltiger Menge durch. Wir gehen einer neuen Zeit entgegen. Wir schreiten voran. Wir sind die Ersten, die Pioniere.«
Die beiden anderen lachten ihn aus.
»Er spinnt. Die Sonne hat ihm zu lange auf den Kopf geschienen.«
»Hat dir ein Kiowa die Keule auf den Kopf gehauen, Bill? Normal ist das nicht, was du redest.«
»Lacht nur. Ich weiß, dass es so kommen wird. Wenn ihr nicht mitmacht, dann wende ich mich an andere. Ich werde schon Kapitalgeber finden. Doch ihr seid meine Freunde, ich wollte euch zuerst die Möglichkeit geben.«
»Was heißt hier Freunde«, entgegnete Keelboat Jimmy. »Wir haben ein paar Mal zusammen gesoffen, einen Saloon leergehauen und sind Stammkunden bei der Roten Rose. Wenn das eine Freundschaft ist ...«
»Uns verbindet nicht viel mehr«, stimmte Sam Hostetter ihm zu. »Ich habe ein Frachtfuhrgeschäft, Jimmy hat ein Flussboot. Wir haben unser Auskommen. Ich will demnächst heiraten und eine Familie gründen. Warum sollte ich mich auf ein solches Abenteuer mit ungewissem Ausgang einlassen?«
»Wir stehen an der Schwelle einer neuen Zeit!« Bill Becknell ließ sich nicht beirren. »Seid ihr dabei oder nicht?«
»Wir schreiben das Jahr 1821.« Hostetter sprach. »Was soll denn neu sein? Ich kann kein neues Zeitalter erkennen. Verwechselst du dich mit Kolumbus, der Amerika entdeckte?«
»Spotte nicht!«
»Bis Santa Fé sind es tausend Meilen. Ein paar weniger, ja, doch darauf kommt es nicht an. Durch unbesiedeltes, unerschlossenes Land, Gewittern und Stürmen ausgesetzt, durch die Wüste und weite Prärien. Das ist Indianerland – die Comanchen, Kiowa und Pawnee beherrschen es. Apachen sind auch noch da. Sie würden uns niemals gutwillig durchlassen. Wenn du auch noch mit Planwagen unterwegs bist, dauert das ein Jahr.«
»Drei bis vier Monate bis Santa Fé, ebenso lange wieder zurück, wenn wir Güter aus Mexiko mitbringen.«
»Siehst du. Das sage ich doch.«
»Ich habe es ausgerechnet!«, rief Becknell. »Bedenke nur den Gewinn – und die Möglichkeiten! Das wird ein Riesengeschäft. Du wirst in die Geschichte eingehen, Sam.«
»Ja, als der größte Narr aller Zeiten.«
In dem Moment flog die Tür auf, von einem Fußtritt getroffen. Ein bulliger, untersetzter Mann stürmte herein, ebenso wie Keelboat Jimmy wie ein Flussschiffer gekleidet – derbe Jacke, Baumwollhemd, derbe Stiefel. Er hielt ein Schlachtmesser in der Hand und hatte eine doppelläufige Pistole im Gürtel stecken.
»Wo ist er?«, brüllte er. »Ah, da ist er ja, dieser Schuft. Du hast meine Frau geschwängert, Sam Hostetter. Du räudiger Bastard von einem Frachtkutscher. Dafür steche ich dich ab!«
Sofort drang er auf Hostetter ein. Der war groß und schlank und schien weniger kräftig als der rasende Eindringling und ihm nicht gewachsen. Rasch warf er ihm sein Gin-Glas samt Inhalt ins Gesicht. Damit konnte er den Bulligen jedoch nur kurz aus dem Konzept bringen.
Der rasende Flussschiffer drang weiter auf ihn ein. Sam wich zurück. Der Angreifer fügte ihm einen Schnitt zu, als Sam das Messer abwehrte. Bill Becknell, ein breitschultriger Trapper im Fransenhemd, griff ein.
