Jeder Tag ist ein geschenktes Leben - Michael Tischinger - E-Book

Jeder Tag ist ein geschenktes Leben E-Book

Michael Tischinger

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Beschreibung

Die vier Dimensionen der Achtsamkeit leben: auf die Weisheit des Körpers hören, die eigenen Gefühle und Gedanken wahrnehmen, die Beziehung zu anderen Menschen klären, sich spirituell verorten. Der Arzt, Therapeut und Theologe Michael Tischinger zeigt an vielen praktischen Übungen, wie dies ganz einfach und konkret im Alltag gelingt: jeden Tag. Jetzt.

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Seitenzahl: 221

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Michael Tischinger

Jeder Tag ist ein geschenktes Leben

Schritte der Achtsamkeit

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: VOGELSANG DESIGN

Umschlagmotiv: istockphoto.com / © jhorrocks

ISBN (E-Book) 978-3-451-80004-7

ISBN (Buch) 978-3-451-61172-8

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Achtsamkeit für meinen Körper und seine Bedürfnisse

Der Weisheit des Körpers Raum geben

Gebrauch und Nichtgebrauch von Organen führt zu Veränderung

Krankheiten und Krisen als Chance verstehen

Am Morgen das Hemd richtig knöpfen

Anker setzen

Feierabend

Nachts, wenn fast alles schläft

Sinnvoll leben – die Sinne schärfen

Atem-Pausen

Achtsames Essen und Trinken

Bewusster Konsum

2. Achtsamkeit für mein Denken und Fühlen

Wahrnehmen statt bewerten

Vorstellungen und Enttäuschungen

Ja sagen zu dem, was ist

Den inneren Antreibern auf die Spur kommen

Alle meine Gefühle sind mein Reichtum

Vergangenes und Zukünftiges

Endlich Leben

Meine Sehnsüchte spüren

3. Achtsamkeit für mein Beziehungsleben

Grenzen setzen und Nähe zulassen

Achtsamkeit in der Partnerschaft

Kinder – Geschenke des Himmels

Anerkennung und Liebe

Achtsamkeit im Beruf

Konflikthafte Beziehungen – »der rote Knopf«

Mitwelt statt Umwelt

4. Die spirituelle Dimension

Mein Platz im großen Ganzen

Verbundenheit

Das Leben als Geschenk

Dankbarkeit

Die Kraft der Stille

Begeistert-Sein

Präsenz: Das nahe Glück

Nur für heute

Dank

Literatur

Vorwort

Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben, das Leben allen Lebens. In seinem kurzen Ablauf liegt alle Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins, die Wonne des Wachsens, die Größe der Tat, die Herrlichkeit der Kraft. Denn das Gestern ist nichts als ein Traum und das Morgen nichts als eine Vision. Das Heute jedoch – recht gelebt – macht jedes Gestern zu einem Traum voller Glück und das Morgen zu einer Vision voller Hoffnung. Darum achte gut auf diesen Tag.

Aus einem Sanskrit-Text

Mit diesem Buch möchte ich Menschen ansprechen, die sich danach sehnen, ihr Leben achtsamer und bewusster zu gestalten. Oft sind es persönliche Krisen und Wendepunkte, die uns spüren lassen, dass wir so wie bisher nicht weitermachen wollen. Wir fühlen uns ausgelaugt, erschöpft und wünschen uns doch so sehr ein sinnvolles Leben. Wir ahnen, dass wir immer wieder neue Impulse brauchen.

Dieses Buch will Sie einladen, Tag für Tag Schritte der Achtsamkeit zu gehen, um Ihr Leben bewusster, froher und gelassener zu gestalten.

Dieses Buch ist geschrieben als Anregung und Ermutigung für Menschen, die Ihrer Sehnsucht nach einem Mehr an Lebendigkeit trauen wollen. Es soll dazu notwendige Werkzeuge zur Verfügung stellen.

Letztlich will ich Sie mit diesem Buch anregen und inspirieren, mit Offenheit und Lust Neues auszuprobieren. Sie werden in diesem Buch daher verschiedene Übungen oder Fragen zum Innehalten vorfinden. Ich bitte Sie, sich immer wieder Zeit zu nehmen, das ein oder andere auszuprobieren. Wichtig ist mir dabei, dass Sie Ihre eigenen Erfahrungen damit machen. Finden Sie heraus, was Ihnen Freude macht, was Ihnen guttut. Haben Sie dabei aber auch Geduld mit sich selbst.

