John Sinclair 2115 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2115 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Das schauerliche Heulen ließ alle Anwesenden schlagartig verstummen.
Obwohl es außerhalb des Dorfes erklungen war, hatte es den Lärm der angetrunkenen Gesellschaft mühelos übertönt.
So heulte nur ein Werwolf!
Die Gesichter der am Tisch Sitzenden waren alle vom Schreck gezeichnet.
Bis auf eines ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Töte Morgana Layton!

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: breakermaximus/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7607-4

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Töte Morgana Layton!

(2. Teil)

von Ian Rolf Hill

Das schauerliche Heulen ließ alle Anwesenden schlagartig verstummen.

Obwohl es außerhalb des Dorfes erklungen war, hatte es den Lärm der angetrunkenen Expeditionsteilnehmer mühelos übertönt.

Sheila Conolly warf ihrem Mann Bill einen alarmierten Blick zu.

Der Reporter war bleich geworden und tastete nicht ohne Grund nach der Beretta. Er hatte das Geräusch ebenfalls sofort erkannt.

So heulte nur ein Werwolf!

Sheila wandte den Kopf und betrachtete die Gesichter der am Tisch Sitzenden. Sie waren alle vom Schreck gezeichnet.

Bis auf eines.

Das diabolische Grinsen auf den Lippen der Frau, die Sheila direkt gegenüber saß, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Einen Atemzug später zerplatzte die rückwärtige Hauswand mit ohrenbetäubendem Krach …

Bill Conolly hörte das Splittern und Brechen in seinem Rücken und reagierte ohne zu Zögern.

Er sprang auf und zog Sheila vom Stuhl. Der daneben sitzende Morton Plymouth wusste gar nicht wie ihm geschah, als die beiden Conollys ihn mit zu Boden rissen.

Panische Schreie gellten in Bills Ohren, die von einem animalischen Gebrüll verschluckt wurden. Plötzlich sah sich Bill wieder in dieser anderen Welt, zwischen den Dimensionen, als die Armee der Echsenkrieger gegen den Täufer und seine Dunklen Eminenzen in den Krieg gezogen war. Damals hatte er sie zum ersten Mal zu Gesicht bekommen.

Die Mantikore.

Seine Finger, die schon den Griff der Beretta berührten, wanderten weiter zu der Goldenen Pistole. Die Silberkugeln konnte er vergessen. Wenn überhaupt, dann half nur der Schleim vom Planeten der Magier.

Sein Magen krampfte sich zusammen, und er verlor für Sekunden die Übersicht, als die Bestien ins Haus quollen. Die Familie, die sie so herzlich aufgenommen und bewirtet hatte, drängte sich in die hinterste Ecke. Basima, die Großmutter, wollte aus dem Zimmer flüchten, als ein saugendes Geräusch ertönte. Kurz darauf schlug der Stachel eines Mantikors in ihren Rücken und schleuderte sie auf die Dielen.

Es waren vier, nein, fünf dieser Ungeheuer, die sich auf die wehrlosen Menschen stürzten.

Elvira Blackstone kreischte wie am Spieß, als sie von der Schere an der Spitze eines Skorpionsschwanzes gepackt und in die Höhe gerissen wurde.

Das Haifischgebiss eines anderen Mantikors grub sich in Professor Burnells Schulter. Das Ungeheuer schüttelte sich wie ein Hund, und Bill glaubte, das Bersten der Knochen sogar über das anhaltende Geschrei zu hören.

Für endlos lange Sekunden war Bill wie gelähmt von dem Massaker, dem sie alle hilflos ausgeliefert waren. Obwohl er selbst schon gegen die Mantikore gekämpft hatte, war diese Situation anders. Das erste Mal hatte der Kampf in einer Dimension des Schreckens stattgefunden.

Umgeben von Dämonen und anderen Monstrositäten hatte er nur sich und sein eigenes Leben schützen müssen. Dieser Angriff aber war plötzlich und unerwartet erfolgt, obwohl sie mit dem Erscheinen der Mantikore gerechnet hatten. Trotzdem schockierte ihn die Vehemenz, mit der das Grauen in die Normalität hereinbrach und sie mit Zähnen und Klauen förmlich auseinanderriss.

Und die Menschen waren ihm hilflos ausgeliefert.

Es gab nur einen, der sie jetzt noch beschützen konnte.

Er selbst!

Kalte Wut überschwemmte den Reporter, und seine Hand umklammerte den Griff der Goldenen Pistole.

»Bill!«

Sheilas Schrei erklang dicht an seinem Ohr. Aus dem Augenwinkel sah er einen Schatten, der sich über ihm aufbaute. Sein Kopf fuhr herum und er sah in das grinsende Gesicht von Iwona Kusnezow.

Ihre Arme waren angeschwollen und mit Fell bedeckt, die Hände endeten in Löwentatzen. Hinter ihrem Rücken erhob sich ein segmentierter Skorpionsschwanz, dessen Schere wie eine zuschnappende Giftschlange herabfuhr und Morton Plymouth, der rückwärts aus der Gefahrenzone kriechen wollte, auf den Bodenbrettern festnagelte.

Dann traf Bill der Prankenhieb seitlich am Schädel und schickte ihn ins Reich der Albträume.

Das Letzte, was er sah und mit hinübernahm, war Iwonas Haifischlächeln.

