Janusgesichter - Julius Clemens Warnke - E-Book

Janusgesichter E-Book

Julius Clemens Warnke

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Beschreibung

Der Weltkriegsveteran und Bankangestellte Robert Taylor führt in London ein glückliches und beschauliches Leben gemeinsam mit seiner Ehefrau Sylvia. Bald steht sein 40. Geburtstag an. Doch dieses kleinbürgerliche Idyll wird durch den Besuch eines Freundes Sylvias aus Kindertagen gestört. Sogar so nachhaltig, dass Robert nicht einmal vor einem Verbrechen zurückschreckt, um sich die Liebe seiner Frau zu sichern, egal welche Konsequenzen drohen.

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Julius Clemens Warnke

Janusgesichter

Inhaltsverzeichnis

Impressum

» Noch hier, Mr. Taylor? « Ich schreckte schlagartig aus meinen Gedanken auf. Mrs. Morrison, die Sekretärin meines Vorgesetzten, hatte die nur halb angelehnte Tür meines Büros etwas aufgeschoben und ihr Gesicht schaute mir verwundert aus dem Halbdunkel entgegen. Ich wusste nicht, wie lange ich geistesabwesend über dem Schreibtisch meinen Gedanken nachgehangen hatte. In der einen Hand hielt ich noch eine angerauchte Zigarette, deren verglühte Asche bereits auf einen Stapel alter Rechnungen gefallen war. Schnell angelte ich den Aschenbecher aus Kristall vom anderen Ende des Holztisches, wischte die Überreste hinein und drückte den verbliebenen Stummel aus. Eine dünne Rauchwolke entstieg dem Gefäß, der dunklen Decke entgegen.

» Oh nein, Mrs. Morrison. « antwortete ich beschwichtigend. » Ich wollte nur noch die Prüfung der Kreditwürdigkeit eines Klienten abschließen, ehe ich ins Wochenende starte. « Ich hoffte, dass diese Aussage die Sekretärin zufriedenstellen würde.

» Wohl ein schwieriger Fall? « fragte sie interessiert. Ich nickte nur und nahm einige Papiere vom Stapel, um meine vermeintliche Eingenommenheit von dieser Sache zu bestärken. Mein Schauspiel schien Wirkung zu zeigen, denn die anfängliche Verwunderung war aus Mrs. Morrison’s Antlitz verschwunden und nach einer kurzen Verabschiedung ins Wochenende war ich wieder allein. Meine Erleichterung darüber äußerte sich über einen tiefen Seufzer. In Wirklichkeit war ich an diesem Freitagnachmittag nicht erpicht darauf, meine Arbeit zu beenden. Der Grund dafür lag in der Verabredung, die Sylvia für diesen Abend getroffen hatte. Wir sollten uns mit Geoffrey Norton, einem Freund meiner Frau aus Kindertagen, treffen. Geoffrey. Was für ein plebejisch klingender Name. Doch ich musste mir eingestehen, dass der Namensträger es trotz dessen zu einigem gebracht hatte, wie seine Anstellung als Auslandsdiplomat unseres Empire's bewies. Außer auf meiner Hochzeit hatte ich ihn wegen seiner vielen Aufenthalte auf dem Kontinent nur ein weiteres Mal getroffen. Doch schon damals war mir nicht entgangen, dass er ein weit größeres Interesse an Sylvia zu haben schien als das eines schlichten Freundes. Meiner Frau gegenüber hatte ich meine Bedenken nie zur Sprache gebracht. Ich hatte sie verworfen, indem ich mir gemahnte, dass die beiden nur seltenst Kontakt haben würden und über die Zeit schließlich fast gänzlich vergessen. Doch in den letzten Wochen war mir aufgefallen, dass sie eine stetige Korrespondenz mit ihm aufgenommen hatte. Auf meine Nachfrage hin hatte Sylvia dies zwar abgetan, doch hatte ich sie mehrmals dabei beobachten können, wie sie Briefe, die unsere Wohnung erreichten, vor mir verbarg. Waren sie von Geoffrey Norton? Sollte dies etwa bedeuten, dass sie in unserer Ehe unzufrieden war? Wir waren seit gut fünf Jahren miteinander vermählt und ich hatte stets den Eindruck, dass sie unser beider Leben bereichert hatte. Der Schatten, den Mr. Norton ohne seine physische Präsenz auf unser Zusammenleben warf, kehrte wieder, als sie mir Anfang der Woche eröffnet hatte, dass er sich für ein paar Tage in der Hauptstadt aufhalten würde und um ein Treffen gebeten hatte. Ich war zumindest froh über die Tatsache, dass diese Einladung uns beide betraf und nicht nur Sylvia allein. Oder sollte dies nur den Schein wahren und meine Arglosigkeit aufrechterhalten? Auf jeden Fall würde ich genau hinschauen und wachsam sein. Es war bereits kurz vor halb sechs. Viel länger konnte ich mich hier nicht mehr herumdrücken, wenn wir die vereinbarte Zeit des Treffens um sieben Uhr schaffen wollten. Ich packte die Geschäftspapiere in die verschließbare Schublade meines Schreibtisches, nahm meine Aktentasche, löschte das Licht der Schreibtischlampe und verließ das nun schon still daliegende Bankgebäude nahe Guildhall. Trotz dass mein Arbeitsplatz sich an einer viel frequentierten Straße in einem altehrwürdigen Gebäude mit prachtvoller Steinfassade befand, waren die Straßen heute ausgesprochen leer. Vielleicht lag es auch am Regen, dessen dicke Tropfen seit dem Mittag ununterbrochen gegen die Fenster meines Büros getrommelt hatten und deshalb die Menschen zu Hause hielt. Eilig und meine Aktentasche schützend über den Kopf haltend, lief ich in eine angrenzende Nebenstraße, in welcher ich den Wagen geparkt hatte. Ich brauchte einige Momente, ehe ich das Wagenschloss öffnen konnte, denn Straßenlaternen, die witterungsbedingt schon jetzt am frühen Abend brannten, fehlten hier. Mir schien es, als ob der Herbst dieses Jahr besonders regenreich war. Ich ließ mich in den Sitz gleiten, legte meine feuchte Ledertasche neben mich und startete den Motor. Das gelbliche Licht des Austins erhellte die schmale Gasse und kurz darauf reihte ich mich in den sich stetig bewegenden Lichtstrom der anderen Autos ein, die alle den äußeren Stadtbezirken entgegenstrebten.

