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Hinterrücks wird der Geschäftsmann Bumb Chadman erschossen. Sterbend nimmt er seinem Pokerfreund Jasper Kinley ein Versprechen ab. Er soll nach Rocktown reiten, wo ein Mann namens Roderick Stewart eine alte finanzielle Verpflichtung einzulösen habe. Das Geld soll Chadmans Erbin bekommen, die es dringend benötigt. Jasper tut wie ihm geheißen. Bloß denkt Stewart nicht daran, dieser Verpflichtung nachzukommen und auch nur einen müden Dollar rauszurücken. Damit lässt sich Jasper jedoch nicht abspeisen. Er ist fest entschlossen, sein Versprechen zu halten ...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Ehrenschuld
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Hinterrücks wird der Geschäftsmann Bumb Chadman erschossen. Sterbend nimmt er seinem Pokerfreund Jasper Kinley ein Versprechen ab: Er soll nach Rocktown reiten, wo ein Mann namens Roderick Stewart eine alte finanzielle Verpflichtung einzulösen hat. Das Geld soll Chadmans Erbin bekommen, die es dringend benötigt.
Jasper tut, wie ihm geheißen. Doch Stewart denkt nicht daran, die Verpflichtung zu erfüllen. Zum Begleichen einer Ehrenschuld ist nämlich erforderlich, dass der Schuldner Ehre hat – und davon scheint Stewart wenig zu besitzen. Einen müden Dollar rückt er jedenfalls nicht heraus.
Damit lässt sich Jasper jedoch nicht abspeisen. Er ist entschlossen, sein Versprechen zu halten ...
Der Bärtige warf einen raschen Blick über die Schulter. Der Rotschopf und der Kahle waren dicht hinter ihm. Gerade rechtzeitig sah er wieder nach vorn. Um ein Haar wäre er über die Stufe gestolpert, die zur Veranda hinaufführte. Das hätte noch gefehlt. Seine Kumpane hätten ihn für den Rest seines Lebens damit aufgezogen.
Mit einem Satz war er neben der nur angelehnten Tür und spähte durch den Spalt. Von einem dürren Angestellten abgesehen befand sich niemand in der Bank. Der Mann stand hinter seinem Schalter und blätterte konzentriert in irgendwelchen Unterlagen. Den Beobachter bemerkte er nicht.
Der Bärtige wandte sich erneut um und warf den beiden anderen einen fragenden Blick zu. Sie nickten entschlossen, als Zeichen dafür, dass sie bereit waren. Ihre behandschuhten Hände lagen auf den Kolben der Revolver, die in ihren Waffengurten steckten.
Der Bärtige sah an ihnen vorbei. Vor dem Saloon auf der anderen Straßenseite stand Tony und passte auf die Pferde auf, wobei er die Zügel aller vier Tiere mit beiden Händen festhielt. Mit seinen gerade mal dreizehn Jahren war er für den Bärtigen wie der kleine Bruder, den er nie hatte, weshalb er ihm bei gemeinsamen Unternehmungen stets die ungefährlichsten Aufgaben zuwies. Durchaus zum Missfallen von Tony, der sich dadurch zurückgesetzt fühlte, was bereits zu einigen Diskussionen zwischen ihnen geführt hatte.
Der Junge war ein Heißsporn, mutig und für sein Alter erstaunlich unerschrocken, aber eben auch ein Junge. Er war der Sohn von Dave, der lange Zeit mit ihnen geritten und vor einem halben Jahr an einem heimtückischen Fieber gestorben war. Nur Wochen zuvor war seine Frau abends zu Bett gegangen und am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht. An Daves Sterbebett hatten sie gelobt, sich um Tony zu kümmern und ihn zu einem Mann zu erziehen.
Tony winkte ihm zu. Außer ihnen war niemand draußen unterwegs. An diesem frühen Vormittag wirkte die Stadt wie ausgestorben, was an dem prasselnden Regen lag, der vor einer knappen Viertelstunde eingesetzt und die Straße in ein Meer aus Schlamm verwandelt hatte. Nach dem kurzen Weg vom Saloon zur Bank war die Kleidung des Bärtigen durchnässt, und er spürte die kalte Feuchtigkeit auf seiner Haut. Wenigstens stand der Junge unter einem Vordach und hatte es einigermaßen trocken.
