Jacko der Eroberer - Fritz-René Grabau - E-Book

Jacko der Eroberer E-Book

Fritz-René Grabau

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Beschreibung

Jacko ist ein besonderer Wellensittich mit einem außergewöhnlichen Freund, dem Zentralrechner des Bundesnachrichtendienstes. Mit dessen Hilfe kann Jacko innerhalb kürzester Zeit nicht nur einige Worte der menschlichen Sprache nachplappern, sondern artikuliert sich bald besser als die meisten nichtgefiederten Sprecher. Doch seine Fähigkeiten rufen nicht nur Bewunderer auf den Plan und Jacko muss sich vieler Übergriffe erwehren. Nebenbei rettet er Millionen von Menschen das Leben und gründet auch noch eine eigene Familie. Seine Geschichte ist ungewöhnlich und fantastisch zugleich, Jacko erlebt Abenteuer der Extraklasse. Überzeugen Sie sich selbst.

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Seitenzahl: 350

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99131-977-1

ISBN e-book: 978-3-99131-978-8

Lektorat: DK

Umschlagfotos: Fritz-René Grabau, Stockeeco | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Fritz-René Grabau

www.novumverlag.com

Prof. Dr. Fritz-René Grabau

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Vorwort

Diese Geschichte dreht sich von der ersten bis zur letzten Seite um einen kleinen, in Deutschland geborenen Wellensittich, der unglaubliche Fähigkeiten entwickelt und dabei große Abenteuer erlebt, wie sie kaum zu glauben sind. Wellensittiche gehören bekanntlich zu den sogenannten Schwarmvögeln, d. h., sie fühlen sich überhaupt nicht wohl, wenn sie in Vogelkäfigen oder Volieren einzeln gehalten werden. Dann werden sie schnell neurotisch und verlieren jedwedes Zutrauen zum Menschen. Andererseits ist die Einzelhaltung freilich die beste Möglichkeit, sie mehr auf den Menschen auszurichten, weil in einer Vogelgruppe die Artgenossen die wichtigsten Bezugspunkte bleiben und der Mensch, der sie hegt und pflegt, nur eine Nebenrolle einnimmt.

Zu Beginn ist bei Jacko alles noch ganz normal, aber dann erlebt dieser kleine Wellensittich Dinge, die sich nicht einmal ein Mensch oder eine ganze Menschengruppe vorstellen kann. Zudem wird er steinalt und seine Abenteuer werden mit den Jahren nicht kleiner, sondern im Gegenteil immer größer, sodass er im hohen Alter als erster Vogel und erstes Haustier sogar vom deutschen Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommt. Wie es dazu kommt und was Jacko bis dahin schon alles erlebt hat, davon handelt dieses Buch.

Mehr wird an dieser Stelle aber nicht verraten, denn das würde die Leser um die Freude des Entdeckens und Staunens bringen, die sie mit den hier geschilderten unglaublichen Geschichten von Jacko vor sich haben.

Anfangs konnte sich keiner vorstellen, welch aufregendes Leben dem kleinen Jacko vorherbestimmt war, aber das sollte sich schneller ändern, als sich jedermann vorstellen kann.

BERLIN, IM HERBST 2020

Geburt und Kindheit

Jacko kam als zweites Vogelkind seiner Vogeleltern Olli und Samiline in einem Nistkasten im Wohnzimmer seines menschlichen Papas Ende April des Jahres 2019 zur Welt. Vor fast fünfzig Jahren hatte Fritz-René schon mal einen Wellensittich mit demselben Namen besessen. Dieser Vorgänger hatte aber ein grün-gelbes Federkleid. Er war indes inzwischen seit über vierzig Jahren tot und lag auf dem Friedhof. Dort war er 1977 nach einem fast zwölfjährigen Vogelleben direkt neben der Grabstelle von Fritz-Renés Großmutter Friederike beigesetzt worden. Bis heute war er unvergessen, doch selbst Fritz-René hätte sich zuvor kaum vorstellen können, dass er dereinst einen solch würdigen Nachfolger finden würde.

Seit dem Herbst 2018 stand auf dem einen Schrank im Wohnzimmer des späteren menschlichen Papas von Jacko ein Nistkasten, um die Eltern von Jacko zum Eierlegen anzuregen. Erfahrungen mit der Vermehrung von Wellensittichen in der Gefangenschaft hatten Ingrid und Fritz-René beide nicht. Aber Ingrid hatte ihre beiden Kampfflieger, die späteren Eltern von Jacko und ihre siebte Wellensittichgeneration, im Sommer des Jahres 2018 von ihrer Wohnung in Stendal in das Haus nach Berlin gebracht. Dort blühten die beiden Vögel auf und zeigten eine große Lebensfreude. Geboren wurden Jackos Eltern in Stendal, wo sie einen Tag vor dem Weihnachtsfest 2017, kurz nach dem Tode der vorangegangenen sechs Vogelgenerationen, gekauft worden waren. Das erste halbe Jahr lebten sie in der Stendaler Wohnung ihrer menschlichen Mama Ingrid und wurden von Bernd, dem Papa von Ingrid, regelmäßig besucht und gefüttert. Im Sommer taten Ingrid die beiden Kampfflieger leid, da sie in der Zeit nur sporadisch verpflegt und unterhalten wurden.

Kurz vor der Sommerreise ihrer Eltern brachte sie die Vögel daher in ihrem Käfig nach Berlin. Schon in Inges schönem gelben Hyundai-Sportcoupé wurden die beiden bereits richtig munter und in dem großen Wohnzimmer in Fritz-Renés Berliner Haus blühten die beiden dann richtig auf und eroberten den Raum innerhalb weniger Tage.

Nach dem Herbsturlaub von Ingrid und Fritz-René im Oktober desselben Jahres wurde daher ein Nistkasten besorgt, um zu testen, ob dies die beiden Vögel zur Vermehrung und zum Eierlegen anregen würde.

Anfangs nahmen Samiline und Olli von dieser Möglichkeit und dem Nistkasten gar keine Notiz. Es dauerte fast zwei Monate, bis sich dies änderte. Es war kurz nach Weihnachten, als das Häuschen öfter von beiden angeflogen wurde. Besonders Samiline begann sich auch immer mehr mit der Ausstattung des Innenlebens des Nistkastens auseinanderzusetzen.

Im Februar des Folgejahres war es dann so weit, dass die zukünftigen Eltern anfingen, den Beischlaf unter Vögeln auszuüben. Gleichzeitig räumte Samiline den Nistkasten aus, da sie offensichtlich weder eine Nestabdeckung noch Nistmaterial für das künftige Gelege haben wollte. Daneben gaben sich Olli und Samiline tagein, tagaus dem Liebesspiel hin, bei dem der Olli seine Samiline jedes Mal von links und von hinten besteigen musste, damit Kloake und Kloake übereinander in Stellung gebracht werden konnten. Denn nur so kann der Samen des Männchens in das Weibchen gelangen. Aber nicht jeder Versuch führte zum Erfolg. Zudem hatte Samiline, wie bei Wellensittichen möglich, die Option, Ollis Samen in ihrem Körper eine Zeit lang zu speichern, bis aus ihrer Sicht der richtige Zeitpunkt gekommen war, um die Befruchtung herbeizuführen. Im Nistkasten selbst gab es nur noch eine flache Mulde, mehr duldete Samiline nicht zur Ausgestaltung des Nestes.

