John Sinclair 2098 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2098 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

"John, bitte kommen Sie umgehend in mein Büro."
Ich warf Suko über den Schreibtisch hinweg einen langen Blick zu. Eine solche Aufforderung kurz nach Dienstantritt konnte nichts Gutes bedeuten. Auf dem Weg zum Büro von Superintendent Sir James Powell grübelte ich darüber nach, was mich wohl dieses Mal erwartete. Die Stimme meines Vorgesetzten hatte jedenfalls nicht gerade begeistert geklungen. Eher angespannt ...

Ich hatte beim Betreten des Allerheiligsten meines Chefs ja schon eine Menge Überraschungen erlebt, die Wenigsten davon waren positiv gewesen. Mit dieser jedoch hätte ich selbst in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.
"Hallo, John", begrüßte mich Morgana Layton und lächelte ...

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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Mordakte Werwolf

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7110-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mordakte Werwolf

von Ian Rolf Hill

»John, bitte kommen Sie umgehend in mein Büro.«

Ich warf Suko über den Schreibtisch hinweg einen langen Blick zu. Eine solche Aufforderung kurz nach Dienstantritt konnte nichts Gutes bedeuten.

Das wusste mein Freund und Partner ebenfalls, denn er grinste mich breit an. »Na los. Worauf wartest du noch? Der Chef ruft.«

»Willst du nicht mitkommen?«

Suko schüttelte den Kopf und deutete auf sein aufgeklapptes Notebook. »Ich will den Bericht noch fertig machen. Außerdem hat der Alte ausdrücklich nach dir gefragt. Wenn es wichtig ist, wirst du es mir erzählen.«

Damit war das Thema für ihn erledigt, für mich leider nicht. Auf dem Weg zum Büro von Superintendent Sir James Powell grübelte ich darüber nach, was mich wohl dieses Mal erwartete. Die Stimme meines Vorgesetzten hatte jedenfalls nicht gerade begeistert geklungen. Eher angespannt …

Ich hatte beim Betreten des Allerheiligsten meines Chefs ja schon eine Menge Überraschungen erlebt, die Wenigsten davon waren positiv gewesen.

Mit dieser jedoch hätte ich selbst in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.

»Hallo, John«, begrüßte mich Morgana Layton und lächelte …

Nein, ich griff nicht nach der mit Silberkugeln geladenen Beretta. Auch das Kreuz, das sich schon während meines Eintretens erwärmt hatte, ließ ich stecken. Und das, obwohl meinem Chef gegenüber eine waschechte Werwölfin saß.

Zwar in Menschengestalt, mit übereinandergeschlagenen Beinen und in einer alles andere als bedrohlich wirkenden Haltung, aber eine Morgana Layton war immer für eine Überraschung gut. Selbst unter den Werwölfen stellte sie etwas Besonderes dar. Sie war ihre Anführerin, das Alpha-Weibchen ihres Gottes Fenris, wenn man so wollte, und allein deshalb gehörte sie schon zu unseren Feinden.

Fenris schien auch jetzt wieder seine schützende Hand, respektive Pranke, über seine Untergebene zu halten. Sein gewaltiger Schatten malte sich an der Längswand ab, gegenüber dem Schreibtisch von Sir James.

Ich sah die massigen Vorderbeine, die Brust und den zotteligen Hals, der mit dem breiten Schädel bis unter die Decke ragte. Der Superintendent und sein ungewöhnlicher Gast saßen praktisch unterhalb des gewaltigen Kiefers des Götterwolfs.

Obwohl er nur als schattenhafte Projektion zu sehen war, ging eine körperlich spürbare Bedrohung von ihm aus. Kein Wunder, dass dicke Schweißtropfen auf der Stirn meines Vorgesetzten perlten. Er hatte nur selten direkt mit unseren schwarzblütigen Gegnern zu tun, fungierte meist als Organisator und Stratege im Hintergrund.

