Jetzt gehörst du endlich mir … - Cathy Williams - E-Book

Jetzt gehörst du endlich mir … E-Book

Cathy Williams

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Beschreibung

Rache! Die hat sich Javier Vasquez geschworen, als Sophie, Tochter aus bestem Haus, ihn als Student verlassen hat, um ihr Jawort einem reichen Freund zu geben. Nun ist Javier selbst Milliardär, und dass Sophie ausgerechnet ihn um finanzielle Hilfe bittet, ist Balsam für seinen verletzten Stolz. Jetzt liegt nicht nur ihr angeschlagenes Imperium in seiner Hand, jetzt will er in ihren Augen endlich wahre Reue sehen! Doch als er mit Sophie Stunden sinnlichster Leidenschaft erlebt, macht er eine erschütternde Entdeckung …

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Seitenzahl: 191

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Cathy Williams Originaltitel: „A Virgin for Vasquez“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2283 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Natasha Klug

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708351

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Mit unverhohlener Zufriedenheit sah Javier Vasquez sich in seinem Büro um. Nach sieben Jahren in New York war er wieder zurück in London. Schon merkwürdig, wie das Leben manchmal spielte.

Er trat an die Fensterfront aus bodentiefen Panoramascheiben und schaute auf die Stadt hinunter. Die Menschen und Autos wirkten von hier oben wie winzige Spielzeuge.

Ein humorloses Lächeln umspielte seine sinnlichen Lippen. Von seinem Büro in Manhattan hatte er eine ganz ähnliche Aussicht gehabt. Ebenso wie hier hatte er auch dort oft am Fenster gestanden, ohne das Treiben unten in den Straßen wirklich wahrzunehmen. Die immerwährenden Ströme von Menschen, die durch die Hochhausschluchten eilten wie ein reißender Fluss durch einen Canyon.

Und er thronte über ihnen wie ein König in seinem Elfenbeinturm.

Javier war dreiunddreißig und Herrscher über ein Firmenimperium. Das erreichte man nicht, indem man sich zurücklehnte und den Dingen ihren Lauf ließ. Nein, man musste stets auf der Hut sein und sämtliche Hindernisse ausräumen, die einem in den Weg kamen.

Zwölf Stockwerke unter ihm wartete Oliver Griffin-Watt bereits seit einer geschlagenen halben Stunde im Empfangsbereich der Lobby. Doch Javier hatte keine Gewissensbisse. So lange hatte er auf diesen Moment gewartet, und jetzt wollte er ihn bis zur Neige auskosten.

Wobei – eigentlich war ihm kaum Gelegenheit geblieben, sich den Kopf über die Ereignisse zu zerbrechen, die sich vor etlichen Jahren abgespielt hatten. In seinem Leben drehte sich alles nur ums Geschäft. Er war in einem ärmlichen Viertel am Stadtrand von Madrid aufgewachsen. Von klein an hatten seine Eltern ihm eingetrichtert, wie wichtig es war, immer weiter voranzukommen. Er sollte es einmal besser haben als sie – und dazu gehörte eine ordentliche Ausbildung. Deshalb drillten sie ihn darauf, stets fleißig zu sein und zu lernen. Im Gegenzug verzichteten seine Eltern, die hart für ihr Geld arbeiteten – sein Vater als Taxifahrer und seine Mutter als Putzfrau –, auf jeden Schnickschnack, um genug zur Seite zu legen, damit sie ihren Sohn in England zur Universität schicken konnten.

Natürlich hatte er es als Teenager gehasst, von ihnen kontrolliert und gegängelt zu werden. Doch er hatte auch erlebt, wie schwierig es war, sich am Rand des Existenzminimums durchschlagen zu müssen. Und einige seiner Schulfreunde, die lieber zusammen abgehangen hatten als für die Schule zu lernen, waren am Ende auf der Straße gelandet.