Er schlug dem Wüterich das Messer aus der Faust. Keelboat Jimmy wollte ihn festhalten, kassierte jedoch einen Tritt und einen Schlag, der ihn an die Wand warf. Der Tisch stürzte um.
Der Wüterich riss die Pistole aus dem Gürtel und legte auf Sam Hostetter an. Er hätte ihn glatt erschossen.
Doch wieder rettete der Trapper Sam. Er schlug dem Flussschiffer die Pistolenhand hoch. Der Wüterich riss beide Abzüge durch. Es krachte gewaltig, und die Kugeln fuhren in die Decke.
Dann war Keelboat Jimmy da, ein grobknochiger Flussschiffer wie der andere. Er schlug mit dem Hocker zu, traf den Wüterich jedoch nur an der Schulter. Der taumelte zurück.
Jimmy zog nun seinerseits seine Pistole.
»Was fällt dir ein, Mack Rafter? Bist du vom wilden Affen gebissen?«
»Der Schweinehund hat meiner Frau ein Kind gemacht! Keeona, meiner Squaw. Dafür bringe ich ihn um. Das bin ich meinem Ruf und meinem Namen schuldig.«
»Du bleibst jetzt da stehen und verhältst dich ruhig, oder ich drücke ab! Sam, stimmt das, was er sagt? Hattest du was mit seiner Frau? Ich denke, du wolltest heiraten.«
»Klar will ich das«, antwortete Sam Hostetter. »Nancy Dillinger, die Tochter des Storebesitzers. Das mit Keeona ... nun ja, das ist lange her. Das war ... äh, nur ein Ausrutscher. Wir hatten nur eine Nacht.«
»Du lügst!«, schrie Mack Rafter ihn an. »Und selbst wenn, jedenfalls ist Keeona hochschwanger. Bestimmt schon im siebten Monat, wenn nicht im achten.«
»Ich sagte ja, es ist eine Weile her. Ich... ich zog mich dann zurück, als ich Nancy kennenlernte.«
Mack Rafter wollte wieder auf ihn los und ihm mit dem Pistolenkolben den Schädel einschlagen. Jimmy stoppte ihn.
Er und Mack Rafter waren Konkurrenten auf dem Fluss, in einem anstrengenden, schweißtreibenden und gefährlichen Gewerbe. Sie mochten sich nicht.
»Wieso kommst du jetzt denn darauf, dass das Kind nicht von dir ist?«, fragte er Rafter.
»Keeona und ich hatten Streit. Ein Wort gab das andere, ich verprügelte sie, damit sie merkt, wer der Herr im Haus ist. Da schrie sie es mir Gesicht, wie es sich verhält mit dem Kind. Ich sollte mir bloß nicht einbilden, es wäre meins – während unserer gesamten Bekanntschaft und Ehe, immerhin drei, vier Jahre, hätte ich kein Kind hingekriegt. Ich sei ein Grobian und ein Versager.«
»Da hat sie nicht Unrecht«, sagte Becknell. »Wie stehst du denn dazu?«
»Ich ... ich ...«
Das Gesicht des stämmigen, bärtigen Flussschiffers wurde noch röter. Er zweifelte selbst an seiner Zeugungsfähigkeit. Als Kind hatte er mal Mumps in einer schweren Form gehabt. Davon war ihm eine Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr geblieben. An die Schmerzen und die Schwellung der Hoden erinnerte er sich heute noch.
Der Arzt hatte damals gesagt, seine Zeugungsfähigkeit wäre später beeinträchtigt. Tatsächlich hatte er nie ein Kind zeugen können, jedoch gehofft, er wäre der Kindsvater, als Keeona schwanger war.
Die Hoffnung hatte sie ihm genommen.
»Ich war lange weg«, sagte er. »Auf dem Missouri und den Mississippi hinunter bis New Orleans. Zu lange, denke ich wohl ...«
Bill Becknell und Keelboat Jimmy wechselten einen Blick.