»Bitte setzen Sie sich, John«, begrüßte er mich und wies auf den leeren Stuhl neben Morgana, deren Lächeln wie eingemeißelt auf ihren vollen Lippen lag. Sie trug dieselbe lederne Kluft wie schon bei unserer letzten Begegnung in Alaska, wo sie mir ihre neue Kolonie der Bestien vorgestellt hatte.

Ich folgte der Aufforderung aus demselben Grund, aus dem ich meine Waffen stecken ließ, und der hieß Neugier.

Morgana Layton mochte zu unseren Gegnern zählen, trotzdem waren die Fronten zwischen uns keineswegs so klar definiert wie bei anderen Schwarzblütlern und Dämonen. Das lag zum einen daran, dass Morgana und ihre Werwölfe nicht ständig als blutgierige Bestien herumliefen. Zum anderen hatten wir gemeinsame Feinde, allen voran einen Wolfsdämon namens Lykaon, der Fenris seinen Rang als Götterwolf streitig machte.

»Was willst du hier, Morgana?«, fragte ich und machte gar nicht erst den Versuch, meinen Ärger über ihre Dreistigkeit zu kaschieren. Dass jemand wie sie einfach so in das Hauptquartier der Metropolitan Police hereinspazierte, war ein offener Affront.

»Mit euch reden, was dachtest du denn?«

Ich warf einen Blick auf Sir James, der wiederum Morgana musterte. Sie verhöhnte uns, das war uns beiden bewusst. Andernfalls hätte sie anrufen oder mich im Freien abfangen können, so wie sie es oft genug getan hatte.

»Geht es um Lykaon?«

Morgana wiegte den Kopf. »Da bin ich mir nicht ganz sicher, um ehrlich zu sein.«

»Was soll das heißen?« Mein Geduldsfaden wurde merklich dünner. »Rück mit der Sprache heraus oder verschwinde. Aber vergeude nicht unsere Zeit.«

Es wunderte mich ein wenig, dass Sir James nichts dazu sagte. Vermutlich stand er noch ganz unter dem Eindruck des Götterwolfs, dessen Präsenz durchaus einschüchternd wirken konnte.

»Es geht um unsere Kolonie. Es gibt Probleme.«

»Ärger im Paradies, wie?«, fragte ich spöttisch.

Es lag noch nicht lange zurück, als mich Abe Douglas angerufen hatte, weil er in Alaska auf Werwölfe getroffen war. Ein ehemaliger Soldat des United States Alaskan Command hatte ihn kontaktiert, und der wiederum hatte mit Morganas Werwölfen vor über einem Jahr eine unliebsame Begegnung gehabt.

Im Zuge dieses außergewöhnlichen Falls hatte es mich in die Wildnis des nördlichsten Bundesstaates der USA verschlagen, wo mir Morgana ihre Kolonie der Bestien gezeigt hatte.1) Dabei war sie nicht müde geworden, zu proklamieren, dass Werwölfe nicht die blutgierigen Monster waren, für die ich sie aufgrund jahrelanger Erfahrung hielt.

Die Werwölfe wussten, dass sie nicht in ihr altes Leben zurückkehren konnten, hatten aber auch nicht auf ihre Familien verzichten wollen. So war Morgana einen Kompromiss eingegangen und hatte die Kolonie gegründet, in der Menschen und Werwölfe friedlich miteinander leben sollten.

»Es hat Morde gegeben«, kam unsere Besucherin endlich zur Sache. Viel war von ihrer sonst omnipräsenten Selbstsicherheit nicht übrig geblieben. Sie schien sich Sorgen zu machen.

Meine Wut jedoch wuchs weiter. »Wusste ich es doch. Du hast deine Bestien nicht im Griff. Du kannst ihren Trieb nicht kontrollieren. Es hat also Tote gegeben«, fuhr ich sie an. »Was willst du von mir? Sollen Suko und ich jetzt hinter dir aufräumen?«

Die Werwölfin ließ die Standpauke stumm über sich ergehen.

