Jahrelang von der Mutter getrennt - Marisa Frank - E-Book

Jahrelang von der Mutter getrennt E-Book

Marisa Frank

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Ich mache Schluß für heute«, rief Daniel Früh ins andere Büro hinüber. Er machte dabei einen sehr selbstsicheren Eindruck, denn er fand, es war ein herrliches Gefühl, seine Zeit so einteilen zu können, wie man gerade wollte. Niemand konnte ihm hier Vorschriften machen. Zufrieden rieb er sich die Hände. Das Geschäft lief ohne sein Zutun. Sein verstorbener Schwager hatte es geschickt aufgebaut. Ein langjähriger Mitarbeiter seines Schwagers steckte den Kopf ins Büro herein. »Vielleicht könnten Sie sich dieses Angebot noch ansehen«, sagte er nicht gerade freundlich. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es könnte sein, daß wir das Projekt gewinnbringend erwerben können, nur, dann müßten wir noch heute zugreifen.« Daniel Früh runzelte die Stirn. Wieder einmal dachte er daran, daß er einen Grund finden mußte, um diesen Mann entlassen zu können. Doch jetzt tat er sehr geschäftig, indem er fragte: »Warum haben Sie die Unterlagen nicht gleich mitgebracht?« Spöttisch verzog sich das Gesicht des Angestellten. »Ich hatte das Gefühl, Sie haben es eilig.« »Das überlassen Sie gefälligst mir. Ich wünsche die Unterlagen zu sehen«, bellte Daniel Früh.

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Sophienlust (ab 351) – 354 –

Jahrelang von der Mutter getrennt

Was will die fremde Tante bloß von mir?

Marisa Frank

»Ich mache Schluß für heute«, rief Daniel Früh ins andere Büro hinüber. Er machte dabei einen sehr selbstsicheren Eindruck, denn er fand, es war ein herrliches Gefühl, seine Zeit so einteilen zu können, wie man gerade wollte. Niemand konnte ihm hier Vorschriften machen. Zufrieden rieb er sich die Hände. Das Geschäft lief ohne sein Zutun. Sein verstorbener Schwager hatte es geschickt aufgebaut.

Ein langjähriger Mitarbeiter seines Schwagers steckte den Kopf ins Büro herein. »Vielleicht könnten Sie sich dieses Angebot noch ansehen«, sagte er nicht gerade freundlich. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es könnte sein, daß wir das Projekt gewinnbringend erwerben können, nur, dann müßten wir noch heute zugreifen.«

Daniel Früh runzelte die Stirn. Wieder einmal dachte er daran, daß er einen Grund finden mußte, um diesen Mann entlassen zu können. Doch jetzt tat er sehr geschäftig, indem er fragte: »Warum haben Sie die Unterlagen nicht gleich mitgebracht?«

Spöttisch verzog sich das Gesicht des Angestellten. »Ich hatte das Gefühl, Sie haben es eilig.«

»Das überlassen Sie gefälligst mir. Ich wünsche die Unterlagen zu sehen«, bellte Daniel Früh. Er richtete sich hoch auf, versuchte autoritär zu wirken.

Auf den Angestellten machte das keinerlei Eindruck. Nur aus Treue zu dem Verstorbenen hatte er bisher noch nicht gekündigt. Mit Fred Gardner hatte er sich stets gut verstanden. Aber Daniel Früh war ganz anders. Ein Blinder sah, daß er vom Maklergeschäft keine Ahnung hatte.

Auf dem Absatz drehte sich der Angestellte um und verschwand im anderen Büro. Aufgeregt lief Daniel Früh ihm nach. »Was soll das?« keifte er dabei.

»Ich soll Ihnen doch die Unterlagen bringen.« Unbekümmert grinste der Angestellte dem neuen Chef ins Gesicht. »Hier sind sie.« Er nahm eine dicke Akte vom Schreibtisch. »Darin ist genau verzeichnet, um wieviel die Grundstücke in der Nähe des uns angebotenen Projekts in den letzten Zahlen gestiegen sind. Die Zahlen gehen bis in die fünfziger Jahre zurück.«

Daniel Früh starrte auf die Akte. »Das soll ich alles ansehen?« Verwirrt wich er einen Schritt zurück.

»Falls Sie eine Entscheidung treffen wollen, ist es notwendig.« Der Angestellte sah seinem jetzigen Chef ins Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen.