Am Haus, in welchem sich unsere Wohnung befand, angekommen, fand ich meine Frau bereits vollständig fertig und bereit zur Weiterfahrt. Sie begrüßte mich auf das Herzlichste.

» Oh Rob, zum Glück hast du es doch noch beinahe pünktlich geschafft. So müssen wir Geoffrey nicht warten lassen. « Ich erwiderte ihre Herzlichkeit mit einer innigen Umarmung. Täuschte ich mich oder hatte sie sich heute mit ihrem pastellgrünen Kleid, welches so gut mit ihren grünen Augen harmonierte, besonders hübsch gemacht? Ich konnte mir jedoch den Kopf darüber nicht weiter zerbrechen, denn es war kaum genug Zeit mehr, damit auch ich mich zum Ausgehen fertig machen konnte. Zum Glück hatte sie bereits ein frisches Hemd bereitgelegt. Noch auf dem Bettrand sitzend, fingerte ich nach der kleinen Metalldose in meiner Hosentasche und ließ zwei weiße Pillen in meine ausgestreckte Handfläche fallen. Zur Beruhigung meiner Nerven, wie mein Arzt zu sagen pflegte. Der Krieg hatte mir trotz seines Endes ein Präsent in Form eines nervösen Leidens geschenkt, wofür dieses Mittel ursprünglich verschrieben worden war. Dadurch hatte ich es relativ gut in den Griff bekommen und auch die schlagartigen Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse waren weniger geworden. Doch ich hatte gemerkt, dass es mir auch im Alltag beim Herunterkommen half, weshalb ich es mir ununterbrochen weiter verschreiben ließ oder auf anderem Wege beschaffte, wenn der Doktor mal wieder Schwierigkeiten machte, wenn ich zu oft um Nachschub bat. Hier in London fand sich an beinahe jeder Ecke eine Lösung dafür. Gerade im Hinblick auf das anstehende Treffen hielt ich ein wenig mehr innere Ruhe für angebracht. Nach einem obligatorischen Aufenthalt im Badezimmer fuhren wir zu zweit zu der Adresse, an welcher das Treffen stattfinden sollte. Es handelte sich um ein Restaurant in der Nähe von Covent Garden, welches wir von vorangegangenen gelegentlichen Theaterbesuchen in diesem Bezirk bereits kannten. Wir erreichten unser Ziel gerade noch pünktlich. Geoffrey Norton hielt sich nicht am Eingang auf, doch nach der Nennung unseres Namens am Eingang führte uns ein beflissener Kellner in tadellos weißer Garderobe zu einem Separee am anderen Ende des Gastraumes, in dem wir uns der Ungestörtheit unseres Treffens sicher sein konnten. Das Etablissement war gut besucht und von allen Seiten klang das Geräusch angeregter Gespräche und ausgelassenes Gelächter anderer Gäste an meine Ohren. Als er den roten Samtvorhang beiseite zog, gewahrte ich unseren Gastgeber im gedämpften Licht der Messinglampe am Tisch sitzend vor. Er erhob sich rasch und kam auf uns zu. Geoffrey Norton war etwas kleiner und schmächtiger als ich. Er musste etwa mein Alter haben, doch wurde sein Gesicht, aus dem uns wache braune Augen anschauten, bereits von angegrautem Haar eingerahmt. Seine Kleidung bestand aus einem karierten Anzug der neuesten Mode und einem für unser Treffen fast prätentiös anmutenden Halsbinder. Er begrüßte uns in fast staatsmännischer Weise, auch wenn mir nicht verborgen blieb, dass sein Blick bei der Begrüßung von Sylvia einen bedeutungsvolleren, ja vielleicht mehrdeutigen Zug annahm. Wir setzten uns und bestellten alsbald das Essen. Unsere Gespräche