»Du irrst dich, John. Die Opfer sind keine Menschen. Es sind Werwölfe!«

Überrascht hielt ich inne. Mein Mund klappte auf und wieder zu. Nachdenklich leckte ich über die Unterlippe. »Moment mal, willst du mir sagen, dass jemand Jagd auf deine Werwölfe macht?«

»So scheint es zumindest. In der Nacht gehen sie oft außerhalb der Kolonie auf die Jagd. Häufig im Rudel, manchmal auch alleine. Sie haben freie Hand, denn die Natur verlangt ihr Recht.«

Ich hob die Hand. »Verschone mich damit. Mit der Natur hat das nichts zu tun.«

»Mehr als du denkst, mein Lieber. Aber darum geht es nicht. Drei Werwölfe sind bislang getötet worden. Zuletzt hat es Barney Lookwood erwischt. Du kennst ihn.«

Und ob, schließlich war er der Stein des Anstoßes gewesen und hatte ebenfalls zum U.S. Alaskan Command gehört. Seine Freundin Carol Decker hatte einen der wenigen Überlebenden des Massakers, Lance Oppenheimer, um Hilfe gebeten, der wiederum das FBI in Gestalt meines Freundes Abe Douglas mit ins Boot geholt hatte.

»Was ist geschehen?«, fragte ich und spürte, wie mein Mund trocken wurde.

»Wie gesagt, es geschah immer in der Nacht und stets außerhalb der Kolonie. Alle drei Werwölfe wurden mit Silberkugeln getötet. Kaliber 9 mm.«

»Solche Projektile verwenden wir ebenfalls«, bestätigte ich. »Für mich klingt das, als ob Lykaon seine Hände mit im Spiel hat. Auch ihr verwendet Silberkugeln. Warum sollte er es dann nicht auch tun?«

Aus diesem Grund hatte sie vor Jahren meinen alten Bekannten Michail Chirianow, den Werwölfjäger, entführen lassen. Er sollte für sie Silberkugeln gießen, was er seitdem auch fleißig getan hatte.

»Das ist durchaus möglich, aber als Anführerin der Kolonie darf ich mich nicht von Spekulationen leiten lassen, sondern muss mich streng an die Fakten halten. Lykaon ist verdächtig, natürlich, aber du musst selbst zugeben, dass es nicht sein Stil ist. Er geht deutlich grober vor, oder muss ich dich an die Mantikore erinnern?«

Nein, das musste sie nicht, und ihre Argumente waren nicht von der Hand zu weisen. Allerdings hatte ich Einwände. »Vielleicht will er, dass du annimmst es wäre jemand anderes. Er dezimiert deine Reihen, während du damit beschäftigt bist, gegen deine eigenen Leute zu ermitteln.«

Sie zuckte mit den Schultern, und es sah derart hilflos aus, dass man fast Mitleid bekommen konnte. Fast, wohlgemerkt.

»Ich habe Aleksandra mit den Ermittlungen beauftragt. Wie du weißt, habe ich ihr angeboten, die Funktion einer Art Sicherheitschefin zu übernehmen, was ihr die Möglichkeit gibt, mit Dara zusammenzubleiben und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Werwölfe, wie soll ich sagen, nicht aus der Reihe tanzen.«

»Glaubst du, sie hat dein Vertrauen missbraucht und frönt wieder ihrer alten Passion?«

Morgana schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Aber sie gehört nun einmal zu den Hauptverdächtigen, ebenso wie Michail. Sein Alkoholkonsum geht weit über das übliche Maß hinaus. Er ist leicht reizbar und leidet unter Stimmungsschwankungen. Du kannst dir denken, dass die öffentliche Meinung den beiden gegenüber nicht die beste ist.«

»Vorsichtig formuliert. Vermutlich ist deine Kolonie ein Pulverfass, das jeden Augenblick hochgehen kann. Du drohst die Kontrolle zu verlieren. Ich kann mir denken, was Fenris dann mit dir anstellt.«

Sie ging nicht auf meine Provokation ein, dafür wagte sich Sir James aus seinem Schneckenhaus. Der Superintendent dachte gewohnt pragmatisch, was seine nächste Frage bewies.

