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Als der späte Besucher kurz vor Feierabend in unser Büro schneite, ahnte ich noch nicht, dass dies der Beginn eines Falls war, der mich buchstäblich in die Hölle führen würde.
"Mein Name ist William Thompson", stellte er sich vor. "Und ich habe einen Anruf meines Vaters erhalten."
"Und weiter?", fragte ich.
Thompson wirkte verlegen und auch ein wenig irritiert. "Sir, mein Vater heißt Hank Thompson und war der Wirt des Highland Inn in Peelham. Er flehte mich an, Sie zu informieren. Die Einwohner von Peelham benötigen Ihre Hilfe." Dann zögerte er kurz, bevor er fortfuhr: "Beelzebub braucht Ihre Hilfe!"
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Verschollen in der Todeszone
Briefe aus der Gruft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5418-8
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
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Verschollen in der Todeszone
(1. Teil)
von Ian Rolf Hill
Als der späte Besucher kurz vor Feierabend in unser Büro schneite, ahnte ich noch nicht, dass dies der Beginn eines Falls war, der mich buchstäblich in die Hölle führen würde.
Suko und ich hatten uns den ganzen Tag über durch Papierkram gequält, und ich freute mich bereits auf mein wohlverdientes Feierabendbier, das ich nicht allein zu mir nehmen wollte.
Dass daraus nichts werden würde, sah ich meiner Sekretärin Glenda an der Nasenspitze an, als sie den jungen Mann hereinführte und sich anschließend rasch verabschiedete.
»Mein Name ist William Thompson«, begann unser Besucher das Gespräch. »Und ich habe einen Anruf meines Vaters erhalten.«
»Und weiter?«, fragte ich.
Thompson wirkte verlegen und auch ein wenig irritiert. »Sir, mein Vater heißt Hank Thompson und war der Wirt des Highland Inn in Peelham. Er flehte mich an, Sie zu informieren. Die Einwohner von Peelham benötigen Ihre Hilfe.« Dann zögerte er kurz, bevor er fortfuhr: »Beelzebub braucht Ihre Hilfe!«
In dem leeren Haus war es vollkommen still.
Die Gegend, in der es stand, zählte zu den gehobeneren Stadtteilen Londons. Hier herrschte kein Trubel und entsprechend wenig Verkehr. Ab und zu fuhr ein einzelnes Auto die Straße entlang, die wiederum einige Yards an dem niedrigen Bungalow vorbeiführte, der auf einem weitläufigen Grundstück stand.
Und jetzt, im November, wo es schon früh dunkel wurde, hielt selbst die Natur den Atem an. Keine Vögel, die ihre Lieder sangen, keine Katzen, die sich im Garten balgten. Lediglich ein Hund, der in der Ferne kläffte.
Das Haus wirkte auf den einsamen Mann bedrückend und fremd. Irgendwie tot!
Er hatte sein halbes Leben hier verbracht und hätte diesen Ort eigentlich mit glücklichen Erinnerungen verknüpfen müssen. Es war immerhin sein Zuhause, wo er die schönsten Augenblicke seines Daseins erlebt hatte.
Doch jetzt fehlte diesem Haus etwas, ohne das es ihm kalt und abweisend vorkam.
Die Seele.
Es waren die Bewohner, die sie ihm verliehen hatten und die jetzt nicht mehr da waren. Nur er war übrig geblieben. Allein!
Ein Jahr war es her. Zwölf Monate, die sein Sohn nun schon verschollen und seine Frau tot war.
Tot und begraben.
Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Der einsame Mann konnte darüber nicht einmal zynisch lachen. Wenn dem so war, warum tat es dann immer noch so weh?
Warum schnürte sich die Kehle immer noch zusammen, als läge eine Garrotte um seinen Hals, wenn er auf die leere Seite des Doppelbetts starrte, wo sie einst gelegen hatte?
Warum brannten seine Augen, wenn er an ihr glockenhelles Lachen dachte, das diese Räume so oft erfüllt hatte?
Zärtlich strich Bill Conolly über das Kissen, auf dem noch ein blondes Haar lag. Sheilas Haar!