Er hingegen hatte schon mit achtzehn gewusst, wo die Reise für ihn hingehen sollte. Seine Zukunft war praktisch bereits in Stein gemeißelt gewesen. Ein oder zwei Jahre arbeiten, um noch etwas mehr Geld auf die Seite legen zu können, danach die Uni und im Anschluss eine hochbezahlte Spitzenposition.

Ganz unten anzufangen und sich langsam hochzuarbeiten kam für Javier nicht infrage. Wozu auch? Er sah keinen Sinn darin, sich unter Wert zu verkaufen.

Er war clever, aber nicht nur. Viele Leute waren clever, er hingegen hatte außerdem noch diese besondere Intelligenz, wie man sie nur auf der Straße mitbekam. Das war nichts, was man lernen konnte – es wurde einem eingebrannt.

Er wusste, wie man Geschäfte machte und wo. Wusste, wie man schmutzig spielte und einschüchterte. Lauter Talente, die in der zivilisierten Welt verpönt waren. Doch zum Glück war das Geschäftsleben ein wilder Dschungel, in dem das Gesetz des Stärkeren galt.

Javier hatte hart gearbeitet und sein Studium in Rekordzeit hinter sich gebracht. Er war fest entschlossen gewesen, die Uni nicht ohne Master zu verlassen. Der höhere Abschluss in Ingenieurswesen öffnete nun mal viele Türen.

Und dann hatte er Sophie Griffin-Watt getroffen. Der einzige Makel in seinem sonst so perfekten Lebensplan.

Sie war Studienanfängerin im ersten Jahr gewesen, während er gerade an seinem Masterabschluss bastelte und bereits überlegte, wie er danach am besten verfahren sollte. Eigentlich hatte er an jenem Abend gar nicht ausgehen wollen. Doch seine beiden Mitbewohner hatten etwas zu feiern, und am Ende willigte er ein, sie zu begleiten.

Sophie war ihm sofort aufgefallen, als er zur Tür eintrat. Jung, unglaublich hübsch und mit einem Lachen, das ihn augenblicklich verzauberte. Wenn er die Augen schloss, sah er sie noch immer vor sich, in ihrer verwaschenen Jeans, dem bauchfreien Shirt und der verschlissenen Jeansjacke.

Er hatte sie unentwegt angesehen. Dabei war das überhaupt nicht seine Art. Frauen liefen ihm hinterher, nicht umgekehrt. Sie posierten für ihn und versuchten, sein Interesse zu wecken.

Die Jungs, mit denen er sich die Wohnung teilte, hatten ihn immer damit aufgezogen. Sie meinten, dass er bloß mit dem Finger schnippen musste, um jedes Mädchen zu bekommen, das er wollte. Doch für Javier waren Frauen immer nur zweitrangig gewesen. Für ihn zählte einzig und allein der Erfolg. Der uneingeschränkte Wille, es im Leben immer weiter voranzubringen. Frauen waren dabei eher ein Störfaktor als eine Hilfe.

Doch all diese Gedanken wurden mit einem Schlag bedeutungslos, als er diese Bar betrat.

Er starrte die schöne Unbekannte an und konnte den Blick nicht mehr von ihr lösen, während sie nicht ein einziges Mal in seine Richtung blickte. Zum ersten Mal in seinem Leben war er gezwungen gewesen, die Initiative zu ergreifen.

Also hatte er den ersten Schritt gemacht.

Sophie war um einiges jünger als die Frauen, mit denen er üblicherweise ausging. Er war nicht an längerfristigen Beziehungen interessiert, daher vermied er den Kontakt mit jüngeren Frauen, die rasch anhänglich wurden und anfingen, Forderungen zu stellen.

Sophie Griffin-Watt war so eine Frau. Doch ihr verfiel er auf den ersten Blick.

Rückblickend fragte Javier sich manchmal, ob seine Obsession vielleicht sogar darin begründet lag, dass sie keinerlei Interesse an ihm gezeigt hatte. Das war ihm zuvor noch nie passiert.

Sie ließ ihn am ausgestreckten Arm verhungern, und er litt sogar mit Freuden. Denn aus irgendeinem Grund sah er für sich eine Zukunft zusammen mit Sophie.