»Trägt denn einer in der Kolonie Waffen mit Silberkugeln mit sich herum? Ich kann mir vorstellen, dass das Konfliktpotenzial enorm hoch ist, wenn in einer Werwolf-Kolonie jemand Zugang zu den einzigen Waffen hat, die den Bewohnern gefährlich werden können.«

»Deshalb befinden sich sämtliche Schusswaffen unter Verschluss. Nur ich selbst, mein Stellvertreter Marco und Lykke besitzen Schlüssel zum Waffendepot.«

Lykke war die Anführerin der Berserker, eines Stammes von Werbären.

»Ich dachte, dass die Berserker außerhalb der Kolonie kampieren«, wunderte ich mich.

»Genau aus diesem Grund hielt ich es für eine gute Idee. Außerdem ist die Zahl der Leute, denen ich vertraue, dahingehend begrenzt.«

»Das ist ja alles schön und gut«, rief ich und schlug mit den flachen Händen auf meine Oberschenkel. »Ich verstehe nur nicht, was du von uns willst.«

»Ist das nicht offensichtlich?«, fragte Morgana und sah mich finster an. »Ich brauche deine Hilfe, John Sinclair. Ich möchte, dass du mit mir in die Kolonie kommst und die Ermittlungen aufnimmst. Nicht als Geister- oder Werwolfjäger, sondern als Polizist.«

Vor Überraschung klappte mir die Kinnlade herunter.

Dabei hatte ich gedacht, dass mich nichts mehr so leicht aus der Fassung bringen konnte. Aber diese Bitte war mehr als ungewöhnlich. Ich glaubte, mich verhört zu haben.

»Was soll ich?«, hakte ich daher nach.

Morgana seufzte. Vermutlich nahm sie an, dass ich sie bloß zappeln lassen wollte.

»Ich will, dass du mich nach Alaska begleitest und den Killer ausfindig machst.«

»Einen Killer, der Werwölfe tötet«, stellte ich fest.

»Ja, genau.«

Ich musste lachen, obwohl mir nicht danach zumute war. »Ich bitte dich, Morgana. Du hast schon einen gefunden. Er sitzt vor dir und zwei Türen weiter, schreibt ein anderer gerade den Bericht unseres letzten Falles.«

»Die Ironie ist mir durchaus bewusst, und glaube mir«, sie funkelte mich wütend an, »ich habe das nicht vergessen. Aber hier liegt die Lage ein wenig anders. Du hast selbst gesehen, wie wir leben. Menschen und Werwölfe können friedlich koexistieren.«

»Solange du die Regeln diktierst und deine Bestien sich einmal im Monat satt fressen können?«

Sie winkte ab. »Lassen wir das. Die Diskussion hatten wir bereits. Sie ist fruchtlos, solange du nicht bereit bist, die Grenzen deiner Engstirnigkeit zu überwinden. Michail Chirianow und Aleksandra Jorgovanovic sind der lebende Beweis, dass dieses Zusammenleben keine Utopie bleiben muss. Genauso wie die Familien der Werwölfe, die du ebenfalls schon kennenlernen durftest.«

»Wieso John?«, fragte Sir James und lenkte das Gespräch wieder auf das Wesentliche.