Stumm rannen die Tränen über seine Wangen, als er es zwischen die Finger nahm. Wie seltsam, wie absurd es sich anfühlte. Wie konnte sie tot sein? Wie konnte ihr Körper in der kalten Erde liegen und verwesen, wenn ihr Haar doch hier auf dem Kissen lag? Roch er nicht gar ihren Duft, den Hauch ihres Parfums, der wie ein Schleier in der Luft hing?
Gleich würde sie ihn zum Essen rufen oder in der Tür erscheinen und ihn liebevoll anblicken, weil er so in Gedanken versunken war und sie nicht gehört hatte.
Mein Gott, wie sehr er sie vermisste.
Warum bin ich hierher zurückgekommen?, fragte er sich. Warum tue ich mir das an?
Ich sollte mir eine Wohnung in der Stadt suchen und das Haus verkaufen. Ich werde ohnehin nicht oft hier sein, nicht solange ich meinen Sohn nicht wiedergefunden habe oder zumindest Gewissheit über sein Schicksal erhalte.
Wie schnell letztendlich alles gegangen war. Wie viele Jahre hatten sie Glück gehabt, hatten dem Fluch der Conollys trotzen können, der sie doch immer wieder einholte und in den Kreislauf des Schreckens zurückriss.
Dann war ihre Glückssträhne abrupt zu Ende gegangen, und binnen einer Minute war sein Leben radikal zerstört worden. Ausgelöscht. Mit Sheilas Tod – in dem Augenblick, in dem ihr Genick mit diesem widerwärtigen Knirschen brach – war seine Seele in tausend Stücke zersprungen und hatte nur noch eine leere Hülle hinterlassen.1)
Monatelang war er durch die schottischen Highlands geirrt, ohne Erinnerung an seine Familie und seine Freunde, lediglich das Abziehbild jenes Mannes, der er einst gewesen war. Bis sich die Amnesie mit einem brutalen Schlag aufgelöst und ihn die grauenhafte Realität wie eine Flutwelle überrollt hatte.
Trost und Fürsprache hatte er im Kloster St. Patrick gefunden, das mittlerweile ebenfalls den Mächten der Finsternis zum Opfer gefallen war.
Doch auch nachdem er die Erinnerung zurückerhalten hatte und er gemeinsam mit seinen Freunden Suko, Kara und Myxin, sowie dem Spuk und dessen Armee den Täufer und die Dunklen Eminenzen angegriffen und besiegt hatte, fand er keine Ruhe.
Im Gegenteil, jetzt endlich konnte er sich mit Leib und Seele der Suche nach seinem Sohn Johnny widmen. Nur leider ohne Erfolg. Am vielversprechendsten war die Spur im Mariannengraben gewesen, über elftausend Yards in der Tiefsee. Doch außer einem zornigen Haigott hatte er nichts gefunden.
Dann kam die Rückkehr nach London, wo er sich mit seinem Freund John Sinclair ausgesprochen und die alte Freundschaft gefestigt hatte.
Auch am heutigen Abend wollten sie reden. Sobald John Feierabend hatte, würden sie gemeinsam um die Häuser ziehen. Ob sie dann allerdings hierher zurückkehrten oder sich am Ende doch lieber in Johns kleinem Appartement den letzten Absacker gönnten, wusste er noch nicht. Vielleicht war es besser, auf der Couch seines besten Freundes zu schlafen als in diesem kalten, leeren Bett, an dem noch schwach der Duft seiner toten Frau haftete.
Waren da nicht ihre Schritte draußen im Flur?
Bill hob ruckartig den Kopf, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und trocknete die Tränen. Er hatte sich das Geräusch doch nicht eingebildet.
War jemand ins Haus eingestiegen, während er fort war?
Er hatte schon darüber gelesen, dass es Menschen gab, für die es eine Art Hobby war oder den puren Nervenkitzel bedeutete, in leer stehende Häuser, deren Bewohner verreist waren, einzusteigen und dort zu wohnen. In der Regel wurde nichts gestohlen. Auch nicht beschädigt oder verwüstet. Die ungebetenen Housesitter lebten für ein paar Tage einfach ein anderes Leben.
Auf Kosten der eigentlichen Besitzer wohlgemerkt.
Leise stand Bill auf, und seine Hand wanderte automatisch zum Griff der Beretta, die sein ständiger Begleiter geworden war. Als Freund eines Geisterjägers musste er schließlich auch mit einer anderen Möglichkeit rechnen. Einer dämonischen, sozusagen.
