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Vor der kleinen Provinzstadt, mitten im Grünen, wird eine uralte Megalithanlage entdeckt. Zugleich möchte ein ortsansässiger "Tycoon", dass aus dem naturbelassenen Land ein Industriegebiet entsteht. Interessen verschiedenster Art stoßen aufeinander. Richtig heftig wird es, als in der Megalithanlage ägyptische Särge gefunden werden. Jo steigt als Journalistin in diese mysteriöse Angelegenheit ein. Sie entdeckt eine Welt voller Intrigen, Hass und Gewalt, in der selbst vor Mord nicht zurückgeschreckt wird! Zugleich braut sich über Rachel, der Mitbewohnerin, böses Unheil auf. Als sich selbst die CIA und das Bundeskriminalamt für sie interessiert, wird es mehr als eng für Rachel.
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Seitenzahl: 481
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Etwas zu finden
was man nicht gesucht hat,
kann das Leben komplett
verändern...
„Was ist eigentlich hier los?“
Doktor Bertram Goldfischer war ungehalten und wütend. Noch nie hatten die Kollegen und Kolleginnen erlebt, dass ihr Chef dermaßen die Kontrolle über sich verlor. Normalerweise war er es, der ihnen immer wieder Mut zusprach und sie aufforderte, einen kreativen Stil zu interpretieren. Aber davon war er heute meilenweit entfernt. Keiner der Mitarbeiter wagte es, ihm direkt in die Augen zu sehen. Einer flüsterte leise, „die Menschen haben sich so sehr an die Konflikte und Waffen starrende Auseinandersetzungen in der ganzen Welt gewöhnt, dass sich keiner mehr dafür interessiert, als es unbedingt sein muss.“
„Daran sind wir nicht schuld, wenn die Leute so etwas nicht mehr lesen wollen.“
„Viele Informationen gibt es im Internet, und man muss nichts mehr bezahlen.“
„Das ist wunderbar!“ brüllte Goldfischer. „Dann kann ich den Laden dicht machen und ihr könnt euch die nächste Zeit als Influencer durchschlagen...oder wie vor zweihundert Jahren mit einer Glocke an den Straßenrand stellen, und die Neuigkeiten und Nachrichten laut heraus brüllen!“
Es wurde plötzlich sehr still im Redaktionsbüro. Insgeheim wusste er, dass die Aussagen seiner Mitarbeiter auf Wahrheit beruhten. Aber was will der Leser? Wieso war es ihm nicht mehr möglich, sie zu erreichen? War seine Zeitung wirklich am Ende? Goldfischer stand auf und ging an die Kaffeemaschine. Ihm war nach einem doppelten Espresso zumute.
„Das Meeting ist vorbei. Geht hinaus und versucht eine halbwegs gute Zeitung zu machen.“
Mit der Tasse in der Hand zog er sich schweigend in sein Büro zurück. Die Stoffmaus mit dem fadenscheinigen dürftigen Plüschfell und den angeknabberten Ohren, an denen seine fünfjährige Tochter nicht ganz unschuldig sein dürfte, schaute ihn vorwurfsvoll an.
„Was?“ brüllte er das völlig unschuldige Wesen an.
„Das musste einmal sein. Im Gegensatz zu dir bin ich auch nur ein Mensch!“
Goldfischer hatte das Gefühl, dass ihn dieses Plüschvieh weiterhin vorwurfsvoll anstarrte. Aber Goldfischer konnte noch etwas anderes sehen... so etwas wie eine Drohung.
„Du spionierst hier nicht für meine Tochter! Ich darf dich daran erinnern, dass du in diesem Büro ein Schweigegelübde unterschrieben hast. Signiert mit deiner Pfote. Und gib bloß nicht so an, nur weil du eine eigene Kolumne hast.“
Die Maus schien darüber nachzudenken.
„Okay! Ich hab´s kapiert, Apfelpfannkuchen. Wer brüllt hat Unrecht!“
Ein Sonnenstrahl fiel auf die völlig von Fell befreite Nase. Die Maus wirkte entspannt und die eingenähte Schnauze mit den ramponierten Schnurrbarthaaren zeigte so etwas wie ein Lächeln.
„Aber trotzdem muss es doch weitergehen.“
Apfelpfannkuchen sackte leicht in sich zusammen. Es sah aus, als ob sie sich konzentrieren würde.
„Gute Idee.“
*
Jo saß auf der Bank vor dem uralten über zweihundert Jahre alten Haus. Sie hatte es vor einem Jahr von ihrer Tante geerbt. Nie hätte sie es damals für möglich gehalten, dass sich ihr Leben dermaßen ändern würde. Neben dem Haus war zu hören, wie ein uralter Trecker angeworfen wurde. Badman, der schwarze Kater, saß zufrieden neben ihr und hatte seine Pfötchen gemütlich unter seine Brust geschoben. Auf ihrem Schoß hatte sie ihren Laptop aufgeschlagen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Badman Vertrauen zu ihr entwickelte. Aber das war auch kein Wunder. Hatte sie doch bis dato nie etwas mit Tieren zu tun. Ihre Eltern waren immer dagegen gewesen. Sie waren der Meinung, entweder konnte man sie in Form von Leder anziehen oder essen. Dazwischen gab es nichts. Es war auch für Jo, die eigentlich Jolanda hieß, weil es sich angeblich für die Eltern so spanisch anhörte, ein Lernprozess. Jetzt liebte sie diesen eigensinnigen Kater. Aber die absolute Nummer eins für Badman war immer noch Rachel. Rachel Steingrün wohnte schon zur Zeit in dem Haus, als Jo´s Tante noch lebte. Sie waren über viele Jahre in inniger Liebe miteinander verbunden. Sogar mehr als manch ein Mensch über Lebensjahre verfügte. Was soll man dazu sagen? Agnes Fahrenkamp, die Tante, war eine Physikwissenschaftlerin und Rachel Steingrün ist, um es plump auszudrücken, von einem anderen Stern. Sie havarierte mit ihrem Raumschiff 1825 und musste gezwungenermaßen auf der Erde notlanden. Bis jetzt war Rachel noch nicht bereit über ihre alte Welt ausführlich zu erzählen. Jo beließ es dabei. „Wir haben Zeit genug. Wenn es soweit ist, höre ich dir zu, Rachel!“
Mehr schlecht als recht schlug sie sich durch die Jahrhunderte, bis sie im zwanzigsten Jahrhundert auf Agnes traf. Sie verliebten sich 1939 während einer Lesung auf der Universität in Köln auf den ersten Blick, und waren von diesem Tage an nie mehr getrennt. Trotz extrem widriger Umstände. Es war nicht leicht im Hitlerfaschismus ohne gültige Papiere zu überleben. Eine unmenschliche Staatsdoktrin veranschaulichte aufs genaueste, wer leben durfte und wer „aussortiert“ wurde. Die knochentrockene Selektion und Deportation, mit anschließender Ermordung, reduzierte ihren ohnehin kleinen Freundeskreis radikal. Agnes Vater trug maßgeblich dazu bei, dass das familiäre Verhältnis für alle Zeit gestört blieb. Für ihre Familie war Agnes nicht nicht normal, und man sprach von einer perversen Krankheit, weil sie mit einer Frau zusammenlebte. Nur zu gerne wollte Agnes Vater Rachel dem faschistischen System opfern. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Das Rachels Identität von den Papieren einer verstorbenen Jüdin stammte, machte es nicht unbedingt besser.
Es war ein abenteuerliches Leben, das Agnes und sie nach Amerika und in den fünfziger Jahren, zur Zeit der berüchtigten McCarthy Ära, wieder zurück nach Deutschland führte. In Amerika wurde man auf sie aufmerksam. Aber nicht wegen ihrer glänzenden Studien und wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern weil sie „anders“ waren.
Agnes kaufte dieses uralte Haus, das fernab von der nächsten Ortschaft stand, um ungestört mit Rachel leben zu können. Aber Jo war es nicht recht, dass Rachel weiterhin nur im Verborgenen leben durfte und hatte digital etwas „nachgeholfen“.
Immerhin verfügte Rachel nun über eine, zumindest vorläufig gesicherte Identität, und die nachfolgenden Papiere waren „echt“. Eine andere Möglichkeit gab es leider nicht.
Ihren Job als Reporterin bei dem „Unabhängige Journal“ hatte Jo vorläufig auf Eis gelegt.
Es gab einfach zu viel zu tun. Hendrik, der Mann den sie liebte, musste wieder auf Vordermann gebracht werden. Durch äußerst brutale und kriminelle Machenschaften war er am Schluss seines Lebens nicht mehr sicher. Schwere Brandverletzungen, und nicht zuletzt seine Seele, bedurften der Zuwendung und jeder Menge Liebe. Ein Jahr war das jetzt alles her. Seinen Bauernhof war der vorhergehende Besitzer genötigt, zurückzunehmen. Der Boden war durch eine Fabrik in den fünfziger Jahren kontaminiert. Jahrelang sind hier Giftstoffe bedenkenlos in den Boden gesickert. Auf keinen Fall durfte hier Gemüse angebaut werden, nicht bevor der Boden entseucht war. Jo hatte ihm angeboten, fest bei ihr einzuziehen, und nicht nur solange wie er der Rekonvaleszenz bedurfte. Aber das hatte er rundweg abgelehnt. Er wollte selbstständig bleiben und vielleicht irgendwann, wenn seine Schulden durch den maroden Hof übersichtlicher geworden sind, einen anderen Bauernhof erwerben.