Betrachten Sie diese Anregungen wie eine Menükarte in einem Restaurant. Wählen Sie aus, was Ihnen gerade schmeckt. Sie können nicht alles zur gleichen Zeit probieren.

Manche Übung wird vielleicht zu Ihrem persönlichen Leibgericht und Sie wollen diese regelmäßig in Ihren Tagesablauf einbauen. Tun Sie das! So, wie Sie aber nach einem köstlichen Mahl nicht für immer satt sind und wieder neu hungrig werden, so ist es auch mit der Achtsamkeit. Sie müssen jeden Tag neu essen, um zu leben. Jeden Tag gilt es wieder neu, uns in einem achtsamen Lebensstil zu üben, um ein erfülltes, sattes Leben führen zu können. Achtsamkeit kann Ihnen helfen, zum Lebenskünstler zu werden. Das Wörtchen »Kunst« kommt von »können«; »können« kommt vom »üben«. Wir alle sind Lernende, Übende – ein Leben lang.

Üben Sie sich darin, jeden Tag wie ein eigenes Leben zu betrachten. Jeder Tag, den Sie erleben dürfen, ist ein Geschenk. Jeder Tag Ihres Lebens hat seine eigenen Geschenke. Es liegt an uns, achtsamer für die Geschenke des Lebens zu werden. Dieses Buch will Ihnen dabei helfen, das große Thema der Achtsamkeit auf Ihren heutigen Tag anzuwenden. Sie können sich zwar vornehmen, zukünftig ein achtsameres Leben führen zu wollen, leben können Sie es aber nur heute. Das ist das Besondere an diesem Buch: Es will Sie immer wieder daran erinnern, dass es darauf ankommt, Ihr Heute achtsam und bewusst zu erleben. Es will Ihnen Anregungen geben, wie Sie jeden Tag zu einem eigenen gelingenden Leben werden lassen können. Letztlich geht es nicht darum, Techniken zu erlernen, sondern um das Einüben in eine Haltung des »Nur für Heute«.

Sie können das Buch entweder Kapitel für Kapitel durchgehen oder einfach ein Stichwort herausgreifen, das Sie gerade anspricht. Spüren Sie, was für Sie im Moment passt und was Sie ausprobieren wollen, und was nicht.

Immer wieder wird es darum gehen, bestimmte Aspekte genauer wahrzunehmen. Lassen Sie sich daher genug Zeit und wählen Sie aus, was Sie gerade brauchen können, wonach Sie momentan Appetit verspüren.

Erst durch die vielfältigen Erfahrungen von Patientinnen und Patienten, die ich in den letzten Jahren begleiten durfte, ist dieses Buch möglich geworden. In der Begegnung mit ihnen sind die nachfolgenden Anregungen entstanden.

Dieses Buch ist auch ein Dank an diese Menschen, die mich mit ihren Erfahrungen, ihren Seelenkräften und ihren Hoffnungen inspiriert haben.

Für mich ist es eine unbeschreibliche Freude miterleben zu dürfen, wie Menschen sich und ihre Lebendigkeit neu entdecken, wieder aufblühen und in einer neuen Achtsamkeit und Bewusstheit ihr Leben leben.

Manches von dem, was hier aufgeschrieben steht, entstammt meiner eigenen Erfahrung und persönlichen Begegnungen. Anderes stammt aus der Arbeit von Kolleginnen und Kollegen, durch die ich viel Wichtiges erahnt oder verstanden habe.

All diese vielfältigen Erfahrungen sind mir geschenkt worden, nicht um sie für mich zu behalten, sondern um sie weitergeben zu dürfen. Mögen sie dazu beitragen, dass mehr Lebendigkeit und Bewusstheit unter uns entstehen kann.

Dieses Buch soll nicht von oben herab belehren. Vielmehr ist es geschrieben, um Impulse zu geben, zum Nach-, Um- und Neudenken anzuregen und Mut zu machen, Neues auszuprobieren. Ich will Sie ermutigen, sich selbst mehr zu entdecken, in der Gewissheit, dass Sie in sich viel Kostbares, Wertvolles und Liebenswertes finden können. Jeder von uns ist ein wunderbares Geschenk für diese Welt. Jeder von uns ist liebenswert.