So waren die menschlichen Eltern der Vögel mehr als erstaunt, als sich dies wiederum zwei Monate später änderte und das erste Vogelei in den Nistkasten gelegt wurde. Aus dem dritten Ei sollte dann achtzehn Tage später der große Jacko schlüpfen, der allerdings genau wie seine Geschwister zu Anfang nur ein federloses, blindes kleines Etwas war. Als letztes Küken kam später noch Didiline zur Welt. Sie war das dritte Vogelkind nach Mika, dem ersten Vogelkind, und dem großen Jacko. Denn das zweite und vierte Vogelei von dem aus fünf Eiern bestehenden Gelege waren leider nur Windeier.

Aber dieser Jacko als das zweite Vogelei sollte ein legitimer Nachfolger des ersten Jacko von vor fünfzig Jahren werden. Jackos älterer Bruder Mika war sogar schon Ende April und eineinhalb Tage früher als eigentlich berechnet zur Welt gekommen. Alle drei Vogelkinder waren in diesen Anfangswochen noch richtig zutraulich und ließen sich unproblematisch auf die Hand nehmen. Auch nahmen sie täglich am morgendlichen Frühstück auf dem Wohnzimmertisch teil und kuschelten sich minutenlang in die Falten des auf dem Tisch platzierten Kuscheltieres namens „Running Dog“. Alle Beteiligten hatten in der Zeit schon viel Spaß miteinander. Erst mit Einsetzen der Pubertät bei Jacko und seinen Geschwistern sollte sich das vorläufig ändern.

Ende Mai machte Jacko seine ersten Flugversuche im Wohnzimmer. Im Laufe des Junis hatte er dann wie seine beiden Geschwister das gesamte fast vierzig Quadratmeter große Wohnzimmer erobert. Aber das war ja noch alles ganz normal. Die großen Veränderungen begannen erst einige Monate später. Jacko, Mika und Didiline hatten zusammen mit ihren Eltern viel Spaß und waren für ihre menschlichen Eltern ebenfalls eine große Freude. Sie flogen dabei weder gegen die Scheiben, noch kam es zu Abstürzen, bei denen man sich als Vogelkind schwer verletzen konnte. Es war die vielleicht schönste Zeit in ihrem Vogelleben, da keine Sorgen und Nöte das Leben erschwerten, das sich auch sonst nur schön und angenehm zeigte. Doch auch die schönste Zeit geht irgendwann zu Ende und für Jacko begann bald darauf seine große Karriere, die für niemanden vorhersehbar war.

Erste Sprechübungen

Jacko erwies sich im Laufe des Jahres 2020 mehr als seine Geschwister als äußerst gelehrig und sollte mit seinem Sprachtalent noch alle überraschen. Normale männliche Wellensittiche sind durchaus fähig, einige Worte von ihren menschlichen Eltern zu lernen, während weibliche Vogelkinder normalerweise nicht so viel Begabung für die menschliche Sprache mit sich bringen. So ist es jedenfalls die anerkannte Ansicht unter in- wie ausländischen Tierexperten.

Aller Anfang ist freilich schwer und auch bei Jacko hatte sich das Sprachtalent erst fast anderthalb Jahre nach seiner Geburt zu entwickeln begonnen. Den beiden nicht menschlichen Vogeleltern fiel jedenfalls nach erfolglosem Zuwarten doch noch der in manchen Internetforen für Vogelfreunde bekannte Trick ein, die drei Vogelkinder eine gewisse Zeit voneinander zu trennen und den zum Lernen am besten geeigneten Vogel in einem eigenen Käfig zu halten. Man versuchte es beim Sprechenlernen instinktiv von vornherein zuerst mit Jacko und lag damit völlig richtig. Durch die vorübergehend von anderen Vögeln separierte Haltung konnte sich Jacko ganz auf die Imitation seines menschlichen Papas konzentrieren und machte daraufhin schneller als erwartet Fortschritte.

Es waren von Beginn an allerdings nicht die normalen Worte oder Aussagen, die sich Jacko aneignete. Ihn schien ein Satz wie: „Ich bin Jacko“ oder eine Frage wie: „Wie geht’s?“ nicht wirklich zu interessieren, sodass er nicht dazu zu bringen war, sie zu wiederholen, egal, wie oft sie ihm vorgesprochen wurden.

Ganz anders sah es mit Formulierungen wie: „Ich werde ein Held und ich habe eine große Zukunft vor mir“ aus. Was bereits damals überraschte, war zudem der Umstand, dass er mit seinem noch recht überschaubaren Vokabular anfing, sinnvolle kurze Sätze zu bilden, und sogar eigene neue Sätze formte. Und einmal erfolgreich ausgeführt und ausgesprochen prägte sich jeder neue Satz stets sicher in seinem Gedächtnis ein und er vergaß ihn nie wieder.

Seine menschlichen Eltern waren allerdings der Meinung, dass die fast fünfzig Vokabeln bereits das Maximum dessen wären, was an Worten in so einem kleinen Wellensittichhirn Platz haben konnte. Denn der Kopf eines Wellensittichs war doch bedeutend kleiner als der eines Menschen. Aber damals hatte auch keiner damit gerechnet, was gerade bei Jacko alles gänzlich anders sein sollte als bei einem normalen Wellensittich.

Die große Entdeckung

Es war Ende 2020, als jedenfalls alles anders werden sollte. Ingrid und Fritz-René hatten sich daran gewöhnt, dass Jacko seine fast fünfzig Worte sicher beherrschte und sogar in einem vernünftigen Zusammenhang zu nutzen verstand. Doch dann wurde es an einem sonnigen Wintertag im Dezember mit einem Mal richtig spannend. Denn Jacko fing an, zu reden und ganze Geschichten zu erzählen. Die meisten Worte gehörten ganz bestimmt nicht zu seinem bisherigen Vokabular. Gerade die Geschichten wurden von Mal zu Mal länger und komplizierter. Wie war das nur möglich? So ein kleiner Kopf, da passte doch gar nicht so viel hinein.

Bereits im Februar 2021 konnte man sich mit Jacko richtig unterhalten, und zwar über Dinge und Themen, die ein kleiner Wellensittich nun wahrlich nicht in seinem kleinen Kopf unterbringen konnte. Spätestens zu Ostern desselben Jahres wurde der Vogel seinen menschlichen Eltern daher langsam unheimlich. Denn das konnte einfach nicht wahr sein. Jacko beteiligte sich aktiv an jedem Gespräch und jeder Diskussion seiner menschlichen Eltern, die im Wohnzimmer stattfanden, und hatte hierbei auch noch zumeist die besseren Argumente auf seiner Seite. Es war einfach unglaublich.

