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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. Auf sehr spezielle, romantische Weise findet Toni, der Hüttenwirt seine große Liebe in einer bezaubernden Frau, die aus einer völlig anderen Umgebung stammt als der markante Mann der Berge. Sie lernt durch ihn Schönheit und Idylle seiner Heimat kennen und lieben. Gemeinsam eröffnen die beiden allen Besuchern die Werte und Besonderheiten ihres Lebens auf der Alm. Romantik, Beschaulichkeit, dramatische Spannung und feinsinnige Gespräche: Das ist die Welt von Toni, dem Hüttenwirt, der sich niemand entziehen kann. Bevor Jenny einen Koffer nach dem anderen aus der Schräge des Dachbodens zog, machte sie Aufnahmen mit ihrem Handy. Denn die Koffer sollten wieder genauso aufstapelt werden, damit es so aussah, als wären sie nie angerührt worden. »Hast du in den Truhen noch etwas gefunden?«, rief Jenny. »Nein, hier sind nur alte Kleider und Wäsche drin und noch mehr Spielsachen«, antwortete Tim. Er verschloss die letzte Holztruhe mit dem kunstvoll verzierten Tonnendeckel und schob sie an ihren Platz zurück. Dann ging er zu Jenny. »Irgendwann muss mir Zenzi erklären, warum das ganze alte Zeug aufgehoben wird.« »Vielleicht aus Nostalgiegründen. Oder die Sachen werden aufgehoben, um sie eines Tages in dem berühmten Londoner Aktionshaus Christie versteigern zu lassen.« Tim lachte laut. »Mei, Jenny, du hast Ideen!« Jenny richtete sich auf und stemmte die Hände in die Seite. Sie sah Tim an, der etwas von ihr entfernt auf dem Boden kniete. »Warum nicht? Außerdem könnte man die Sachen an Filmproduktionsfirmen ausleihen, für historische Filme. Ich habe gelesen, dass man damit richtig Geld machen kann.« Tim lachte. »Lach mich nicht aus, Tim!
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Bevor Jenny einen Koffer nach dem anderen aus der Schräge des Dachbodens zog, machte sie Aufnahmen mit ihrem Handy. Denn die Koffer sollten wieder genauso aufstapelt werden, damit es so aussah, als wären sie nie angerührt worden. »Hast du in den Truhen noch etwas gefunden?«, rief Jenny.
»Nein, hier sind nur alte Kleider und Wäsche drin und noch mehr Spielsachen«, antwortete Tim. Er verschloss die letzte Holztruhe mit dem kunstvoll verzierten Tonnendeckel und schob sie an ihren Platz zurück. Dann ging er zu Jenny. »Irgendwann muss mir Zenzi erklären, warum das ganze alte Zeug aufgehoben wird.«
»Vielleicht aus Nostalgiegründen. Oder die Sachen werden aufgehoben, um sie eines Tages in dem berühmten Londoner Aktionshaus Christie versteigern zu lassen.«
Tim lachte laut. »Mei, Jenny, du hast Ideen!«
Jenny richtete sich auf und stemmte die Hände in die Seite. Sie sah Tim an, der etwas von ihr entfernt auf dem Boden kniete. »Warum nicht? Außerdem könnte man die Sachen an Filmproduktionsfirmen ausleihen, für historische Filme. Ich habe gelesen, dass man damit richtig Geld machen kann.«
Tim lachte.
»Lach mich nicht aus, Tim! Vielleicht bist du eines Tages mal froh über den alten Plunder. Ich denke eben weiter. Ich wünsche dir nicht, dass du irgendwann und irgendwie in Verlegenheit kommst, viel, sehr viel Geld aufbringen zu müssen. Es könnte doch sein, dass das Schloss ein neues Dach braucht oder eine neue Heizung her muss. Dann kannst du das Zeugs versteigern.«
»Liebe Jenny, erstens stört mich, dass du nur von mir sprichst. Es geht doch um uns. Es muss ›wir‹ heißen! Oder willst du dir ein Hintertürchen auflassen?«
»Schmarrn, ich lasse dich nicht mehr los!«
»Genau das wollte ich hören. Ich lasse dich auch nicht mehr los. Und falls ein anderer Bursche sich für dich interessiert, fordere ich ihn im Morgennebel zum Duell im Schlosspark.«
»Ich wusste gar nicht, dass du so blutrünstig bist. Was wählst du, Pistolen oder Degen?«
»Blutrünstig bin ich nicht. Es müssen keine Pistolen oder Degen sein. Hier in Waldkogel werden Streitigkeiten dieser Art zwischen Burschen mit den Fäusten ausgetragen.«
»Ja, das habe ich auch schon gehört. Auch das Nachspiel ist bekannt.«
»Welches Nachspiel?«
»Die beiden Streithähne ersäufen Niederlage oder Sieg in Obstler. Tassilo soll in jungen Jahren viele solche Erfahrungen gemacht haben. Er prügelte sich grün und blau mit anderen Burschen aus Waldkogel. Danach hatte er einen Brummschädel und kam morgens kaum aus dem Bett.«
»Woher weißt du das?«, fragte Tim.