Einleitung

Dem Thema »Achtsamkeit« kommt inzwischen in der Psychotherapie eine große Aufmerksamkeit zu. In Fachkreisen wird gar von einer »Achtsamkeitswelle« gesprochen. Insbesondere hat der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn mit seinem Stressbewältigungsprogramm MBSR (Mindfulness based stress reduction) international viel Beachtung gefunden. Dieses Programm umfasst verschiedene Übungselemente, wie achtsame Körperwahrnehmung, Yoga, Sitz- und Gehmeditation. Bei all diesen Übungen steht immer das wertungsfreie Wahrnehmen dessen, was sich gerade zeigt, im Vordergrund. Mittlerweile gibt es wissenschaftlich überprüfbare Nachweise, dass die Praxis der Achtsamkeit nicht nur vorbeugend, sondern auch bei zahlreichen Erkrankungen, wie z. B. Angststörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stressbedingten Beschwerden, Krebserkrankungen, Hauterkrankungen heilend wirkt und zur Verbesserung des seelischen und körperlichen Allgemeinbefindens sowie zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.

Das Thema »Achtsamkeit« darf jedoch nicht auf eine Technik reduziert werden, mit der man eben lernen kann, sich zu entspannen, um mit Alltagsbelastungen besser umzugehen.

Achtsamkeit gilt in allen großen Weltreligionen als eine der Kerntugenden. Mit einer Tugend ist mehr eine innere Haltung, eine Lebenseinstellung, als eine bloße Methode gemeint.

Eine achtsame Lebenshaltung hilft uns, im gegenwärtigen Moment wirklich präsent zu sein, mit uns selbst gut verbunden zu sein und wertschätzend mit uns selbst, anderen Menschen und dem Geschenk des Lebens umzugehen. Achtsamkeit ist wie ein Schlüssel zu einem bewussten, freudvollen Dasein. Diesen Schlüssel haben wir selbst in der Hand. In uns allen ist die Befähigung zur Achtsamkeit angelegt.

Achtsamkeit im ganzheitlichen Sinne meint aber nicht nur bloße Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit bedeutet, mit unseren fünf Sinnen Duft, Klang, Geschmack, Form und Farbe wahrzunehmen. Wenn wir aufmerksam sind, bemerken wir, was im Außen um uns herum geschieht. Dies ist die Voraussetzung, dass wir uns einer Erfahrung bewusst werden können. Ganzheitliche Achtsamkeit heißt aber, nicht nur im Außen etwas wahrzunehmen, sondern auch nach innen zu gehen. Nach innen gehen meint, gut mit mir selbst verbunden zu sein. Mich erinnern, was mir guttut, was mir hilft, was ich gerade benötige. Mitzubekommen, was eine äußere Situation in mir auslöst. Mitzubekommen, wie es mir in dem jeweiligen Moment ergeht und wie ich damit umgehen möchte. Aus der Wahr-nehmung eine »Wahrgebung« zu machen: Was nehme ich wahr? Was kann es bedeuten? Wie will ich darauf antworten?

Achtsamkeit bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein und ermöglicht somit eine gesunde Form von Selbstbewusstsein. Achtsamkeit ist als eine Geistes- und Bewusstseinsschulung zu verstehen, die hilft, das Leben selbstbewusster, d. h. mit mehr Bewusstsein über sich selbst zu gestalten. Wer zu sehr im Außen orientiert ist und zu wenig im Kontakt mit seinem Selbst, seinen eigenen Bedürfnissen und Gefühlen ist, kann dadurch in Konflikte geraten und krank werden.

In meiner Arbeit mit Patientinnen und Patienten der Adula Klinik, einer psychosomatischen Fachklinik in Oberstdorf, begegne ich immer wieder Menschen, die von sich sagen, dass sie es an Achtsamkeit haben mangeln lassen und dadurch in schwere Krisen oder Krankheiten geraten sind.

Da ist stellvertretend für viele andere der Manager Anfang 50, der über die Entstehung seines Burnouts sagt: »Ich bin jahrelang auf meinem Körper herumgetrampelt. Ich habe mich und meine Bedürfnisse gar nicht mehr gespürt, habe mein Beziehungsleben vernachlässigt und meinen Sinn im Leben verloren.«

Mangelnde Achtsamkeit für eigene Bedürfnisse und eigene Grenzen ist der zentrale Punkt in der Entstehung eines Burnouts. Der Begriff »Burnout«, »Ausgebrannt sein«, lässt an ein ausgebranntes Feuer denken und stellt damit ein archaisches Bild zur Verfügung, um die tiefgreifende, seelische und körperliche Erschöpfung, die damit gemeint ist, zu verdeutlichen.