Und dann war da ja auch noch der Fluch der Conollys, der wie Pech an seinen Fersen klebte und schon zwei Opfer gefordert hatte. Bill presste die Lippen aufeinander und atmete flach durch die Nase.
So grausam es klingen mochte, aber einem Teil von ihm würde es nichts ausmachen, hier und heute zu sterben. Dann wäre er wenigstens wieder mit seiner geliebten Sheila vereint. Ein anderer Teil seines Selbst aber wollte leben. Wollte seinen Sohn suchen und finden, damit er ihn wieder in die Arme schließen konnte.
Auf leisen Sohlen huschte der Reporter auf die Tür des Schlafzimmers zu, die nur angelehnt war. Der Flur dahinter lag im Dunkeln. Bevor er die Tür aufzog, um hindurch zu schlüpfen, blieb er stehen und lauschte in die Stille hinein. Nichts war zu hören.
Bill hielt den Atem an und zog die Beretta, löste mit einer unendlich langsamen Bewegung des Daumens, die Sicherung der Automatik. Er umklammerte die Waffe mit beiden Händen, die Arme vor den Körper gestreckt, die Mündung auf den Boden gerichtet.
Mit der Schulter voran drückte er sich in den Spalt und warf einen Blick in den dunklen Flur. Nichts zu erkennen. Vorsichtig löste er die linke Hand von der Beretta, tastete über die Wand und betätigte den Lichtschalter.
Drei Wandleuchter erwachten glimmend zum Leben und tauchten den Korridor in bernsteinfarbenes, sanftes Licht, das Sheila so sehr geliebt hatte.
Eine Bewegung am Ende des Flurs versetzte ihn in Alarmbereitschaft. Dort, wo der Gang einen Knick machte und in das große Wohnzimmer führte.
Adrenalin flutete seine Adern, brachte das Herz zum Rasen. Verflogen war die lähmende Trauer, ausgelöst durch die zahllosen Erinnerungen. Sie hatte Platz geschaffen für äußerste Konzentration.
»Stehen bleiben«, rief der Reporter mehr aus einem Reflex heraus, hob die Waffe und nahm die Verfolgung auf. Spätestens im Wohnzimmer musste er die Gestalt stellen.
Dunkelheit empfing ihn. Keine Bewegung, kein Lufthauch, der sein erhitztes Gesicht traf. Nur die Umrisse der Möbel, die wie stumme Wächter in diesem Mausoleum standen, in dem seine Existenz beerdigt worden war.
Ein Licht flammte hinter der Panoramaglasscheibe auf, an die sich eine schmale Tür anschloss, durch die man in den Garten gehen konnte.
Doch die war verschlossen.
Trotzdem hatte etwas den Bewegungsmelder der Gartenlaterne aktiviert.
Bill spürte ein Kratzen in der Kehle, und nur mühsam brachte er seinen Atem unter Kontrolle. Der Schein der Laterne schuf eine Insel in der Dunkelheit, die an den Rändern zerfaserte und sich im aufkommenden Nebel verlor. Ihr Licht reichte nicht aus, um das Wohnzimmer zu erhellen. Vorsichtig machte der Reporter zwei kleine Schritte in den Raum hinein, jederzeit mit einem Angriff rechnend.
Trotzdem schrak er heftig zusammen, als das Telefon auf dem Beistelltisch neben der Couch seinen melodischen Klingelton abspielte.
Bills Kopf fuhr herum, und der Reporter sah das Display in der Dunkelheit leuchten, darunter flackerte die rote Anzeige des eingehenden Anrufs.
Er huschte auf den Apparat zu, sah sich noch einmal in dem Wohnzimmer um, ob der Anruf nicht als Ablenkungsmanöver diente, damit ihn der Angreifer von hinten attackieren konnte.
Er hob den Lauf der Beretta leicht an, doch die Mündung fand kein Ziel. Er war allein. Möglich, dass die Gartenlaterne von einer tieffliegenden Fledermaus aktiviert worden war. Oder von einer Katze.
Bill drehte den Kopf und blickte auf das Display des immer noch bimmelnden Telefons. Unbekannte Nummer. Also nicht der Geisterjäger, dem etwas dazwischengekommen war.