Ingrid, die menschliche Mama der Vogelkinder, wollte am liebsten gleich Spezialisten von der Universität oder von einer großen Forschungseinrichtung in Deutschland oder sogar den USA hierüber informieren und Jacko von diesen Spezialisten untersuchen lassen, um zu erfahren, was hier vorging. Doch Fritz-René war strikt dagegen und setzte sich ein ums andere Mal mit seiner Skepsis gegen Tierversuche und auch gegen jedwede Untersuchung von Jacko durch. Das war auch ein Glück, denn Ende Mai 2021 kam Jacko ganz von allein an einem sonnigen Abend auf das Thema zu sprechen und fing ganz von selbst an, von seiner großen Verwandlung zu berichten und seine menschlichen Eltern über den Ursprung dieser Entwicklung in Kenntnis zu setzen.

Was hatte Jacko nun dazu vorzubringen? Weder er noch seine Vogelfamilie, geschweige denn seine menschlichen Eltern hatten Erfahrungen mit Gedankenverbindungen und -übertragungen, die hier stattfanden und die aus einem kleinen Wellensittich einen großen Gelehrten machen sollten. Bis zu den Ereignissen um Jacko hätten sie diese Möglichkeit, Gedanken sekundenschnell von einem Ort an einen anderen Ort und gleichzeitig in gesprochene Sprache zu übertragen, in das Reich der Fantasie und Spinnerei verlegt. Ja, sie hatten diese Theorie nicht einmal im Ansatz für erwägenswert gehalten. Denn so etwas war aus ihrer Sicht nicht real und normal, oder etwa doch? Da war guter Rat teuer und eine Erklärung für den Ursprung dieser Veränderungen wurde sehnlichst erwartet. Von wem auch immer.

Was hatte sich verändert?

Die Geschichte, die Jacko daraufhin seinen menschlichen Eltern zu berichten hatte, war so unglaublich, dass keiner, der sie das erste Mal zu hören bekam, sie auch nur im Ansatz für möglich hielt und überhaupt glauben konnte. Sie schien einfach nicht von dieser Welt zu sein und stellte auch alle bekannten Evolutionslehren und Forschungsansätze der Biologie sowie der Tierpsychologie auf den Kopf.

Aber die Realität, die hier geschildert wurde und von der Jackos menschliche Eltern Zeugen wurden, war über die Maßen seltsam und diese große Veränderung hatte wie alles zuvor Gesagte ganz langsam und ganz ohne Aufsehen begonnen. Jacko saß Ende Januar 2021 gegen zwanzig Uhr auf einer Stange in der Nähe der ihm und der ganzen Familie alle paar Tage als zusätzliche Nährstoff- und Fresspflanze aufgestellten Golliwoog neben einem Bücherschrank im Wohnzimmer und überlegte gerade, wer sich als Nächstes einige Blätter von dieser besonders leckeren Futterpflanze holen würde. Da spürte er, wie er uns berichtete, einen besonderen Impuls – oder war es ein Nervenreiz –, der seinen ganzen kleinen Körper durchdrang.

Dieser Reiz sei nicht unangenehm gewesen, nur ungewohnt und habe ihn kurz aufschrecken lassen. Jedenfalls habe er sich anschließend nicht mehr aufs Fressen fokussieren können, denn seine ganze Kraft habe sich mit einem Mal nur noch auf die ihn erfüllenden Gedanken konzentriert. Jacko habe den Eindruck, dass er mit etwas Größerem verbunden gewesen und dass dieses Größere in ihn eingedrungen sei, so wie umgekehrt er diese unbekannte Kraft mit seinem ganzen kleinen Körper erfasst habe. Nach knapp einer Minute sei dieses Gefühl jedoch wieder vorbei gewesen und an jenem Abend auch nicht wieder zurückgekehrt.

Wie bei einem Wellensittich durchaus üblich, habe er sich hierüber keine weiteren Gedanken gemacht und sei seinen üblichen Beschäftigungen nachgegangen. Ungewöhnlich war jedoch, dass sich dieses merkwürdige Gefühl an den folgenden Abenden nahezu täglich wiederholt habe. Und immer zur fast selben Zeit. Nun können Wellensittiche, so die landläufige Meinung, überhaupt nicht denken und schon gar nicht zusammenhängende Gedanken zu einem bestimmten Gegenstand bilden und diese etwa anschließend gar in Worte kleiden. Schon das erwies sich bei Jacko indes als nicht richtig, wie sich bald zeigen sollte.

Aber so einfach, wie Jacko sich das vorstellte, sollte es dann doch nicht werden. Es war Mai, als Jacko ein so starkes Gefühl durchdrang, dass er sich nicht länger gegenüber seinem menschlichen Papa zurückhalten wollte, und ihm deshalb das Folgende andeutete.

„Ich hatte seit Ende Januar zunächst nahezu täglich, anfangs nur ganz kurz, so merkwürdige Gefühle. Etwas, was einem kleinen Vogel nicht zusteht und womit ich anfangs auch gar nichts anzufangen wusste. Als diese Gefühle immer wiederkamen und seit Ende Februar zudem immer länger andauerten, habe ich angefangen, mir über Ursache und Wirkungen dessen endlich Gedanken zu machen, und bin dabei auf Folgendes gestoßen:

Meine Gedanken haben sich offenbar auf eine große Reise außerhalb meines Körpers begeben und dabei ein großes Zentralrechnergehirn erreicht und dieses anschließend dazu gebracht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Innerhalb kürzester Zeit hat dieser Zentralrechner sich mit mir so verbunden, dass ich beginnen konnte, viele neue Worte und Sätze zu erlernen und über diesen Rechner in Echtzeit auch auszusprechen. Ich bin seitdem nahezu täglich für längere Zeit mit dem Herzen dieses Rechners verbunden. Ich weiß bis jetzt noch immer nicht, wie so etwas möglich ist. Aber ich bin jedenfalls der lebendige Beweis dafür, dass es funktioniert.“

Jacko hat es sich sehr viel später von verschiedenen Wissenschaftlern in einfache Vogelsprache übertragen und erklären lassen. So will ich versuchen, die wichtigsten Punkte hier kurz zusammenzufassen. Das Erste, was wir Menschen lernen mussten, war, dass auch Vögel denken können, und das nicht nur in Bezug auf Fressen und Fortpflanzung. Sie können sogar Sender und Empfänger von Gedankenimpulsen sein und ohne Probleme dabei auch größere Entfernungen überbrücken. Aus der Sicht von Jacko, aber von allen anderen, war die Kontaktaufnahme zum Zentralrechner des Bundesnachrichtendienstes nichts weiter als ein großer Zufall, da keiner von uns in der Vergangenheit mit dieser Institution wirklich Kontakt hatte und zudem davon ausgegangen war, dass diese Anlage mit Sicherheitsvorrichtungen versehen sei, die von außerhalb und zumal von den Gedanken eines kleinen Vogels nicht so ohne Weiteres zu durchdringen waren. Das sollte sich jedoch als riesiger Irrtum erweisen. Die technischen Einzelheiten spielen für den Fortgang dieser Geschichte freilich an dieser Stelle keine Rolle.