Feuer gehört wie Wasser, Luft und Erde zu den Grundelementen des Lebens. Feuer unterscheidet sich jedoch von den anderen Elementen in einem ganz wesentlichen Punkt:

Blicken wir in die Natur, so finden wir die Elemente Wasser, Luft und Erde im Übermaß. Nicht so das Feuer: Um Feuer entstehen zu lassen, braucht es unser aktives Zutun. Um ein Feuer am Leben zu erhalten, bedarf es unserer Achtsamkeit, damit der Prozess des Brennens nicht zu einem Ausbrennen führt.

Jeden Tag müssen wir neu für Bedingungen sorgen, unter denen ein Feuer gedeihen kann. Wir müssen uns um Nahrung für das Feuer kümmern und darauf achten, dass die beteiligten Faktoren, z. B. ausreichende Luftzufuhr, Schutz vor Nässe, günstig sind. Achtsamkeit ist unabdingbar für die Pflege des Feuers, damit es uns mit seiner Wärme und seinem Licht dienen kann.

Es ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die richtige Balance, das Maß zwischen einem Zuviel oder Zuwenig der einzelnen Elemente, um das Feuer zu erhalten. Achtsamkeit in diesem Zusammenhang, meint ein Bewusstsein um die Bedeutung und Wirkweise von zu Feuer haben, aber auch eine Achtung (Achtsamkeit und Achtung kommen aus dem gleichen Wortstamm) für die Wichtigkeit eines jeden Teilbereichs. Eine Geringachtung bzw. Missachtung eines Aspektes (z. B. zu wenig Luftzufuhr, zu geringe Trockenheit) würde zu einem unökonomischen Verbrennen führen und dem Ausbrennen Vorschub leisten.

Nehmen wir dieses Bild der äußeren Natur als Bild für unsere eigene Situation, so ist ersichtlich: Es braucht uns, unser Bewusstsein und unsere Achtsamkeit, um unser inneres Lebensfeuer, unsere Lebendigkeit zu erhalten. Achtsamkeit für das, was unser inneres Feuer am Leben erhält, um nicht ausgebrannt, verbrannt zurückzubleiben.

So, wie sich alles Sein aus vier Elementen zusammensetzt, so hängt das Gelingen unseres Lebens von dem Zusammenwirken der vier Aspekte unseres Menschseins, unserer bio-psycho-sozio-spirituellen Ganzheit, ab.

Jeder Aspekt unseres Menschseins, die biologische (körperliche), die psychologische (das Denken und Fühlen betreffende), die soziologische (das Eingebunden sein in Beziehungen), aber auch die spirituelle Dimension (mit unseren Fragen nach dem Woher und Wozu unseres Lebens) braucht Achtung und Würdigung, um ein Ausbrennen zu vermeiden.

Damit wir in Zeiten widriger, stressvoller Lebensumstände unsere Gesundheit erhalten können, bedarf es der Achtsamkeit für alle diese vier Lebensaspekte. Achten wir auf diese wesentlichen Ebenen unseres Menschseins, so ermöglicht dies, dass unser Lebensfeuer und unsere Lebendigkeit auf eine gute Weise erhalten bleiben. Vernachlässigen wir eine oder mehrere dieser vier Dimensionen, so kann es dazu führen, dass uns die Kräfte ausgehen, wir ausbrennen.

Wenn es in unserem Leben zu einer Erschöpfung, einem Ausgebranntsein kommt, gilt es achtsam zu werden für das, was zu kurz gekommen ist oder das, was überhand genommen hat. So gesehen zielt die Frage des Arztes nach dem »Was fehlt dir?« auf das Zukurzgekommene oder die Frage »Was hast du?« nach dem, was zu viel geworden ist. Es geht also darum, das rechte Maß, das innere Gleichgewicht und die Balance wieder zu finden.

Es gibt jedoch nicht das richtige Maß, einen für alle verbindlichen Maßstab. Wir Menschen fragen oftmals nach einer allgemein gültigen, von außen festgelegten Norm: Wie »man« leben sollte, was »man« tun sollte. Wir neigen dazu im »man« zu denken und im »man« zu reden. So haben viele Menschen, wenn sie in unsere Klinik kommen, große Mühe, von sich selbst zu erzählen, ohne das Wörtchen »man« zu gebrauchen.