Endlich gab er sich einen Ruck, nahm den Hörer aus der Ladestation und das Gespräch an.
Ehe er einen Ton sagen konnte, hörte er das Wimmern und Schluchzen der Anruferin – und wurde kreidebleich.
Noch bevor sie das erste Wort herausbrachte, hatte er ihre Stimme erkannt. Unter Tausenden, ach was, Millionen von Menschen hätte er sie herausgehört. Der Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus.
»W …warum hast du das getan? Warum? B …bitte, Bill, hol mich hier raus. Es … es ist so kalt hier unten. Hol mich aus dem Grab«, flehte Sheila Conolly.
***
Kurz zuvor
Über den Schreibtisch hinweg starrten Suko und ich uns fassungslos an. Jeder suchte im Gesicht des anderen nach einem Hinweis, ob wir uns nicht verhört hatten. Doch ich brauchte nur in Sukos aufgerissene Augen zu blicken, um zu wissen, dass er genau dasselbe vernommen hatte wie ich.
Und es war auch gar nicht so abwegig, immerhin waren die Namen Beelzebub und Peelham aufs Grausamste miteinander verknüpft. Nahe dieser kleinen Ortschaft in den Grampian Mountains im Norden Schottlands lag einst das Kloster St. Patrick, in dem früher mein alter Freund Father Ignatius gelebt und für mich die geweihten Silberkugeln hergestellt hatte.
Und dieses Kloster war von den Horror-Reitern vor gar nicht allzu langer Zeit dem Erdboden gleichgemacht worden. Zur selben Zeit ungefähr hatte der Teufel Beelzebub, der ein Drittel des absolut Bösen, Luzifers, darstellte, das Dorf Peelham entvölkert. Er hatte die Bewohner zu seinen Dienern gemacht, teilweise auch zu willenlosen Zombies und wir hatten es nicht verhindern können. Als wir eintrafen, war es längst zu spät gewesen, und wir konnten froh sein, dass wir überhaupt mit dem Leben davongekommen waren.2)
Seitdem war Peelham als Todeszone deklariert und militärisches Sperrgebiet unter der Leitung unseres Inlandgeheimdienstes, der unter dem Kürzel MI5 bekannt war.
Ich hatte mich eigentlich noch weiter mit dem Fall beschäftigen wollen, denn außer den Mönchen und den untoten Bewohnern, zu denen auch der Dorfpolizist zählte, gab es keine Leichen. Die restlichen Einwohner waren lediglich verschwunden, vermutlich in die Hölle gefahren, wo sie auf den Tag warteten, an dem Beelzebub sie wieder brauchte. Andere Fälle waren dazwischengekommen, nicht zuletzt die Suche nach dem Lebensatem der Sirenen und der geheimnisvolle Kontinent Toghan.
Und jetzt kam ein junger Mann daher und behauptete, von einem der verschwundenen Peelhamer eine Nachricht erhalten zu haben, dass Beelzebub – ausgerechnet er – unsere Hilfe benötigte.
Hank Thompson war der Wirt des Highland Inn gewesen. Ich hatte ihm bereits vor Jahren gegen die Todesrocker zur Seite gestanden. Leider gehörte er nun ebenfalls zu den Opfern der höllischen Dreifaltigkeit. Dass er einen Sohn gehabt hatte, wusste ich gar nicht, aber es überraschte mich auch nicht sonderlich. Es war klar, dass es auffiel, wenn von einem Tag auf den anderen die komplette Bevölkerung eines Orts spurlos verschwand.
Natürlich hatte der MI5 sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Massenpanik zu vermeiden, und eine Nachrichtensperre verhängt, doch auch er konnte nicht verhindern, dass Fragen gestellt wurden. Allein von den Angehörigen der Vermissten.
»Entschuldigen Sie, Mister Thompson«, vernahm ich Sukos Stimme. »Haben wir Sie da gerade richtig verstanden? Ihr Vater hat Sie angerufen und Ihnen gesagt, dass Sie uns aufsuchen sollen, weil Beelzebub Hilfe benötigt?«
Der junge Mann mit den dunkelblonden Haaren, die er im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug, nickte. Danach nahm er die Brille mit dem dünnen Rahmen ab und wischte sich über die Augen.