Die erste versuchte Entführung

Es hätte trotzdem alles so friedlich mit Jacko und seinen menschlichen Eltern, vor allem seinem menschlichen Papa weitergehen können und nur, wenn dieser oder Jacko dazu Lust gehabt hätten, entweder in einem Gespräch oder von ganz allein Einzelheiten zu diesen gewaltigen Veränderungen auch Dritten mitzuteilen, wären vielleicht einige Informationen nach außen gedrungen. Aber es sollte gänzlich anders kommen.

Die Gespräche mit Jacko waren in den folgenden Wochen zu Hause stetig umfangreicher geworden und immer, wenn seine menschlichen Eltern Besuch hatten, hatte Jacko sich gleichfalls nicht zurückgehalten können und Beispiele seines neuen Intellekts gegenüber den Gästen zum Besten ge geben.

Das muss wohl auch die undichte Stelle gewesen sein, die dazu führte, dass Dritte von den Fähigkeiten Jackos erfuhren und damit Ereignisse in Gang setzten, die das Leben des Vogels und seiner menschlichen Eltern gründlich durcheinanderbringen sollten.

Im August 2021 bekamen Jackos menschliche Eltern mit einem Mal jedenfalls unerwarteten und unangenehmen Besuch. Es war an einem schönen Sonnentag, als es an der Haustür klingelte und sich anschließend zwei schwarz gekleidete Herren mit einer entsprechenden Ausrüstung bei Ingrid und Fritz-René vorstellten. Ingrid hatte das Klingeln nur durch Zufall gehört, weil sie sich gerade in der Küche einen neuen Kaffee zubereitete und ansonsten mit Fritz-René bei schönstem Sonnenschein auf der Terrasse saß. Die Herren sahen aus wie die „Men in Black“ und sie benahmen sich gleichfalls so.

Der Größere der beiden führte das Wort und erklärte:

„Wir sind von einer wichtigen innerstaatlichen deutschen Einrichtung. Unsere Ausweise dürfen wir Ihnen auf Weisung unserer Leitung freilich nicht zeigen, da dies hier eine verdeckte Aktion ist. Wir sind nachdrücklich angehalten, niemandem die Auftraggeber dieser Aktion preiszugeben. Wir sind zwingend dazu angewiesen, den Wellensittich namens Jacko einzufangen und mitzunehmen. Auch wenn sich dies verrückt anhört, gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass von Ihrem Haustier möglicherweise eine Gefahr für die nationale Sicherheit ausgeht. Deshalb muss er von hier weggebracht und genauer untersucht werden, damit diese Dinge umfassend aufgeklärt werden können. Dieser Auftrag duldet keinen Aufschub. Wir müssen den Wellensittich deshalb sofort mitnehmen.“

Inzwischen waren Ingrid und die beiden Herrn über das Wohnzimmer auf die Terrasse gekommen, wo sie auf Fritz-René trafen.

Die menschlichen Vogeleltern ließen sich jedenfalls nicht so schnell einschüchtern, zumal der kurze Vortag der beiden Herren ihnen eher als ein großer Humbug erschien und Ingrid die Schwarzgekleideten, die sich einfach ins Haus gedrängt hatten, am liebsten gleich wieder hinausgeworfen hätte. Jetzt waren sie jedenfalls alle auf der Terrasse. Fritz-René hatte auch schon das Telefon in der Hand und war auf dem Sprung, notfalls die Polizei zu Hilfe zu rufen.

Was dann geschah, spottete jedoch jeder Beschreibung. Der eine der beiden Männer hatte mit einem Mal eine Waffe gezogen, die zuvor weder Fritz-René noch Ingrid bemerkt hatten, und richtete diese sofort auf Fritz-René. Ingrid wollte schon aufspringen und sich auf den zweiten Mann stürzen, um ihn zu überwältigen. Doch mit einem Mal hatte auch dieser eine Waffe in der Hand und zielte auf sie.

So etwas hatten die beiden noch nie erlebt und auch nicht für möglich gehalten, dass jemand sie mit Waffen in ihrem eigenen Heim angreifen und bedrohen würde. Und das alles, um einen kleinen Wellensittich mitzunehmen.

Ingrid und Fritz-René fiel daraufhin als Erstes nichts Besseres ein, als die beiden unbekannten Herren in ein längeres Gespräch zu verwickeln, um Zeit zu gewinnen. Und bitte sofort die Waffen runter.

„Das ist doch alles totaler Unfug. Friedliche Bürger überfallen und ihnen ein Haustier gegen ihren Willen wegnehmen, weil irgendwer den Verstand verloren hat: Kleine unschuldige Vögel haben nichts mit Gefahr und Sicherheit zu tun. Das weiß doch jeder, weil alles andere zudem nicht mit den Naturgesetzen oder sonstigen Regeln, die für Menschen, aber auch für Tiere gelten, in Einklang stünde.“

Vor Jahren habe es mal eine Zeit gegeben, in der die Vogelgrippe grassiert und sich sogar nach Deutschland ausgedehnt habe. Aber darum scheine es hier gar nicht zu gehen. Denn krank oder infiziert seien weder Jacko noch die sechs anderen Vögel im Hause. Alle erfreuten sich bester Gesundheit, wie Fritz-René der menschliche Vogelvater erläuterte. Keiner der beiden Herren wollte sich jedoch offenbar in die Karten schauen lassen, sondern sie verwiesen lediglich darauf, dass sie einen Auftrag von höchster Stelle bekommen hätten und es keinen Sinn habe, mit ihnen darüber zu diskutieren. Ingrid versuchte es trotzdem und bat darum, wenigstens mit einem Verantwortlichen telefonieren zu dürfen, der mit der Angelegenheit besser vertraut sei. Denn auch sie könne an die Echtheit dieses Auftrages überhaupt nicht glauben.

Die beiden Herren schauten sich kurz an und der eine wählte daraufhin wirklich eine Nummer auf seinem Handy, was Fritz-René und Ingrid doch sehr überraschte, weil beide glaubten, dass es sich hier nur um zwei echt durchgeknallte Wohnungseinbrecher handelte. Dann wurde auf der anderen Seite der Hörer abgenommen und der Größere der beiden Männer telefonierte etwa zwei Minuten, wobei öfter die Worte geheim, Sicherheit, fehlendes Verständnis und Erklärungsbedarf fielen. Schließlich reichte er den Apparat zu Fritz-René herüber.

