John Sinclair 2026 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2026 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Horror-Clowns!

Im vergangenen Jahr hatten sie vor allem in den USA für Aufsehen gesorgt. Da verkleideten sich Menschen als Clowns und erschreckten unschuldige Passanten. Manche verfolgten ihre Opfer auch und verletzten sie sogar!

Sehr bald war diese morbide Art des Zeitvertreibs auch nach Europa herübergeschwappt. Und nachdem man länger nichts mehr von ihnen gehört hatte, schien es bei uns wieder so weit zu sein. Mehrere Horror-Clowns wurden in Claughton gesichtet.

Doch dort waren die Clowns anders ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Höllenclown

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/serpeblu

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4695-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Höllenclown

von Ian Rolf Hill

Allein bei dem Anblick schüttelte sich Esther Croydon. Die Vorstellung, jetzt dort hinauszugehen, in die Dunkelheit und den strömenden Regen, widerstrebte ihr zutiefst. Doch es half alles nichts, schließlich wartete ihr Mann Harold auf sie. Und sie hatte es ja auch nicht wirklich weit bis nach Hause. Fünf Minuten Fußweg, vielleicht sieben bei diesem Sauwetter.

Ephraim, der Inhaber des kleinen Hotels Fenwick Arms in Claughton, hatte ihr sogar angeboten, die Nacht im Hotel zu verbringen, doch Esther hatte abgelehnt.

Wenn es nur nicht so dunkel gewesen wäre! Bis auf das Scheinwerferlicht der vorbeirasenden Autos gab es entlang der A683 keinerlei Straßenbeleuchtung, und selbst der Mond versteckte sich hinter dichten Regenwolken.

Esther seufzte, schlug den Kragen ihres Mantels hoch, öffnete den Regenschirm und trat hinaus in die kalte, finstere Nacht …

Viel war zu dieser Zeit nicht mehr in der Schankstube des kleinen, rustikalen Hotels am Rand der Schnellstraße los gewesen. Die letzten Zecher waren kurz nach Mitternacht in ihren Betten verschwunden. Es waren Trucker, die am nächsten Morgen wieder früh aus den Federn mussten und sich lediglich einen kleinen Schlummertrunk gegönnt und anschließend ein wenig verquatscht hatten.

Ephraim hielt es mit den Öffnungszeiten flexibel. Die Erfahrung zeigte, dass nach Mitternacht keine neuen Gäste zu erwarten waren, und er hatte Esther daher angeboten heute ein wenig früher Schluss zu machen. Das passte ihr gut, vor allem da sie wusste, dass Harold nicht eher ins Bett ging, als dass sie wohlbehalten zu Hause war. Sie hätte ihn auch anrufen können, damit er sie abholte, doch dann wäre sie sich selbst lächerlich vorgekommen. Außerdem half ihr der kurze Spaziergang durch die kühle Nachtluft, die nötige Bettschwere zu erlangen.

Heute war sie in Versuchung geraten, Harold aufzuscheuchen, damit er sie abholte und sie nicht durch den Regen musste, doch andererseits war sie ja nicht aus Zucker. Und so ging sie tapfer weiter, blieb aber jedes Mal stehen, wenn sie von hinten ein Auto nahen hörte. Beide Male, als dies geschah, trat sie zur Seite. Sie wusste ja nie, wer da angerauscht kam und ob der Fahrer sie in der Dunkelheit rechtzeitig bemerkte. Er brauchte nur müde und unaufmerksam sein, kurz am Steuer einnicken und von der Straße abkommen, dann würde der Wagen sie erfassen.

Das war das Einzige, vor dem sich Esther fürchtete, im Gegensatz zu ihrem Mann Harold, der nicht müde wurde, zu postulieren, was für kranke Menschen auf der Welt herumliefen. Serienkiller, Triebtäter, Stalker und was für Verrückte sich sonst noch so in der Nacht herumtrieben.

Vergangenen Herbst hatten sich einige Irre in den Staaten als Clowns verkleidet und vor allem abends, aber auch nachts und am frühen Morgen, harmlose Passanten erschreckt, verfolgt und angeblich sogar verletzt. Diese morbide Art des Zeitvertreibs hatte auf erschreckende Weise Schule gemacht und war schließlich sogar nach Europa herübergeschwappt. Nicht so extrem wie in den USA, aber dennoch derart bemerkenswert, dass die Polizei entsprechend reagierte, und in Deutschland gar null Toleranz gegenüber den Horror-Clowns gefordert wurde.