Er war ein Narr gewesen und hatte den Preis für seine Dummheit bezahlt. Aber das lag sieben Jahre zurück, und heute …

Javier trat wieder an den Schreibtisch, beugte sich vor und drückte den Knopf für die Gegensprechanlage. „Bringen Sie Oliver Griffin-Watt jetzt bitte zu mir“, wies er seine Sekretärin an.

Der Kreis hatte sich geschlossen.

Obwohl er eigentlich nicht der Typ Mann war, der auf Rache sann, hatte er die Gelegenheit doch nicht ungenutzt verstreichen lassen können, als sie sich ihm plötzlich bot.

Er war eben auch nur ein Mensch.

„Du hast – was?“

Sophie starrte ihren Zwillingsbruder entsetzt an und sank fassungslos auf ihren Stuhl. Sie war nicht sicher, wie lange ihre weichen Knie sie noch tragen würden und spürte schon, wie es hinter ihren Schläfen zu pochen begann.

Früher hatte sie die Spuren des Verfalls ihres riesigen Familienstammsitzes, in dem sie schon ihr ganzes Leben zusammen mit ihrem Bruder lebte, deutlich registriert. Doch in den letzten Jahren hatte sie sich dermaßen an den maroden Anblick gewöhnt, dass sie seinen traurigen Zustand kaum noch wahrnahm.

„Was hätte ich denn sonst tun sollen?“, schmollte Oliver.

„Alles, nur das nicht, Ollie“, stieß Sophie hervor.

„Mein Gott, du bist vor Urzeiten mal mit dem Typen ausgegangen. Ich gebe ja zu, dass ich mir nicht unbedingt große Hoffnungen gemacht habe, dass aus diesem Treffen irgendetwas Positives erwächst. Aber dann dachte ich mir – was haben wir schon zu verlieren? Und wir können, verdammt noch mal, jede Hilfe gebrauchen.“

Er vollführte eine weitgreifende Geste, die das ganze Haus einschloss. Die Küche, in der sie saßen, hätte im Winter mit einem prasselnden Feuer im Ofen sicher gemütlich und anheimelnd wirken können. Doch der Effekt wurde durch die schwüle Hitze und das grelle Licht des Sommermorgens zerstört.

Oliver schüttelte den Kopf. „Ich meine, sieh dich hier doch mal um! Wie sollen wir zwei genug Geld aufbringen, um das alles wieder auf Vordermann zu bringen? Allein der Unterhalt verschlingt jeden Penny, den wir zusammenkratzen können. Und du hast selbst gehört, was die Makler gesagt haben: Das Haus fällt in ein Preissegment, in dem es sich nur schwer veräußern lässt. Wir versuchen nun schon seit zweieinhalb Jahren, einen Käufer zu finden. Und weißt du was? Ohne eine grundlegende Sanierung werden wir das Haus niemals loswerden. Und die können wir uns ohne Hilfe nun mal nicht leisten.“

„Und darum dachtest du, läufst du mal eben zu …“ Sophie brachte nicht einmal seinen Namen über die Lippen.

Javier Vasquez.

Obwohl ihre Begegnung schon Jahre zurücklag, hatte sie die Erinnerungen an ihn nie wirklich abschütteln können. Wie auch? Er war damals wie eine Urgewalt in ihr Leben getreten und hatte all ihre Pläne für die Zukunft durcheinandergewirbelt.

Javier hatte Charisma und eine unglaubliche Präsenz. Wenn er einen Raum betrat, stand er unmittelbar im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Noch bevor Sophie auch nur ein Wort mit ihm gewechselt hatte, hatte sie gewusst, dass er ihr gefährlich werden konnte.

Ihre Freundinnen hatten damals, in dem kleinen Pub, immer wieder verstohlen in seine Richtung geschaut und versucht, seine Aufmerksamkeit zu erwecken. Nur Sophie hatte sich nach dem ersten Blick rasch abgewandt und stur nach vorn gesehen. Das änderte aber nichts daran, dass ihr Herz die ganze Zeit wie verrückt geschlagen hatte.