»Das hat mir Zenzi erzählt. Sie war jedes Mal wütend.«
»Zenzi – damit sind wir wieder beim Stichwort. Lass uns weitersuchen!«
Ganz hinten unter dem Dach stand eine Metallkiste. Sie war mit einem großen Vorhängeschloss verschlossen.
»Und jetzt?«, fragte Jenny.
Tim überlegte kurz. Dann holte er aus einem Gewehrschrank ein altes Gewehr.
»Willst du die Truhe erschießen?«, kicherte Jenny.
»Nein«, antwortete Tim. Er steckte den Gewehrlauf in den Bügel des Vorhängeschlosses und hebelte es auf.
Sie hoben den Deckel.
»Bingo!«, grinste Tim. »Nun, was haben wir da alles?«
»Gebündelte Briefe, gerollte Karten, Notizbücher«, zählte Jenny auf.
Im Deckel der Truhe war ein Umschlag festgeklemmt. Mit spitzen Fingern löste ihn Jenny heraus. Der Umschlag war nicht verschlossen. Sie schaute hinein, dann zog sie ein weiteres Kuvert hervor. »Schau mal, Tim, das ist ein Testament! Jedenfalls steht das auf dem Umschlag drauf.«
Auch dieser Umschlag war nicht verschlossen.
Tim nahm ihn Jenny aus der Hand. Er holte das Blatt heraus und überflog es. »Schau auf das Datum! Das ist erst wenige Wochen her«, sagte er erstaunt.
Tim las laut vor:
»Mein lieber Tassilo,
unser Gespräch hat mich sehr aufgewühlt. Es hat mich daran erinnert, dass das Leben nicht endlos ist. Das hatte ich gern verdrängt.
Wir wissen nicht, wann der Herrgott einen von uns beiden zu sich ruft. Ich hoffe, ich werde die Erste sein.
Sollte es so sein, dann habe ich eine Bitte. In dieser Kiste sind Briefe und Unterlagen meiner Familie. Ich habe Dir nie etwas darüber erzählt. Aber Du solltest es erfahren. Du wirst Dich fragen, warum ich geschwiegen habe. Ich hielt es einfach für besser so, denn ich war mit meinem Leben zufrieden. Lies die Briefe und die Notizen nicht gleich! Lass dir Zeit, bis Du eine ruhige Stunde findest.
Alles, was ich besitze, überlasse ich Dir oder Tim. Tim ist ein guter Bub und ist Dir sehr ähnlich. Er erinnert mich jeden Tag an Dich, wie Du in diesem Alter gewesen bist. Du bist zwar nicht mit ihm verwandt, aber durch die Liebe zur Musik gibt es eine enge Verbundenheit zwischen euch. Ihr seid im Herzen und im Geist verwandt. Das ist mehr, als normale Verwandtschaft. Das macht mich sehr glücklich.
Es gibt noch etwas, was Du wissen musst. In der Tischplatte des schweren Eichentisches in der Bibliothek gibt es ein Geheimfach. Es sieht nur so aus, als sei die Tischplatte massiv. Sie ist es nicht. Die Schnitzereien an der Kante verdecken die Rille. Der obere Teil lässt sich zur Seite drehen. In der unteren Platte ist eine Aussparung. In diesem Versteck liegen alle wichtigen Dokumente. Dein Großvater Ferdinand hat es anfertigen lassen. Außer mir hat niemand davon gewusst. Er hat es mir anvertraut, als er auf dem Sterbebett lag. Du hast mir immer gesagt, dass Du wenig Erinnerung an ihn hast. Er war bei Deiner Geburt auch schon sehr betagt.