waren allgemeiner Natur und wenig tiefgreifend. Sie drehten sich überwiegend um unserer beider Beschäftigungen oder der hingebungsvollen, aber nicht minder aufopfernden Tätigkeit Sylvias in einer Wohltätigkeitsorganisation für Kriegsversehrte. Ich weiß nicht, ob diese gewisse Steifheit allein meiner inneren Ablehnung seiner Person gegenüber geschuldet war, auch wenn ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen oder ob auch Geoffrey in mir einen Konkurrenten sah. Sylvia hingegen bemerkte von dieser gewissen Spannung zwischen uns nichts und war offen und fröhlich, so wie ich ihre Person seit jeher schätzte und liebte. Oder wollte sie es nicht bemerken? Ich hatte genügend Abstand auf meinem Platz zu den beiden, weshalb ich die Gelegenheit hatte, das Gebaren zwischen den beiden von Kindesbeinen einander bekannten Menschen zu studieren. Es versetzte mir einen kleinen Stich, als ich eine Art Vertrautheit zu erkennen schien, die sich zwischen mir und Sylvia, trotz unseres längeren Zusammenlebens als Eheleute, noch nicht eingestellt hatte und nach meinem Empfinden wohl auch nie einstellen konnte. Oder war es etwas anderes? Nach einigen Gläsern Wein verebbte der Gesprächsfluss langsam und gegen halb elf Uhr bat meine Ehefrau mich, unsere Mäntel an der Garderobe auszulösen. Ich tat, wie mir geheißen. Im Restaurant war es merklich leerer geworden. Die meisten der vormaligen Gäste waren entweder weitergezogen oder nach Hause gefahren. Auch das Licht des alles überstrahlenden Kronleuchters in der Mitte der Halle war gedimmt worden. Der Garderobenpage brauchte nicht lang, um unsere Kleidungsstücke zu finden und nach der Entlohnung ging ich zurück. Ich hatte gerade meine Hand in Richtung des Vorhanges ausgestreckt, als ich einen unterdrückten Dialog zwischen Geoffrey und Sylvia vernahm.

» Meinst du, er hat von deinen Planungen etwas mitbekommen, Sylvia? «

» Ich hoffe nicht. Er ist aufgrund unseres nun verstärkten Briefkontaktes misstrauischer geworden und ich hatte die allergrößte Mühe, dass er keinen deiner Briefe in die Finger bekommt. «

» Das habe ich an seiner Stimmung heute Abend gemerkt. «

» Nicht mehr lang und ich werde alles aufklären. Aber bis dahin müssen wir Stillschweigen bewahren und ihn ein wenig ablenken. « Ich war entsetzt, ob dieser Worte aus dem Munde meiner Angetrauten, schienen sie doch alle meine ärgsten Vorstellungen zu bestätigen. Von welchen Planungen hatten sie gesprochen? Wollten die beiden in einer Art Nacht-und-Nebel-Aktion, wie sie in einschlägigen Groschenromanen beschrieben wurden, durchbrennen? Wie sollte ich jetzt damit umgehen? Sollte ich die beiden direkt hier damit konfrontieren? Ich merkte, wie mein Puls trotz meiner Medizin anstieg und lockerte meine Krawatte etwas. Die Eifersucht brannte in meinem Hals wie ein billiger Gin. Nein. Auch wenn es wahr sein sollte und ich gekränkt war, so konnte ich das Ansehen meiner Frau nicht in aller Öffentlichkeit mindern. Ich musste vorerst Ruhe bewahren und durfte mir nichts anmerken lassen, bis ich ganz sicher war. Auch die Tatsache, dass ich dieses vermeintlich ungestörte Gespräch zwischen den beiden Liebenden mitgehört hatte, musste ich für mich behalten.

---ENDE DER LESEPROBE---