Trotz des Mistwetters gab es für die drei Männer keinen Grund, sich zu beschweren. Im Gegenteil, der Regen spielte ihnen in die Karten. Solange sich niemand auf der Straße blicken ließ, gab es auch keine Zeugen. Und keine Helden, die sich ihnen in den Weg stellten wie beim letzten Mal. Zwei Männer waren gestorben, woran sie selbst Schuld trugen.
Mit der rechten Hand zog der Bärtige seinen Remington, mit der linken sein Halstuch bis knapp unter die Nasenwurzel, sodass es sein Gesicht verbarg. Er holte noch einmal tief Luft, stieß mit dem Fuß die Tür auf und sprang in den Schalterraum. Der Angestellte schreckte hoch. Seine Augen weiteten sich, als er die drei maskierten und bewaffneten Männer vor sich sah. Der Bärtige musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass ihm der Kahle und der Rotschopf gefolgt waren. Nach all den Jahren konnten sie sich blind aufeinander verlassen.
Dem Angestellten fiel die Kinnlade herunter. In seinen weit geöffneten Mund hätte man glatt einen Maiskolben schieben können, ohne dabei die Zähne zu berühren. Nur das Prasseln des Regens von draußen durchbrach die Stille. Kurz schien es, als wäre die Zeit eingefroren.
Dann war der Moment vorbei. Mit einem Schritt war der Bärtige bei dem Angestellten und hielt ihm den Lauf des Revolvers vor die Nase.
»Mach den Tresor auf!«, zischte er. »Du hast zwanzig Sekunden. Stell keinen Blödsinn an, dann wirst du das hier überleben!«
Der Angestellte nickte, fuhr herum und ging zu dem Stahlschrank hinter ihm an der Wand. In Windeseile hatte er ihn geöffnet. Unaufgefordert hob er die Hände und trat zur Seite. Der Bärtige bedachte ihn mit einem anerkennenden Brummlaut. Wenn die Leute kooperierten, machte das die Sache für alle Beteiligten einfacher. Trotzdem hielt er den Mann weiter in Schach. Man konnte nie wissen.
Der Kahle und der Rotschopf eilten um den Tresen herum. Ihre Waffen hatten sie weggesteckt und stattdessen die Säcke unter den Jacken hervorgezogen, um sie nun hastig mit den Geldscheinen aus dem Tresor zu füllen. Sekunden später hatten sie ihn vollständig geleert. Während der Bärtige nach wie vor seine Waffe auf den Angestellten richtete, zogen sie sich zur Tür zurück. Er konnte die Scharniere knarren hören. Gut so. Sie hatten es fast geschafft.
»Hinlegen!«, bellte er dem Mann zu, der sich ohne Zögern bäuchlings zu Boden warf und die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
Rückwärts ging der Bärtige zum Ausgang und stand gleich darauf wieder auf der Straße. Mit der freien Hand zog er die Tür zu. Er drehte sich um, schaute nach rechts – und erstarrte. Sechs mit Gewehren bewaffnete Männer in langen Mänteln rannten durch den Regen auf ihn zu. Sie waren kaum mehr als fünfzig Schritte entfernt. Soweit er das erkennen konnte, trug wenigstens einer von ihnen einen Sheriffstern an der Brust.
Das alles registrierte der Bärtige im Bruchteil einer Sekunde. Regen hin oder her, jemand musste sie beobachtet und den Sternträger und seine Leute alarmiert haben. Verfluchter Mist!
Der erste Schuss krachte. Aus dem Augenwinkel sah der Bärtige den Kahlen zusammenbrechen. Der Geldsack, den er getragen hatte, fiel in den Schlamm. Der Kahle war getroffen, aber nicht tot. Auf dem Bauch liegend erwiderte er das Feuer.
Der Bärtige rannte auf die Pferde zu. Vom Rotschopf war nichts zu sehen; er musste irgendwo seitlich von ihm sein. Das konnte er nicht nachprüfen, denn Tony, dieser Narr, sprang in diesem Augenblick mit gezogener Kanone von der Veranda und feuerte auf den Sheriff und seine Leute, die stehengeblieben waren und ihre Waffen Blei speien ließen. Einer von ihnen ging zu Boden, aber da waren noch fünf andere.
»Geh zurück!«, brüllte der Bärtige.
Zu spät. Tony schrie auf und wurde, wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, auf den Rücken geschleudert. Mit zusammengebissenen Zähnen und ohne hinzusehen feuerte der Bärtige mehrere Kugeln auf die Angreifer ab. Dann hatte er den Jungen erreicht. Dessen Gesicht war eine blutige Masse. Das Geschoss hatte ihn mitten zwischen die Augen getroffen.