Jo kam mit Hendrik überein, ihm ein vernünftiges Grundstück zu verpachten, da ihm in seiner finanziellen Situation keine Bank einen Kredit gewähren würde. Nach mehreren Monaten, in denen sein Körper heilte und sich depressive Momente mit lebensbejahenden abwechselten, war er wieder voller Tatendrang. Rachel war nicht nur in Finanzen und Physik bewandert, sondern sie erwies sich als eine äußerst gute Lehrmeisterin in Sachen Landwirtschaft und schon bald wurden Pläne gemacht, was er wann und wo anbauen konnte. Auf dem Gelände stand ein altes, völlig marodes Haus. Jeder vernünftige Mensch hätte es abreißen lassen. Aber Hendrik war begeistert, und sobald es ihm körperlich etwas besser ging, begann er mit der Restaurierung. Das tat ihm gut. Seine schwarzen Augen bekamen den gleichen Glanz zurück, den Jo so an ihm liebte. Versonnen sah sie ihm nach, als er mit seinem uralten Trecker zu dem Pachtgrundstück fuhr. Allerdings hatte Hendrik nicht die geringste Ahnung, woher Rachel wirklich stammte. Irgendwann würde er die Wahrheit erfahren.
Jo war zufrieden und glücklich.
Auf dem Laptop überflog sie die neuesten lokalen Nachrichten. Nichts war wirklich interessant.
„Auto aufgebrochen.“
„Die neue Mauer am Stadttor ist wenige Tage nach Fertigstellung bereits mit Graffiti besprüht worden.“
„Einbruch in Bauwagen. Sinnloser Vandalismus.“
„Wieder ist neben der gelben Tonne Müll illegal entsorgt worden.“
Jo schüttelte gelangweilt den Kopf und streichelte Badman. Der stand auf und reckte sich nach allen Regeln der Kunst. „Ist dir langweilig?“
Badman ließ ein kurzes Maunzen hören, dann tappte er mit seinen Pfoten auf den Tasten herum, bevor er sich gemütlich niederließ. Auf dem Schirm erschien eine neue Schlagzeile. Jo wischte den Schwanz des Katers vor ihrem Gesicht zur Seite, und musste den Hals recken, um die Nachricht lesen zu können.
„Uraltes Gemäuer bei Bauarbeiten aufgetaucht. Genaue Untersuchungen stehen noch aus.“
Jo wollte diese Nachricht öffnen, aber Badman sah das etwas anders.
„Ich muss das lesen, mein Freund! Schließlich hast du diese Nachricht gefunden. Ich mache dir einen Vorschlag. Du liest mir das vor und alles ist in Ordnung. Wenn du das nicht tust, wäre die nächste Option, dich brutal zu packen und auf den Boden zu setzen, wo du eigentlich hingehörst.“
Der Kater runzelte die Stirn. In unweiter Nähe ließen sich zwei Raben nieder und erweckten das Interesse von Badman. Die Raben setzten sich an den Brunnen und schöpften mit ihren Schnäbeln Wasser. Trinken musste jedes Lebewesen. Dafür konnte Badman noch gerade so Verständnis aufbringen. Aber als die Raben anfingen unter dem Pumpenschwengel Steinchen auszusortieren, um damit zu spielen, war es mit dem Verständnis vorbei. Das ging Badman nun doch zu weit. Das war sein Brunnen mit seinen Steinchen. Niemand hatte das Recht, hier irgendetwas wegzunehmen oder zu verändern, ohne seine Genehmigung einzuholen. Das musste unbedingt geklärt werden. Er schlich von der Bank und pirschte sich an die Raben heran, die ihn ihrerseits interessiert beobachteten.
Jo öffnete den Artikel.
„Uralte Mauern sind bei Bauarbeiten, in unserem Landstrich doch gar nicht so selten, gestern durch Zufall ans Tageslicht gekommen. So viel ist schon bekannt, dass es sich nicht um ein Gemäuer aus der Römerzeit handelt. Experten deuten es als eine Grabanlage, die tausende Jahre vor der Zeitrechnung entstanden ist. Genaue Untersuchungen stehen noch aus. Es wird gemunkelt, dass es ein außergewöhnlicher Fund ist. Aber man ist noch nicht bereit, der Presse Auskunft darüber zu geben.“
Diese dilettantisch verfasste Nachricht erweckte das Interesse von Jo. Sie spürte wie ihr Jagdinstinkt erwachte. Es wurde Zeit, wieder in die Welt hinauszugehen.
*
„Wie lange dauert denn der faule Zauber hier noch?“
Der Mann mit der hellen Hose und dem Leinensakko wirkte irgendwie zu den Menschen, die in Arbeitshosen und Gummistiefeln herumliefen, fremd. Der orangefarbene Helm auf seinem Kopf passte nicht zu der Garderobe. Die manikürten, gepflegten Hände sahen nicht aus, als ob sie jemals im Dreck gewühlt hätten.
„Was wollen sie denn hören?“
Auf dem Boden kniete ein Mann, der vorsichtig mit einem Pinsel lose Erde beiseite fegte. Er sah noch nicht einmal auf. Es war die letzten Tage immer das Gleiche.
„Na zum Beispiel, dass sie ihre Arbeit hier beenden und ich endlich mit den Bauarbeiten beginnen kann. Das ist doch sowieso alles nur fauler Zauber.“
„Sie wiederholen sich. Um mir zu sagen, dass das alles nur „fauler Zauber“ ist, brauchen sie sich nicht jeden Tag herzubemühen. Das geht auch telefonisch.“
„Wissen sie was mich jeder Tag, den ich aufschieben muss, kostet, Herr Niebenreit?“
„Professor Niebenreit bitte. So viel Ordnung muss sein. Nein! Und soll ich ihnen noch etwas sagen? Es ist mir scheiß egal.“
Der Herr im Sakko trat hektisch einen Schritt nach vorne.
„Bleiben sie stehen! Sie ruinieren meine Markierungen. Im Übrigen wäre ich ihnen sehr verbunden, wenn sie sich hinter den Absperrbändern aufhalten. Sinnlos schreien und toben können sie auch von dort.“
„So geht das hier nicht weiter,“ brüllte der Mann im Sakko.
„Das finde ich allerdings auch. Lassen sie uns in Ruhe arbeiten.“
Wütend stampfte der Herr im Sakko über die frisch ausgegrabenen Hügel. Seine hellen Schuhe waren nun nicht mehr ganz so hell.
„Sie hören noch von mir!“ schimpfte er hinter dem Absperrband.
„Das befürchte ich auch,“ murmelte Wolfgang Niebenreit.
Die Studenten ließen sich von dem Gezeter nicht abhalten und knieten weiterhin zwischen den Erdhügeln. In unweiter Nähe stand ein Pavillon. Heute Morgen hatten sie ihn in aller Eile aufgebaut. Darunter befand sich ein großer Tisch, der wohl normalerweise zum tapezieren geeignet war. Jetzt standen darauf jede Menge Plastikschüsseln, in denen die Funde lagen, die in den letzten Tagen geborgen wurden. Zwei junge Frauen reinigten die Funde in klarem Wasser und begannen, sie zu katalogisieren. Danach legten sie nach ersten vorsichtigen Einschätzungen die Funde zueinander. Bei einem Fundstück wurde eine junge Frau stutzig. Sie drehte und wendete das Stück, aber sie fand im gesamten Fund kein Stück, was auch nur annähernd dazu passte. Mit der Lupe sah sie sich das Stück noch einmal genauer an.
„Wolfgang! Kommst du bitte mal! Das musst du dir ansehen.“
Niebenreit wischte sich die Hände ab. „Was gibt es denn?“
„Wenn ich das wüsste,“ stöhnte die junge Frau. Sie schob energisch das Kopftuch zurück. „Eigentlich sehe ich was ich sehe, und weiß doch, dass es nicht sein kann.“
„Das hört sich interessant an.“
Die dunklen Augen der jungen Frau sahen ihn erwartungsvoll an. Der Professor drehte das Stück in den Händen und staunte nicht schlecht. „Damit hätte ich jetzt am allerwenigsten gerechnet.“
„Wir haben es hier doch mit einer Grabanlage zu tun, die, wenn unsere Schätzungen richtig liegen, so um die fünftausend Jahre alt ist.“
Niebenreit nickte. „Ja. Wir haben hier die typischen Gefäßverzierungen der Linienbandkeramiker am Terrakotta gefunden. Das ist aus dieser Zeit nichts ungewöhnliches. Einwanderer aus den zentralasiatischen Steppen haben diese Technik mitgebracht und weiter verbreitet. Aber was es mit diesem Artefakt auf sich hat, kann ich mir zur Zeit noch nicht erklären. Wo wurde das genau gefunden, Sherin?“
Sherin deutete auf eine zweite Erdöffnung. „Hier hat es gelegen, in dieser Nische. Es kann gut sein, dass die komplette Figurine dort aufgestellt wurde.“
„Du meinst so ähnlich wie ein Altar?“ Ungläubig schaute Niebenreit auf das Artefakt in seiner Hand.