Und als er sie ansprach, wären ihr vor Aufregung beinahe die Knie weggesackt.

Damals war er gerade dabei, seinen Master in Maschinenbau zu machen, und schlichtweg der intelligenteste Mann, dem sie je begegnet war. Dabei sah er so gut aus, dass ihr schier der Atem stockte.

Außerdem gehörte er genau zu den Männern, die ihre Eltern strikt ablehnten: exotisch, fremdländisch und vor allem vollkommen pleite.

Sophie stammte aus gutem Hause und war behütet aufgewachsen, mit Privatschulen, Skiurlauben und Klavierstunden. Nichts und niemand hatte sie auf jemanden wie Javier Vasquez vorbereitet. Sie hatte gleich gewusst, dass er nicht gut für sie war, aber sie hatte ihm einfach nicht widerstehen können.

„Wir könnten etwas zusammen unternehmen“, hatte er gesagt – mit einer Stimme, so träge und verlockend wie das Schnurren einer Katze. „Ich habe zwar nicht viel Geld, aber du kannst mir glauben, dass du mit mir trotzdem den Abend deines Lebens verbringen wirst – und das, ohne auch nur einen Cent auszugeben.“

Bis dahin war sie immer nur mit Leuten zusammen gewesen, die so waren wie sie. Behütete Mädchen, verwöhnte Jungs, die sich nie Sorgen ums Geld machen mussten.

Ihr Bruder hatte das alles für selbstverständlich genommen. Sie selbst hingegen hatte sich, rückblickend gesehen, immer ein bisschen schuldig gefühlt, weil sie alles bekam, was sie sich wünschte. Doch ihr Vater hatte eben gern mit seinen schönen Zwillingen angegeben und sie vom Tag ihrer Geburt an mit Geschenken überhäuft.

Sophie war seine Prinzessin gewesen. Und wenn sie mitunter ein gewisses Unbehagen verspürte, weil ihr Vater Menschen, die auf der sozialen Leiter weiter unten standen als er, mit Herablassung behandelte, dann verdrängte sie es. Welche Fehler er auch immer haben mochte, er war ein guter Vater. Und sie war immer ein Papakind gewesen.

Schon auf den ersten Blick war ihr klar gewesen, dass es ein gewagtes Spiel war, sich auf einen Mann wie Javier Vasquez einzulassen. Und dass ihr Vater einen Anfall bekommen würde, wenn er davon erfuhr.

Trotzdem hatte sie es getan und war ihm mehr und mehr verfallen, auch wenn sie der Versuchung widerstanden hatte, mit ihm zu schlafen, weil …

Weil du eine hoffnungslose Romantikerin warst und geahnt hast, dass er dich fallen lässt, sobald er dich ins Bett bekommen hat.

Aber er hatte sie nicht bedrängt, und allein diese Tatsache hatte ihre Gefühle für ihn immer stärker werden lassen.

Ja, sie hatte von Anfang an befürchtet, dass es mit ihnen nicht gut enden würde. Hätte sie jedoch geahnt, wie schlimm es wirklich werden würde …

Oliver war damals dank eines Sportstipendiums in den Staaten an die Uni gegangen. Daher hatte er alles nur aus zweiter Hand mitbekommen. Nicht, dass es ihn wirklich interessiert hätte. Sein Leben in Kalifornien war so weit weg, und er war nie besonders gut darin gewesen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

Inzwischen fragte Sophie sich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihm sämtliche hässlichen Details zu erzählen, als er nach Hause zurückgekehrt war. Doch da war sie schon verlobt gewesen und Javier nicht mehr Teil ihres Lebens.

Stattdessen war sie mit Roger vor den Altar getreten.