Aber auch hier in England nahm man das Phänomen durchaus ernst, zumal es immer wieder Vorfälle gab, in denen Clowns Kindern nach der Schule auflauerten. Und es waren keine freundlichen Zeitgenossen, denn die Masken waren alles andere als lustig oder fröhlich. Auch nicht traurig wie der legendäre Bajazzo, der seinen Kummer hinter einer Maske des Lachens verbarg.

Nein, die Clowns, die in Großbritannien Kindern auflauerten und seit vergangenem Herbst zu einem besorgniserregenden Massenphänomen zu werden drohten, hatten schreckliche Horror-Fratzen mit überdimensionierten Reißzähnen, zerschnittenen Gesichtern, bedrohlich funkelnden Augen und aufs Grässlichste verzerrt.

Esther schüttelte sich und bekam allein bei dem Gedanken an diese widerlichen Gestalten eine Gänsehaut. Aber warum sollte irgendein fehlgeleiteter Kerl mit mangelndem Selbstbewusstsein sich mitten im strömenden Regen an eine unbeleuchtete Straße stellen? Für welches Publikum? Immerhin konnte er ja nicht ahnen, dass Esther um diese Zeit hier langgehen würde. Andererseits war es solchen Verrückten auch zuzutrauen, dass sie harmlose Autofahrer erschrecken wollten, was natürlich immens gefährlich war. Wie schnell konnte ein Auto dabei vom Weg abkommen?

Und da war wieder Esthers Angst vor einem Unfall. Unwillkürlich warf sie einen Blick über die Schulter zurück. Die Lichter des Fenwick Arms verschwammen hinter dem Schleier aus Regen, der heftig gegen den gespannten Plastikstoff des Schirms prasselte und klopfte. In der Ferne näherte sich ein weiteres Fahrzeug, doch Esther hatte bereits den von der Schnellstraße abführenden Weg Richtung Claughton erreicht.

Keine fünfzig Meter vor ihr blinkten vereinzelt die Lichter der Häuser. Dort waren Menschen, die ebenfalls noch nicht den Weg ins Bett gefunden hatten. Wenn Esther nicht alles täuschte, gehörte eines der Lichter sogar zu ihrem Haus. Klar, Harold würde noch vor der Glotze sitzen.

Esther beschleunigte ihre Schritte und erreichte den Ortseingang von Claughton. Die Croydons lebten in der Mitte des Orts, hinter der Schule und nahe der Kirche, wo sie einen kleinen Hof bewirtschafteten, den Harold zugleich als Werkstatt nutzte, denn er verdiente ihren Lebensunterhalt als Landmaschinenmechaniker.

Ein schrilles Kichern hinter Esther ließ die Frau auf der Stelle herumfahren.

Sie erschrak bis ins Mark und fühlte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich.

Niemand war zu sehen.

»Ist da jemand? Hallo?«, rief sie in die Dunkelheit.

Was sollte das? War ihr vielleicht einer der Trucker gefolgt? Einer von ihnen hatte ein wenig mit ihr geflirtet, der andere sie bloß angestarrt, beziehungsweise ihre Brüste, die unter der Bluse aber lediglich zu erahnen waren. Trotzdem waren es harmlose Gesellen gewesen, kaum anzunehmen, dass sie einer Frau in mittleren Jahren durch den strömenden Regen nachstellten.

Harold meinte, sie solle ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen und ihre Wirkung auf Männer nicht unterschätzen. Esther schüttelte den Kopf und wandte sich wieder um, um ihren Weg fortzusetzen, als sie einen Schatten vor sich in der Dunkelheit stehen sah. Zehn, fünfzehn Meter vor ihr. Der schwache Schein aus den Fenstern der umliegenden Häuser sorgte für ein Restlicht, und Esthers Augen hatten sich so weit an die Dunkelheit gewöhnt, sodass sie zumindest die Umrisse der Gestalt sehen konnte.

Es war ein Mensch. Ein kahlköpfiger Mann möglicherweise. Esther schluckte, als sie sah, dass sein rechter Arm länger war als der linke.

Er hielt etwas in der Hand, das leicht glänzte.

Ein Schwert oder eine Machete.

Esthers Mund wurde trocken, und sie fühlte ein Kratzen in der Kehle, die sich ihr regelrecht zuschnürte. Ein schwerer Klumpen lag in ihrem Magen und verursachte ein drückendes Gefühl der Übelkeit.