„Es ist nur eine Vermutung von mir, Wolfgang. Eigentlich kann ich es mir auch nicht erklären.“
Der Professor winkte ab. „Nein. Nein. Das ist eine kluge und mutige These. Irgendwie wurde die Figur hier deponiert.“
„Vielleicht hat sich jemand einen Scherz erlaubt.“
„Du meinst, dass sie nicht echt ist und womöglich jüngeren Datums ist?“
„Alles ist möglich, Wolfgang. Ich muss noch weitere Untersuchungen machen. Dann können wir sicher sein.“
„Es kann auch eine Grabbeigabe eines Händlers gewesen sein.“
„Auch das ist möglich. Kann man denn erkennen um was es sich auf dem Teil der Figurine handelt, Sherin?“
„Wenn ich das jetzt laut ausspreche, erklärst du mich für verrückt.“
Niebenreit lächelte. Er kannte die Art wie Sherin Sanwat arbeitete. Immer präzise und genau. Niemals nachlässig oder gar oberflächlich. Er hatte sich förmlich darum gerissen, dass Sherin zu ihm kam als er erfuhr, dass Sherin in Deutschland eine Saison arbeiten wollte, um ihre Kenntnisse aufzubessern. Normalerweise bewegte sie sich im Altertum von Mesopotamien.
„Nur heraus damit.“
„Ich kann verschieden Zeichen erkennen. Einen Krummstab, eine halbe Sonne, einen rechteckigen Balken, und ein liegendes Tier mit rechteckigen Ohren.“
„So etwas ist in diesen Breiten nicht üblich.“
„Ganz und gar nicht.“
„Was schließen wir daraus?“
„Ich kenne mich nicht so gut damit aus. Aber es sieht ägyptisch aus.“
Niebenreit nickte. „Da haben wir aber einen netten Kulturclash!“
Aus einem der gegrabenen Löcher stieß eine Studenten einen Schrei der Überraschung aus.
„Herr Professor! Sherin! Ich habe noch etwas gefunden. Das sollten sie sich unbedingt ansehen.“
Unter der Nische, an deren Stelle das fremde Artefakt lag, schimmerten ihnen Knochen entgegen.
*
Gedankenverloren saß sie noch eine Weile an ihrem Laptop. Was war das für ein Fund, über den noch nicht gesprochen werden durfte? Jo las die Schlagzeilen der Regenbogenpresse.
„Sensationeller Fund. Waren Aliens schon auf der Erde?“
„Gab es vor unserer Kultur noch eine andere, von der wir nichts wissen?“
„Ist Atlantis doch keine Phantasie?“
Rachel saß in der Küche. Vor sich auf dem Tisch stand ein duftender Kaffee.
„Magst du auch einen?“
„Das ist eine rhetorische Frage. Natürlich mag ich einen.“
Rachel hatte ihre leuchtend blonde Haarpracht zu einem Zopf geflochten. Die wunderbar in aller Pracht blühenden Blumen auf der Fensterbank schienen jede Bewegung von Rachel wahrzunehmen. Es wirkte, als ob die Pflanzen Rachel umarmen wollten. Jo lächelte still in sich hinein. Aus ihrem Appartement von Frankfurt hatte sie eine Topfpflanze mitgebracht, die bis dato ein erbärmliches Leben führte. Knochentrocken und hier und da ein erbärmliches Blättchen. Jo hatte noch nicht einmal die Ahnung, um welche Pflanze es sich dabei handelte. Jo hatte die Pflanze auch nur aufgehoben, weil sie ein Geschenk von Leona ihrer besten Freundin war. Sie hätte wohl nicht überlebt, wenn sie auf Jo's Hilfe angewiesen gewesen wäre. Aber dank Rachel stand selbige Pflanze nun neben dem Holunderbusch und blühte mit ihm um die Wette. Rachel erklärte der völlig ahnungslosen Jo, dass es sich dabei um einen Rhododendron handelte, der jetzt zarte rosa und weiße Blüten hervorbrachte. Rachel bediente die altmodische Kaffeemaschine, die noch aus dem Bestand von Agnes stammte. Jede Berührung der Maschine von Rachel wirkte wie ein Streicheln.
„Weißt du was mir aufgefallen ist?“
„Dir fällt vieles auf, was andere Menschen nicht sehen, Jo. Wo soll ich anfangen?“
Rachel entnahm aus dem Schrank den Rest Popcorn und stellte ihn zusammen mit dem Kaffee auf den Tisch.
„Wenn du längere Zeit nicht da bist, blühen die Blumen nicht mehr so intensiv. Die brauchen nicht nur Wasser, sondern auch, wenn ich noch keine plausible Erklärung dafür gefunden habe, irgendwie deine Anwesenheit.“
Rachel strich sanft über das Blatt einer Pflanze, die strahlend weiße Blüten hervorbrachte. Das Blatt schmiegte sich förmlich an Rachels Hand.
„Sieht wirklich so aus. Wenn ich wirklich in Urlaub fahren möchte, muss ich sie alle mitnehmen.“
„Das könnte schwierig werden. Bei unserem alten Kirschbaum zumindest. Von der Jahrhunderte alten Linde spreche ich erst gar nicht.“
Rachel zog eine Schnute und naschte von dem Popcorn.
„Aber mir ist noch etwas aufgefallen.“
Die veilchenblauen Augen Rachels ruhten auf Jo. Für wenige Sekunden war nur das Knuspern des Popcorns zuhören.
„Im Schuppen unseres alten Treckers steht ein vergessener alter Rosenstock. Als gestern Morgen Hendrik mit dem Trecker herausgefahren ist, habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Er bekommt nur minimale Sonne, und auch sonst wurde er nicht gerade verwöhnt. Aber trotzdem steht er da in voller Blüte.“
Ungläubig starrt Rachel sie an. Aber dann erinnerte sie sich und klopfe sich leicht an die Stirn.
„Du meine Güte! Dieser Rosenstock stammt noch von Agnes! Ich sollte mich darum kümmern und ihn einpflanzen. Aber dann wurde Agnes hinfällig und ich habe ihn vollkommen vergessen.“
Rachel wischte sich mit dem Handrücken die übriggebliebenen Krümel vom Popcorn aus dem Gesicht.
„Ich habe so ein schlechtes Gewissen! Ich muss ihn sehen und mich um ihn kümmern.“
Jo schüttete den Rest vom Kaffee hinunter und warf noch eine Handvoll Popcorn hinterher.
„Warte! Ich komme mit.“
Völlig ergriffen stand Rachel vor dem verdorrten Rosenstock. Aber die feuerroten zarten Blüten wetteiferten mit den Sonnenstrahlen um die Wette. Rachel hob den Rosenstock in dem maroden Topf auf und drückte ihn fest an sich. Tränen rannen über ihre Wangen.
„Das ist ein letzter Gruß von Agnes. Ich vermisse sie so schrecklich.“
Jo überließ Rachel zunächst ihren Gefühlen. Aber dann wurde es Zeit, Rachel aus ihrer Trauer herauszureißen.
„Komm! Wir suchen einen schönen Platz dafür. Wir wollen doch einmal sehen, ob hinter diesem Gestrüpp noch mehr steckt, als nur getrocknetes Suppengrün.“
Badman warf einen geringschätzigen Blick auf den Busch und versuchte ein trockenes Blatt abzuknabbern. Dann begann er laut und heftig zu schnurren.
„Er kann sich an Agnes erinnern!“
Rachel wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Badman rieb seine Wange an Rachels Wange. Dann spuckte er das Blatt aus und schüttelte sich. Er lief maunzend aus dem Schuppen und blieb unter dem Holunderbusch sitzen. Badman spielte mit den blühenden Dolden, die teilweise bis zum Boden herabhingen.
„Das ist eine gute Idee, Badman. Hier soll der Rosenstock stehen.“
Daneben stand der Rhododendron, den Jo aus dem Appartement mitgebracht hatte. Auch er blühte wunderbar.
„Hier wirst du nicht mehr alleine sein. Und eine Kanne Quellwasser bekommst du ebenfalls gratis.“
Rachel eilte zurück in den Schuppen, um einen Spaten zu holen. Badman hockte sich vor die kümmerliche Pflanze mit den wundersamen Blüten. Mit den Pfoten versucht er, etwas zwischen den Zweigen herauszuangeln.
„Was machst du denn da? Lass doch das arme Gestrüpp in Ruhe wachsen.“
Aber Badmans Interesse blieb. Jo hockte sich nun ebenfalls davor, um zu sehen was Badman so faszinierte. Um seine Pfoten war ein Haar geschlungen. Ein langes, intensiv, leuchtendes Haar.
„Rachel! Badman ist ein Wissenschaftler! Er hat entdeckt, was deine Blumen brauchen und am Leben erhält.“
Rachel kam mit einem Spaten und einer Gießkanne voll Wasser zurück. Sie wirkte immer noch sehr traurig.
„Was ist los? Badman ein Wissenschaftler? Seit wann denn das? Normalerweise hat er nur Blödsinn im Kopf und kann stundenlang über das Essen diskutieren. Er macht mich schon seit Tagen verrückt, wann ich ihm wieder die Eule mache.“
„Ich glaube die Eule hat er sich redlich verdient.“
Rachel stemmte die Hände in die Hüften. „Ihr macht euch doch nur lustig über mich. Jetzt geh zur Seite, damit ich den armen vertrockneten Kerl einpflanzen kann.“
Jo hob beschwörend beide Hände hoch, und weil Badman das lästige Haar loswerden wollte, saß auch er mit erhobenen Pfoten da.