„Du hast dich also mit ihm getroffen“, sagte sie nun mit einem Seufzen. „Und? Wie war es?“ Wie sieht er aus? Wie hört er sich an? Hat er noch immer dieses unglaublich anziehende Lächeln, das einem den Boden unter den Füßen wegzieht? So viel war in den vergangenen Jahren passiert. Ihre jugendlichen Träume hatten sich in Luft aufgelöst – und dennoch erinnerte sie sich noch.

Sie wollte nicht mehr an diese alten Geschichten denken, tat es aber trotzdem.

„Er hat mich einfach vorgelassen. Ich dachte, ich müsste alle möglichen Register ziehen, damit er mich auch nur anhört. Aber er war sofort mit einem Treffen einverstanden, als er hörte, wer ich bin.“

Daran zweifele ich keine Sekunde, dachte Sophie bitter.

„Du solltest sein Büro sehen! Es ist unglaublich. Der Kerl ist millionenschwer. Kaum vorzustellen, dass er praktisch mittellos gewesen sein muss, als ihr euch begegnet seid. Du hättest bei ihm bleiben sollen, Schwesterherz, anstatt den Idioten zu heiraten.“

„Können wir das Thema bitte lassen, Ollie?“ Wie immer machte Sophie dicht, wenn ihr verstorbener Ehemann zur Sprache kam. Die Erinnerungen an ihn hatte sie sorgfältig weggeschlossen und in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins verbannt.

Über ihn zu sprechen, war nicht nur völlig sinnlos, es riss auch alte Wunden wieder auf.

Roger war ein Fehltritt gewesen – und aus Fehltritten lernte man, ganz gleich, wie furchtbar die Erfahrung auch gewesen sein mochte. Vor ihrer Hochzeit war Sophie jung, unschuldig und optimistisch gewesen. Heute verfiel sie nicht mehr so leicht in irgendwelche Jungmädchenträumereien, und das war doch gut, oder? Auf diese Weise würde sie nie wieder so tief verletzt werden.

Sie erhob sich und schaute durch die Terrassentür hinaus in den ungepflegten Garten, bevor sie sich wieder ihrem Bruder zuwandte.

„Ich würde ja fragen, was er gesagt hat.“ Ihre Stimme klang kühl und emotionslos. „Aber es interessiert mich nicht, weil ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Er ist Teil meiner Vergangenheit, und du hättest ihn nicht ohne mein Einverständnis aufsuchen sollen.“

„Du kannst von mir aus das empfindsame Pflänzchen spielen, aber am Ende läuft es doch darauf hinaus: Er hat das Geld, das wir dringend brauchen, und auf irgendeine Weise seid ihr beiden miteinander verbandelt.“

„Wir sind nicht miteinander verbandelt“, protestierte sie schrill.

Natürlich waren sie das nicht. Vermutlich hasste er sie. Nach allem, was geschehen war.

Nach allem, was sie ihm angetan hatte.

Mit einem Mal fühlte Sophie sich schrecklich erschöpft. Sie ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken und barg das Gesicht in den Händen. Für einen Moment wollte sie an nichts denken und das alles weit, weit von sich schieben. Die Vergangenheit, ihre Erinnerungen, die Gegenwart und ihre Probleme – einfach alles.

„Er hat gesagt, dass er darüber nachdenkt, uns zu helfen.“

„Was?“ Ungläubig starrte sie ihren Bruder an.

„Außerdem war er sehr verständnisvoll, als ich ihm unsere Lage erklärt habe.“

„Verständnisvoll.“ Sophie stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. Sie erinnerte sich noch, als wäre es gestern geschehen. Wie Javier sie angesehen hatte, nachdem sie ihm eröffnet hatte, dass sich von ihm trennen wollte.

Sie erinnerte sich an die eisige Kälte, mit der er sie angesehen hatte. An die Schärfe in seiner Stimme, als er entgegnete, dass er sie in seinem ganzen Leben niemals wiedersehen wolle.