„Mein Name ist Dr. Gärtner, ich bin Abteilungsleiter beim Bundesnachrichtendienst und leite unter anderem ein streng geheimes Sonderprojekt, über das gegenwärtig nichts an die Öffentlichkeit dringen darf.“ So stellte sich der Gesprächspartner am Telefon vor. „Es geht hier um die Wirkungsweise von Gedankenübertragungen von Großrechnern oder allgemein technischen Geräten auf lebende Wesen und umgekehrt sowie die möglichen resultierenden Gefahren, wenn diese Fähigkeit weiterentwickelt wird und in falsche Hände gelangt. Ihr kleiner Hausfreund ist uns dabei durch puren Zufall aufgefallen, weil unser Zentralrechner seit geraumer Zeit in ständigem Kontakt mit ihm steht. Wir wollen als Erstes herausfinden, was der Vogel und der Rechner miteinander ausgetauscht haben, ob dabei auch sicherheitsrelevante Informationen an den Vogel weitergegeben wurden, und wenn ja, welche. Wenn dem so wäre, hätten wir ein schwerwiegendes Datenleck, da wir bisher den Gedankenaustausch nicht verfolgen oder unterbinden können. Sie haben jetzt die Möglichkeit, mit uns zu kooperieren“, setzte Fritz-Renés Gesprächspartner fort, „oder wir werden uns mit Gewalt das nehmen, worauf wir denken, einen Rechtsanspruch zu haben. Sehen Sie, Ihr Vogel verfügt nach unseren Erkenntnissen über Fähigkeiten, die nicht ihm und seinen menschlichen Eltern allein gehören, sondern die vor allem dem Land gehören, in dem er lebt. Denn mit diesen Fähigkeiten lassen sich Dinge erreichen, die vor Kurzem noch außerhalb jeder Vorstellungskraft lagen. Aber zugleich geht davon auch eine große Gefährdung aus, denn so etwas darf nicht in die falschen Hände geraten. Trotzdem verstehe ich bis zu einem gewissen Grade Ihre Vorbehalte. Daher habe ich Rücksprache mit meinen Vorgesetzten und anderen Teamleitern im Hause gehalten und kann Ihnen zur Beruhigung Folgendes mitteilen …“

Fritz-René legte das Telefon auf den Terrassentisch und stellte den Lautsprecher an.

„Sie überlassen uns Jacko für einen Zeitraum von maximal drei Wochen ohne weitere Gegenwehr. Sollte sich in dieser Zeit in unserer Einrichtung nichts ergeben, was für unsere Arbeit in Zukunft von Bedeutung ist, werden wir den kleinen Racker unbeschadet wieder in seine vertraute Häuslichkeit zurückbringen und anschließend ihn und auch Sie in Zukunft in Ruhe lassen. Wir versichern, dass der Vogel in diesen drei Wochen die bestmögliche Betreuung und Pflege erfahren wird und er zudem keinen Schmerz verursachenden Tierexperimenten unterzogen wird. Wir würden das alles schriftlich fixieren und von unserem Institutsleiter und von dem wissenschaftlichen Leiter des Projekts gegenzeichnen lassen, sodass Sie und Ihr Vogel auch vertraglich abgesichert sind. Da wir dazu einige Tage brauchen, würden wir diesen von Ihnen als Überfall empfundenen Eingriff auf der Stelle beenden und dann mit den entsprechenden Unterlagen in drei Tagen wiederkommen, um Jacko abzuholen. Könnten Sie sich vorstellen, mit dieser Lösung einverstanden zu sein?“

Fritz-René und Ingrid schwiegen erst mal. Keiner von beiden wusste trotz dieser beruhigenden Worte, was er oder sie von dem Ganzen halten sollte. Keiner von beiden hatte Erfahrung im Umgang mit dem BND oder je von einem Forschungszentrum desselben gehört, das mit Tieren experimentierte. Was mit den Tieren genau gemacht wurde, war ebenfalls immer noch unklar, und warum gerade Wellensittiche und dabei auch ihr Jacko in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt waren, erschloss sich gleichfalls nicht. Fritz-René wandte sich daher mit tönender Stimme augenblicklich wieder an seinen telefonischen Gesprächspartner.

„Mein lieber Herr Dr. Gärtner. Das ist ja alles sehr schön, aber mindestens zwei oder drei wichtige Punkte haben Sie dabei noch überhaupt noch berührt. Was ist das für ein Projekt, mit dem Sie zu tun haben? Was hat unser kleiner Wellensittich damit zu tun und warum mussten Sie das Ganze mit diesem Überfall beginnen? Sie hätten doch auch vorher ganz normal mit uns Kontakt aufnehmen können.“

Dr. Gärtner blieb einen Moment ruhig. Offenbar musste er sich zunächst sammeln und schien zudem nach den richtigen Worten zu suchen.

„Mit den ersten beiden Fragen bringen Sie mich in große Schwierigkeiten, weil ich nicht dazu befugt bin, Außenstehenden irgendetwas über dieses Projekt im Detail mitzuteilen, mit dem wir uns befassen. Zu Frage zwei lässt sich sagen, dass dies an Jacko selbst gelegen hat, der mit unserem Rechner – wir wissen nicht, wie – Kontakt aufgenommen und diesen dazu gebracht hat, ihm Zugang zu seinem Gesamtspeicher einzuräumen und ihm auch noch seine Stimme für die Aussprache zu leihen.“

„Frage drei ist bei genauerer Betrachtung ebenfalls sehr kompliziert. Wir wollen mit den geplanten Versuchen mit Jacko nur den Interessen staatlicher Einrichtungen, unter anderem aus Russland und China, zuvorkommen, die nach unseren Erkenntnissen bereits verschiedene Einsatzteams nach Deutschland entsandt haben, um alle Überträger von Gedanken – ob Jacko oder andere Tiere oder Menschen – aufzuspüren und den Stand dieser neuen Quelle der Erkenntnis, die unsere Wissenschaft und Technik mit einem Mal auf den Kopf stellen würde, für sich nutzbar zu machen. Von den militärischen Möglichkeiten einmal ganz abgesehen. Letzteres fällt jedoch nicht in unseren Aufgabenbereich.“

Das waren deutliche Worte. Aber es klang weiter völlig abstrus, was Fritz-René da mitgeteilt wurde.