Vielmehr ist es uns als Hüter unseres Lebensfeuers aufgegeben, achtsam und bewusst wahrzunehmen, was denn jeweils in diesem Moment das für mich stimmige Maß ist. Ich möchte Sie darum bitten, dass Sie sich beim Lesen dieses Buches (wie auch generell im Leben), immer wieder selbst fragen: »Was fühlt sich für mich ganz persönlich stimmig an?«, »Womit fühle ich mich wohl?«

Dafür kann es hilfreich sein, ein gutes »Maß« an Selbsterkenntnis zu haben. Lernen Sie sich selbst besser kennen, indem Sie sich immer wieder wesentliche Fragen stellen: Wer bin ich? Wer oder was ist mir wichtig? Was sind meine Werte und Ziele? Was sind meine Bedürfnisse? Was ist meine Sehnsucht? Was tut mir gut? Was bereitet mir gerade Probleme?

Das griechische Wort »problema« heißt das Hingeworfene, das Vorgelegte, das, was zur Lösung vorgelegt wurde. In der griechischen Antike benannte es ursprünglich die Dinge, die auf dem Weg zum Markt aus dem Karren der Händler gefallen waren, unterwegs also verloren gegangen waren. Das Problem will uns also aufmerksam machen für das, was uns fehlt: Was ist mir denn auf meinem Lebensweg aus meinem Lebenskarren gefallen? Welches Lebensmittel, das ich brauche, um in meinem Leben wieder in meine Mitte zu gelangen, habe ich aus den Augen verloren? Was ist auf der Strecke geblieben?

Manch einer mag in so einer Situation schmerzlich feststellen, dass er für lange Zeit die eigene Lebendigkeit außer Acht gelassen hat, dass er seinen Körper, seine Bedürfnisse oder seine Gefühle nicht mehr wahrgenommen hat, dass er womöglich zum Gefangenen fremder Ansprüche oder eigener festgefahrener Vorstellungen geworden ist.

Probleme, Erschöpfung, Krankheiten und Lebenskrisen wollen uns zurückrufen zu unserer eigentlichen Aufgabe: achtsam und ehrfürchtig mit uns und dem uns geschenkten Leben umzugehen. Da, wo es kalt und dunkel in unserem Leben geworden ist, erinnern wir uns wieder, wie notwendig wir das Feuer brauchen. So gesehen ist jede Krise und jede Krankheit eine Chance, uns wieder neu um das zu kümmern, was in uns verkümmert ist und doch leben möchte.

Immer sind wir aufgerufen, zurückzukehren zu einer dauerhaften Praxis der Achtsamkeit und der Bewusstheit für uns und unser Leben.

Wie mit dem Feuer, ist es auch im Leben: Es reicht nicht, einmal verstanden zu haben, wie das Feuermachen funktioniert. Es bedarf tagtäglich neu der Anwendung des Gelernten. Die vorgestellten Themen des Buches wollen Sie auf Ihrem persönlichen Achtsamkeitsweg unterstützen.

Es ist in vier Abschnitte gegliedert:

Achtsamkeit im ganzheitlichen Sinn umfasst unser Menschsein mit all seinen Dimensionen. Im Zentrum des ersten Kapitels steht unser Körper mit seinen biologischen Gegebenheiten und Bedürfnissen. Im zweiten Kapitel geht es um unser seelisches Wohlbefinden: Unsere Einstellungen, unser Denken und Fühlen. Der dritte Abschnitt handelt davon, was Achtsamkeit in der Verbundenheit mit unseren Mitmenschen und unserer Mitwelt bedeutet. Schließlich richtet sich im letzten Kapitel der Blick auf die spirituelle Dimension unseres Lebens.

Beim Lesen werden Sie merken, dass die Themen nicht eindeutig nur dem einen oder anderen Kapitel zugeordnet werden können. Es scheint manches ineinander überzugehen und nicht klar voneinander getrennt zu sein. Das ist zwangsläufig so, da es auch im wirklichen Leben nicht möglich und nicht hilfreich ist, die unterschiedlichen Aspekte unseres Menschseins strikt auseinander halten zu wollen. Die Gliederung ist ein Versuch, etwas zu ordnen, was aber letztlich doch nicht getrennt voneinander gedacht und gelebt werden kann.

Immer gehört alles zusammen: Die körperliche Erfahrung hat einen Bezug zu unserem seelischen Befinden und kann in unser soziales Sein hineinwirken und auch Auswirkungen auf unser transpersonales Bezogensein haben.

Um unser Leben voll und ganz entfalten zu können, braucht es Achtsamkeit für alle in uns wohnenden Aspekte: unsere Körperlichkeit, unser Denken und Fühlen, unser Beziehungsleben und unsere transpersonale Wirklichkeit.