»B …bitte, wer ist da? Wer sind Sie?«

Esther wäre am liebsten weggerannt, doch wohin hätte sie laufen sollen? War das Kichern nicht eben hinter ihr erschienen? Vielleicht waren es mehrere, die hinter ihr her waren? Also doch die Trucker?

Die Angst umklammerte ihr Herz wie eine eisige Klaue. Ihre Unterlippe bebte. Der Schemen vor ihr antwortete nicht und bewegte sich auch nicht von der Stelle.

Esther blieb stehen und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte doch nicht die ganze Nacht hier draußen im Regen verbringen. Harold würde sie frühestens in einer halben Stunde erwarten, doch meistens kam sie nicht vor zwei Uhr nachts nach Hause, und jetzt war es nicht einmal ein Uhr.

Vielleicht konnte sie Chopper rufen, aber der Hund würde das Gatter des Tores ohnehin nicht überwinden können …

Plötzlich war der Schatten vor ihr verschwunden. Esther blinzelte überrascht und wusste im ersten Moment nicht, wie ihr geschah. Hatte sie sich getäuscht? Hatte ihr ihre Angst einen Streich gespielt? Gut möglich, dass ihre Gedanken an Horror-Clowns dafür gesorgt hatten, dass ihr die Fantasie etwas vorgaukelte, was gar nicht dagewesen war.

Überlaut vernahm sie wieder das Klopfen des Regens auf dem Schirm und das Rauschen und Plätschern, mit dem das Wasser auf die Straße und die Hausdächer prasselte. Sie zitterte vor Kälte.

Oder war es immer noch die Angst?

Ohne sich umzublicken, rannte sie wie von Furien gehetzt die letzten Meter zu ihrem Haus. Waren da nicht Schritte in ihrem Rücken, die sich ihr näherten?

Esther schrie und wimmerte und rannte noch schneller. Die letzten Meter vor dem Tor des Hofes schleuderte sie den Regenschirm einfach beiseite. Das Tor war nicht abgeschlossen. Sie brauchte nur den Knauf zu drehen, damit es aufschwang. Esther schluchzte, als ihre Hand von dem kalten Metall abrutschte. Die Schritte kamen näher. Endlich schaffte sie es, das Tor zu öffnen. Es schwang auf, und sie stolperte in den Hof, warf das schmiedeeiserne Gatter wieder ins Schloss und taumelte zurück, die Augen vor Schreck geweitet.

Niemand war zu sehen.

Kein Wahnsinniger, der mit einem Schlachtermesser hinter ihr in der Dunkelheit lauerte.

Esther rieselte es eiskalt den Rücken hinunter.

Warum war Chopper so still? Wieso kam er nicht längst, um sie zu begrüßen?

Der Regen fiel ungehindert auf sie hinab, durchnässte binnen weniger Sekunden ihre Kleidung und sorgte dafür, dass sie am ganzen Leib schlotterte.

Esther weinte. Die vor Angst aufgerissenen Augen auf die Straße hinter das Tor gerichtet, trat sie zwei unsichere Schritte nach hinten, ehe sie sich umdrehte, und auf die Eingangstür zuging. Der Bewegungsmelder schaltete die Lampe darüber an, und ihr Schein fiel direkt auf den teuflisch grinsenden Clown, der vor der Tür stand und den Arm mit der glänzenden Machete hob.

***

»Grauenhaft, was der armen Esther gestern passiert ist!«

Neugierig hob Janine Helder den Kopf und verharrte mitten in der Bewegung. Sie war gerade dabei ihren wöchentlichen Einkauf zu verrichten, und wollte auch ihrem neuen Mitbewohner Horace eine kleine Köstlichkeit mitbringen. Daher stand sie mit ihrem Einkaufswagen gerade vor dem Regal mit dem Tierfutter, als sie hörte, wie sich Helen Dougherty und Mirren McLaughin lautstark unterhielten.

Falls jemand den neuesten Tratsch wusste, dann sicherlich eine dieser beiden Klatschbasen, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun hatten, als sich über ihre Mitmenschen das Maul zu zerreißen. Gegen diese beiden Hühner war Maggie Carson, das reinste Unschuldslamm gewesen. Janine verspürte einen kleinen Stich in Höhe des Herzens, als sie an ihre verstorbene Bekannte dachte. Ein schwerer Druck lastete mit einem Mal auf ihren Schultern, und ihre Kehle schnürte sich zu. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie sich in diesen Momenten nicht bewegen können.

Daher hörte sie wie sich die beiden Frauen weiter unterhielten.