»In dem Fall hast du das Recht, Genugtuung zu fordern, Mack«, sagte Jimmy.
Auf die Zeit seiner Abwesenheit von zu Hause und die Schwangerschaft gingen sie nicht weiter ein. So genau wollten sie es gar nicht wissen.
»Du kannst deine Frau verstoßen und zu ihrem Volk zurückschicken. Und Sam kannst du zum Kampf fordern.«
Mack Rafter nickte.
»So ist es. Das ist das Gesetz des Westens. Keeona bleibt bei mir. Doch ihn, dieses Schwein, bringe ich um.«
»Es gehören immer zwei dazu, ein Kind zu zeugen«, sagte Keelboat Jimmy. »Sam hat deiner Squaw keine Gewalt angetan, oder?«
Sam Hostetter ereiferte sich: »Niemals würde ich das! Das habe ich ganz gewiss nicht. Es geschah in beiderseitigem Einverständnis.«
Die Squaw hatte ihm schöne Augen gemacht.
»Das spielt keine Rolle«, sagte Mack. »Ich will mein Recht. Ich fordere Hostetter zum Duell – mit Messern, am Seil.«
Vorn im Saloon war man längst aufmerksam geworden. Neugierige schauten durch die Tür ins Hinterzimmer. Draußen lauschten alle gespannt.
»Wenn du ein Mann bist, Sam, stellst du dich ihm zum Kampf«, sagte Keelboat Jimmy. »Ich mag Mack Rafter nicht, er hat mich mehrfach unterboten. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Er kann ein Duell fordern.«
Sam nickte.
»Meinetwegen. Dann soll es so sein.«
✰
Das Duell fand auf offener Straße statt. Es war März, kalt noch, und nach dem Regen der letzten Nacht standen Wasserpfützen auf der Straße. Der ganze Ort war versammelt, Flussschiffer vom Hafen, darunter die Mannschaften von Keelboat Jimmy O'Keffe und Mack Rafter.
Ein Kielboot war flach und hatte einen durchgehenden Kiel. Es fasste je nach Größe bis zu 20 Tonnen Fracht und wurde getreidelt oder gestakt.
Der Himmel war grau und bewölkt, als Sam Hostetter und Mack Rafter sich gegenübertraten, jeder mit einem großen Messer bewaffnet. Das Messer hielten sie in der Rechten, am linken Arm wurden sie mit einem zwei Meter langen Seil zusammengebunden.
So hatten sie bei gestrecktem Arm und voller Seilspanne die Möglichkeit, den Messerattacken des Gegners auszuweichen. Es konnte jedoch auch einer den anderen kurz halten oder an sich heranreißen, aus dem Gleichgewicht bringen.
Diese Art von Duell kam am Ohio, dem Missouri und Mississippi und anderen großen Flüssen des Öfteren vor.
Die Gegner standen sich gegenüber. Mack Rafter stieß ein Brummen aus wie ein Bär.
»Komm her, damit ich dich abstechen kann!«
»Komm du doch her.«
Sie zogen und zerrten sich. An roher Kraft war Mack dem Frachtfuhrmann Sam überlegen. Er riss ihn heran und stach zu. Im letzten Moment warf sich Sam zur Seite. Die Klinge des Gegners schlitzte ihm nur das Hemd auf. Bis auf den Schnitt, den er schon vorher im Saloon erhielt, war er unverletzt.
Seine Messerhand war verbunden. Der Verband blutete durch.
Die Zuschauer feuerten abwechselnd ihn und den Flussschiffer an. Die Kämpfer zerrten sich hin und her. Sam versuchte Mack zu treten. Der packte seinen Fuß und warf ihn rücklings in den Dreck. Er sprang vor, warf sich auf ihn und wollte ihn mit dem langen Messer durchbohren.
Im letzten Moment rollte sich Sam zur Seite. Mack stach nur in den Schlamm und besudelte sich seinerseits.