Daniel Früh räusperte sich. Er wurde das Gefühl nicht los, daß sich der Mann über ihn lustig machte. Ich sollte ihn auf der Stelle hinauswerfen, dachte er. Gleichzeitig wußte er, daß er dazu nicht den geringsten Grund hatte. Der Mann hatte der Firma bereits großen Gewinn gebracht.

»Ja…«

Noch immer stand der Angestellte wartend vor Daniel Früh, der sich spöttisch gemustert fühlte.

»Sie kennen diese Akte doch, oder?« Daniel versuchte seiner Stimme Festigkeit zu geben.

»Natürlich. Das Projekt wurde uns bereits vor zwei Jahren einmal angeboten. Damals beschlossen wir zu warten.«

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Sie wissen doch, daß ich weggehen will. Und da Sie informiert sind, überlasse ich die Entscheidung Ihnen.« Daniel Früh sah arrogant über den Angestellten hinweg. Sein Blick glitt zu den beiden Schreibkräften hin. Befriedigt stellte er fest, daß sie ihre Köpfe gesenkt hatten.

»Bis morgen also.«

Die Köpfe der beiden Damen fuhren hoch. »Auf Wiedersehen, Herr Früh«, erklang es im Chor.

Daniel Früh nickte und lächelte jovial. Er hob sogar die Hand zum Gruß. Diese beiden wußten, daß sie ihre Stellung ihm zu verdanken hatten. Seine gute Laune kehrte zurück. Mit dem Stolz des Besitzers sah er sich nochmals um, dann verließ er das Maklerbüro.

Auch das Auto, in das er nun einstieg, hatte einst seinem Schwager gehört. Daniel setzte sich hinter das Lenkrad und strich dabei über die elegante Verkleidung. Ein wirklich toller Wagen war das, und trotzdem wurde es Zeit, daß er sich einen neuen zulegte.

Daniel Früh verließ die Heidelberger Altstadt und fuhr in Richtung Königstuhl. Dort bewohnte er mit seiner Frau ein geräumiges Landhaus, seit er nicht mehr Schuhverkäufer war. Es störte ihn wenig, daß dieses Haus eigentlich der kleinen Nichte seiner Frau gehörte. Er betrachtete es als sein Eigentum. Schließlich und endlich hatte Fred Gardner seiner Frau die Vormundschaft über sein einziges Kind übertragen.

Daniel Früh steigerte sein Tempo. Er hatte das Büro so früh verlassen, weil er mit seiner Frau sprechen wollte. Er wollte mit ihr reden, bevor diese Göre zu Hause war. Er verstand nicht, was Magda an diesem Kind fand. Zugegeben, mit seinen langen, blonden Haaren war es ein ausgesprochen hübsches Kind, aber es war auch eine Last. Keine Sekunde hatte man Ruhe. Und dann dieser Brief aus Amerika! Magda mußte endlich Vernunft annehmen.

Mit quietschenden Reifen bog Daniel in die Auffahrt des Grundstücks ein. Er nahm sich nicht die Mühe, den Wagen in die Garage zu fahren, sondern ließ ihn einfach stehen. Über den Kiesweg eilte er auf das Haus zu und wäre dabei beinahe über Sindy Gardner gestolpert. Sie saß friedlich am Rand des Weges und spielte mit den Steinchen.

»Au, du tust mir weh!« Die Sechsjährige sprang auf. »Hattest du die Augen zugemacht?« Neugierig sah sie ihrem Onkel ins Gesicht.

»Was tust du denn hier?« fuhr dieser sie an.

»Spielen«, gab die Kleine ungerührt zurück. »Mit den Steinchen kann man bauen. Soll ich es dir zeigen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sich wieder auf den Boden nieder.

»Solltest du nicht im Kindergarten sein?« Daniel Frühs Stimme klang gefährlich ruhig.

Seelenruhig hob Sindy ihr Köpfchen. »Ich wollte heute nicht hingehen.«

»Was fällt dir eigentlich ein?« Grob griff Daniel nach den Schultern des Kindes. »Glaubst du, daß du hier bestimmen kannst?«

Erschrocken riß Sindy ihre Augen auf. »Du tust mir weh«, klagte sie leise.

»Eine Ohrfeige sollte ich dir geben.« Daniel wurde immer lauter.

»Aua, aua, Tante Magda! Er tut mir weh. Er will mich schlagen«, Sindy schrie nun aus vollem Halse.

Daniel hob die Hand, aber da erschien seine Frau in der Haustür.