»Das sagte ich bereits. Er ist Polizist. Er weiß, wie man in einem Mordfall zu ermitteln hat. Ich brauche deine Expertise als Beamter von Scotland Yard.«

»Ausgerechnet mich. Ich verstehe es immer noch nicht, Morgana. Willst du mir sagen, dass du keine eigenen Leute hast, die wissen, wie man eine solche Untersuchung durchführt?«

»Gefangenenaufseher und Soldaten habe ich zur Genüge. Aber keine Polizisten, nein. Außerdem ist zum derzeitigen Zeitpunkt jeder Bewohner der Kolonie verdächtig. Ich möchte sogar so weit gehen, zu behaupten jeder in Alaska. Ich brauche jemanden, der unabhängig ist, dem die Leute vertrauen.«

»Und das soll ich sein? Derjenige, der so viele ihrer Artgenossen ins Jenseits befördert hat.«

»Sieh es als vertrauensbildende Maßnahme. Außerdem wirst du nicht allein sein. Es gibt jemanden, der dir zur Seite stehen wird.«

»Du sprichst von Aleksandra und Dara?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, die meine ich nicht, obwohl sie dir ebenfalls helfen werden. So gut es ihnen eben möglich ist. Ich habe Aleks geraten, sich so wenig wie möglich offen blicken zu lassen. Und wenn es schon sein muss, dann wenigstens nicht alleine.«

Ich atmete tief ein und warf einen Blick zur Decke, wo sich der Schädel des Götterwolfs weiterhin als schattenhafter Umriss abzeichnete. Es war absurd, wenn ich mir die Szene bewusst machte. Andererseits, bei näherer Betrachtung traf das auf mein ganzes Berufsleben zu.

Es lag keine drei Tage zurück, da hatte mich Justine Cavallo geküsst, während ich gefesselt in einem Sarg gelegen hatte. Noch jetzt glaubte ich, ihre kalten Totenlippen auf meinem Mund spüren zu können. Ein Wunder, dass sie die Gunst des Augenblicks nicht genutzt hatte, um mir ihre Zähne in den Hals zu schlagen, schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt unbewaffnet gewesen.2)

Aber eine Justine Cavallo war nicht mit normalen Maßstäben zu messen, ebenso wenig wie Morgana.

»Was ist mit Suko?«, fragte ich.

»Um ehrlich zu sein, würde ich das Personal gerne überschaubar halten«, erwiderte die Anführerin der Werwölfe. »Ich sagte zwar, dass es das Vertrauen zwischen uns festigen könnte, aber die Tatsache, dass ihr zwei schon reichlich Werwölfe getötet habt, ist nicht von der Hand zu weisen.«

Sie hob den Arm, als sie sah, dass ich Einspruch erheben wollte. »Ich weiß, was du sagen willst und wir können stundenlang diskutieren und uns dabei im Kreis drehen. Aber du wirst nicht alleine sein, das verspreche ich dir.«

Sie sah mir an, dass ich mit mir haderte und fügte hinzu: »Bislang sind ausschließlich Werwölfe dem Killer zum Opfer gefallen. Doch es gibt keine Garantie, dass das auch so bleibt.«

Dieser Satz traf mich wie ein Schlag in den Magen. War das gerade eine Drohung gewesen?

Ich forschte in ihrem Blick nach einer Spur von Falschheit, konnte aber nichts entdecken. Dennoch klang meine Stimme frostig, als ich erwiderte: »Warte bitte draußen, ich möchte mit Sir James alleine sprechen.«

Sie warf meinem Chef einen schnellen Blick zu und nickte. »Also schön!«, sagte sie und stand auf. Der Schatten des Götterwolfs geriet in Bewegung und folgte ihr auf dem Weg zur Tür, als wäre es ihr eigener.

»Und erschreck Suko nicht«, riet ich ihr. »Er ist sehr schnell, wie du weißt.«

»Ich werde mich zurückhalten«, erwiderte sie lapidar und verließ das Büro.

Sie hatte die Tür kaum hinter sich geschlossen, da sackte Sir James an seinem Schreibtisch zusammen wie ein Ballon, aus dem schlagartig die Luft entwich. Seine Finger zitterten, während er umständlich ein Stofftaschentuch aus dem Jackett nestelte, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte.