Lass dir sagen, dass keiner die Zukunft voraussehen kann. Dein Großvater hat Entscheidungen treffen müssen, die ihn ein ganzes Leben belasteten. Dass er mit deinem Vater Theodor noch einmal einen Erben bekam, war ihm ein Trost. Ebenso freute ihn, wie sehr sich die Zeiten änderten. Denn Du bist deinem Herzen gefolgt und hast Otti geheiratet. Dass ein Erbe eine Bürgerliche heiratet, war nicht immer möglich gewesen. Das hat deinem Großvater viel Leid beschert. Er litt sehr darunter, dass er damals keine andere Entscheidung treffen konnte. Ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht. Ich hoffe und wünsche, dass auch Du Frieden schließt mit diesem dunklen Punkt in Deiner Familiengeschichte. Trage ihm nichts nach und trage es mir nicht nach, dass ich geschwiegen habe! Ich habe so entschieden, weil ich dachte, es sei das Beste. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern und die Zukunft nicht nach unseren Wünschen bestimmen. Ich habe immer im Heute gelebt und war glücklich. Ich hatte Dich in meiner Nähe. Später kamen Otti, Tom, Julia und Tim hinzu. Und seit kurzer Zeit gehört für mich Jenny ebenfalls dazu. Sie liebt die Musik wie Tim. Das ist gut und ich freue mich darüber.
Lieber Tassilo,
jetzt, nachdem ich das niedergeschrieben habe, fühle ich mich erleichtert. Mein Herz hat sich etwas beruhigt. Ich vertraue auf den Herrgott und die Engel vom ›Engelssteig‹, dass ein Wunder geschieht und Du wieder gesund wirst.
Wie es auch kommen mag, und wer von uns beiden zuerst geht, wir werden uns wiedersehen. Einer wird auf den anderen am Himmelstor warten.
Ich will Dir noch sagen, dass Du immer tief in meinem Herzen warst und ich dieses Gefühl mit hinüber in das andere Leben nehmen werde.
In großer Liebe,
Deine dich liebende Zenzi.«
Tim und Jenny sahen sich an. Beiden liefen die Tränen über die Wangen. Sie konnten nicht sprechen.
Tim steckte das Blatt in den Umschlag zurück.
Sie räumten alles auf und ordneten die Koffer so, dass niemand bemerken würde, dass sie bewegt worden waren.
Natürlich interessierte sie auch der Inhalt der Truhe. Eines Tages würden sie heimlich die gebündelten Briefe und Aufzeichnungen lesen. Aber jetzt nicht. Das Geheimfach im Tisch in der Bibliothek zog sie magisch an.
Sie kletterten vom Dachboden und verschlossen die Klappe. Dann verriegelten sie die Tür in der Mansarde und schoben den Schrank davor. Hand in Hand gingen sie hinunter in die Bibliothek.
Tim sank auf einen Sessel am Kamin. Er verbarg das Gesicht in seinen Händen.
Jenny setzte sich auf die Lehne. Sie streichelte ihm mit einer Hand über die Haare und den Rücken, mit der anderen Hand wischte sie ihre eigenen Tränen ab. »Unsere Recherche im Internet hat uns doch zur richtigen Schlussfolgerung geführt. Tassilo war lebensbedrohlich erkrankt. Er wusste es und muss sich Zenzi anvertraut haben«, sagte Jenny.
Tim schniefte. Er nahm sein Taschentuch, wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich. »Es passt zu ihm, dass er allen etwas vorgemacht hat. Er will stets nur das Beste für die Familie.«
»Martin und Sascha haben mitgespielt.«
»Sicher, was hätten sie machen sollen, wenn der Patient es so will? Aber genau genommen haben sie nicht gelogen. Sie haben nur einen Teil der Diagnose verschwiegen und stattdessen eine Forschungsgeschichte daraus gemacht«, sagte Tim. Er stand auf.
Sie nahmen sich in die Arme und hielten sich fest.