„Das würden wir uns nie wagen! Badman und ich schwören, dass wir nie nicht zu so einer schändlichen Tat fähig wären.“
Nun musste Rachel doch lachen. „Ihr habt sie nicht mehr alle! Aber so was von!“
„Das bestreitet niemand. Aber sieh doch nur was Badman zwischen seinen Pfoten hält.“
Neugierig setzte sich nun auch Rachel vor den Kater und half ihm aus seiner misslichen Lage. Beide Pfoten waren sozusagen gefesselt, und er maunzte bitterlich.
„Es ist ein Haar.“
„Ganz genau! Ein Haar. Und das war der Grund, warum diese Pflanze im Schuppen über ein Jahr überlebt hat.“
„Ein wenig Wasser hat sie sich aus dem Boden stibitzt. Der Stock kämpfte sich mit seinen Wurzeln durch den Topf in den Boden hinein. Aber das genügte natürlich keinesfalls, dass er diese Blüten entwickeln konnte.“
„Wie lange bist du schon hier auf der Erde?“
„Zweihundert Jahre ist es her, dass ich havarierte. Du lieber Himmel! Wo ist bloß die Zeit hingegangen?“
Badmann fing an, mit dem langen Haar zu spielen. Rachel nahm es ihm weg, bevor er sich noch möglicherweise strangulierte. Dann fing sie an, das Loch für den Rosenstock auszuheben.
„Aber es bedurfte der wissenschaftlichen Einsicht dieses vertrackten schwarzen Katers, um festzustellen, dass die Pflanzen schon auf die ein oder andere Weise doch von dir abhängig sind. Dieses Haar hat den Rosenstock gerettet. Ich habe mir das gedacht, dass es nicht nur Liebe und Wasser sind, die die Pflanzen so wunderschön blühen lassen.“
Badman fand das Ausheben der Erde interessant und half tatkräftig mit. Aber er hatte dabei wohl einige Hintergedanken. Er setzte sich in das Loch und erledigte sein Geschäft. Dann sah er erwartungsvoll Rachel an.
„Das ist sehr nett von dir, Badman. Aber ich muss jetzt nicht. Das solltest du eigentlich wissen, da du mich ständig auf das Klo begleitest.“
„Also für Dünger ist jetzt auch gesorgt.“
Jo ließ das lange Haar durch ihre Finger gleiten. Das Haar hatte sich in einem Stein verheddert. Jo zog daran. Aber das Haar riss nicht. Sie wickelte das Haar um ihre Hände und versuchte es zu zerreißen. Auch das gelang nicht.
„Dieses Haar hatte die Festigkeit einer Angelschnur. Ich werde es dem Rosenstock umbinden und mit einer Schleife versehen. Dann kann er die nächste Zeit noch davon profitieren.“
Danach saßen sie gemütlich auf der Bank vor dem Haus. Jo hatte das Laptop mitgebracht und zeigte Rachel die Schlagzeilen, ob Aliens bereits die Erde besucht hätten.
„Was meinst du? Sollen wir ihnen einen heißen Tipp geben?“
„Das lass mal lieber sein, Jo. Ich bin froh, dass ich meine Ruhe habe.“
„War nur ein Scherz! Keiner von diesen Schwachmaten würde einen Außerirdischen erkennen können, selbst wenn er vor ihm stehen würde.“
Rachel grinste verräterisch. „Das war bei dir natürlich etwas vollkommen anderes.“
Jo grinste ebenfalls. „Auch bei mir hat es etwas gedauert. Aber du warst auch nicht gerade kompatibel.“
„Wundert dich das? Sieh doch nur was auf der Erde los ist. Alleine im neunzehnten Jahrhundert gab es mehr als zweihundert Kriege auf der Erde. 1866 gab es auf deutschem Boden dreißig Schlachten. Preußen gegen Österreich. Und ab 1870 den deutsch-französischen Krieg, der auch an dieser äußerst versteckten Ecke des Reiches nicht verschont wurde. Das zwanzigste Jahrhundert hat uns zwei Weltkriege beschert, an deren Altlasten die Menschen immer noch knabbern. Aber wenn jemand nicht der Norm entspricht sind sich alle einig und brüllen dass du das Land, welches auch immer, verlassen sollst. Mir hängt das so schrecklich zum Halse raus. Im Prinzip war Badman, nachdem meine geliebte Agnes gestorben war, mein einziger Vertrauter.“
„Ich hoffe doch, dass ich jetzt auch dazugehöre,“ entgegnete Jo erschrocken über diesen Gefühlsausbruch von Rachel.
Rachels Augen strahlten Jo an. Sie glühten förmlich. „Aber ja! Du hast einen festen Platz in meinem Herzen!“
Jo atmete erleichtert aus. „Agnes hatte, was mich anbelangt, den richtigen Riecher. Obwohl ich es damals noch nicht wusste.“
„Das kann man wohl sagen. Aber was interessiert dich denn so an diesen Schlagzeilen?“
„An den Schlagzeilen überhaupt nichts. Aber an der Tatsache, dass hier bei uns etwas uraltes gefunden wurde hingegen schon. Das macht mich neugierig.“
„Was hast du zu verlieren. Bevor hier wichtige Informationen komplett in dem Billigmilieu dieser Klatschpresse landen, wäre es wirklich besser, wenn du dich darum kümmerst. Das wäre doch eine interessante Reportage für die „Unabhängige Journal“!“
„Wenn du das sagst.“
Jos Handy meldete sich.
„Du könntest deinen Klingelton ändern!“
„Erinnere mich gelegentlich daran!“
Dann nahm sie das Gespräch an.
„Das ist Gedankenübertragung, Herr Goldfischer. Wir haben gerade über sie gesprochen. Was halten sie von dieser Ausgrabung bei uns in dem neuen Industriegebiet?“
„Davon habe ich auch etwas gehört. Vor allen Dingen soll es ein „Grabenkampf“ um die Ausgrabung selbst geben. Der Geschäftsführer der Investorengruppe Markus Ruman ist sehr daran interessiert, dass die archäologischen Arbeiten eingestellt werden.“
„Markus Ruman. Der hat doch seine Finger überall im Spiel. Ich mag ihn nicht besonders. Was will er denn dort eigentlich?“
„Er will unter allen Umständen verhindern, dass die Ausgrabungen weiter ausgeführt werden. Hinter Ruman sitzt ein komplettes Konsortium von Unternehmern, die sich in diesem Industriegebiet niederlassen wollen. Da stoßen natürlich mehrere Interessen aufeinander. Hier die Kulturszene, die unter allen Umständen die Ausgrabungen weiterführen möchte, und auf der anderen Seite die Menschen, die auf neue Arbeitsplätze hoffen. Und dann kommen noch die Naturschützer.“
„Jetzt ist mir Ruman aber nicht unbedingt als sozialer Mensch in Erinnerung. Warum er bei den Unternehmern so beliebt ist, zeigt sich daran, wie er arbeitet. Dumpinglöhne und Leiharbeiter sind sein Erfolgsrezept. Das ist auch nicht so prickelnd.“
„Das entspricht leider der Wahrheit. Aber erklären sie das einmal hier den Menschen, die schon seit Jahren auswandern müssen, um einen vernünftigen Job zu bekommen. Sie setzten so viele Hoffnungen darauf. Mich interessiert wie dieser „Grabenkampf“ ausgeht. Und da kann ich mir keine besser vorstellen, als sie.“
„An dem Fund sind sie nicht interessiert, Herr Goldfischer?“
Für einige Sekunden war nichts zu hören.
„Ich kann verstehen, dass sie sich zuerst mit „Apfelpfannkuchen“ absprechen müssen.“
„Das geht schon klar. Es war schließlich ihre Idee.“
„Frauenpower. Wir halten zusammen.“
„Das kenne ich von meiner Familie. Ich muss jetzt seit neuestem jeden Tag ein Brötchen mit Erdbeermarmelade mit ins Büro nehmen.“
„Das ist doch lecker.“
„Aber am Abend bekomme ich als Dessert wieder ein Brötchen mit Marmelade. Und das geht solange, bis der Pott, den sie in der Kita gekocht haben, endlich leer ist.“
„Ihre Töchter achten sehr darauf, dass sie genug zu essen bekommen.“
„Ich bin sehr glücklich über die Abwechslung. Die letzten sechs Wochen musste ich Kekse essen. Mit Zimt. Ich hasse Zimt.“
„Lassen sie das bloß „Apfelpfannkuchen“ nicht hören.“
„Ich kann mich beherrschen. Ich bin überglücklich, dass sie wieder da sind!“
*
Neugierig rannte Professor Niebenreit zu der Studentin. Was er sah, verschlug ihm den Atem. Vor ihnen lagen die kompletten Skelette zweier Menschen. Sherin trat an seine Seite. Mit Gummihandschuhen fasste sie die Skelette an.
„Wenn ich mir die schmalen Becken ansehe könnten es sich um Frauen handeln. Aber das müssen wir selbstverständlich zuerst untersuchen. Vorläufig bleibt es bei einer Vermutung.“
Der Professor zog sich ebenfalls Gummihandschuhe an.
