John Sinclair 2065 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2065 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

"Glaubst du, wir sind hier ungestört?", fragte Mary Simmons, als die Hand ihres Freundes Barry unter ihrem Pullover auf Wanderschaft ging.

Doch noch ehe Mary ihrer Sorge intensiver Ausdruck verleihen konnte, versiegelte Barry ihren Mund mit einem Kuss. Im Moment war es ihm herzlich egal, ob jemand in der Nähe war oder nicht. Er wollte endlich mit Mary schlafen, selbst wenn es in einer kühlen Frühlingsnacht auf dem Rücksitz seines Autos geschah.

Dabei hatten sie längst die Aufmerksamkeit eines weiteren Nachtschwärmers erregt.
Und wenn Barry geahnt hätte wer - oder besser gesagt, was - sie beobachtete, wäre er nicht so sorglos gewesen ...

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

Cover

Impressum

Blutgericht der Pantherfrauen

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5850-6

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Blutgericht der Pantherfrauen

von Ian Rolf Hill

»Glaubst du, wir sind hier ungestört?«, fragte Mary Simmons, als die Hand ihres Freundes Barry unter ihrem Pullover auf Wanderschaft ging.

Doch noch ehe Mary ihrer Sorge intensiver Ausdruck verleihen konnte, versiegelte Barry ihren Mund mit einem Kuss. Im Moment war es ihm herzlich egal, ob jemand in der Nähe war oder nicht. Er wollte endlich mit Mary schlafen, selbst wenn es in einer kühlen Frühlingsnacht auf dem Rücksitz seines Autos geschah.

Dabei hatten sie längst die Aufmerksamkeit eines weiteren Nachtschwärmers erregt.

Und wenn Barry geahnt hätte wer – oder besser gesagt, was – sie beobachtete, wäre er nicht so sorglos gewesen …

Der altersschwache Golf parkte am Rand des Dörfchens Tregeare unter den spärlich belaubten Kronen der Bäume eines kleinen Waldstückes, hinter dem sich der Sumpf ausbreitete. Irrlichter funkelten und blitzten durch die dichter werdenden Nebelschleier, die durchsichtigen Tüchern gleich über den schwammigen Boden schwebten und sich wie feine Spinnenweben zwischen dem Gestrüpp des Unterholzes verfingen.

Ein Käuzchen rief, verstummte aber abrupt, als wäre es gestört worden.

Ansonsten herrschte Totenstille.

Kein Wunder, dass es Mary mit der Angst zu tun bekam. Dabei war sie selbst schuld, dass er sie hier heraus kutschiert hatte. Ständig befürchtete sie, von irgendwelchen Bekannten gesehen zu werden. Auch er hatte noch keinen Blick auf ihren nackten Körper werfen dürfen und selbst jetzt die Innenbeleuchtung ausschalten müssen.

Als ob es ihm Spaß machte, bei diesem nasskalten Wetter in dem engen Auto zu hocken. Dabei waren sie extra von Egloskerry nach Tregeare gefahren. Zum einen natürlich, weil sie die Leute aus dem Nachbarort weniger gut kannten, als daheim, zum anderen aber, damit die Heizung des betagten Wagens in Schwung kam. Zumindest herrschte jetzt eine angenehme bullige Wärme, und langsam begannen die Scheiben von innen zu beschlagen.

Plötzlich stemmte Mary ihre Hände gegen seine Schulter. »Barry, ich weiß nicht, ob wir das wirklich tun sollten.«

»Was?«, rief er, und glaubte sich verhört zu haben. War das etwa ihr Ernst?

Der Achtzehnjährige biss die Zähne so fest aufeinander, dass sie knirschten. Mühsam unterdrückte er die aufkeimende Wut und versuchte seiner Stimme einen versöhnlichen Klang zu verleihen.

»Wir waren uns doch einig, dass wir es machen. Ich meine, wir lieben uns doch, oder?«

»Ja, schon. Aber …«

»Aber was?« Die Worte drangen deutlich schärfer aus seinem Mund.

Ihre Augen flackerten unsicher im schwachen Licht des Mondes, der hinter den Wolkenfetzen hervorlugte. »Ich … na ja, vielleicht können wir noch warten.«

»Verdammt, Mary. Alle aus der Clique haben es schon gemacht.« Seine Stimme hob sich und bekam einen drohenden Unterton. »Ich hab dir gesagt, dass ich keinen Bock hab noch länger …«

Ein dumpfer Knall ließ das Pärchen zusammenfahren. Zugleich ging eine Erschütterung durch den Golf, und aus Marys Kehle löste sich sogar ein spitzer Schrei.