1. Achtsamkeit für meinen Körper und seine Bedürfnisse

Der Weisheit des Körpers Raum geben

Unser Körper ist ein großartiges Weisheitsorgan, das in sehr unmittelbarer Weise zu uns spricht.

Laufend erhalten wir Informationen darüber, wie unser Befinden ist: Unser Körper signalisiert uns Hunger und Durst. Er lässt uns wissen, ob wir erholt oder müde sind, ob wir frieren oder uns warm ist, ob wir gerade angespannt oder entspannt sind. Er teilt uns also mit, ob wir ein Zuviel oder Zuwenig eines Bedürfnisses (z. B. nach Nahrung, Kleidung, Erholung) verspüren. Ignorieren wir die ersten leisen Informationen, wird er deutlicher. Um dies zu illustrieren, greife ich auf ein Bild aus dem Alten Testament zurück.

Das Alte Testament überliefert uns eine Geschichte über den Propheten Bileam. Dieser Prophet macht sich, trotz Gottes eindeutigen Missfallens, auf einem Esel reitend auf den Weg, um die Israeliten zu verfluchen. Unterwegs stellt sich ihm ein Engel in den Weg, den aber zunächst nur der Esel erkennt. Der Esel versagt seinem Herrn daraufhin den Dienst und geht in die Knie. Zunächst versucht Bileam durch Stockschläge den Esel zum Weitergehen zu bewegen, aber der Esel gehorcht nicht mehr.

Bileam muss erst absteigen, um zu erkennen, dass sich ein Engel schützend vor dem Abgrund aufgebaut hat, auf den er geradewegs zugeritten wäre. Erst jetzt versteht er, dass der Streik des Esels ihn vor dem Untergang bewahrt hat.

Diese Geschichte ist ein treffliches Bild für unseren Körper. Betrachten wir ihn wie einen Esel, der möglichst lange leben soll, allseits gehorchen und genügsam sein soll? Oder ist er uns eine teure Gabe, die wir liebevoll pflegen und hegen dürfen und mit der wir kommunizieren können?

Stellen wir uns vor, der Esel hätte eine Stimme und er würde seinen Herrn fragen: Bin ich nicht dein treuer Esel, auf dem du seit eh und je geritten bist? War es etwa je meine Gewohnheit, mich so gegen dich zu benehmen?

Der Esel (als Symbol für unseren Leib) ist nicht einfach nur störrisch, sondern er nimmt in diesem Moment mehr wahr als der Prophet. Unser Körper drückt insbesondere auch durch sein Nicht-so-funktionieren-wie-wir-wollen Entscheidendes aus. Gehen wir wiederholt über die Grenzen hinweg und missachten unser Ruhebedürfnis, so wird der Körper uns mit seinem Streiken darauf aufmerksam machen wollen.

Unser Körper hat eine Stimme und spricht zu uns. Ein Großteil der Besuche beim Hausarzt sind auf psychosomatische Ursachen zurückzuführen. Wir dürfen der Sprache unseres Körpers Vertrauen schenken. Er drückt auf die ihm zur Verfügung stehende Weise eine Wahrheit aus. Kennen wir die Sprache unseres Körpers zu wenig, reagieren wir ängstlich und verunsichert. Üben wir uns darin, die Signale unseres Körpers zu verstehen, können wir unserer körperlichen Weisheit mehr vertrauen.

Eine neugierige, offene und akzeptierende Haltung für die körperlichen Signale, hilft zu verstehen, was der Körper mitteilen möchte. Indem wir mehr und mehr seine Sprache kennenlernen, können wir vertrauensvoll und angstfrei mit ihm kommunizieren. Unserem Körper geht es dann gut, wenn ein Zustand des inneren Gleichgewichtes hergestellt ist. Ist dies nicht der Fall, wird er sich auf unangenehme Weise bemerkbar machen. Er will daran erinnern, dass etwas im Ungleichgewicht ist und uns auffordern, für einen Ausgleich zu sorgen. Wer dies nicht tut, läuft Gefahr, an Körper und Seele Schaden zu nehmen. Auch unsere Seele als Ausdruck unserer psychischen Weisheit möchte mit uns sprechen.

Manchmal tut sie dies über den Umweg des Körpers. Wenn wir nicht auf die Seele direkt hören, so wird die Seele zum Körper sagen: »Sag du es ihm, auf mich hört er nicht«.

Seele und Körper sind eine Einheit und wollen von uns gehört werden.

Fragen zum Innehalten:

Ich lade Sie ein, sich mit Hilfe folgender Fragen Gedanken über Ihre Beziehung zu Ihrem Körper zu machen.