Da Tony die Zügel losgelassen hatte, hatten sich zwei der Pferde aus dem Staub gemacht, was bei dem Geballer niemanden wundern konnte. Nur die Gäule des Bärtigen und des Kahlen waren zurückgeblieben und tänzelten unruhig hin und her, als könnten sie es kaum erwarten, dass ihre Besitzer aufstiegen und sie von diesem Höllenlärm wegkamen.
Der Revolver des Bärtigen war leergeschossen, und da ihm keine Zeit zum Nachladen blieb, steckte er ihn weg und langte nach dem Sattelhorn. Kugeln pfiffen dicht in seiner Nähe durch die Luft. Nur eine Frage der Zeit, bis eine davon ihr Ziel traf.
Aus dem Augenwinkel sah er, dass von ihren Gegnern nur noch drei auf den Beinen standen. Dafür hatte sich der Kahle aufgerappelt, rannte zu seinem Pferd, sprang auf und nahm die Verbliebenen unter Beschuss. Sein linker Ärmel war rot von Blut.
Plötzlich stand der Rotschopf neben dem Bärtigen. Sie sahen sich in die Augen und trafen eine stumme Übereinkunft. Das Gewicht von zwei Männern würde sein Pferd langsamer machen, doch der Bärtige wollte seinen Kumpel nicht zurücklassen. Dafür hatten sie zu viel zusammen durchgemacht.
Hastig schwang er sich in den Sattel und streckte die Hand nach dem Rotschopf auf. Der ergriff sie, ließ aber sofort wieder los und sank mit einem Schmerzensschrei und verzerrtem Gesicht auf die Knie. Der Bärtige riss die Winchester aus dem Futteral am Sattel und feuerte eine ganze Salve auf die Angreifer ab. Einer der Männer stürzte in den Schlamm. Die beiden anderen spritzten auseinander und flüchteten in die Deckung der Häuser neben ihnen.
Damit gewährten sie ihm lediglich eine kurze Atempause, so viel stand fest. Sie würden nicht lockerlassen, und vielleicht war bereits Verstärkung unterwegs. Der Rotschopf lag auf den Knien, beide Hände nach ihm ausgestreckt. Ein flehentlicher Ausdruck lag in seinem Blick.
»Komm schon!«, brüllte der Kahle hinter ihnen.
Der Bärtige ließ das Gewehr fallen, beugte sich zur Seite hin vor und griff zu. Sein Kumpan war weder besonders groß noch ein Schwergewicht, dennoch schien er in diesem Moment Tonnen zu wiegen.
Die Muskeln des Bärtigen brannten wie Feuer, während er den Kumpan vor Anstrengung keuchend aufs Pferd zog. Als der Rotschopf endlich bäuchlings quer über dem Gaul vor ihm lag, griff er nach den Zügeln und trieb das Tier an, das sich nicht zweimal bitten ließ. Wiehernd spurtete es los. Hinter ihnen krachten erneut Schüsse, und der Bärtige zog den Kopf ein.
✰
Vier Stunden später hockten sie alle drei auf einer kleinen Lichtung und wärmten sich am Lagerfeuer. Die beiden verbliebenen Pferde hatten sie an einen Baum gebunden. Der Bärtige konnte kaum glauben, dass sie aus diesem Inferno entkommen waren. Wieder und wieder hatte er während ihrer Flucht einen Blick über die Schulter geworfen, ohne jedoch einen Verfolger ausmachen zu können. Die Beute war verloren, aber zumindest waren sie mit dem Leben und ein paar Blessuren davongekommen.
Der Kahle hatte einen Streifschuss am Arm, der Rotschopf eine schmerzhafte, jedoch nicht schwerwiegende Fleischwunde am linken Unterschenkel zu beklagen. Die Kugel saß nicht tief, sodass der Bärtige sie mit einem Messer hatte entfernen können.
Seit seiner Zeit bei der Armee verstand er etwas von solchen Dingen. Die Wunde hatte er ebenso wie das Messer mit reichlich Whiskey desinfiziert und anschließend mit einem sauberen Tuch verbunden. Der Rotschopf würde eine Weile humpeln. Eine Kleinigkeit, gemessen daran, dass er wie Tony leblos im Schlamm hätte liegen können.
Bei dem Gedanken an den Jungen spürte der Bärtige einen dumpfen Schmerz in seiner Brust. Obwohl er keine Schuld an seinem Tod trug, fühlte er sich verantwortlich. Hätte er bloß besser auf ihn aufgepasst. Hätte er ...