Auch Barrys Mund klappte auf, doch kein Laut drang hervor. Ein dicker Kloß saß in seinem Hals. Atemlos und bleich vor Entsetzen starrte er auf den massigen Gegenstand, der vor ihnen auf der Motorhaube lag.

Es war der blutverschmierte, kopflose Kadaver eines Rehs.

***

Marys Schreie schnitten wie Messer in Barrys Gehör. Die Sechzehnjährige stand kurz davor, hysterisch zu werden. Das löste seinen eigenen Schock, sodass er zu ihr herumfuhr.

»Sei endlich still, verdammt noch mal!«, brüllte er und holte bereits aus, um ihr eine Backpfeife zu verpassen, als das Mädchen mit den rostroten Haaren verstummte.

»Fahr«, wimmerte sie stattdessen. »Fahr weg. Bitte!«

Das indes brauchte sie ihm nicht zweimal zu sagen. Der Schlüssel steckte im Zündschloss, sodass er ihn nur zu drehen brauchte, um den Motor zu starten.

Fast wäre sein Fuß von der Kupplung gerutscht, während er den Rückwärtsgang einlegte. Seine Finger zitterten, als er die Scheinwerfer einschaltete, den Arm um die Lehne des Beifahrersitzes legte und nach hinten durch die Heckscheibe stierte, um rückwärts aus dem Waldweg zu stoßen.

Wenn die Scheibe nur nicht so beschlagen gewesen wäre.

Um den toten Körper auf der Kühlerschnauze kümmerte er sich nicht, der würde sich sowieso nicht halten und herunterrutschen.

Nur kam er gar nicht dazu, Gas zu geben. Marys Schrei hielt ihn zurück.

»Da ist einer!«, rief sie erschrocken und er fuhr auf dem Fahrersitz herum.

Vor Überraschung würgte er den Motor ab, und abermals senkte sich die Stille über das nächtliche Geschehen.

Von Mary hörte er nur schnelle Atemzüge. Wenn sie so weitermachte, würde sie anfangen zu hyperventilieren. Barrys Augen weiteten sich, als er die große, breitschultrige Gestalt sah, die sich aus den im Unterholz verfangenen Nebelschleiern schälte und in das Licht der Scheinwerfer trat.

Es war ein Mann in dunkler Kleidung. Er trug eine schwarze Wollmütze auf dem Kopf, unter der das Gesicht fahl leuchtete. Er trug keine Jacke, sondern einen schwarzen oder dunkelblauen Pullover und darüber eine ebenfalls dunkle Weste mit allerlei Taschen.

Am meisten erschreckte Barry jedoch das Gewehr, das an einem Riemen über der Schulter hing. Ein Jäger!, fuhr es ihm durch den Kopf, und eigentlich hätte er sich entspannen müssen.

Dass er es nicht tat, hatte mehrere Gründe.

Einerseits war es nicht unbedingt üblich, einem erlegten Stück Wild noch im Wald den Schädel abzuschneiden, und andererseits warf man den blutigen Kadaver anschließend nicht irgendwelchen Besuchern auf die Kühlerhaube.

Allerdings wusste Barry nur zu gut, wie empfindlich Jäger sein konnten, wenn man ungefragt in ihr Revier eindrang. Dass der Wald in der Regel der Allgemeinheit gehörte und auch Jäger allenfalls Nutznießer waren, vergaßen dabei viele. Aber dieser hier sah nicht gerade so aus, als wäre er in der Stimmung für derartige Diskussionen.

Der Blick der winzigen Augen in dem breitflächigen Gesicht, war hart und unnachgiebig. Die Nase darunter war breit und flach, als wäre sie bereits mehrfach gebrochen worden.

»Sch …schnell, Barry. Fahr. Fahr los! Bitte.«

Ohne den Blick von dem Kerl abzuwenden, versuchte er mit seiner unkontrolliert zitternden Hand, den Schlüsselbund zu ertasten. Mehrfach rutschte er ihm zwischen den Fingern hindurch, ehe er den schmalen Zündschlüssel zu packen bekam. Dabei konnte er beobachten, wie der Jäger langsam den Kopf schüttelte, den linken Arm anwinkelte und mit der Hand winkte.