„Das haben sie sehr gut gemacht, Gabriela. Es ist nichts beschädigt.“
Gabriela wurde feuerrot wegen des Lobes. Aber sie schüttelte mit ihrem Kopf. „Ganz so unbeschädigt ist sie nicht, Herr Professor. Die Schädeldecken haben beide ein tiefes Loch. Anscheinend habe ich da nicht genug aufgepasst.“
Der Professor runzelte die Stirn. „Das bedeutet, dass sie mit grobem Werkzeug gearbeitet haben?“
„Eigentlich nicht. Ich habe nur mit Pinseln gearbeitet. Aber trotzdem kann mir ein Fehler unterlaufen sein.“
Sherin sah sich mit äußerster Vorsicht die Schädeldecken an. „Du trägst daran keine Schuld, Gabriela. Diese Verletzungen sind schon tausende Jahre alt. An den Rändern des Loches hat sich Kalk gebildet. So etwas entsteht nicht von heute auf morgen.“
„Könnten die Menschen an dieser Verletzung gestorben sein?“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
„Wie kam sie zustande? Ein Sturz aus großer Höhe vielleicht?“ Der Professor schaute auf das Loch in den Schädeln, das die Ausmaße von zwei Euro Münzen hatte.
Sherin neigte ihren Kopf zur Seite. „Bei einem Sturz wären aller Wahrscheinlichkeit nach mehrere Knochen gebrochen.“
Der Professor nickte. „Und was schlussfolgern wir jetzt daraus?“
„Vorläufig nichts. Ohne weiter Untersuchungen gibt es nur Mutmaßungen.“
Der Professor warf Sherin einen auffordernden Blick zu.
„Also bitte! Mutmaße!“
„Ein heftiger Schlag mit einem stumpfen, äußerst schweren Gegenstand kann diese Verletzung hervorgerufen haben.“
„Du sprichst von einem Opfer? Eine Opferung für einen Gott?“
„Eventuell.“
„Solche Funde hat man hier noch nie gemacht. Ich muss sagen, dass mir keine menschlichen Opfer zu dieser Zeit hier in der Gegend bekannt sind.“
Sherin legte die Schädel sanft und vorsichtig wieder zurück.
„Wenn es kein Opfer ist, um was handelt es sich dann?“
„Um Morde, die vor circa fünftausend Jahren geschahen?“
*
Jo war sich durchaus bewusst, dass ihr Leben nun wieder andere Wendungen annehmen würde. Aber warum, das vermochte sie nicht auszudrücken. Sie beschloss, weil sie es ohnehin nicht ändern konnte, alles auf sich zukommen zulassen. Im Garten flog eine dicke Eule mit einem Zweig im Schnabel im Tiefflug über die Beete. Badman saß konzentriert unter dem Holunderbusch und wartete, bis die Eule in seine Nähe kam. Dann versuchte er durch einen kühnen Sprung den Zweig zu fangen. Aber statt des Zweiges, fing er die komplette Eule, und beide landeten kreischend vor dem Holunder.
„So geht das nicht!“ schimpfte Rachel, als sie sich langsam zurückverwandelte. Badman saß vor ihr mit einer Feder in der Schnauze.
„Du weißt doch genau, dass du die Feder nicht behalten kannst. Sie gehört mir und ich brauche sie, wenn ich mich wieder in meine Gestalt zurückverwandele. Es ist jedes Mal das Gleiche mit dir!“
Nur widerstrebend gab Badman seine „Beute“ preis.
„Ich verspreche dir, das nächste Mal fliege ich vorher in den Wald und bringe dir eine echte Feder mit.“
Badman war beleidigt. Aber nicht für lange. Eine Bewegung unter einem Laubhaufen war ihm nicht entgangen. Er schlich sich geschickt und lautlos an. Seine Augen waren nur auf den Blätterhaufen gerichtet. Mit den Vorderpfoten robbte er langsam vor, aber das Hinterteil blieb stehen. Er spannte seine Muskulatur an. Die Augen waren vor lauter Konzentration fast schwarz. Mit einem schnellen Sprung landete er auf dem Blätterhaufen. Aber die Maus entkam und wollte blitzschnell unter dem Rhododendronbusch verschwinden. Plötzlich wurde es über Badman dunkel und zwei mächtige Flügel schlugen über ihm lautlos zusammen. Die Eule trieb die Maus aus ihrer Deckung heraus. Badman setzte zum nächsten Sprung an, und dieses Mal verfehlte er sein Ziel nicht. Mit einem einzigen Biss tötete er die Maus.
„Du kannst von Glück sagen, dass ich in den Schnellmodus schalten kann. Sonst wäre dir diese Maus durch die Lappen gegangen.“
Das schien Badman einzusehen. Er wartete geduldig bis die Eule sich wieder in Rachel verwandelt hatte. Dann bot er ihr die Hälfte der Maus an. Schließlich hatten sie die Beute gemeinsam erjagt.
„Genieße sie nur! Die darfst du heute ganz alleine essen.“
Als Jo diese Szene gewahrte, wurde ihr warm ums Herz.
„Ich seh schon, um das Abendessen brauchen wir uns keine Mühe zu machen. Ich muss jetzt los. Bis heute Abend.“
Jo hatte vergessen, sich bei Professor Niebenreit anzumelden. In seinem Büro auf der Universität antwortete niemand. Sie hoffte, dass sie ihn bei den archäologischen Ausgrabungen antreffen und der Presseausweis genügen würde, um ihm einige Fragen zu stellen. Das neue Industriegebiet lag in einem Tal vor der Stadt. Es schmiegte sich zwischen den bewaldeten Hügeln an und mitten durch verlief ein kristallklarer Bach. Man sagte, dass darin sogar Forellen und Flusskrebse leben. Es war nicht unumstritten. Jede Menge Bürger hatten sich zusammengeschlossen, um die Fertigstellung zu verhindern. Sie warnten davor, dass so viele Bäume, Blumen und Tierarten verschwinden würden, die nie mehr zurückkehrten. Und natürlich lag ihnen auch daran, das kulturelle Erbe zu erhalten. Aber eine nicht unbeachtliche Anzahl hatte sich auch eingefunden, die das Industriegebiet auf jeden Fall verwirklicht haben wollten. Sie erhofften sich für diesen einsamen Landstrich solvente Arbeitsplätze. Jo fand für beide Parteien so etwas wie Verständnis. Die einen liebten die Natur über alles und die anderen hatten Angst, aus Mangel an Arbeit, ihre Heimat zu verlieren. Es war ziemlich vertrackt. Warum musste es immer das eine oder das andere sein? Warum gab es keinen Mittelweg? Eine Lösung, die beide Parteien befriedigte?
Als sie aus der kleinen Stadt hinausfuhr, hatte sich vor ihr ein Unfall ereignet. Drei Wagen waren ineinander gekracht. Die Menschen stiegen aus und beschimpften sich gegenseitig ziemlich lautstark über das für sie vollkommen unnötige Bremsmanöver. Wie durch ein Wunder war niemand verletzt. Vergeblich versuchte der Fahrer des ersten Wagens darauf hinzuweisen, dass vor ihm unvermittelt ein Mensch die Straße überquerte, und er sich außerstande sah, diese Person zu überfahren, nur um den Verkehr weiterhin in Fluss zu halten. Jo stieg ebenfalls aus. Das Licht der Nachmittagssonne war nahezu genial. Die Hügel, mit den frühlingsgrünen dichten Wäldern, waren mit einem zarten Goldschimmer überzogen. Das Tal mit seinen grünen Wiesen war übersät von weißen Margeriten, Wiesenschaumkraut, gelben Butterblumen und Löwenzahn. In den blühenden Obstbäumen brummte und summte es nur so von Schmetterlingen und Bienen. Ein Bouquet von Düften aus wilden Kräutern und abertausenden Blüten stiegen ihr in die Nase. Dicke Hummeln im Tiefflug torkelten von einer Blüte zur anderen, als ob sie besoffen wären. Eine Blindschleiche glitt elegant durch den Klee. Beklommen stellte Jo zum ersten Mal fest, wie wunderschön dieser kleine Landstrich war, der seit einem Jahr ihre neue Heimat war. Noch vor einem Jahr hatte sie für Natur und alles was grün ist keinen einzigen Blick verschwendet. Sie nutzte die unverhoffte Gunst, um einige Fotos und ein Video dieser wunderschönen Landschaft zu machen. Aber selbstverständlich, das war sie sich als Reporterin schuldig, schoss sie auch Fotos von der Unfallstelle.
Rachel meldete sich zwischendurch.
„Nein. Kenne ich nicht. Bleib einfach im Haus bis ich wieder da bin. Sollen sie doch einen Zettel hinterlassen, wenn es wichtig ist. Ich stehe hier auf der Landstraße, die zu dem neuen Industriegebiet führt, und drei Wagen haben probiert wie es wäre, huckepack zu fahren.“
Irgendjemand hatte die Polizei angerufen. Nach einer Weile traf ein Einsatzwagen der Polizei ein. Eine zierliche Polizeibeamtin mit ihrem Kollegen wurden sofort von den Menschen bestürmt. Jeder wollte der erste sein. Aufmerksam verfolgte Jo die Arbeit der jungen Beamten. Der Unfallverursacher blieb hartnäckig bei der Aussage, dass ihm unvermittelt ein Mensch vor den Wagen gelaufen sei und er deswegen genötigt war, dass Bremsmanöver einzuleiten. Er konnte den Polizisten sogar eine Beschreibung des Mannes liefern. Die anderen Verkehrsteilnehmer höhnten lautstark, das hätte er sich bloß einfallen lassen, um seine Unaufmerksamkeit zu kaschieren. Keiner von ihnen hätte einen Menschen gesehen. Da sich das Unfallgeschehen hinter einer Kurve abgespielt hatte, war Jo nicht in der Lage als Zeuge auszusagen. Vom Unfallort kam sie sowieso nicht weg, weil die desolaten Wagen die Straße versperrten und überall Trümmerteile herumlagen. Die Wartezeit benutzte Jo, um die Bilder an ihre Redaktion zu schicken. In knappen Worten verfasste sie eine Notiz darüber. Noch am gleichen Abend würde diese Nachricht im Onlineportal ihrer Zeitung stehen und am nächsten Tag in der Rubrik „News“ in der Zeitung erscheinen. Die Polizisten nahmen alle Personalien und Aussagen auf und sorgten dafür, dass der Verkehr wenigstens einspurig weiterlief.