Ihr war plötzlich kalt, und sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. „Was genau hast du ihm erzählt, Ollie?“

„Na, die Wahrheit.“ Trotzig begegnete er ihrem Blick. „Ich habe ihm gesagt, dass dein verstorbener Mann die Firma an die Wand gefahren hat und wir jetzt jeden Cent dreimal umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen.“

„Du bist unfair. Du weißt genau, dass Dad Roger erlaubt hat, das Investment zu übernehmen.“

„Ach, Dad …“ Olivers Stimme wurde sanfter. „Er war zu dem Zeitpunkt doch gar nicht mehr in der Verfassung, sich gegen Roger zu stellen, Schwesterherz, das wissen wir doch beide. Dein Mann kam mit all seinen Schnapsideen nur deshalb durch, weil Dad immer kränker wurde. Ich kann noch immer nicht fassen, dass wir damals von nichts wussten und dachten, dass es Mum wäre, um die wir uns Sorgen machen müssten.“

Sophie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Was auch immer geschehen sein mochte, sie fand es schwer, ihren Eltern die Schuld daran zu geben, welchen Weg ihr Leben genommen hatte.

Wie erwartet waren ihre Eltern entsetzt gewesen, als sie von Javier erfuhren. Sie hatten es kategorisch abgelehnt, ihn auch nur kennenzulernen. Und schlimmer. Sophie wurde aus ihrer heilen Welt gerissen und erfuhr, wie es wirklich um die Finanzen des Unternehmens stand. Die Firma war nicht mit der Zeit gegangen, ihre Verfahrensweisen waren veraltet, die Produktionsschritte ineffektiv und langwierig. Doch die notwendigen Erneuerungen waren zu kostspielig. Die Bank war über Jahre hinweg geduldig gewesen, aber angesichts des stetig anhaltenden Abwärtstrends wurden die Verantwortlichen nun nervös und verlangten ihr Geld zurück.

Ihr Vater hatte vor ihr gesessen und geweint wie ein kleiner Junge.

Beide, ihr Vater und ihre Mutter, hatten ihr vor Augen geführt, dass irgendein dahergelaufener Ausländer ohne einen Penny in der Tasche für sie einfach nicht als Partner infrage kam. Ihre finanziellen Probleme waren auch so schon schlimm genug. Das Letzte, was sie gebrauchen konnten, war einer dieser Schmarotzer, der ihnen das letzte Geld aus der Tasche zog.

Roger hingegen wollte gern in die Firma einsteigen und war außerdem Alleinerbe eines ansehnlichen Vermögens gewesen. Und waren sie nicht auch einmal eine Weile miteinander ausgegangen? Gehörte er nicht ohnehin schon so gut wie zur Familie?

Sophie war wie vom Donner gerührt gewesen, als ihre Eltern praktisch ihr ganzes Leben für sie verplant hatten. Ja, sie kannte Roger schon ewig, und ja, er war in Ordnung. Es traf auch zu, dass sie wirklich für eine sehr kurze Weile miteinander ausgegangen waren. Aber er passte einfach nicht zu ihr, und sie hatte sich bereits von ihm getrennt, ehe Javier auf der Bildfläche erschienen war.

Doch ihr Vater hatte geweint, und sie hatte ihn noch nie so gesehen. Sie war verwirrt gewesen und hin und hergerissen zwischen ihrer jungen Liebe und der Verantwortung gegenüber ihrer Familie.

War Roger in die Pläne ihrer Eltern eingeweiht gewesen? Hatte er sich deshalb so gesträubt, die Beziehung zu beenden, obwohl sie gerade einmal acht Monate zusammen gewesen waren, bevor sie an die Uni ging? Hatte er sich bereits als Nachfolger ihres Vaters in der Firma gesehen?

Sie hatte ihn angerufen und sich mit ihm verabredet. Und sie war völlig vor den Kopf gestoßen gewesen, als er ihr erklärte, dass er über die Situation informiert war und nur zu gern bereit wäre, zu helfen.

Schließlich sei er schon immer in sie verliebt gewesen …

Es hatte niemanden gegeben, mit dem Sophie über all das hätte reden können. So war sie vollkommen durcheinander zur Uni zurückgekehrt – wo Javier sie bereits erwartete.