Barry wusste, was der andere wollte. Er sollte aussteigen. Nur wollte er das nicht. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er eingestehen, dass der Typ ihm eine Heidenangst einjagte. Doch das würde er Mary nicht sagen. Weniger, um sie zu schonen, als vielmehr, um nicht in ihren Augen als Schlappschwanz dazustehen.

Er drehte den Zündschlüssel. Der Motor orgelte. Bevor der berühmte Funke überspringen konnte, reagierte der Jäger. Der Riemen, an dem das Gewehr hing, rutschte von der Schulter. Geschickt fing der Mann die Waffe auf und richtete die Mündung fast beiläufig auf die Windschutzscheibe.

Mary sank in ihrem Sitz zusammen und presste sich beide Fäuste gegen den Mund. Ihre Augen schwammen in Tränen, und ein dünnes Wimmern drang zwischen den Lippen hervor.

Barry ließ den Schlüssel so schnell los, als stünde er unter Strom. Sein Herz schlug heftig in der Brust, sodass er den Eindruck bekam, es wolle herausspringen. Die Hände wurden feucht und der Drang, Wasser zu lassen, übermächtig.

Er drehte den Kopf hin und her, suchte nach einem Ausweg, jemandem, der ihm half. Doch da war niemand. Keiner seiner Freunde, auch nicht sein Vater oder sein Onkel, nur Mary Simmons, die das Gesicht in den Händen vergraben hatte und weinte. Alles in ihm drängte danach, es ihr gleichzutun. Doch damit würde er das Problem nicht aus der Welt schaffen.

Trotzdem konnte er nichts tun und blieb vor Schreck erstarrt hinter dem Lenkrad sitzen.

Stumm beobachtete er, wie der Jäger an der Kühlerhaube entlangwanderte, den rechten Kotflügel passierte und auf die Fahrertür zuging. Der Lauf des Gewehrs war dabei unverwandt auf die Scheiben des Golfs gerichtet. Auch das Seitenfenster war mittlerweile beschlagen, sodass die Gestalt des Jägers schemenhaft und unwirklich aussah wie einem Traum entstiegen.

Plötzlich wurde die Tür von außen aufgerissen. Barry zuckte zusammen, er hatte gar nicht daran gedacht, sie von innen zu verriegeln, und er hätte es sich auch gar nicht getraut. Kalte Luft schlug ihm entgegen, und Barry fühlte, wie seine Unterlippe zu beben anfing.

»Aussteigen!« Der Befehl des Fremden kam monoton, ließ keinen Spielraum für Zweifel. Der Typ meinte es todernst.

Sämtliche Gedanken an Sex waren dem jungen Mann schlagartig vergangen. Jetzt wollte er nur noch so schnell wie möglich nach Hause.

Dort wusste ja nicht mal jemand, wo er sich herumtrieb, und Mary hatte es mit Sicherheit auch niemandem verraten.

Das Zittern hatte mittlerweile auch von seinen Beinen Besitz ergriffen, und er musste sich mit beiden Händen am Türrahmen festhalten. Dabei schluckte er den dicken Kloß im Hals herunter.

»B …bitte, was … was wollen Sie von uns?«, stammelte Barry.

Er wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken, als er dem Klang seiner eigenen Stimme lauschte, die so dünn und hoch wie die eines kleinen Mädchens war.

»Raus aus dem Wagen!«, erwiderte der Mann nur, ohne auf die Frage zu antworten. Er trat einen Schritt nach hinten und wedelte mit dem Lauf.

Barry drückte sich aus dem Auto und stellte sich aufrecht. Den linken Arm legte er auf das Dach des Golfs, den rechten auf den Türholm. Sein Blick wanderte zu dem Reh, das immer noch auf der Kühlerhaube lag. Das Blech war leicht eingedellt, so wuchtig war der Körper aufgeschlagen. Als wäre er vom Himmel gefallen.

Sein Dad würde ihm die Hölle heiß machen und vermutlich glauben, er hätte ein Tier angefahren oder so. Aber dann wäre die Kühlerschnauze weiter vorne betroffen gewesen. Barrys Gedanken überschlugen sich. Unsinniges Zeug fuhr ihm durch den Kopf. So bemerkte er erst viel später die breiten parallelen Furchen, die im Leib des Tieres klafften.