»Es heißt, sie hätte geschrien und getobt, als ihr Mann sie ins Haus holen wollte«, wusste Mirren zu berichten. »Wie toll soll sie sich gebärdet haben. Angeblich war von einem Clown die Rede, der ihr aufgelauert und sie angegriffen habe.«

»Ja, einer dieser Horror-Clowns. Nur dass Harold ihn nicht gesehen hat. Esther war vom Regen durchnässt und schien völlig aus dem Häuschen. Sie ist gestürzt und hat sich sogar den Kopf angeschlagen. Sie ist noch in der Nacht ins Krankenhaus gebracht worden. Sie hat sogar versucht, Harold zu treten und zu schlagen.«

»Woher weißt du das denn?«, fragte Mirren.

»Na, ich habe nachgeschaut, was dachtest du denn? Bin doch von dem Gezeter wach geworden.«

»Schon wieder jemand, der angeblich einen dieser Grusel-Clowns gesehen haben will. Fürchterlich. Die ganze Welt dreht durch. Als ob dieses Dorf nicht schon genug durchmachen musste.«

»Ja, ganz recht«, erwiderte Helen. »Ein Wunder, dass die Helder noch keinen dieser Clowns gesehen hat. Die zieht doch sonst immer diese Gestalten an wie die Motten das Licht.«

»Ist schon komisch, dass sie als Einzige diese Tragödie auf dem Schloss unbeschadet überstanden hat, findest du nicht?« Mirren senkte die Stimme zu einem Wispern, doch trotzdem hörte Janine jedes Wort und spürte, wie die Wut in ihr aufkam. Das Blut stieg ihr in den Kopf, und ihr Herz begann heftig zu pochen.

»Wer weiß, vielleicht kommen diese Clowns sogar von der alten Ruine. Ich sage dir, da geht es nicht mit rechten Dingen zu. Und die Helder steckt mit drin. Man sollte …«

Ruckartig schob Janine den Einkaufswagen um das Warenregal in die nächste Reihe. Helen und Mirren fuhren zusammen und erbleichten unisono, als sie den strengen Blick der Frau, über die sie gerade im Begriff waren herzuziehen, auf sich gerichtet sahen.

»Was sollte man, Helen?«, fragte Janine mit eisiger Stimme.

»Äh, nichts … ich meine … es ist schrecklich, was dort oben auf dem Schloss geschah, und …«

»Ja? Was geschah denn dort? Kannst du mir das sagen?«

»Na ja, es ist … dort sind Menschen umgekommen, ermordet worden, meine ich … und du …«

»Und ich … was? Willst du sagen, ich hatte damit etwas zu tun?«

Janine schämte sich beinahe dafür, dass sie Genugtuung spürte, als sie sah wie sich Helen und Mirren wanden und noch blasser wurden, was sie nicht für möglich gehalten hätte.

»Nein. Nein auf keinen Fall.« Helen schüttelte den Kopf. »Aber du warst dabei, und …«

»Richtig, Helen. Ich war dabei. Ich wäre fast selbst getötet worden. Du dagegen hast bis heute keinen Fuß in die Schlossruine gesetzt. Du schnappst nur gierig nach jedem Gerücht, damit du dir nach Herzenslaune das Maul darüber zerreißen kannst. Und zwar über Dinge, von denen du nicht den blassesten Schimmer hast.«

Helen schnappte nach Luft und lief puterrot an. Sie plusterte sich regelrecht auf, doch bevor sie eine Antwort geben konnte, ging Janine weiter und ließ die beiden Läster-Schwestern einfach stehen. Obwohl sie mit ihrem Einkauf noch nicht fertig war, schob sie den Wagen zur Kasse. Ihr war die Lust vergangen und sie wollte so schnell wie möglich nach Hause. Katzenfutter, Kaffee, Milch, Eier und Brot hatte sie wenigstens schon zusammen, sodass sie erst einmal versorgt war. Den Rest würde sie an einem anderen Tag besorgen.

Clark, der Kassierer und Sohn des Besitzers, sah sie mitleidig an. »Es tut mir leid, Miss Helder. Ich habe gehört, was die beiden Weiber da gesagt haben. Ich … geben Sie nichts drauf, wollte ich nur sagen.«

Janine lud ihren Einkauf auf das kurze Band und rang sich ein Lächeln ab, obwohl ihr beileibe nicht danach zumute war. »Schon gut. Die Ereignisse letztes Jahr haben die Menschen ganz schön durcheinandergebracht. Jeder geht eben anders mit seiner Angst um.«

Clark schüttelte den Kopf und begann, die Waren über den Scanner zu ziehen. »Trotzdem haben sie nicht das Recht, so über andere zu urteilen. Aber zumindest haben Sie es ihnen gezeigt. Gott, wie mir dieses spießbürgerliche Kaff auf die Ei … äh, auf den Keks geht.«

Der schlaksige Teenager biss sich auf die Lippe und lief rot an, doch Janine konnte angesichts seines Beinahe-Versprechers aber immerhin ehrlich grinsen.