„Woher soll ich denn wissen, ob Sie und die beiden Herrn auf unserer Terrasse wirklich beim BND sind und es um mögliche Datenlecks in Ihrem Zentralrechner geht? Wir hatten noch nie etwas mit dem Geheimdienst zu tun und meine Frau hat sich vor Jahren zweimal vergeblich beim Verfassungsschutz als Mitarbeiterin beworben. Sie hätte bestimmt mit dafür gesorgt, dass der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt nicht stattgefunden hätte.“ Fritz René wurde jetzt langsam richtig böse. „Ich verstehe noch immer nur Bahnhof. Sie müssen schon deutlicher werden, damit wir anfangen können, uns vernünftig zu unterhalten. Noch haben meine Frau und ich nach wie vor das Gefühl, von Ihnen und Ihren Leuten nur genötigt, erpresst und hinters Licht geführt zu werden. Wir werden Ihnen ansonsten, wenn wir das Ganze überleben sollten, alle möglichen Sicherheitskräfte und die Justiz auf den Hals hetzen und uns vielleicht sogar noch einige illegale Gegenmaßnahmen einfallen lassen. Wenn in diesem Land so etwas möglich ist, möchte ich hier nicht länger leben und würde dann lieber kämpfend untergehen wollen.“

Dr. Gärtner hatte diesen letzten Ausbruch kaum vernommen, als er auch schon mit seiner Gegenrede begann.

„Mein lieber Herr Prof. Dr. Grabau, Sie regen sich ganz zu Unrecht so über alle Maßen auf. Wenn Sie nicht im Guten mit uns kooperieren wollen, können wir auch anders. Weitere Angebote oder Erklärungen gibt es nicht. Weder von mir noch von meinen Kollegen. Sie haben die Wahl und länger werden wir auch nicht warten.“

Ingrid ergriff jetzt das Wort. „Also da Sie versichern, dass Jacko nichts passieren wird und spätestens in drei Wochen alles für ihn und für uns überstanden ist, wären wir einverstanden, dass Sie den Vogel in drei Tagen abholen können, auch wenn weder ich noch mein Mann von der Sache wirklich überzeugt sind. Aber da wir eh keine Chance zu haben scheinen, etwas zu ändern, können Sie ihn in drei Tagen gegen siebzehn Uhr von hier abholen. Aber keinen Tag und keine Stunde früher.“

„Ich bin froh, dass wir uns doch noch einig geworden sind“, erklärte Dr. Gärtner jetzt abschließend und die beiden Herren ließen in derselben Sekunde die Waffen endgültig in ihren Anzügen verschwinden und verließen über den Garten grußlos das Grundstück.

Jacko wird getestet und für sauber befunden

Die nächsten drei Tage vergingen wie im Fluge und genau wie angekündigt erschienen danach die beiden Herren mit einer professionellen Vogelkiste und einem überdimensionierten Kescher. Genau zu der abgesprochenen Zeit waren sie wieder da und nahmen Jacko mit. Dieser hatte auch von sich aus keinen nennenswerten Widerstand geleistet, sich nicht versteckt, noch sonst irgendwelche Ausflüchte versucht und ließ sich einfach mitnehmen. Dies war ganz ungewöhnlich, da Jacko sonst nahezu immer Sperenzien machte und eigentlich nie das tat, was man von ihm erwartete.

Die folgenden drei Wochen hörten Ingrid und Fritz-René nichts von ihm oder einem der angeblichen BND-Mitarbeiter. Trotzdem waren sie die ganze Zeit über zwar ein wenig traurig, aber nicht ängstlich, wie es Jacko wohl ergehen mochte. Ingrid und Fritz-René waren die ganze Zeit über zwar traurig aber nicht ängstlich, wie es ihrem Jacko wohl ergehen mochte. Aber am Ende der dritten Woche und damit sogar etwas früher als erwartet war Jacko dann auf einmal wieder da. Er wurde genau wie versprochen in einer Transportbox zurückgebracht und flog sofort wieder los, als die Box für ihn in seinem Zuhause geöffnet wurde. Erklärungen durch einen der Herren gab es keine. Dieselben Herren, die ihn mitgenommen und zuvor diesen Überfall auf der Terrasse veranstaltet hatten, berichteten lediglich, dass sich bei den Versuchen mit Jacko nichts ergeben und sich für den Vogel und für uns die Sache damit erledigt habe. Dann waren sie auch schon wieder verschwunden.

Zwar nahmen wir Jacko anschließend äußerlich sofort eingehend unter die Lupe, konnten aber keinerlei Veränderungen an dem kleinen Vogelkörper feststellen. Bezüglich möglicher psychischer Defekte wollten wir ihn nicht gleich allzu sehr strapazieren und ließen ihn deshalb erst einmal in Ruhe wieder zu sich kommen. Wir waren uns aber sicher, dass Jacko, wenn ihm danach war, wie schon vor all diesen Vorkommnissen von sich aus zu reden anfangen würde, um uns zu berichten, was ihm in den letzten dreieinhalb Wochen widerfahren war. Zum Glück zeigte sich schnell, dass Jacko trotz dieser Zwangsfolter nichts von seiner Sprachfähigkeit eingebüßt zu haben schien, denn er redete in unseren Ohren genau wie vor diesem äußeren Zwangsaufenthalt. Offenbar wurde er nicht gefolttert.

Eine Woche später war es dann so weit, dass Jacko uns den folgenden Bericht von den Versuchen im Experimentallabor des BND zum Besten gab:

„Man hat beim BND wirklich alles versucht, um aus mir herauszubekommen, wie diese Gedankenverbindung und der Gedankenaustausch funktionieren und wie ein kleiner Wellensittich ohne Verstand und erst recht ohne Informatikkenntnisse dazu komme, allen Spezialisten vorzumachen, wie das mit der Gedankenübertragung wirklich funktioniere. Aber sie alle haben mich kleinen Vogel vollkommen unterschätzt, wie man meine Art als Haustiere nur unterschätzen kann. Es konnte sich keiner von denen wirklich vorstellen, dass ein kleiner Vogel alle auf Dauer zu täuschen und hinters Licht zu führen vermochte. Somit wissen sie bis heute nicht, wie das mit dem Gedankenaustausch funktioniert und wie es mir gelingt, dies auch noch im selben Augenblick in Sprache, die aus meinem Schnabel kommt, sekundenschnell umzusetzen, und wie ich das mit dem Gedankenkontakt mache. Ich habe nämlich einfach beharrlich geschwiegen und mich offensichtlich in überzeugender Weise dumm angestellt.“

„Sie haben sogar eine weiterentwickelte Form eines Lügendetektors mit meinem Kopf verbunden, um herauszufinden, wie und wo die Gedanken gesendet und empfangen werden. Man hat gleichfalls verschiedene Sprach- und Sprechexperimente vorgenommen und mich gegen meinen Willen mehrfach mit verschiedenen Strahlen durchleuchtet, aber es ist offenkundig nichts dabei herausgekommen.“