»Was ist denn los? Du bist schon da?«

Daniel ließ die Hand sinken. Gleichzeitig gab er dem Kind einen Stoß, daß es beinahe hingefallen wäre. »Verschwinde«, zischte er. »Ich will mit deiner Tante reden.«

»Tante, warum ist der Onkel so böse?« Weinend lief Sindy auf Magda Früh zu.

»Er ist nicht böse. Er muß nur sehr viel arbeiten«, sagte Magda. Sie warf ihrem Mann einen bittenden Blick zu, doch dieser beachtete ihn überhaupt nicht.

»Schick sie weg! Ich muß mit dir sprechen«, forderte er.

»Er ist doch böse«, stellte Sindy fest. Dabei schmiegte sie sich enger an ihre Tante.

»Höre dir das an!« Empört eilte Daniel heran. »Den Hintern sollte man ihr versohlen. Du läßt der Kleinen wohl alles durchgehen?«

»Ich habe doch gar nichts getan«, schluchzte Sindy. Jetzt bekam sie es mit der Angst zu tun. Als ihr Onkel erneut nach ihr griff, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Du darfst mich nicht schlagen. Wenn du das tust, dann sage ich es meinem Papi.«

»Hast du noch immer nicht begriffen, daß dein Vater tot ist?« höhnte Daniel. »Ihm kannst du gar nichts mehr sagen.«

»O doch«, trumpfte Sindy auf. »Ich bete jeden Tag zum lieben Gott. Er sagt meinem Papi alles, was ich ihm sage. Tante Magda hat gesagt, mein Papi ist im Himmel.«

»Wie kannst du dem Kind nur so einen Blödsinn erzählen.« Daniels Zorn richtete sich nun gegen seine Frau. »Da sieht man, es ist höchste Zeit, daß das Kind wegkommt. Du kannst nicht mit ihm umgehen.«

»Papi, Papi!« Dicht an die Tante gedrückt, schluchzte Sindy leise vor sich hin. »Ich will zu Papi. Der liebe Gott soll mich auch in den Himmel holen.«

Ungerührt fragte Daniel: »Warum ist das Kind nicht im Kindergarten? Wir haben ausgemacht, daß es hingeht. Es muß sich an andere Kinder gewöhnen.«

Magda, sie hatte die Vierzig gerade erreicht, senkte die Augen. »Wir haben heute spät gegessen, das weißt du ja, und dann haben wir einen Spaziergang gemacht.«

»Natürlich, für das Kind hast du ständig Zeit. Das wird in Zukunft anders.« Ohne die Kleine weiter zu beachten, ging er ins Haus.

Magda sah ihrem Mann nach. Da spürte sie die kleine Kinderhand, die sich langsam in ihre Hand schob. »Nicht wahr, ich habe nichts Böses getan?« hörte sie Sindy fragen. »Wollen wir nicht zusammen fortgehen?«

Kurz preßte Magda die Lippen zusammen. Dann versuchte sie ein Lächeln. Sie bückte sich zu dem Kind hinab und strich ihm über das Haar. »Jetzt gehen wir zusammen hinter das Haus. Ich setze dich in die Schaukel und stoße dich an. Was hältst du davon?«

Sindy nickte. Dann kamen ihr aber Bedenken.

»Der Onkel wird uns nachkommen. Wenn ich lache, wird er wieder böse sein.«

Erneut fuhr Magda dem Kind über das Köpfchen. Ihr Herz war schwer. Sie verstand ihren Mann wirklich nicht. »Ich werde mit dem Onkel sprechen«, versprach sie.

Sindy seufzte. »Das hat keinen Sinn«, erklärte sie altklug. »Er mag mich nicht. Papi hat doch genug Geld für mich hinterlassen. Und wenn ich groß bin, dann gehe ich selbst arbeiten.« Ihre Miene wurde nachdenklich. »Zuerst muß ich aber in die Schule gehen. Ich muß zählen lernen, sonst weiß ich nicht, wieviel ich verdiene.«

So sehr sie die Worte der Kleinen zuerst nachdenklich gemacht hatten, jetzt mußte sie doch schmunzeln. »Damit hat es noch Zeit. Zuerst gehen wir spielen. Wenn du willst, dann bauen wir auch eine Sandburg.« Fester umfaßte sie das kleine Händchen.

»O ja, eine ganz große Sandburg. Die hat Papi auch immer mit mir gebaut. Um die Burg ging dann eine Straße herum. Oft hatten wir auch einen Burggraben.« Sindy eilte hinter das Haus und zog ihre Tante mit fort.