Beide erhoben sich, dreckig und mit verschmierter Kleidung. Dann ging es blitzschnell. Mack riss Sam zu sich her. Der wehrte seinen Messerstich mit der eigenen Klinge ab, verwundete ihn am Arm und trat ihm vom hinten mit einem Fußfeger die Beine weg.
Mack fiel auf den Rücken. Sam warf sich auf ihn. Er hätte ihm das Messer in die Brust stoßen können, doch er stach nicht zu, hielt vielmehr nur Macks Messerhand fest und setzte ihm die Klinge an die Kehle.
»Du bist besiegt. Ergib dich, und ich schone dein Leben.«
»Niemals«, keuchte Mack.
»Sei kein Narr, Käpten!«, riefen die fünfzehn Mann Besatzung seines großen Kielboots. »Wirf dein Leben nicht weg! Er hat gewonnen, sieh es ein!«
Sam drückte ein wenig zu. Blut floss, die Haut war geritzt.
»Ergibst du dich?«, fragte er.
»Ja, in des Teufels Namen. Der Kampf ist vorbei.«
So war es. Nachdem sie sich notdürftig gereinigt hatten, tranken die beiden Männer mit anderen im Saloon. Der Saloon war proppenvoll, und draußen auf der Straße standen diejenigen, die darin keinen Platz mehr gefunden hatten. So war es die raue Sitte am Fluss. Wenn sie sich nicht umbrachten oder schwer verletzten, dann tranken die Gegner einen zur Versöhnung.
Damit sollte die Feindschaft weggespült werden. Die Zecherei dauerte an und nahm krasse Formen an.
Als sie irgendwann genug intus hatten, sagte Sam zu dem Flussschiffer, er könne ihm dankbar sein, weil er durch ihn zu einem Sohn kommen würde. Dabei nahm er das Geschlecht des Kindes, das er nicht wissen konnte, vorweg.
Den Kampf hatte er gewonnen, doch Mack Rafter erwies sich als trinkfester als er. Er trank ihn unter den Tisch.
Am folgenden Morgen erwachte Sam mit einem schweren Kater und heftigen Kopfschmerzen in einem fremden Bett. Er wusste absolut nicht, wie er hierhergekommen war. Sein Kopf dröhnte wie eine Kesselpauke, er hatte einen üblen Geschmack im Mund und heftige Kopfschmerzen.
Er war nackt. Neben ihm schnarchte jemand.
Als er hinschaute, lag eine Rothaarige im Bett, die ihre besten Jahre deutlich und lange hinter sich hatte. Sam erschrak fürchterlich.
Das Zimmer war verwahrlost, das Bett zerwühlt. Es roch übel, nicht nur aus dem unter dem Bett stehenden Nachttopf. Draußen war heller Tag. Die Vögel zwitscherten fröhlich.
Für Sam viel zu laut. Er hielt sich den Schädel und schüttelte den Kopf, was ihn schmerzte. Er kniff die Augen zu, öffnete sie wieder. Die Frau neben sich kannte er – das war Meggie O'Brien, eine ortsbekannte Schlampe.
Ein Saloongirl und Flittchen. Normalerweise wäre Sam an sie niemals rangegangen. Er musste fürchterlich besoffen gewesen sein.
Meggie, wegen ihres langen Gesichts und ihres kräftigen Hinterns Mule Meggie, Maultier Meggie, genannt, war keineswegs eine Schönheit. Hängebrüste und Speckrollen zeichneten sie aus. Ihre Schamhaare wuchsen dünn und kraus.
Sie schnarchte mit offenen Mund und strömte einen deutlichen Alkohol- und Schweißgeruch aus. Und nicht nur das.
Sam grauste es. Was habe ich da bloß angestellt, dachte er? Wie konnte das passieren? Er wusste nicht mal, ob er mit Meggie Sex gehabt hatte oder nicht.