„Ich hatte offensichtlich genügend Vorbereitungszeit bei uns zu Hause, um mich ausgezeichnet auf diese Experimententrottel vorzubereiten. Mir kleinem Wellensittich konnten sie nichts anhaben und nichts nachweisen. Vom BND bin ich absolut enttäuscht. Nach drei Wochen haben sie jedenfalls aufgegeben und mir mitgeteilt, dass sie in dem Schlussbericht festhalten würden, dass man sich bezüglich meiner angeborenen besonderen Fähigkeiten wohl doch getäuscht haben müsse. Denn es habe sich überhaupt nichts ergeben und mehr Versuchsmöglichkeiten gebe es nicht, wenn man den Wellensittich nicht töten und aufschneiden wolle. Und Letzteres sei aufgrund der getroffenen Vereinbarung mit euch ausgeschlossen. Man habe jedenfalls nicht riskieren wollen, dass meine menschliche Familie doch noch richtig Stress machen und damit das ganze Projekt in Zukunft in Gefahr bringen würde.“

Fritz-René lehnte sich hier kurz zurück und erklärte daraufhin:

„Ich an deren Stelle hätte zumindest überlegt, ob es nicht möglich sei, einen Doppelgänger von Jacko zu finden oder heranzuziehen und diesen hierher zurückzubringen, um dann doch noch an das Innenleben des Vogels mittels einer Sedierung zu kommen.“

Ingrid schnappte kurz zurück und meinte, dass Fritz-René wie immer nur abartige und makabre Gedanken habe. Aber Jacko sprang mir bei und erklärte, dies sei tatsächlich auf Anregung von dem Sektionsleiter Dr. Gärtner kurzzeitig wohl überlegt und im Hause diskutiert worden. Aber man habe wohl sehr schnell feststellen müssen, dass es nicht möglich sei, einen Vogel mit meinem Sprachtalent so schnell zu finden und so zu präparieren, dass man ihn an euch zurückgeben könnte, ohne dass deutlich würde, dass es sich keinesfalls um den echten Jacko handeln könne. Und dann sei riesengroßer Ärger vorprogrammiert, weil es wohl sicher einen Untersuchungsausschuss gegeben hätte. Daher habe man diesen Gedanken rasch wieder verworfen.

So enthält der Schlussbericht nur die klare Bemerkung, dass ich offenkundig sauber sei und keinesfalls für das Datenleck im Zentralrechner des BND mitverantwortlich gemacht werden könne. Zudem würde man den Gedanken, dass Vögel als Überträger von Gedanken in Betracht kämen, nicht weiter verfolgen, da es sich wohl um eine Sackgasse handele.“

Jacko schien gleichfalls mit diesem Ergebnis ganz zufrieden zu sein, folgte doch daraus, dass von dieser staatlichen Institution in Zukunft keine Gefahr mehr drohte. Fritz-René schien nicht ganz so zufrieden und begründete dies in den folgenden Minuten auch eingehend wie folgt.

„Die Sicherheitsbehörden in Deutschland haben wir wohl tatsächlich überzeugt. Aber es gab in dem damaligen Telefongespräch auf der Terrasse mit dem Abteilungs- und Projektleiter eine Bemerkung, die mich immer noch nachdenklich werden lässt. Er meinte – wenn ich euch daran erinnern darf –, dass ausländische Einrichtungen, besonders aus Russland und China wohl ebenfalls auf diese Sache mit der Übertragung von Gedanken aufmerksam geworden seien und Einsatzgruppen nach Deutschland geschickt hätten, um herauszufinden, wie weit die Entwicklung hierzulande bereits vorangekommen sei, und um sich einiger Hauptträger sowie schließlich dieser bahnbrechenden Erfindung an sich zu bemächtigen.“

„Es sei daher nicht auszuschließen, dass diese Teams inzwischen hierzulande bereits angekommen seien und zu recherchieren begonnen hätten und somit Jacko für diese Teams trotz der negativen Versuche mit den deutschen Projektträgern durchaus weiter interessant sein könnte.“

„Wenn die Jacko entführen sollten, würden sie sich bis zum Beweis des absoluten Gegenteiles garantiert nicht davon abhalten lassen, ihn aufzuschneiden und bis zur letzten Zelle zu durchleuchten, ob von der angenommenen besonderen Fähigkeit des Vogels nicht doch etwas nachzuweisen sei.“

„Ja, was sollen wir denn machenmeldete sich Ingrid an der Stelle wieder zu Wort.

„Wir können ja wohl schlecht Polizeischutz für einen Wellensittich beantragen, zumal wir ja auch noch bestätigt bekommen haben, dass die einheimischen Geheimdiensteinrichtungen Jacko für sauber und untauglich in Bezug auf die Übertragung und Aussendung von starken Gedankenreizen befunden haben. Von denen können wir folglich keinerlei Unterstützung erwarten, sonst würden wir ja im Übrigen deren Ergebnis nachdrücklich infrage stellen und dann würden die Experimente mit Jacko wahrscheinlich auch wiederum von vorn beginnen und diesmal bestimmt nicht schon nach drei Wochen zu Ende sein.“

„Fritz-René, damit könntest du durchaus recht haben, aber wir können doch gleichfalls nicht völlig tatenlos bleiben und einfach abwarten, bis Jacko irgendwann einfach verschwunden ist. Und wenn er einmal weg wäre, wüssten wir sicherlich nicht, wer ihn einfach mitgenommen hat, und man würde ihn bestimmt auch nicht wieder zurückbringen, sondern ihn bestenfalls entsorgen, wenn er für diese Gruppen nicht mehr interessant sein sollte.“

„Bei besonderen Strafverfahren gibt es, so habe ich es aus Krimis made in USA in Erinnerung, besondere Schutzhäuser, wo gefährdete Zeugen bis zu ihrer gerichtlichen Vernehmung sicher unterkommen können. Anschließend erhalten sie, wenn ich mich richtig erinnere, eine neue Identität und können an anderer Stelle im Land völlig neu beginnen.“

„Diese Möglichkeit kommt für einen kleinen Wellensittich ebenfalls nicht in Betracht, so leid mir das tut. Ich weiß wirklich nicht, was wir tun können, und ich wüsste bei Gott nicht, wen wir in solch einem Falle fragen und wer uns beraten könnte. Da ist guter Rat wirklich teuer. Das Einzige, was wir zunächst einmal machen sollten, wäre, die vorhandene Hausalarmanlage, die seit Jahren stillgelegt ist, wieder zu aktivieren und sie wenn möglich mit der örtlichen Polizei zu verbinden. Dann haben wir erst einmal überhaupt etwas getan. Anschließend machen wir uns gründlich Gedanken, was wir zusätzlich noch zum effektiven Schutz von Jacko unternehmen können.“

So geschah es, jedenfalls was die Scharfschaltung der Alarmanlage betraf, die bereits der Voreigentümer in dem Haus hatte einbauen lassen. Nur eine Standverbindung zur nächsten Polizeiwache wurde nicht eingerichtet, da Ingrid und Fritz-René aus den Erfahrungen mit der vorhandenen Anlage Angst davor hatten, wegen Fehlalarmen mit Bußgeldern durch die Ordnungsbehörden konfrontiert zu werden. Denn Fritz-René konnte sich erinnern, dass die Anlage vor vielen Jahren während eines Gewitters über Berlin mitten in der Nacht mehrfach losgegangen war und er seinerzeit mehr als eine halbe Stunde benötigte, um die sehr laute Sirene, die fürchterlichen Lärm im Haus und in der Umgegend verursachte, dauerhaft auszuschalten. Ansonsten hieß es, auf jede Veränderung und jeden Hinweis zu reagieren und abzuwarten, ob tatsächlich konkrete Gefahren auf uns zukamen.