Hinter dem villenartigen Gebäude hatte Fred Gardner einen Spielplatz für seine Tochter anlegen lassen. Er hatte seine Tochter abgöttisch geliebt, hatte alles für sie getan. Leider aber erst, nachdem seine Frau ihn verlassen hatte. Bis dahin hatte er sich von seinem Beruf auffressen lassen, hatte er kaum Zeit für seine Familie gehabt.

Magda, die keine eigenen Kinder hatte, war es anfangs schwergefallen, auf das Kind einzugehen, doch inzwischen hatte sie das gelernt. Eifrig kniete sie mit Sindy im Sandkasten und versuchte gemeinsam mit ihr, die Burg zu vergrößern.

»Darin wohnt dann ein Ritter. Er ist aber ein lieber Ritter«, plauderte Sindy, während sie sich bemühte, ein Loch in den Sandhügel zu machen. »Er winkt allen Leuten von seiner Burg aus zu.«

»Magda, wo bleibst du denn?« rief Daniel Früh jetzt mit ärgerlicher Stimme aus dem Fenster und zerstörte damit die Idylle.

Sindy zog den Kopf ein, Magda schrak zusammen.

»Ich warte auf dich! Wie lange soll ich es noch tun? Ich bin doch nicht früher nach Hause gekommen, um mir jetzt die Beine in den Bauch zu stehen.« Wütend wurde das Fenster wieder zugeknallt.

»Geh ganz schnell hinein«, flüsterte Sindy ihrer Tante zu. »Ich baue unsere Burg schon allein fertig.«

»Du hast recht. Es wird am besten sein.« Seufzend erhob sich Magda und putzte sich den Sand von den Knien.

Daniel ging im geräumigen Wohnzimmer auf und ab. Als seine Frau eintrat, blieb er stehen und fuhr sie an: »Daß ich warte, scheint dir ganz egal zu sein.«

»Ich habe nur das Kind…«

»Damit ist jetzt Schluß«, unterbrach er sie grob. »Den ganzen Tag hängt einem das fremde Kind an den Beinen. Man kann nicht verreisen, kann rein gar nichts tun. Jetzt, da wir es uns leisten könnten, müssen wir auf Sindy Rücksicht nehmen. Ich denke nicht daran.« Wie zur Bekräftigung schlug seine Hand auf die Tischplatte. »Ich werde für die Kleine ein gutes Heim suchen. So ist es am besten für sie und für uns.«

»Nein!« Hochrot war Magda bei diesem Veto im Gesicht. Sie widersprach ihrem Mann nur selten, aber jetzt blitzten ihre Augen empört. »Das werde ich nicht zulassen. Am Sterbebett habe ich meinem Bruder versprochen, mich um Sindy zu kümmern.«

»Das tust du doch.« Daniels Stimme wurde freundlicher. Er legte seiner Frau sogar seinen Arm um die Schulter. »Wir werden uns immer um Sindy kümmern. Ich habe mich erkundigt. Es gibt sehr gute Heime. Dort wird dem Kind auch eine ausgezeichnete Erziehung zukommen. Was verstehst du denn schon von Kindern? Du mußt zugeben, die Kleine ist verzogen. Dafür hat bereits dein verstorbener Bruder gesorgt.«

Mit Engelszungen sprach Daniel auf seine Frau ein, aber er hatte wenig Erfolg. »Mich stört das Kind nicht, und du bist sowieso den ganzen Tag nicht zu Hause«, warf Magda ein.

»Darum geht es nicht. Es war seit jeher üblich, daß Kinder aus einem reichen Elternhaus in ein Internat kamen. Ich werde schon ein gutes auftreiben. Am Geld soll es nicht scheitern. Ich bin bereit, eine ganze Menge für Sindy auszugeben.«

Magda wich zurück. »Du willst es ausgeben. Wie gnädig! Hast du vergessen, daß dies alles Sindy gehört? Weißt du noch, wie wir in Österreich gelebt haben? In einer kleinen Zweizimmerwohnung, mit Blick auf den Hinterhof.«

»Willst du mir vielleicht wieder einmal vorwerfen, aus welcher guten Familie du stammst?« Daniel hob die Stimme. »Dein Bruder hat Glück gehabt, den richtigen Riecher, oder wie immer du es nennen willst. Stell ich vielleicht jetzt nicht meinen Mann? Was willst du? Soll ich ein Häuschen am Meer für uns kaufen oder eines im Schwarzwald? Du mußt es nur sagen.«

»Es ist doch nicht unser Geld«, schluchzte Magda.