Nein, solche Überlegungen waren schlicht sinnlos. Tony hätte einfach in Deckung bleiben müssen.
Trotzdem. Er hatte Dave sein Wort gegeben und es nicht gehalten. Das nagte an ihm.
Er nahm einen kräftigen Schluck aus der noch zu einem Viertel gefüllten Whiskeyflasche und spürte den sehnlichen Wunsch, sich zu betrinken, was ihm mit dem kärglichen Rest Schnaps nicht gelingen würde. Das meiste davon war für die Behandlung des Rotschopfs draufgegangen.
»Das war ganz schön knapp«, brach dieser nach einer Weile das Schweigen.
Der Bärtige nickte und starrte ins Feuer.
Der Kahle sah auf. »Verdammt, der Junge ist tot, und ich fühle mich schuldig daran! Wir hätten ihn in einem Heim oder so unterbringen sollen, statt ihn mit uns zu nehmen.«
Der Rotschopf schüttelte den Kopf. »Er wollte es so. Hast du vergessen, wie ähnlich er seinem Vater war?«
»Er war noch ein Kind. Wir hätten ihm zumindest keinen Revolver in die Hand drücken dürfen.«
»Gibst du jetzt etwa mir die Schuld?«
Der Kahle stieß geräuschvoll die Luft aus.
»Tut mir leid, Mann. Ehrlich gesagt, denke ich schon länger darüber nach, damit aufzuhören. Wir haben genug Geld erbeutet, um uns zumindest für die nächsten Jahre ein ordentliches Leben leisten zu können.«
Aufmerksam hatte der Bärtige seinen Worten gelauscht. Ähnliches war ihm ebenfalls schon durch den Kopf gegangen. Mehrmals in den vergangenen Wochen hatte er sich dabei ertappt, dass ihm an dieser Art Leben allmählich die Lust verging.
»Ich bin ganz deiner Meinung«, stimmte er deshalb zu und reichte seinem Gegenüber die Flasche. »Ehrlich gesagt, würde ich gerne in einem Bett sterben. Oder wenigstens mal für eine Zeit lang im selben Bett schlafen.«
Der Kahle musterte den Rotschopf. »Wie stehst du dazu?«
Er überlegte eine Weile, dann nickte er.
»Schätze, ihr habt recht. Hat heute nicht gefehlt, dass ich jetzt mit den Engeln statt mit euch am Feuer sitzen würde. Allerdings schlage ich vor, dass wir uns trennen. Sollten sie uns doch verfolgt haben und sich in der Nähe rumtreiben, kriegen sie uns wenigstens nicht alle.«
»Beschlossene Sache«, verkündete der Bärtige.
Der Rotschopf sah ihn an.
»Bevor wir morgen getrennte Wege gehen, haben wir beide noch etwas zu klären. Du hast mir heute das Leben gerettet und dabei dein eigenes auf Spiel gesetzt.«
»Hättest du auch für mich getan. Wir alle hätten es füreinander getan.«
»Offen gestanden bin ich mir da nicht so sicher. Weiß nicht, ob ich dafür die Nerven gehabt hätte. Ist keine Schande, das zuzugeben. Eigentlich hätte ich auch eher erwartet, dass mich mein alter Freund hier raushaut. Schließlich kennen wir uns schon wesentlich länger.«
»Scheiße, ich war mit mir selbst beschäftigt!«, protestierte der Kahle.
Der Rotschopf ignorierte ihn und sprach weiter zu dem Bärtigen.
»Du hast was gut bei mir. Solltest du jemals in Schwierigkeiten geraten, kannst du auf meine Hilfe zählen. Das meine ich erst.«
Dann gab der Rotschopf dem Bärtigen ein Versprechen, das sie mit einem schriftlichen Vertrag besiegelten.
»Ich hoffe, dein Angebot nie in Anspruch nehmen zu müssen«, sagte der Bärtige, nachdem er seine Ausfertigung unterzeichnet hatte. »Denn das würde ja bedeuten, dass ich mächtig in der Scheiße sitze.«
Er spürte, wie sich langsam die Müdigkeit in ihm ausbreitete.
»Ohne dich würde ich jetzt so tief in der Scheiße sitzen, wie es überhaupt nur möglich ist«, antwortete der Rotschopf, und dann legten sie sich schlafen.