Achten Sie Ihren Körper als das Wunderwerk, das er ist? Wie gehen Sie mit ihm um? Sehen Sie ihn als lebendigen Organismus, als einen Freund, der in sich eine Weisheit trägt und mit Ihnen kommunizieren möchte? Hören Sie auf Ihren Körper, was er Ihnen sagen möchte? Oder benutzen Sie ihn manchmal wie ein Fahrzeug, das immer funktionieren und wenig reparaturanfällig sein sollte? Achten Sie die Signale Ihres Körpers, wenn er nach Essen, Trinken, Bewegung, Erholung bzw. Schlaf verlangt? Woran erkennen Sie, wie entspannt oder angespannt Sie gerade sind? Wie sieht Ihre Kommunikation mit Ihrem Körper darüber hinaus aus? Kennen Sie die Signale, mit denen Ihr Körper Sie auf Ihre Grenzen hinweisen möchte? Gab es in der letzten Zeit ein Bedürfnis, ein Thema, das in Form eines Krankheitssymptoms Ihre Aufmerksamkeit wecken wollte? Immer lohnt es sich, die Aufmerksamkeit auf die eigenen körperlichen Reaktionen zu lenken. Sie können mit Ihrem Körper wie mit einem Freund sprechen. Sie können ihn jederzeit fragen, wie es ihm denn so geht, er wird Ihnen antworten. Fragen Sie ihn doch jetzt, wie es ihm gerade in diesem Moment geht. Was geschieht, wenn Sie ihn liebevoll und achtsam nach seinem Befinden fragen? Wie antwortet er Ihnen?

Wenn Sie Ihren Körper liebevoll wie einen Freund behandeln, kann er sich Ihnen auch in offener und ehrlicher Weise mitteilen. Wenn Sie ihn jedoch ablehnen, wie kann er dann mit Ihnen sprechen?

Wie ein Mensch, dem Sie nicht freundlich gesonnen sind und mit dem Sie im Clinch liegen, sich zurückziehen wird, so wird auch Ihr Körper darauf reagieren, wenn Sie ihn bzw. etwas an ihm ablehnen.

Achtsamkeit hat mit Achtung und Respekt zu tun. Achtsamkeit für Ihren Körper, seine Bedürfnisse und seine Botschaften setzt als Basis voraus, dass Sie ihn wirklich achten und respektieren. Ihn achten und respektieren heißt, ihn so zu bejahen, wie er Ihnen geschenkt wurde, bzw. sich im Lauf der Jahre entwickelt hat. Ja zu sich selbst und zum eigenen Körper zu sagen, ist die Basis für eine gesunde Form der Selbstliebe.

Manchmal fällt es uns schwer, ja zu sagen, zu diesem unserem Körper. Ja zu sagen zu dem, was wir an ihm gerne anders hätten. Ja zu sagen zu einer Einschränkung, einer Behinderung oder einer Krankheit. Doch wenn wir nein zu einer Krankheit sagen, indem wir in Kampf gehen, uns dagegen auflehnen, wie kann dann der Körper durch diese Krankheit uns etwas mitteilen, etwas verstehen lassen?

Ein Patient mit Tinnitus hat es so formuliert: »Das Geräusch des Tinnitus war für mich wie das Klopfen eines Boten an meine Tür. Zunächst wehrte ich mich dagegen und schrie gegen die Tür »Geh weg« – aber es half nichts. Schließlich verstand ich, dass ich zur Tür gehen musste, um den Boten zu fragen, was denn sein Anliegen sei. Da erkannte ich, wie mich der Tinnitus eindringlich darauf hinweisen wollte, dass ich mein Leben lang auf der Suche nach Anerkennung gerannt und gehetzt bin. Jetzt weiß ich, dass ich mich nicht mehr so schrecklich anstrengen muss und ich mich selbst mehr lieben und annehmen darf so wie ich bin.«

Oft dauert es aber lange, bis wir die Botschaft einer Krankheit wirklich verstehen.

Eine Krankheit kann alles Bisherige auf den Kopf stellen und uns gehörig durcheinander wirbeln. Die Krankheit kann aber genau dadurch – wie eine Art Lupe – die Frage nach dem, was wirklich zählt, sichtbar werden lassen. Dann sagen Menschen im Nachhinein, dass sie froh und dankbar für eine Krankheit waren, da sie genau dadurch etwas Wichtiges über ihr Leben erfahren haben oder etwas Neues beginnen durften. Eine Krankheit fordert uns heraus, sie fordert uns auf innezuhalten.