»So schlimm ist es auch wieder nicht«, versuchte sie ihn zu besänftigen. »Es gibt auch nette Menschen, die füreinander da sind. Die Anonymität der Großstadt, in der sich niemand für den anderen interessiert, ist doch auch nicht das Wahre.« Janine öffnete ihre Handtasche und kramte einen Leinenbeutel hervor, in dem sie die Einkäufe verstaute. Sie stellte die gefüllte Tragetasche in den Einkaufswagen und holte das Portemonnaie heraus.

»Mag sein«, erwiderte Clark. »Trotzdem bin ich froh, wenn ich bald hier wegkomme.« Er nannte Janine noch den zu zahlenden Betrag und riss den Kassenbon ab. Bevor sie die Summe beglich, hob sie überrascht den Kopf. »Du willst weg?«

Er nickte. »Nach London. Ich will dort BWL studieren.«

»Und danach den Laden deines Vaters übernehmen?«

Clark verzog das Gesicht. »Nur wenn sich nichts Besseres finden lässt.«

Janines Grinsen wurde breiter. »Lass ihn das nur nicht hören. Aber meinen Segen hast du.«

Clark erwiderte das Lächeln. »Danke, Miss Helder. Aber mit einem haben die beiden Puten schon recht«, fügte er hinzu, nachdem er das Geld entgegengenommen hatte. »Was der armen Esther Croydon passiert ist, ist ganz schön schlimm. Es stimmt, dass sie angeblich einen Horror-Clown gesehen hat. Zumindest hat Harold das Dad erzählt. Und ich dachte, wenigstens dieser Irrsinn bleibt uns erspart.« Als er merkte, dass man seine Worte auch als dezente Anspielung auf Janines Abenteuer im Zombieschloss, bei dem drei Menschen aus dem Dorf auf schreckliche Art und Weise ums Leben gekommen waren1), auslegen konnte, wurde er abermals sichtlich verlegen.

»E …es tut mir leid, Miss Helder. Ich wollte nicht …«

Schnell winkte Janine ab. »Schon gut, Clark. Ich verstehe, was du meinst. Aber dieser Hype wird ebenso schnell vorübergehen wie er angefangen hat. Manche Menschen haben so wenig von ihrem Leben, dass sie sich über andere das Maul zerreißen müssen, und andere setzen sich eben Clowns-Masken auf und erschrecken harmlose Mitmenschen. Man darf solchen Leuten einfach nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken.«

Clark gluckste, verstummte dann aber schnell, als Helen und Mirren auftauchten. Janine verabschiedete sich von dem Teenager, nicht ohne ihm zuvor aufzutragen, seinem Vater schöne Grüße auszurichten. Dann nahm sie den Leinenbeutel aus dem Einkaufswagen und schob diesen in die Reihe der anderen, die neben dem Ausgang an der Wand aufgereiht standen. Viele Wagen brauchte Clarks Vater für einen kleinen Ort wie Claughton ohnehin nicht bereitzustellen. Die meisten Einwohner kamen mit eigenen Einkaufskörben.

Draußen vor dem kleinen Supermarkt empfing Janine eine strahlende Frühlingssonne, die schon kräftig vom Himmel schien und die Pfützen, die der gestrige, nächtliche Regen auf den Gehwegen und Straßen hinterlassen hatte, zum Glänzen brachte.

In den Vorgärten blühten schon die ersten Maiglöckchen und Narzissen. Der Winter war endgültig vorbei, und endlich schien auch der langanhaltende Regen vorbei zu sein. Alle Zeichen sprachen dafür, dass es ein wunderschöner Frühling werden würde, in dem auch Janines verwilderter Garten mit dem kleinen Teich in allen Farben des Spektrums leuchten würde. Ein Paradies für Insekten, Mäuse und Vögel, an dem auch Horace seinen Spaß haben würde, da war sich die ältere Frau sicher.

Doch warum fühlte sie sich dann so schwermütig und ausgelaugt?

Lag es nur an dem Gespött der beiden Klatschbasen?

Oder vielmehr an dem Schicksal der armen Esther?