Dadurch kam sie natürlich zwei Stunden später an der Grabungsstelle an. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass sich nicht mehr viele Menschen auf dem Gelände befanden. Dadurch entstand doch so etwas wie Groll in Jos Magen. Zwei Männer waren noch damit beschäftigt, die Pavillons über den Grabungsschichten zu verschließen. Jo zeigte ihren Presseausweis.
„Hi! Ich bin Jo vom „Unabhängige Journal“. Kann ich euch einmal kurz sprechen?“
„Klar kannst du das. Ich bin Stefan Biehl und das ist mein Kommilitone Yannis Weinheim.“
„Ihr seid beide Studenten?“
„Ja, wir studieren beide Archäologie. Und wir arbeiten mit an diesem wichtigen Projekt von Professor Niebenreit.“
„Ist der Professor noch da?“
„Der ist leider nicht mehr anwesend. Er wurde zusammen mit Frau Sanwat zum Bürgermeister zitiert.“
„Ist das gut oder schlecht?“
Ein Student schielte auf ihren Ausweis. „Ich glaube nicht, dass ich ausgerechnet der Presse darüber Auskunft erteile. Wir haben schon genug Scherereien am Hals.“
„Okay! Wenn ihr euch lieber wieder in der Regenbogenpresse mit hirnverbrannten Theorien seht, als im bodenständigen und vor keiner Wahrheit zurückschreckenden Zeitung vom „Unabhängige Journal“ soll es mir recht sein.“
„Das sind große Worte! Du lieber Himmel geht es auch eine Nummer kleiner?“
Jo konnte einen kleinen Blick auf die Grabungen erhaschen. „Ich mache doch auch nur meinen Job. Und ich bin schrecklich neugierig, was ihr hier gefunden habt. Es kann euch doch nicht schaden, wenn ich in meiner Zeitung regelmäßig Bericht darüber erstatte, was ihr hier so macht. Die Sympathien der Menschen wären euch gewiss.“
„Das mag so sein“, der Student schielte wieder auf ihren Ausweis, „Jolanda“. Aber wir dürfen leider keine Auskunft geben. Wir haben eine Internetplattform. Da kannst du dich für ein Interview anmelden. Wenn du Glück hast meldet sich der Professor bei dir.“
„Und wenn ich kein Glück habe?“
„Dann hast du eben Pech gehabt und musst dich, wie die anderen auch, an der Pressestelle von der Universität bedienen.“
„Ganz toll!“
„Finden wir auch. So haben wir wenigstens unsere Ruhe.“
,Jo spürte, dass es hier kein Weiterkommen gab. Sie wünschte den Jungs noch einen schönen Abend und stieg in ihr kleines Auto. Aber dann hatte sie eine blendende Idee. Die Aufräumarbeiten des Unfalls waren beseitigt, und sie konnte zügig in die Stadt zurückfahren. Vor dem schmucken Rathaus, ein Backsteinbau aus dem neunzehnten Jahrhundert, gab es zu dieser Zeit jede Menge freie Parkplätze. Sie reihte sich neben einer klassischen Limousine und einem völlig verdreckten Jeep ein. An der Pforte saß niemand mehr. Jo durchschritt den Eingang und kämpfte sich durch die Hinweisschilder. Im zweiten Stock befand sich das Büro des Bürgermeisters.
„Josef Himmelknecht“
Jo benutzte nicht den Aufzug sondern stieg die Treppe hoch. In dem langen Flur war eine stimmgewaltige Unterhaltung zu hören. Sie ging dem Klang der Stimmen nach. Das Büro des Bürgermeisters war leer, aber aus der Küche drang ihr der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase. Eine aufgeregte weibliche Stimme sagte, „Aber so hören sie doch zu, Herr Bürgermeister. Wir haben etwas entdeckt, das in ihrer Region einmalig sein dürfte.“
„Das mag ja sein“, antwortete eine männliche Fistelstimme, „aber das bringt meiner Gemeinde kein Geld. Und die Arbeitsplätze werden dringend benötigt. Sie sehen doch wie es hier aussieht.“
„Das bestreitet niemand“, antwortet ein sonorer Bariton.
„Aber können sie es auch verantworten, wenn die Grabungen stillgelegt werden, und man von einem unvergleichlichen Verlust redet? Und jedes Mal wird ihr Name dabei genannt werden, weil sie dieses Fiasko nicht verhindert haben. “
„Was soll ich denn machen?“ jammerte die Fistelstimme.
„Sie sind doch nicht alleine. Lassen sie uns doch gemeinsam nach einer Lösung suchen.“
„Ach, was regen wir uns nur unnötig auf!“ mischte sich die weibliche Stimme wieder ein. „Unsere finanziellen Mittel sind mehr als bescheiden, und das Ende ist bereits abzusehen. Es gewinnt immer der, der am längeren Hebel sitzt also sprich, der die meiste Kohle hat. Ruman weiß ganz genau, dass er es aussitzen kann. Er muss sich nicht einmal sonderlich dafür anstrengen.“
Jo klopfte an die Tür. Aber sie wartete nicht darauf eingelassen zu werden, sondern trat unaufgefordert ein.
„Gemeinsame Lösung hört sich immer gut an. Guten Abend! Ich bin Jo Wenkert vom „Unabhängige Journal“. Ihr Büro hat mich hierhin beordert, Professor Niebenreit. Ich hoffe doch, dass ich noch rechtzeitig da bin und nicht schon das wichtigste verpasst habe.“
„Wie bitte?“
Niebenreit und die Frau neben ihm starrten auf den Presseausweis.
„Du hast allen Ernstes einem Interview zugestimmt? Und das ohne mit mir abzusprechen?“
Die dunkelhaarige Frau stemmte die Hände in die Hüften und sah den Professor zornig an. Ihre schwarzen Augen fixierten ihn unerbittlich. Der Bürgermeister, ein kleiner dicker Mann mit Halbglatze, wischte sich mit einem Tuch über die Stirn. Unvorhergesehene Situationen waren so ziemlich das Letzte, was er gebrauchen konnte. In zwei Monaten sind Wahlen und er war deshalb schon ziemlich durch den Wind. Welche Entscheidung er jetzt traf, trägt maßgeblich dazu bei, ob man ihn wieder zum Bürgermeister wählte oder nicht. Aber was war die richtige Entscheidung? In seiner Partei war man bemüht, dass das Firmenkonsortium hier eine Niederlassung gründete. Man versprach ihnen viele hundert Arbeitsplätze. Aber auf der anderen Seite war die Kultur etwas einmaliges, hatte der Professor gesagt. Etwas, dass in dieser Region noch nie gefunden worden war. Seine Kinder waren natürlich Feuer und Flamme für die Ausgrabungen und kämpften voller Inbrunst in Arbeitsgruppen in der Schule für den ungestörten Erhalt der Talwiesen. Er fand in der Nacht schon keinen Schlaf mehr, und sehnte ein Ende der Debatte herbei.
„Würden sie bitte das Büro verlassen, Frau Wenkert?“ stöhnte der Bürgermeister leise und zeigte mit dem Finger auf den Ausgang der Küche. Hilfesuchend glotzte Jo den Professor an, der sich seinerseits ebenfalls nicht ganz wohl fühlte, weil die dunklen Augen von Sherin ihn zu verschlingen drohten.
„Hier muss ein Irrtum vorliegen. Ich kann mich nicht erinnern, mit ihnen gesprochen zu haben. Gehen sie bitte und wenden sie sich an unsere Pressestelle auf der Universität. Die können ihnen weiterhelfen. Tragen sie sich auf unserem Onlineportal ein. Dort finden sie ein Formular, das sie ausfüllen. Meine Mitarbeiter überprüfen ihre Angaben und dann entscheiden wir, ob wir an einer Zusammenarbeit mit ihrem Blatt interessiert sind. Wenn sie Glück haben melden wir uns.“
Jo spürte, dass sie auf eine undurchdringliche Wand gestoßen war. Aber sie gab nicht auf.
„Ich nehme selten Informationen von der Stange und ich arbeite sehr gerne vor Ort. Im Büro sitze ich nur, wenn letzte Schreibarbeiten vonnöten sind. Wenn ich jetzt gehe, verurteilen sie mich dazu, genau den gleichen Mist zu schreiben, wie die Regenbogenpresse und mich in Mutmaßungen zu ergehen. Das ist und wird niemals mein Konzept sein!“
Sherin Sanwat richtete nun ihren giftigen Blick auf Jo.