»Ja, ja, so war es. Ich … verstehe es ja auch nicht. Vor einem halben Jahr standen plötzlich zwei Männer vor meiner Tür und haben mir erzählt, dass in Peelham ein Unglück geschehen und der Ort unter Quarantäne gestellt worden sei. Ich …« Mit einem Mal glitzerten Tränen in seinen Augen. »Ich wollte es nicht wahrhaben und habe versucht, meine Eltern anzurufen. Sie müssen wissen, dass ich in Edinburgh Englisch und Religion auf Lehramt studiere. Ich … hatte nicht viel Kontakt zu meinen Eltern. Mein Vater … er wollte immer, dass ich mal das Highland Inn übernehme, aber ich wollte lieber studieren und Lehrer werden …«
Wir nickten verständnisvoll, obwohl ich mich zusammenreißen musste, um unseren Besucher nicht zu unterbrechen. Mir brannten ganz andere Fragen unter den Nägeln, und auch wenn ich keine Gedanken lesen konnte, so wusste ich, dass es Suko ähnlich erging.
Wir beobachteten, wie William Thompson mit zitternden Händen nach dem Wasserglas griff, das ihm Glenda hingestellt hatte, ehe sie Feierabend gemacht hatte. Normalerweise wäre sie geblieben, wenn wir so spät noch Besuch bekamen, doch sie hatte einen Zahnarzttermin, und so war sie eben gegangen.
»Mister Thompson«, fuhr ich fort, nachdem er ein paar Schlucke getrunken hatte, »was hat ihr Vater noch gesagt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts, das ist es ja. Nur dass er und die Bewohner von Peelham Hilfe benötigten. Ihren Namen nannte er noch.« Bei diesen Worten nickte er mir zu.
»Nur meinen?«, hakte ich nach und warf dabei einen Blick auf Suko.
Thompson sah auf meinen Partner, dann wieder auf mich. »Ja, er sagte nur ›John Sinclair‹, dann war die Verbindung unterbrochen.«
Suko machte ein nachdenkliches Gesicht. »Sind Sie sicher, dass es ihr Vater war, der angerufen hat? Könnte es sich nicht auch um einen schlechten Scherz gehandelt haben?«
»N …nein, ich bin sicher, dass es mein Vater war. Die Verbindung war zwar schlecht … sie hat irgendwie gerauscht und … es klang wie früher. Als ich noch Kind war und meine Eltern die Verwandten in den USA anriefen, hörte es sich manchmal so an. Aber seine Stimme habe ich sofort erkannt und sie … also, die Angst darin. Sie war echt, Mister Suko.«
Mein Freund nickte. »Haben Sie Kontakt zu anderen Menschen mit Verbindungen zu Peelham?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nur in dem Ort selbst. Ich habe natürlich versucht, zurückzurufen und auch die Nachbarn und Freunde meiner Eltern zu kontaktieren, aber sämtliche Leitungen in den Ort sind … tot.«
Ich hob überrascht die Augenbrauen. »Ach, Sie sind gar nicht durchgekommen?«
»Nein, es gibt kein Freizeichen. Die Nummern wurden vermutlich von den Telefonanbietern oder dem Nachrichtendienst gesperrt.«
»Dann stellt sich die Frage, woher ihr Vater angerufen hat.«
William Thompson nickte und hob zugleich die Schultern. »Ja, genau. W …was werden Sie jetzt unternehmen?«
Hilflos sah er uns an, mich ein wenig intensiver und länger als meinen Partner Suko. Logisch, schließlich hatte sein Vater mich namentlich erwähnt. Daher gab ich auch die Antwort.
»Wir kümmern uns um den Fall, Mister Thompson.«
Er atmete geräuschvoll aus und sackte auf dem Stuhl förmlich zusammen. Ich sah ihm regelrecht an, was für eine Zentnerlast von seinen Schultern rutschte.
»Ich danke Ihnen, Mister Sinclair.« Plötzlich standen wieder die Tränen in seinen Augen. »Bitte helfen Sie meinem Vater. Ich …«
Er verstummte und kramte nach einer Packung Taschentücher, doch Suko war schneller und reichte ihm zwei. Dankbar nickend nahm er sie entgegen.