»Himmel, John. Haben Sie eine Ahnung, was ich für Ängste ausgestanden habe?«

Die Offenheit meines Vorgesetzten verblüffte mich. Hatte er mir gegenüber überhaupt mal Nerven gezeigt? Höchst selten, aber es machte ihn menschlich, und selbst an mir war diese Begegnung nicht spurlos vorübergegangen, obwohl ja nicht unser Leben auf dem Spiel gestanden hatte.

Ich erhob mich und ging zu dem flachen Schrank, der unterhalb des Flachbildfernsehers an der Wand stand. Ich wusste, dass sich in seinem Inneren nicht nur saubere Gläser befanden, sondern auch ein kleiner Kühlschrank integriert war, in dem Sir James sein stilles Wasser hortete.

»Ja, ziemlich genau sogar«, konnte ich mir eine entsprechende Antwort nicht verkneifen, während ich zwei saubere Gläser und eine Flasche Wasser hervorholte.

Als ich mich wieder umdrehte, runzelte Sir James die Stirn. »Vergessen Sie’s, John. Jetzt brauch ich was Stärkeres.«

Er zog die unterste Schublade auf und holte eine Flasche schottischen Whiskys hervor. Nickend bedeutete er mir, die Gläser auf den Schreibtisch zu stellen. Er füllte sie mit zwei Fingerbreit der goldbraunen Flüssigkeit und schob mir eines davon zu.

Ich setzte mich wieder, griff nach dem Whiskyglas und schlug die Beine übereinander. Wir tranken gleichzeitig, und ich konnte mir ein anerkennendes Nicken nicht verkneifen. Dass Sir James keinen Fusel goutierte hatte ich mir denken können, aber dieser Tropfen war schon etwas Besonderes. Sein leicht rauchiges Aroma war etwas für Genießer, nicht für Schluckspechte. Bill Conolly hätte seine wahre Freude an dem Whisky gehabt.

»Was sagen Sie?«, fragte Sir James schließlich und stellte das Glas ab.

»Ausgezeichnet. Hätte ich gewusst, dass Sie so etwas Edles im Schreibtisch haben, wäre ich nach Feierabend öfter vorbeigekommen.«

Der Superintendent verdreht die Augen hinter den dicken Gläsern der Brille. »Das meinte ich nicht, und das wissen Sie genau.«

Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, und ich ertappte mich dabei, wie ich die Ohren spitzte, aber ich hörte weder Schüsse noch Schreie oder Kampflärm. Morgana und Suko schienen sich zu vertragen. Ein Glück, dass Glenda gerade im Archiv beschäftigt war.

»Ich werde wohl die langen Unterhosen einpacken müssen. Um diese Jahreszeit kann es in Alaska mitunter richtig kalt werden.«

»Sie wollen diesen, äh, Fall also übernehmen?«

»Bleibt mir denn etwas anderes übrig? Ich kann nicht hier sitzen und so tun, als ob es diese Kolonie nicht gäbe. Morgana Layton mag streng genommen eine Feindin sein, Aleksandra und Michail sind es jedenfalls nicht. Den Killer zu entlarven, bedeutet in diesem Fall die beiden zu entlasten.«

Sir James nickte langsam. »Sie sind sich darüber bewusst, dass sie da oben keine Rückendeckung zu erwarten haben. Weder von uns noch vom FBI. Die genaue Position dieser Enklave ist unbekannt. Das ist wirklich der Wilde Westen.«

»Mag sein. Umso wichtiger, dass dort jemand für Ordnung sorgt. Und wer weiß, vielleicht verleiht mir Morgana sogar einen Sheriffstern.« Ich verzog die Mundwinkel.

»Nehmen Sie es nicht auf die leichte Schulter. Es kann sich auch um eine Falle handeln.«

Ich schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Das hätte Morgana früher und leichter haben können. Ich hab mich gerade erst in ihrer Hand befunden, und sie hat mich aus freien Stücken wieder ziehen lassen. Morgana ist kein Matthias oder Lykaon.«