Wie von den Krallen einer Pranke gerissen …

»Ha …haben Sie das Reh getötet?«, fragte er wider besseren Wissens und erntete ein hartes Lachen.

»Sieht das so aus, Junge?«

»N …nein. D …das sind Spuren wie von … von Krallen.« Er wandte den Kopf, um dem Fremden ins Gesicht zu sehen. Die Mündung des Gewehrs wies nun an Barry vorbei in die Dunkelheit der Nacht.

»Ganz recht. Das sind Krallenspuren. Gut beobachtet. Und weißt du auch, welches Tier solche Spuren hinterlässt und dem Reh sogar den Kopf abgerissen hat?«

Barrys Blick zuckte von dem Kadaver zu dem Jäger und wieder zurück.

»N …nein, keine Ahnung. Ein Wolf?«

Der Mann legte den Kopf in den Nacken und lachte.

»Ein Wolf? Von wegen, Kleiner. Das war ein Panther.«

»Ein … ein was?«

»Bist du taub, oder was?«, bellte der Jäger. »Ich sagte, das war ein Panther.«

»A …aber die gibt es hier doch gar nicht.«

»Ach, aber Wölfe schon, oder wie?«

»V …vielleicht wurden welche ausgewildert.«

Der Jäger nickte, als müsse er über das Gesagte nachdenken. »Ja, vielleicht wurden welche ausgewildert. Schon möglich. Aber vielleicht hast du auch einfach nur einen Haufen Scheiße im Kopf, mein Junge«, brüllte er unvermittelt, und der wimmernde Schrei Marys rief Barry ins Gedächtnis, dass er nicht allein mit dem Fremden war.

Das Gefühl, einem Psychopathen in die Hände gefallen zu sein, wurde immer stärker.

Der vermeintliche Jäger aber sprach ungerührt weiter. »Kennst du nicht die alten Geschichten von den schwarzen Panthern, die hier in der Gegend umgehen sollen?«

Barrys Gedanken rasten. Natürlich kannte er diese Geschichten, sein Vater, Onkel und Großvater hatten sie ja oft genug erzählt. Das war allerdings schon Jahrzehnte her. Es musste in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewesen sein. Damals hatte man häufiger tote Wildtiere gefunden, deren Kadaver von Krallen aufgerissen worden waren.

Rehe, Wildschweine, Kaninchen. Ihre Leiber waren regelrecht ausgeweidet worden, und selbst vor Kühen und Schafen hatten die Raubtiere nicht Halt gemacht.

Angeblich waren ihnen sogar Menschen zum Opfer gefallen. Wanderer und Rucksacktouristen, obwohl Barry das als Hirngespinste abgetan hatte. So wie eigentlich das gesamte Gerede über die schwarzen Panther, deren Spuren man im Wald und nahe des Sumpfes gefunden haben wollte. Einige Wichtigtuer hatten sie angeblich auch gesehen. Nachts, im fahlen Mondlicht, wenn der Nebel aus den Sümpfen kroch. So wie heute.

Aber das waren doch nicht mehr als urbane Mythen, Legenden und Jägerlatein, durch das die einfältigen Dörfler ihr langweiliges Dasein ein wenig aufregender gestalten wollten.

Oder nicht?

Ein zischendes Geräusch hinter und zugleich über ihm, veranlasste Barry, sich umzudrehen. Noch in der Bewegung schwoll es zu einem aggressiven Fauchen an. Wie das einer Katze, nur um ein Vielfaches Lauter.

Barrys Blick wanderte am Stamm des Baums, unter dem der Golf parkte, empor. Sein Mund trocknete aus, und sein Herzschlag ging immer heftiger. Die Äste und Zweige der Ulme waren größtenteils kahl. Vereinzelt hingen noch Blätter alten Laubs an ihnen. Trotzdem erkannte er die Gestalt, die über ihm im Geäst hockte, erst auf den zweiten Blick, und nachdem sie sich ein Stück zur Seite bewegt hatte.

Ein heller Leib glitt über den Ast.

Barry wurde schwindelig. Der nackte Körper einer Frau mit vollen Brüsten glänzte im Schein des Mondes. Nur fehlten diesem Körper der Kopf und die Arme.

Barry schluckte und wagte kaum zu atmen. Wieder erklang das bösartige Fauchen, und da erst erkannte er den Schädel und die beiden Pranken.