»Und ob es unser Geld ist. Ein halbes Jahr schufte ich nun schon in der Firma. Ich habe Sindys Erbe vergrößert. Du kannst dich selbst davon überzeugen.«

Magda zuckte die Achseln. Sie verstand nichts vom Geschäft. Von Anfang an hatte sie ihrem Mann freie Hand gelassen. Sie hatte sich zwar bereits gefragt, ob das richtig gewesen war, aber jetzt noch etwas zu ändern, dazu war es zu spät. Im Grunde wollte sie es auch nicht. So gut, wie es ihnen jetzt ging, war es ihnen noch nie gegangen. Sie konnte zum Friseur gehen, wann sie wollte, konnte den teuersten Modeladen aufsuchen. Magda genoß diesen Luxus. Sie fragte daher nicht lange, woher das Geld kam.

*

Daniel Früh kam vom Mittagessen. Er war dazu nicht nach Hause gefahren, sondern hatte gleich um die Ecke, im Restaurant, gegessen.

Es war noch Mittagspause. Durch die halb geöffnete Tür hörte Daniel, daß sich die Schreibkräfte unterhielten. Er holte seine Zeitung hervor und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Das Lachen, das bis zu ihm herüberklang, ließ ihn jedoch immer wieder aufhorchen. Er griff nach seiner Krawatte, rückte sie zurecht. Konnte er es wagen, ein wenig mit den beiden Damen zu scherzen?

Daniel erhob sich und horchte. Erstaunt machte er einige Schritte in Richtung Tür. Fräulein Malow sprach jetzt von einem Kinderheim. Das interessierte ihn. Schnell stieß er die Verbindungstür weiter auf. Sofort brach das Gespräch ab.

»Sprechen Sie doch weiter«, bat Daniel Früh freundlich.

»Wir unterhalten uns über den vergangenen Sonntag. Ich habe eine Neckarfahrt gemacht«, sagte Heidrun Bichler.

Daniel beachtete sie nicht. Er wandte sich an Fräulein Malow. Und Sie, was haben Sie gemacht?«

Inge Malow errötete. Sie war noch sehr jung. »Ich habe meine Tante begleitet.«

»Wohin haben Sie sie denn begleitet?« fragte Daniel ungeduldig.

»Nach Sophienlust.« Verwundert sah sie den Chef an. Bisher hatte er mit ihr kein einziges privates Wort gewechselt.

»Nun, so sprechen Sie doch weiter«, forderte Daniel. »Was ist dieses Sophienlust, wo liegt es?«

»Es ist ein Kinderheim.« Unruhig rutschte Inge auf ihrem Stuhl hin und her.

»Da habe ich also doch richtig gehört.« Befriedigt setzte Daniel sich auf die Schreibtischkante. »Dieses Kinderheim interessiert mich. Erzählen Sie mir von ihm.«

»Meine Tante hat dort jemanden besucht«, begann Inge. »Ich wollte zuerst nicht mitgehen, dachte, was soll ich in einem Kinderheim? Aber dort ist es wirklich toll. Ich habe mir jedenfalls ein Kinderheim ganz anders vorgestellt. Die Kinder sind alle gern dort. Das ist auch kein Wunder. Das Haus ist wunderschön. Es liegt mitten in einem großen Park.« Inge kam ins Schwärmen.

»Ist es ein staatliches Unternehmen?« fragte Daniel.

»Ich glaube nicht. Verwaltet wird es von einer Frau von Schoenecker. Heimleiterin ist Frau Rennert. Beide Damen sind sehr nett. Auf den ersten Blick sieht man, daß sie mit Kindern gut umgehen können.«

»Hm«, machte Daniel. Er fuhr sich durch das Haar. »Sie können dieses Heim also empfehlen?«

Heftig nickte Inge.

»Sophienlust heißt es?« erkundigte Daniel sich weiter.

»Ja. Es gehört zu Wildmoos. Dies ist ein kleiner idyllischer Ort. Die Kreisstadt heißt Maibach.«

»Aha.« Daniel wollte noch etwas fragen, aber eben kam Herr Weber, der Angestellte. So meinte er nur: »Danke, das wär’s.« Er glitt von der Schreibtischkante. Mit einem kurzen Gruß eilte er an Herrn Weber vorbei.