„Dann schreiben sie nichts. Suchen sie sich ein anderes Betätigungsfeld, in dem sie Lorbeeren ernten können.“
„Ich pflege mir meine Themen selbst auszusuchen und lasse mir ungern vorschreiben was ich tun soll! Ich finde das Thema sehr interessant und es hätte mich gefreut, es den Lesern meiner Zeitung nahezubringen. Ich finde es unverantwortlich was diese „Gazetten“ so von sich geben. Aber mit ihrem Schweigen geben sie diesen „Revolverblättern“ genau die Plattform zwischen hemmungslosem Fabulieren und Sätzen, die völlig aus dem Kontext gerissen werden, und mit denen sich so schön Geld verdienen lässt.“
Die unerbittlichen Augen Sherins schauten einen Hauch weicher.
„Es tut mir leid! So habe ich das nicht gemeint. Aber wir haben es auch nicht leicht. Jeder Tag, den wir nicht nutzen können, ist ein verlorener Tag. Und unsere finanziellen Mittel sind mehr als begrenzt. Es ist ein Rennen gegen die Zeit.“
„Würde ein Spendenaufruf eventuell etwas bringen?“
Sherin hob neugierig den Kopf. Auf Jo wirkte sie wie eine sprungbereite Gazelle.
Der Bürgermeister legt den Kopf schief und schaute sie grübelnd an.
„Irgendwoher kenne ich sie...“
Er nahm die Brille ab und putzte die Gläser. „Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie haben doch dafür gesorgt, dass die vielen Morde an den alten Menschen aufgeklärt wurden. Ich muss sagen, das hat mich sehr beeindruckt.“
Jo visierte sehnsüchtig den Kaffeeautomaten an. „Ohne Kommissar Knöbel wäre das Ganze nicht zu stemmen gewesen. Ohne ihn wäre es böse ausgegangen. Ihm, seinen Kollegen und der außerordentlich guten Polizeiarbeit gebühren die Lorbeeren.“
„Ich kann mich noch gut daran erinnern. Sie wurden selbst in Mitleidenschaft gezogen. Soweit ich mich erinnern kann, war doch sogar ihr Leben in Gefahr. Seit diesem schrecklichen Vorfall sind sie so etwas wie eine Berühmtheit in unserer kleinen Stadt.“
Jo schoss das Blut auf Grund des Lobes wie ein Springbrunnen ins Gesicht, und strahlte in der Farbe einer reifen Erdbeere.
„Das war ein wichtiger Teil meines Lebens. Aber ich würde es immer wieder tun.“
Der Bürgermeister deutete auf die Kaffeemaschine.
„Ich dachte schon sie fragen nie. Was für eine Sorte benutzen sie? Dieser herrliche Duft der Röstaromen brachte mich fast um den Verstand.“
Sherin saß mit verschränkten Armen am Tisch. Sie hielt den Kopf gesenkt, damit man das verräterische Lächeln nicht sah. Der Professor schüttete vier Stücke Zucker in seinen Kaffee. Die winzige Tasse verschwand förmlich in seinen großen Händen. Er trank den Kaffee auf einen Rutsch aus. Anschließend fischte er genüsslich mit dem Kaffeelöffel die Zuckerkristalle vom Boden der Tasse raus.
„War das ernst gemeint mit diesem Spendenaufruf?“
„Aber so was von!“
*
Rachel arbeitete fleißig am Computer. Es war ihr ziemlich lästig, aber leider nicht zu ändern. Die Pachtzahlungen der Bauern gingen ein, und verschiedene Sachen für das Finanzamt waren auch zu erledigen. Ihre Vorliebe für das Arbeiten in der freien Natur stand natürlich im krassen Gegensatz zu diesem Betätigungsfeld. Ab und an zog sie sich noch in das „geheime Zimmer“ von Agnes zurück und brachte ihre Physikkenntnisse auf Vordermann. Aber sie standen nicht mehr so im Vordergrund. Ihre große Liebe, Agnes, hatte fast ein ganzes Leben damit verbracht, Rachel eine Möglichkeit zu geben, in ihre alte Heimat oben in den Sternen zurückzukehren. Aber Rachel hatte keinen richtigen „Zug“ zurück in ihre Welt zu kehren, außerdem wäre sie niemals auf die Idee gekommen, Agnes alleine hier zurückzulassen. Und sie hatte es bis jetzt nicht bereut. Agnes Großnichte, Jo, hatte das Haus ihrer Tante geerbt. Am Anfang war Rachel sehr kritisch und hielt sich bedeckt. Jo benahm sich zuerst wie ein spät pubertierender Teenager. Aber in kurzer Zeit entwickelte sie sich zu einer erstaunlichen jungen Frau, die es lernte, Verantwortung zu übernehmen und ihre Position im Leben gefunden hatte. Ihr Zusammenleben funktionierte bestens und in Hendrik hatte sie den Mann gefunden, mit dem sie an eine gemeinsame Zukunft denken konnte. Wenn auch ihre Zukunftsszenarien unterschiedlicher nicht sein konnten. Hendrik träumte immer noch von seinem Dasein als Bauer und arbeitete sehr hart dafür. Jo dagegen war eine gute Reporterin mit dem gewissen Spürsinn für ungewöhnliche Ereignisse. Selbst mit dem besten Willen und Vorstellungsvermögen war Rachel nicht in der Lage, sich Jo als treue Gattin mit Kopftuch und Gummistiefeln vorzustellen. Ganz im Gegenteil. Hendrik ließ einmal den Spruch verlauten, wenn Pflanzen Füße hätten, würden sie rennen sobald Jo auch nur in die Nähe kommt. Mit derlei Gedanken saß sie am Computer und biss herzhaft in ihr Marmeladenbrot. Nach so vielen Jahren war sie zum ersten Mal bei Bäcker Wittkämper in der kleinen Stadt und hat das phantastische Roggenbrot erworben, das sonst nur Agnes besorgen konnte. Was für ein Erlebnis! Einfach dort zu sitzen und inmitten der Menschen eine heiße Schokolade zu schlürfen. Rachel konnte nicht genug davon bekommen. Seit sie hier auf der Erde war, musste sie sich bedeckt halten. Aber dank eines genialen Schachzuges am Computer von Jo verfügte sie über „echte“ Papiere aus Amerika. Man hatte ihr auf dem Amt sogar eine eventuelle Einbürgerung in Aussicht gestellt. Rachel war schon klar, dass der jüdische Name dabei eine vornehmliche Rolle spielte.
Rachel Steingrün war der Name einer verstorbenen Frau, deren Identität sie in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts angenommen hatte. Sie hatte keine Ahnung was die wahre Todesursache von Rachel Steingrün war. Die Todesanzeige in der damaligen Zeitung mit einem Foto von Frau Steingrün brachte Agnes auf die Idee.
„Auf den ersten Blick sieht sie dir ähnlich. Es wäre eine Chance für dich eine Identität zu „stehlen“. Wir müssen es zumindest probieren!“
Heimlich besuchte sie die Wohnung der Verstorbenen. Agnes wartete nervös in einem der damals noch zahlreichen Cafés. Einer Nachbarin konnte sie ziemlich glaubhaft versichern, dass sie die Schwester der Verblichenen war.
„Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Gehen sie nur hinein.“
Sie durchsuchte die Wohnung und nahm die persönlichen Dokumente von Rachel Steingrün mit. Die Nachbarin hatte draußen im Flur gewartet.
„Sie wissen woran ihre Schwester gestorben ist?“
Rachel nickte zaghaft. In Wahrheit hatte sie nicht die geringste Ahnung.
„Man macht Jagd auf Menschen wie sie! Einfach nur weil sie da sind. Gehen sie jetzt! Wenn es ihnen irgendwie möglich, ist tauchen sie unter, verlassen sie dieses schreckliche Land! Lassen sich hier nie wieder sehen!“
Ohne richtige Papiere war es nahezu unmöglich, zur Zeit des zweiten Weltkrieges, irgendwo in Frieden zu leben. Nach dem dramatischen Verrat von Agnes Vater, blieb ihnen nur noch übrig die Flucht aus Europa zu ergreifen. Mit der gestohlenen Identität von Rachel Steingrün konnte sie wenigstens mit Agnes nach Amerika auswandern. Nach Jahren in Massachusetts und anderen Städten, in denen sie ihr Studium abschlossen und promovierten, verließen sie in den fünfziger Jahren die Vereinigen Staaten. Unmögliche Doktrinen und regelrechte Hexenjagden auf die beiden Frauen, zur Zeit der McCarthy Ära, machte das Leben in Amerika nahezu unmöglich, und sie kehrten nach Deutschland zurück. Aber Rachel musste sich viele Jahrzehnte immer im Verborgenen halten, weil sich ihr Äußeres nicht veränderte. Auf der Erde verlief ihr Stoffwechsel extrem langsam. Es war ihr und Agnes leider nicht möglich, die Papiere von der „echten“ Rachel Steingrün sozusagen zu „aktualisieren“. Ohne Ausweis war man bis zum heutigen Tage ein Niemand. Nur die rückhaltlose Liebe von Agnes machte es möglich, dieses Leben auszuhalten. Aber ihre Liebe schweißte sie zusammen und sie führten in diesem verlassenen Landstrich ein zufriedenes stilles, zurückgezogenes Leben. Sie hatten sich für dieses alte Haus entschieden weil unweit davon hinter den „heiligen Tannen“ das Raumfahrzeug havarierte. Das Raumschiff oder vielmehr die Raumkapsel, hatte sich tief in die Erde gebohrt und war bis zum heutigen Tage noch von keinem entdeckt worden. Rachel lag viel daran, dass das auch so blieb. Selbst Hendrik hatte von ihrer wahren Identität nicht die leiseste Ahnung.