Am nächsten Morgen verriet er dem Bärtigen sein Ziel. Er wollte in eine Stadt, die viele Tagesritte entfernt lag und in der man gute Geschäfte machen konnte. Jedenfalls hatte er das so gehört. Dort wollte er sich niederlassen. Der Bärtige sollte ihm gern einen Brief schreiben, sobald er selbst einen Ort gefunden hatte, um sesshaft zu werden.
Sie reichten sich die Hände. Dann schwang sich der Rotschopf hinter dem Kahlen auf dessen Pferd, und sie ritten ihrer Wege.
✰
Achtundzwanzig Jahre später
»Du ziehst mich aber nicht wieder über den Tisch, oder, Jasper?«, fragte Bumb Chadman und brach in sein charakteristisches dröhnendes Lachen aus.
Jasper Kinley schüttelte grinsend den Kopf und teilte die Karten aus.
»Selbst falls ich dich heute bis aufs Unterhemd ausziehen sollte, die Hose lasse ich dir. Mache ich bei Freunden immer so.«
Darüber musste Bumb so herzlich lachen, dass ihm die Tränen kamen. Für einen Scherz war der Geschäftsmann mit dem kugelförmigen Bauch, dem blassen Gesicht und dem dünnen weißen Haar immer zu haben, wie Jasper wusste.
Sie saßen im wie üblich gut besuchten Saloon von River Falls und spielten die vierte Runde Poker des Abends. Der Einsatz bestand aus wenigen Cent und hatte lediglich symbolischen Charakter.
Jasper Kinley verdiente seine Dollars als professioneller Pokerspieler. Sein Gegenüber liebte das Spiel zwar, betrieb es aber nur zum Zeitvertreib und beherrschte es bestenfalls lausig. Ihm ging es um den Spaß, den er sich auch nicht davon verderben ließ, dass er ständig verlor.
Jasper war immer auf Achse, und River Falls gehörte zu den Städten, in die er regelmäßig einen Abstecher machte. Hier gab es viele Durchreisende, die sich gerne auf ein Spielchen einließen. Da sie ihm in der Regel nie zuvor begegnet waren, baten sie ihn bedenkenlos an ihren Tisch, nicht ahnend, dass sie bald um einige Dollars leichter sein würden.
Was nicht bedeutete, dass Jasper falschspielte. Dergleichen hatte er noch nie getan. Jedoch besaß er reichlich Geschick im Umgang mit den Karten und darüber hinaus einen guten Instinkt.
Trotzdem blieb nicht aus, dass an manchen Abenden er es war, der von einem noch besseren Spieler gerupft wurde. Solange er unter dem Strich mehr gewann als verlor, kümmerte ihn das nicht. Das Pokerspiel machte ihn nicht reich, doch es bescherte ihm ein regelmäßiges Einkommen, und das genügte ihm.
Bei einem seiner Aufenthalte in River Falls hatte er Bumb Chadman kennengelernt. Obwohl dieser mit seinen vierundsechzig Jahren doppelt so alt war wie Jasper, hatten sie sich auf Anhieb gut verstanden und seitdem so manchen amüsanten Abend miteinander verbracht. Bumb mochte ein beklagenswert schlechter Pokerspieler sein, dafür konnte er glänzend Geschichten erzählen, und Jasper liebte Geschichten. Außerdem bezahlte er bei ihren Zusammenkünften im Saloon die Drinks.
Einige der anderen Gäste warfen ihnen belustigte Blicke zu. Bumb war in der Stadt bekannt wie ein bunter Hund, wie Jasper schon früh bemerkt hatte. Er schien mit jedem gut auszukommen und machte alle möglichen Geschäfte, wobei Jasper diesbezüglich keine Details kannte. Berufliches sparte Bumb bei ihren Treffen aus.
»Dienst ist Dienst, und Whiskey ist Whiskey«, pflegte er zu sagen.
Lieber erzählte er von seinen zahlreichen Weibergeschichten, von denen ihm Jasper jedoch höchstens die Hälfte abkaufte, und auch das nur mit einem zugedrückten Auge. Der rundliche Mann mit den Lachfalten im Gesicht entsprach alles andere als dem Bild eines Frauenhelden. Natürlich hätte ihm Jasper seine Zweifel niemals auf die Nase gebunden. Sein Freund war laut und neigte zum Angeben, aber vor allem war er ein netter Kerl, und das bisschen Geprahle schadete ja keinem.
Heute sah Bumb etwas blasser aus als gewöhnlich, und er schien ein wenig abgenommen zu haben. Jasper hatte es bislang vermieden, ihn darauf anzusprechen.