Hochzeit eines Vogels

Jacko war nun schon seit einiger Zeit ausgewachsen und ein richtig ansehnlicher Wellensittichmann geworden. Auch sein einige Tage älterer Bruder Mika und seine jüngere Schwester Didiline waren jetzt in einem Alter, wo sie daran denken konnten, eine eigene Familie zu gründen. Bevor Jacko daran denken konnte, war es allerdings ratsam, seine menschlichen Eltern von diesen Plänen zu überzeugen. Es war nämlich durchaus nicht ausgemacht, dass diese den Vogelkindern die Familiengründung mit eigenem Nachwuchs erlauben würden. Viel wahrscheinlicher waren hier enorme Probleme – insbesondere, dass neu geschlüpfte Vogelkinder, sobald es ging, an Dritte abgegeben würden.

Bisher hatten Ingrid und Fritz-René eine Vergrößerung der Vogelzahl ausdrücklich nicht für wünschenswert gehalten. Vor allem Ingrid war dagegen gewesen, weil sie den vermehrten Schmutz im Wohnzimmer fürchtete, mit dem sie allein fertig werden musste. Dagegen hatte Fritz-René mehr als einmal die Meinung vertreten, dass es ihm ganz lieb wäre, wenn sich im Laufe der Zeit ruhig einige Tausend Wellensittiche im Haus aufhalten würden. Dem wollte Ingrid am liebsten von vornherein einen Riegel vorschieben und bereits die Vermehrung der drei Vogelkinder lieber gar nicht erst zulassen. Eine Kastration bei Wellensittichen kam auch nicht in Betracht und die ständige Einnahme von empfängnisverhütenden Tabletten war wohl ebenfalls nicht empfehlenswert.

Im Laufe der letzten Wochen hatten alle sieben, also sowohl die Vogeleltern Olli und Samiline als auch die ehemaligen Vogelkinder, die ja inzwischen herangewachsen waren, ständig sehr traurig geschaut und teilweise sogar das Futter verweigert, sodass selbst Ingrid das Elend nicht mehr mit ansehen konnte und bereit war, der Natur nachzugeben. Nur sollten sie natürlich nicht alle gleichzeitig mit ihrer Familienplanung beginnen, sondern nacheinander dazu übergehen dürfen. So würde sich vielleicht auch eine Lösung für die Unterbringung der dann auf fünfzehn bis zwanzig Tiere anwachsenden Vogelschar ergeben, ohne dass ein größerer Teil von ihnen oder gar alle an Dritte abgegeben werden müssten.

Das war ein gutes Zwischenergebnis, womit vor allem Fritz-René gar nicht mehr gerechnet hatte. Zu rigoros war die Haltung von Ingrid bisher gewesen. Deshalb war diese Änderung ihrer Auffassung eine wirklich große und angenehme Überraschung. Aber Fritz-René versuchte sich auf diese neue Situation möglichst rasch einzustellen und konnte Ingrid sogar dafür gewinnen, gerade für Jacko als zweites Vogelkind als Erstes eine passende Partnerin auszusuchen und ebenso gleich einen passenden Nistkasten für das neue Paar zu besorgen. Selbst wenn die beiden sich nicht sympathisch sein sollten, würde der neue Nistkasten schon zum Einsatz kommen. Denn als Nächstes wäre nach einer gewissen Wartezeit danach Mika an der Reihe und zum Schluss Didiline. Von Fritzi und Rene war an der Stelle erst einmal noch nicht die Rede. Nur durch die entsprechende Auswahl der Vogelpartner konnte man außerdem verhindern, dass es zu Inzestexzessen kam und die Elternvögel versuchten, sich mit ihren eigenen Kindern zu paaren.

Gesetzliche Eheverbote bei Vögeln gab und gibt es zwar nicht. Aber es hatte sich inzwischen bis in verschiedene Internetforen für Vogelfreunde herumgesprochen, dass familiennahe Verbindungen öfter schon zu Todesfällen oder zumindest zu einer drastischen Reduktion des erreichbaren Vogelalters geführt hatten. Solche Risiken sollten ausgeschlossen bleiben.

Jacko schien mit der für ihn ausgesuchten Partnerin nach kurzer Zeit sehr zufrieden zu sein. Shakira, wie die dazugekaufte neue Vogeldame genannt wurde, war auch wirklich eine richtige Vogelschönheit und erwies sich für einen weiblichen Wellensittich zudem als unerwartet intelligent. Denn sie begann – wie sonst nur die Männchen es taten – mit dem Erlernen menschlicher Worte. Man konnte allerdings bemerken, dass es ihr anfangs deutlich schwerer fiel, die menschlichen Laute auszusprechen. Jedenfalls klappte es zu Beginn nicht immer so mit der „Pronunciation“. Auf Nachwuchs waren die beiden erst einmal nicht aus. Es war anders als bei Olli und Samiline, die sich nach kurzer Zeit an diese extra für sie angeschaffte Hilfe gewöhnt haben. Jacko und Shakira zeigten auch nach zwei Monaten keinerlei Interesse an dem Nistkasten, sodass Ingrid ihn nach einem weiteren Monat erst einmal wieder wegstellte.

Jetzt wird es gefährlich

Inzwischen war wieder ein neues Jahr angebrochen und wir gaben uns alle der Hoffnung hin, dass wir weiteren Angriffen auf einen unserer Vögel endgültig entronnen seien. Das sollte sich, wie sich leider zeigen sollte, als eine vergebliche Hoffnung herausstellen.

Uns, Jackos menschlichen Eltern, war klar, dass eine alte Hausalarmanlage, die allerdings, wenn sie denn richtig funktionierte, weder einen Sicherheitsdienst noch die Polizei innerhalb kürzester Zeit auf den Plan rief, keinen wirklichen Schutz für das Haus und alle seine Bewohner, insbesondere für den kleinen gefährdeten Jacko bedeuten konnte.

Es schreckte vielleicht normale Wohnungseinbrecher ein wenig ab, da man als solcher sicher etwas suchen musste, um herauszufinden, wie die laute Alarmanlage schnell und endgültig auszuschalten war. Aber jene Täter, die es nur auf Jacko und seine Fähigkeiten abgesehen hatten, die für sehr viele sehr interessant sein konnten, würde es kaum von ihrem Tun abhalten oder gar in die Flucht schlagen können. Darauf wies uns in den folgenden Tagen auch Jacko selbst nahezu täglich hin.