Nach seinem Promillewert wohl eher nicht. Aber man konnte nie wissen. Vergeblich versuchte er, sich zu erinnern. Ab einem gewissen Zeitpunkt wusste er nichts mehr. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war Mack Rafters lachendes Bartgesicht, wie er ihm zuprostete.
»Trink, Brüderlein, trink. Das ist bester Mondschein-Whiskey. Davon wachsen dir Haare auf der Brust.«
Mule Meggie hatte irgendwo im Hintergrund gelauert. Mit ihren Männerbekanntschaften war sie nicht wählerisch. Sie nahm auch Geld für den Sex. Oh mein Gott!, dachte Sam. Wenn das seine Verlobte erfuhr, würde sie ihm zuerst die Augen auskratzen und ihm dann den Laufpass geben.
Rasch zog er sich an, schielte währenddessen andauernd zu der Schlafenden und hoffte, dass sie bloß nicht aufwachte. Nur weg, dachte er. Eine Szene konnte er jetzt nicht gebrauchen.
Er hatte furchtbaren Durst und soff die halbe Wasserkruke auf der Kommode vorm halbblinden, mit Fliegendreck übersäten Spiegel leer. Dann merkte er, dass er sich dringend erleichtern musste; seine Blase drückte. Das wollte er draußen erledigen.
Nichts wie weg, dachte er. Da klopfte es an der Tür des schäbigen Zimmers, und sie wurde geöffnet. Es war nicht mal abgeschlossen. Sam hatte seine Pistole vom Boden aufgelesen und in den Gürtel gesteckt.
Bill Becknell trat ein. Er war sauber angezogen und wirkte frisch und munter, froh wie der junge Morgen.
Er betrachtete das zerwühlte Bett, die Schlafende und Sam und grinste breit.
Sam legte die Hand auf den Pistolengriff.
»Hör auf zu grinsen!«, flüsterte er. »Sonst erschieße ich dich. Wir müssen verschwinden. Sofort!«
»Hattest du eine schöne Nacht?«, fragte der Trapper scheinheilig. »Mann, du warst sternhagelvoll. Du hast auf dem Tisch Reel getanzt und ...«
»Pst! Das will ich gar nicht wissen. Oder erzähl es mir draußen. Weck bloß nicht die Meggie auf!«
»Aha, daher weht also der Wind.«
Sie verließen leise das Zimmer, schlichen die Treppe des einstöckigen Hauses hinunter und verließen es. Sam hatte es eilig. Er bog um die Ecke. Sie waren hier unweit des Flusshafens von Franklin. Auf einem unbebauten Grundstück bei einem Busch erleichterte Sam seine Blase.
»Ah, das tut gut!«
Dann ging er mit Bill weiter. Ehe er ihn fragen konnte, was passiert war, weil sein Gedächtnis aussetzte, erklärte ihm Bill fröhlich, dass sie in Kürze nach Santa Fé aufbrechen würden.
»Du, ich und Jimmy. Das wird eine prima Sache, ein Abenteuer und ein Riesengeschäft.«
»Was?«, fragte Sam und blieb stehen. »Davon weiß ich ja gar nichts. Ich habe dir nichts zugesagt.«
»Doch, hast du, mein Freund und Partner. Gleich, nachdem du den Reel getanzt hattest. Wir malten uns das herrlich aus. Wie wir mit Silberpesos beladen zurückkommen, das Geschäft unseres Lebens. Jimmy will sein Kielboot verkaufen, um die Expedition zu finanzieren.«
»Du Hundesohn, du Halunke! Niemals habe ich das zugesagt, davon weiß ich absolut nichts. Ich bin doch nicht wahnsinnig, mich auf die Tour einzulassen! Ich habe hier mein Geschäft, mein Fuhrunternehmen. Das ernährt seinen Mann.«
»Reich wirst du davon nicht.«
»Das Geschäft läuft immer besser. Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach, hat mein Vater gesagt.«
»Der ganze Saloon wurde Zeuge, als wir die Vereinbarung trafen. Du gabst mir dein Wort. Willst du jetzt einen Rückzieher machen?«