Agnes konnte sehr gut mit Geld und Zahlen umgehen und erwirtschaftete sich zusammen mit Rachel ein beachtliches Vermögen. Sie legte einen Teil des Geldes in Grundstücke und Bauernhöfe, die sie über eine Stiftung günstig an Bauern verpachtete, an. Und nun hatte Jo alles geerbt weil Rachel offiziell nicht existierte. Rachel hatte sich auf Grund dieser Regelung nicht besonders wohl gefühlt. Sie fühlte sich weiterhin abhängig und hatte Angst vor der ersten Begegnung. Aber Agnes war sich absolut sicher, genau das richtige zu tun.
„Ich habe mich noch nie geirrt. Du wirst sehen, dass die Kleine ein fester Bestandteil in deinem Leben wird. Im Gegensatz zu ihrer Familie hat sie Charakter und weicht keinen Zentimeter davon ab. Ich habe sie im Studium finanziell unterstützt. Aber Jo hat nie erfahren wer sie unterstützt, damit sie immer frei in ihren Entscheidungen sein kann. Später, irgendwann kannst du ihr die Wahrheit sagen. Du fühlst wann die Zeit gekommen ist.“
Die erste Zeit war sehr schwierig und Rachel wagte es nicht, sich Jo in ihrer wahren Gestalt zu zeigen. Stattdessen trat sie ihm als Mann gegenüber, der noch mit Einverständnis der Tante als Flüchtling im Haus lebte. Nach einiger Zeit mit vielen Turbulenzen wurde Rachel klar, dass Agnes, was Jo anging, Recht behalten sollte. Stück für Stück kamen sie sich näher und es entstand eine tiefe, feste, unverbrüchliche Freundschaft. Aber Jo liebte ihren Job und überließ die Finanzen alleine Rachel regeln. Das letzte Jahr hatte gezeigt, dass sie Freundinnen für das ganze Leben waren, und niemand würde daran etwas ändern können. Und wenn ihre Papiere wirklich „sattelfest“ waren, würde sich Jo darum kümmern, dass Rachel das Erbe von Agnes bekam, das ihr zustand.
Rachel beendete ihre Arbeit am Computer und wollte noch etwas im Garten arbeiten. Ein Wagen hinter den drei Tannen erweckte ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht ein Freund? Hauptwachmeister Knöbel, von der örtlichen Polizeibehörde, kam des Öfteren zu Besuch und so mancher Abend wurde nur gelacht, geredet und so manche Flasche Wein ausgetrunken. Aber das Geräusch dieses Wagens kam ihr fremd vor. Vorsorglich ging sie zurück in die Küche und wartete. Ein Wagen mit Wiesbadener Nummer fuhr in den Hof ein. Rachel war sich absolut sicher, dass sich niemand von ihrem Bekanntenkreis aus Wiesbaden befand. Sie wählte Jos Nummer.
„Sag mal, kennst du Leute aus Wiesbaden? Da fährt gerade ein Wagen mit zwei Männern drin und Wiesbadener Kennzeichen auf den Hof.“
„Nein. Kenne ich nicht. Bleib einfach im Haus bis ich wieder da bin. Sollen sie doch einen Zettel hinterlassen, wenn es wichtig ist. Ich stehe hier auf der Landstraße, die zu dem neuen Industriegebiet führt, und drei Wagen haben probiert wie es wäre, huckepack zu fahren.“
„Aber dir ist hoffentlich nichts passiert.“
„Aber nein.“
„Bis heute Abend dann.“
„Was gibt es zu essen?“
„Was hältst du von Bratkartoffeln und dem ersten Pflücksalat aus dem Garten. Dazu Spiegeleier und als Dessert frisch gebackenen Rhabarberkuchen.“
„Genial! Weiß Hendrik schon was es zu essen gibt?“
„Natürlich!“
Die Männer stiegen aus.
„Sind sie sicher, dass das hier die richtige Adresse ist?“
„Laut Navi ist es das einzige Haus bei den drei Tannen. Wir können es also nicht verfehlen.“
Einer der Männer sprach mit einem amerikanischen Akzent. Sie standen jetzt genau vor der Tür. Badman lag träge auf der Bank. Aber seine Augen waren flink. Er setzte sich aufrecht hin, um so zu zeigen, wer hier der Herr auf dem Hof ist. Einer der Männer ging auf die Tür zu. Das passte Badman nicht. Er stand auf und ging hoheitsvoll auf den Eingang zu und sprang auf die Fensterbank.
„Weißt du ob dein Frauchen Zuhause ist?“
Badman fixierte die Männer mit seinen grünen Augen. Der erste Eindruck war immer entscheidend. Er mochte sie ganz und gar nicht. Seine Ohren waren nach hinten verdreht. Ein Mann betätigte die Türglocke. Rachel stand hinter der Tür und wagte nicht zu atmen.
Badman spürte die Angst von Rachel. Er fauchte die Männer an und setzte einen Schlag mit der Pfote hinterher. Erschrocken wich der Mann von der Türglocke zurück.
„Warum sind wir hier? Was wirft man Frau Steingrün eigentlich vor? So ganz verstanden habe ich das noch immer nicht.“
„Das wird sich noch herausstellen“, antwortete der Mann mit dem amerikanischen Akzent. „Ihre Ausreise aus Amerika war sehr beachtlich. Als sie in dem Flugzeug gesessen hat, dass die vereinigten Staaten nach Europa verlassen hat, war sie zweiunddreißig Jahre alt. Aber in Amerika sind Spuren von Rachel Steingrün zu finden, die weit über achtzig Jahre alt sind. Das ist schon merkwürdig. Finden sie nicht?“
„Glauben sie, dass sie eine kriminelle Vergangenheit hat?“
„Wir werden es herausfinden. Mir ist noch niemand entkommen. Die CIA will wissen, wer diese Person ist. Und sie sollten auch daran interessiert sein, wer sich in ihrem Land befindet.“
*
Jo war sehr aufgeregt. Der Professor hatte ihr in Aussicht gestellt, dass sie die Exklusivrechte bekommen sollte, wenn das Gremium der Universität damit einverstanden war. Das wäre etwas völlig neues in ihrer noch jungen Laufbahn als Reporterin. Wie üblich blieb sie noch eine Weile auf dem Parkplatz vor dem Rathaus stehen und verfasste den ersten Artikel. Zuhause würde sie ihn nachlesen, korrigieren und umgehend an die Redaktion schicken. So konnte er heute Abend noch Online gehen. Sie wählte die Nummer von Goldfischer.
„Wer möchte jetzt meinen Papa sprechen? Und das ausgerechnet, wenn wir zusammen am Fernseher sitzen. Und es ist gerade so schrecklich spannend.“
„Jo ist hier, Anna. Habe ich was verpasst? Was seht ihr euch denn an?“
„Das Urmel aus dem Eis.“
„Das kann ich allerdings gut verstehen, Anna.“
„Das Urmel sitzt auf eine Eisscholle mitten auf dem Meer. Das ist wahnsinnig gefährlich.“
„Da stimme ich dir voll zu. Was da alles passieren kann!“
„Möchtest du zu uns kommen? Papa und Mama haben bestimmt nichts dagegen.“
„Ich glaube das geht heute nicht, weil ich noch etwas arbeiten muss. Aber vielleicht ein anderes Mal.“
„So spät noch? Sprich mit „Apfelpfannkuchen“. Sie wird ein gutes Wort bei meinem Vater für dich einlegen und dich daran erinnern, dass du uns besuchen sollst. Aber du darfst nicht lügen. Ich telefoniere jeden Tag mit ihr und sie erzählt mir alles.“
„Niemals käme ich auf die Idee „Apfelpfannkuchen“ anzulügen! Niemals! Das verspreche ich hoch und heilig.“
Plötzlich waren Geräusche zu hören. Das Telefon wurde unsanft auf den Tisch gelegt.
„Papa!!! Jo ist am Telefon. Darf sie mit uns das Urmel gucken? Du bist doch ihr Chef und kannst sagen, dass sie nicht mehr arbeiten muss. Sonst muss „Apfelpfannkuchen“ sich darum kümmern.“
Jo musste grinsen. Sie fand es als nette Vorstellung, mit der Familie ihres Chefs gemeinsam vor dem Fernseher zu hocken, und sich das „Urmel aus dem Eis“ reinzuziehen.
„Frau Wenkert? Entschuldigen sie bitte, dass ich nicht rechtzeitig am Telefon war.“
„Das geht schon in Ordnung, Herr Goldfischer. Ich wäre auch ungern aufgestanden, wenn das Urmel gerade auf der Eisscholle schwimmt.“
„Dankeschön für ihr Verständnis. Aber sie haben bestimmt einen gewichtigen Grund, warum sie mich Zuhause anrufen weil das doch eigentlich nicht ihr Ding ist.“
„Das entspricht der Wahrheit. Aber absolut mein Ding ist, dass wir sehr gute Aussichten haben, ganz alleine über die Ausgrabungen berichten zu dürfen. Davon wollte ich sie nur unterrichten. Und jetzt können sie weiterhin die Abenteuer mit dem Urmel verfolgen...ach ja, noch etwas, ein Spendenaufruf, damit die archäologischen Arbeiten fortgesetzt werden können, wäre ziemlich hilfreich.“
„Das wäre grandios! Ich bin natürlich für den Spendenaufruf. Aber was ist dann mit unserem objektiven Status? Ergreifen wir hier nicht zu sehr Partei?“