Wer nicht innehält, verliert auf Dauer seinen Inhalt, das, worauf es im Leben wirklich ankommt. Wer aufgrund einer Krankheit innehält, kann dadurch wieder inneren Halt erfahren. Er kann sich fragen und erfahren, was für ihn im Inneren wichtig ist, was wesentlich ist.

Übung: Meinem Körper danken

Nehmen Sie wahr, auf welch wunderbare Weise Ihr Körper funktioniert. Machen Sie sich bewusst, wie intelligent Ihr Körper ist, dass er ohne Ihr aktives Zutun permanent höchst komplexe Reinigungs- (z.B. Atmung, Ausscheidung …) und Regulationsvorgänge (z.B. Hormone, Blutzucker …) vornehmen kann. Machen Sie sich bewusst, über welch großartige Selbstheilungsmechanismen er verfügt. Ihr Körper kann gebrochene Knochen wieder zusammenwachsen oder Wunden heilen lassen. Vergegenwärtigen Sie sich, welch wahre Wunderwerke Ihre Augen, Ihre Ohren, Ihre Hände, Ihre Beine … sind. Danken Sie all Ihren Organen, dass sie Ihnen jeden Tag neu ihren Dienst zur Verfügung stellen. Bemerken Sie, wie viel frohe Erfahrungen Ihnen Ihr Körper ermöglicht hat und immer wieder neu ermöglicht.

Viele meiner Patientinnen und Patienten klagen über körperliche Schmerzen, wobei häufig Rückenschmerzen an erster Stelle genannt werden. Rückenschmerzen gelten mittlerweile als eine Volkskrankheit. Dies ist umso bemerkenswerter, da wir berufsbedingt zunehmend weniger körperlichen Belastungen ausgesetzt sind – die Zeiten des Säcke schleppens sind vorbei.

Allerdings tragen wir heutzutage mehr emotionale Belastungen mit uns herum. »Haltung bewahren müssen«, »Rückgrat beweisen«, »sich nicht hängen lassen dürfen«, »viel am Hals haben«, »Nackenschläge hinnehmen müssen«, »vom Leben gebeugt sein«: Solche und ähnliche Formulierungen lassen erahnen, dass sich unser seelisches Erleben auch im Befinden unseres Rückens widerspiegelt. Wenn uns etwas im Nacken sitzt (Angst, Ärger, Stress) spannen sich unsere Muskeln an. Diese Anspannung der Muskulatur diente in der Menschheitsgeschichte ursprünglich, z. B. bei der Begegnung mit einem Bären, der Vorbereitung einer Flucht- oder Angriffsaktion.

Heutzutage können wir aber das, was uns im Nacken sitzt, nicht durch einen Laufreflex auflösen, so dass die Anspannung im Körper erhalten bleibt und sich als schmerzhafte Verspannung äußert.

Was ist Schmerz? Schmerz ist zunächst ein Kommunikationsmittel. Der Körper möchte über den Schmerz mit uns kommunizieren und uns etwas Wichtiges mitteilen. Es ist eine sehr unmittelbare Information, die uns ins Handeln bringt: Wir versuchen, den Schmerz loszuwerden. Wir behandeln ihn wie einen ungebetenen Gast. Ein ungebetener Gast, den wir aussperren wollen, kann uns aber sein Wissen nicht zur Verfügung stellen. Aus der Schmerzforschung ist bekannt, dass gerade bei chronifizierten Schmerzen der seelische Aspekt immer wichtiger wird. Dies gilt sowohl für die Entstehung des Schmerzes als auch dessen Behandlungsmöglichkeiten. Schmerzwahrnehmung, Schmerzgedächtnis und Schmerzverarbeitung hängen stark mit unserem seelischen Befinden zusammen.

Folgende Fragen können beim Thema Rückenschmerzen weiterhelfen:

Fragen zum Innehalten:

Was trage ich mit mir herum? Was belastet mich gerade? Kann ich von der Last, die mir zu viel geworden ist, etwas abgeben? Wer kann mir helfen, diese Last zu tragen? Was genau ist meine Verantwortung? Was brauche ich, damit ich wieder aufrecht stehen und weitergehen kann?

Wenn Sie immer wieder Rückenschmerzen haben, fragen Sie sich: Was ist das verbindende in den Situationen, in denen sich ein Rückenschmerz meldet? Gibt es so etwas wie einen roten Faden?