»So, jetzt nehmen wir den Tisch auseinander«, sagte Tim. »Es ist schon lustig, wir saßen an diesem Tisch und suchten nach Puzzleteilen der Familienchronik, dabei liegt die Lösung vielleicht nur wenige Zentimeter tiefer verborgen.«
»Was denkst du, was das für ein dunkles Familiengeheimnis ist? Ich finde, Zenzi hätte ruhig eine Andeutung machen können«, bemerkte Jenny.
»Vielleicht hätten wir mehr zwischen den Zeilen lesen sollen. Wenn die Sachen im Geheimfach keinen Aufschluss geben, nehmen wir uns den Brief noch einmal vor«, sagte Tim.
Sie räumten den Tisch ab. »So, jetzt wollen wir sehen«, sagte Tim.
Sie untersuchten die Verzierungen, bis sie die Rille fanden. Sie sah wie eine gewöhnliche Verzierung aus und lief in der Mitte der Kante rund um den Tisch.
Sie mussten sich beide dagegenstemmen, bis sich der obere Teil der Tischplatte bewegte. Die Platte scherte aus. Offenbar drehte sie sich in der Mitte um einen Dorn. Sie drückten sie zur Seite, bis sie quer zum unteren Tischplattenteil lag.
Wie Zenzi es beschrieben hatte, war eine Vertiefung angebracht. Darin lagen mehrere Briefumschläge.
»Raus damit!«, sagte Tim.
Jenny und Tim leerten das Geheimfach.
Danach schwenkten die den oberen Teil zurück. Sie legten die bestickte Mitteldecke wieder auf und stellten die Kerzenleuchter darauf.
»Sieht aus wie vorher«, sagte Tim, während er die Briefumschläge zusammenraffte. »Los, komm mit! Wir verdrücken uns hier. Nicht, dass wir überrascht werden.«
»Wohin?«, fragte Jenny.
Tim überlegte kurz. »Wohin? In die Berge natürlich.«
»Du schreibst einen Zettel. Ich packe Proviant ein«, sagte Jenny und rannte los.
»Für zwei Tage mindestens!«, rief Tim ihr hinterher. Dann holte er aus Tassilos Arbeitszimmer ein großes Blatt Papier. Darauf schrieb er:
Wir sind wandern – ausgedehnte Biwaktour!
Liebe Grüße
Tim und Jenny
Er lehnte das Blatt an einen der Kristallleuchter auf dem Tisch, damit es beim Betreten der Bibliothek sofort gesehen werden konnte.
Dann rannte er ins Musikzimmer. Er holte Jennys Altflöte und seine Geige und schnappte sich ein Bündel leerer Notenblätter.
»Ich warte beim Auto«, schrie er laut, als er durch die Halle rannte.
Tim verstaute die Instrumente im Auto.
Jenny kam mit einem großen Rucksack.
»Los, machen wir, dass wir fortkommen«, sagte Tim.
Sie stiegen in den kleinen Sportwagen, den Tassilo Tim geschenkt hatte, und fuhren los.
Tim fuhr schnell. Er wurde erst langsamer, als er den Milchpfad hinaufsteuerte und dabei den Fahrrinnen auswich. Er parkte hinter der Almhütte der Kuhalm. »Aussteigen!«, sagte er.
»Willst du rauf zu Tonis Berghütte?«, fragte Jenny.
»Nein, aber ich habe ein sicheres Versteck. Lass mich machen!« Tim griff zu seinem Handy.
Jenny hörte zu, wie er mit Tonis Tochter telefonierte.
»Hallo, Wendy, Tim hier! Wie geht es dir? Wie geht es den Zwillingen?« Tim schmunzelte, während er ihr zuhörte. »Wendy, ich habe eine Frage. Du, Henk und die Zwillinge seid doch meistens auf der Ziegenalm. Können Jenny und ich die Kuhalmhütte für einige Tage mieten? Wir wollen Tassilo mit einer Komposition überraschen. Deshalb können wir nicht im Schloss üben. Wir suchen deshalb ein ruhiges Versteck. Wenn es nicht möglich ist, müssen wir weitersuchen.«
Er hörte zu und nickte einige Male. Es war offenbar möglich.
»Danke, Wendy, das ist lieb von dir. Wir kommen bald mal rüber auf die Ziegenalm. Bis dann und Grüße von Jenny! Grüße du mir Henk und Addi und alle, die da sind. Pfüat di!« Tim legte auf und steckte das Handy ein. Er rieb sich die Hände. »Perfekt«, sagte er.