Ihm gegenüber erwähnte sie nichts von alldem und erlaubte es sich, in seiner Gegenwart einfach alles zu vergessen. Und da ihre Eltern die Angelegenheit nicht noch einmal ansprachen, schob sie das Ganze so weit von sich, wie sie konnte.

Doch ihre Atempause war nur von kurzer Dauer.

Sie blinzelte und zwang sich zurück in die Gegenwart. „Ich habe morgen einen weiteren Termin bei der Bank“, erklärte sie. „Und wir können uns einen neuen Immobilienmakler suchen.“

„Der Wievielte wäre das dann? Der Vierte?“ Oliver lachte auf und stürzte seinen Drink hinunter. „Stell dich der Realität. Wenn die Dinge so weiterlaufen wie bisher, werden wir für den Rest unseres Lebens in Schulden versinken. Das Haus wird sich niemals verkaufen. Die Bank wird es uns wegnehmen, um unsere Verbindlichkeiten zu begleichen, und dann werden wir beide obdachlos. Wir stecken hier beide drin, Schwesterherz. Wenn wir das Haus verlieren und die Firma untergeht, trifft es dich ebenso wie mich.“

Seine Stimme hatte diesen bitteren Klang angenommen, den Sophie mittlerweile nur zu gut kannte. Er trank zu viel, und sie wusste, dass er die Kontrolle verlieren würde, wenn sich nicht bald etwas änderte.

Will ich das wirklich zulassen? Habe ich nicht auch so schon genug auf dem Gewissen?

Immerhin ging es ihrer Mutter gut. Sie lebte jetzt in einem hübschen Cottage in Cornwall und bekam nichts von dem Chaos mit, gegen das Sophie und ihr Bruder ankämpften.

Angesichts ihrer finanziellen Lage mochte es eine unbedachte Investition gewesen sein. Aber nachdem Gordon Griffin-Watt so tragisch ums Leben gekommen war, hatten sie beide es ihrer Mutter so angenehm wie möglich machen wollen. Sophie hatte jeden Cent, den sie zusammenkratzen konnte, in das Cottage gesteckt. Und das war es wert gewesen. Ihrer Mutter ging es gut, und sie hatte keine Ahnung von den Schwierigkeiten, mit denen die Zwillinge sich herumplagten.

Es war zu ihrem eigenen Besten, dass sie sie mit ihren Problemen verschonten. Ihre Gesundheit war angeschlagen. Wenn sie die Wahrheit erführe, würde der Stress sie umbringen.

„Vasquez will sich anhören, was wir zu sagen haben.“

Sophie schüttelte den Kopf. „Javier wird keinen Finger rühren, um uns zu helfen.“

„Woher willst du das wissen?“, konterte ihr Bruder ärgerlich und schenkte sich noch einen Drink ein.

„Ich weiß es einfach.“

„Und ich glaube, damit liegst du falsch.“

„Was meinst du? Wovon sprichst du? Und … Ich weiß nicht, aber solltest du wirklich noch ein zweites Glas trinken? Es ist noch nicht mal vier.“

„Ich werde aufhören zu trinken, wenn ich mir nicht mehr rund um die Uhr Gedanken machen muss, ob ich nach Ablauf der kommenden Woche noch ein Dach über dem Kopf habe.“ Oliver nahm einen Schluck und füllte das Glas sofort wieder auf.

Sophie unterdrückte ein Seufzen. „Also schön, dann erzähl mir eben, was Javier zu sagen hatte.“ Sie bemühte sich, neutral zu klingen. „Aber beeil dich – ich muss mich noch auf den Banktermin morgen vorbereiten.“

„Er will dich sehen.“

„Er will – was?“

„Er sagt, dass er erwägt, uns zu helfen – aber das will er mit dir besprechen. Ich finde das eigentlich ziemlich anständig von ihm.“

Eine Woge der Übelkeit ergriff sie. „Das wird nicht passieren“, stellte sie klar.