Es war tatsächlich der Kopf eines Panthers, der auf dem nackten Frauenleib saß und dessen nachtschwarzes Fell mit der Dunkelheit verschmolz. Erst mit dem Öffnen des Mauls, aus dem eine Wolke heißen Atems quoll, hatte er den Schädel erkannt.

Barrys Gehirn war noch dabei, die Eindrücke zu verarbeiten, als sich die Gestalt aus dem Geäst fallen ließ. Mit einem dumpfen Schlag landete die Mutation dicht vor ihm auf dem Dach. Er bemerkte, dass auch die Unterschenkel in den abgewinkelten Tatzen einer Großkatze endeten. Das Monster öffnete das Maul. Gewaltige Reißzähne schimmerten in dem rosafarbenen Rachen, aus dem ihm stinkender Brodem entgegenschlug.

Ohne es eigentlich zu wollen, reagierte Barry. Sein Überlebensinstinkt ergriff von ihm Besitz und scherte sich keinen Deut um Mary Simmons, die immer noch heulend im Auto hockte.

Barry schaffte nicht einmal einen Schritt, da traf ihn der Hieb mit dem Gewehrkolben im Nacken, drückte ihn runter und trieb ihn zugleich nach vorne. Sterne zerplatzten vor seinen Augen, und er sah das verängstigte Gesicht seiner Freundin wie durch einen Schleier hindurch. Ein scharfer Schmerz wühlte sich vom Nacken ausgehend bis in den Schädel und lähmte ihn für Sekunden. Er brachte nicht einmal einen Laut heraus.

Andernfalls hätte er Mary vielleicht noch warnen können.

Nur, was hätte das gebracht?

Barry sah noch die beiden Pranken hinter ihr über die Scheibe gleiten. Ein schrilles Quietschen drang an seine Ohren, als die Krallen Spuren im Sicherheitsglas hinterließen. Mary zuckte zusammen und drehte den Kopf. Im selben Moment zerplatzte die Seitenscheibe. Ein Regen aus tausenden, winzig kleinen Glasstückchen stob in das Innere des Fahrzeugs und ergoss sich über Mary, verfing sich in ihrem Haar und rutschte auch in ihre Kleidung.

Und mit ihnen kamen die Krallen, die sich in das Fleisch ihrer Schultern gruben und den Körper des Mädchens kraftvoll durch die schmale Fensteröffnung zerrten.

Mary strampelte mit den Beinen und kreischte sich die Lunge aus dem Leib.

Diese Schreie lösten den Bann von Barry. Adrenalin peitschte durch seinen Körper. Heulend warf er sich zurück, schlug wild und unkontrolliert um sich, doch hinter ihm stand niemand mehr. Ohne sich um den Jäger, sein Gewehr oder die tobende Mary zu kümmern, rannte Barry blindlings drauflos. Er wollte nur noch weg. Nach Hause. Zu seinen Eltern.

Rotz und Wasser liefen ihm aus Nase und Augen, und schon nach wenigen Metern stürzte er und schlug der Länge nach auf den feuchten, kalten Boden.

Hinter ihm erstarb Marys Kreischen mit einem knackenden Geräusch wie es entsteht, wenn man einen frischen Ast zerbricht.

Er schluchzte laut, betete stammelnd um Gottes Beistand und rappelte sich auf. Er lief mehrere Schritte auf allen vieren, ehe er wieder auf die Füße kam, weiterrannte und seinen Henkern direkt in die ausgefahrenen Krallen taumelte.

Wie aus dem Boden gewachsen standen die beiden Monster plötzlich vor ihm. Nackte Frauenkörper mit krallenbewehrten Pranken und schrecklichen Pantherköpfen auf den Hälsen. Fauchend und brüllend stürzten sie sich auf ihn, stießen die Klauen in sein Fleisch und versenkten, die mörderischen Reißzähne in Arme und Beine.

Irrsinniger Schmerz durchfuhr seinen Körper. Er spürte kaum, dass er den Halt verlor und plötzlich waagerecht zwischen den Pantherfrauen hing, die sich um ihre Beute balgten.

Ein reißender Schmerz durchzuckte Brust und Bauch, dann explodierte die Welt um ihn herum in einem Schwall aus Blut und platzendem Fleisch.

***

Die Strahlen der Morgensonne strichen warm über mein Gesicht und kitzelten die Nasenspitze.