Er schulterte den Rucksack, Jenny trug die Instrumente.
Der Schlüssel zur Kuhalmhütte lag im Versteck.
Tim schloss auf, sie traten ein.
»Zuerst Kaffee?«, murmelte Jenny.
Sie schürten den Ofen an und setzten Wasser auf. Dann deckten sie den Tisch. Sie hatten einen Bären-Hunger vor Aufregung.
Nach einem großen Becher Kaffee und Wurst und Käse aus der Hand fühlten sie sich besser.
»So, jetzt bin ich bereit«, sagte Tim. Er holte die Briefumschläge.
»Die sind alle versiegelt«, sagte Jenny. »Das ist euer Familiensiegel.«
Tim brach das erste Siegel auf. »Wenn wir den Inhalt kennen, kann ich die Umschläge neu versiegeln. Das wird nicht auffallen, falls es überhaupt notwendig sein wird.«
Tim las den ersten Brief. Es war ein Brief seines Urgroßvaters, Ferdinand Graf von Teufen-Thurman. Das zweite Schreiben war von seiner Frau Wilhelmine an eine Frau namens Genovefa. Der nächste Brief war von Genovefa an Zenzi, via Ferdinand.
Am interessantesten war der große Umschlag. Er enthielt die vermissten Seiten der Chronik.
»Wow, da sind sie!«, rief Tim aus.
Sie steckten die Köpfe zusammen und studierten sie.
»Das ist also das Geheimnis. Es ist unglaublich, Jenny. Ich fasse es nicht. Wenn das alles stimmt, dann ist Zenzi eine Verwandte, eine nahe Verwandte. Sie gehört zur Familie.«
»So ist es Tim. Sie ist Tassilos Cousine.«
»Genau! Nach diesen Unterlagen ist ihr Vater Vinzenz Graf von Teufen-Thurmann, und ihre Mutter hieß Rosel Tanner.«
»Aber warum nennt sie sich Zenzi Tanner? Warum, warum, warum? Hier ist doch eine Bescheinigung über die Eheschließung. Schau mal das Todesdatum, das ist der Tag, an dem Zenzi geboren wurde und der Tag, an dem ihre Mutter starb«, sagte Jenny.
»Und es ist der gleiche Tag, an dem Zenzis Vater in den Bergen verunglückte. Irgendjemand könnte Zenzi ihre Herkunft verschwiegen haben, zumindest eine Weile«, bemerkte Tim.
Jenny schüttelte den Kopf. »Darin sehe ich keinen Sinn, Tim. Also ehrlich, mir ist das alles zu hoch. Das begreife ich einfach nicht. Warum erzählt Zenzi immer, sie sei unehelich geboren und eine Vollwaise? Ihre Eltern haben geheiratet. Auf der Geburtsurkunde steht ehelich geboren und dass Vinzenz der Vater ist. Zenzi ist nach ihm benannt. Zenzi ist nur die Abkürzung. Sie heißt mit vollen Namen Vinzenzia Rosel Wilhelmine.«
»Rosel hieß ihre Mutter, Wilhelmine ihre Großmutter väterlicherseits«, warf Tim ein.
»Okay, wir sind einen kleinen Schritt weiter. Wir haben die verschwundenen Seiten aus der Chronik gefunden. Wir wissen, dass Zenzi eine Verwandte ist. Wir wissen, dass Tassilos Vater einen wesentlich älteren Bruder hatte.«
Tim nickte.
»Wir haben die Fotos und die Bilder«, fuhr Jenny fort. »Wir müssten jemanden fragen können. Aber mir fällt nur Zenzi ein. Sie könnte es uns erklären. Ich bezweifele allerdings, dass sie uns aufklären wird.«
»So ist es. Zenzi hat das Geheimnis bewahrt und wollte es mit ins Grab nehmen. Sie wird nicht erfreut sein über unsere Entdeckung, Jenny.«
»Das wird sie sicherlich nicht. Jetzt wird mir auch klar, warum sie wütend wurde, als sie uns auf dem Dachboden erwischte.«
»Genauso ist es, Jenny. Und deshalb diese Sicherheitsschlösser.«
Tim schenkte Kaffee nach.