Suko jagte auf die fünf Gestalten mit den rot glühenden Augen zu, deren Körper unter der dicken Winterkleidung unförmig und plump aussahen. Sie waren im Begriff, sich zu verwandeln, und bevor dies geschah, musste er so viele wie möglich von ihnen vernichtet haben. Ein Mantikor allein war schon brandgefährlich.

Selbst wenn man eine so wirkungsvolle Waffe wie die Dämonenpeitsche besaß.

Silberkugeln waren lächerlich. Damit hielt man sie nicht einmal für Sekunden auf.

Der Inspektor wunderte sich, dass die Männer und Frauen, deren Leiber die Mantikore übernommen hatten, in aller Seelenruhe stehen blieben.

Offenbar unterschätzten sie ihn und seine Waffen. Nun, ihm sollte es recht sein.

Vier Schritte vor dem ersten Gegner erreichte ihn der bellende Warnschrei von Milena Szabó. Als er die ungarische Polizeikommissarin zuletzt gesehen hatte, war sie gerade dabei gewesen, sich in einen Werwolf zu verwandeln.

»Suko!«

Er wusste nicht genau, was ihn an diesem Ruf so alarmierte. Er handelte rein instinktiv und warf sich aus vollem Lauf zu Boden, rollte sich über die Schulter ab und hörte noch während seines kontrollierten Sturzes den peitschenden Schuss. Die Welt wurde sekundenlang zu einem Wirbel aus schemenhaften Umrissen, roten Lichtpunkten und weißen Flocken, die zuckend um ihn herumtanzten.

Er kam sich vor wie in einer Schneekugel, und als er wieder auf die Beine kam, vernahm er das Fauchen des Werwolfs, gefolgt von einem splitternden Geräusch. Suko konnte sich nicht um Milena kümmern, er hatte eigene Probleme.

Plötzlich sah er sich von den fünf Gestalten umringt, deren Schädel sich aufblähten und pulsierten, sodass sie aussahen wie bizarre Karikaturen. Die Unterkiefer waren so weit nach unten geklappt wie bei einer Schlange, die im Begriff war, ein deutlich größeres Beutetier zu verschlingen. In den Mündern der Männer und Frauen blitzten dreieckige Zähne, wie sie auch Haie hatten.

Statt Händen hatten die Monster Löwenpranken. Ihre Beine wuchsen zu muskulösen Hinterläufen an, deren Gelenke knackend zurücksprangen. Dazwischen schoben sich die charakteristischen Skorpionsschwänze hervor.

Suko reagierte sofort, drehte sich wie ein Balletttänzer, und die Riemen der Dämonenpeitsche wirbelten um ihn herum. Allerdings waren seine Gegner gerissener, als er vermutet hatte. Sie sprangen zurück, außer Reichweite der Schnüre, die aus der Haut eines mächtigen Dämons gefertigt waren.

Er wusste, was folgen würde, und ließ sich abermals fallen.

Keine Sekunde zu früh. Schon schossen zwei Dornen über ihn hinweg. Einer verschwand im Schneegestöber und hieb irgendwo gegen eine Hauswand, der andere bohrte sich mit einem schmatzenden Laut in die Brust eines seiner Feinde. Suko rechnete nicht damit, dass der Treffer den Mantikor vernichten würde, und zog die Peitsche dicht über den Boden. Er spürte, wie sich die Riemen um das Bein eines Gegners wanden, und zerrte am Peitschengriff.

Gleichzeitig riss er nun doch die Beretta aus dem Halfter.

Die Silberkugeln mochten die Monster nicht aufhalten, aber vielleicht waren sie in der Lage, sie zu irritieren, wenn er die Schädel traf.

Aber seine Gegner blieben nicht untätig. Während die von der Dämonenpeitsche getroffene Kreatur brüllend zu Boden ging, erwischte ihn ein mörderischer Hieb in die Flanke und presste ihm die Luft aus den Lungen. Nur allein dem derben Stoff der Winterjacke verdankte er es, dass die Krallen keine schweren Verletzungen rissen.

Der Inspektor wurde herumgeschleudert und fand sich plötzlich auf dem Rücken liegend wieder. Peitsche und Beretta hielt er krampfhaft umklammert. Und das rettete ihm das Leben.

Die Hornschere am Schwanzende eines Mantikors schloss sich um sein Schienbein, als wolle sie es zerbrechen oder gleich ganz durchschneiden. Suko korrigierte die Mündung der Beretta und drückte dreimal hintereinander ab.

Die Kugeln hämmerten in den Schädel, und tatsächlich lockerte sich der Griff um sein Bein.

Suko rollte sich zur Seite, und wo er eben noch gelegen hatte, hieb der Schwanz eines weiteren Mantikors mit solch mörderischer Wucht auf die Pflastersteine, dass sie zersprangen. Das Ungeheuer fiel auf die Vordertatzen. Die Kleider waren ihm längst vom Leib geplatzt, und Suko begriff, dass er den Kampf nicht gewinnen wollte.

Viele Hunde waren des Hasen Tod, und auf nichts anderes kam es diesen Geschöpfen an. Zugleich hörte er das Brüllen der Mantikore, die die Expeditions-Teilnehmer im Haus der Familie Özkan angriffen. Nur vereinzelt drangen noch menschliche Schreie aus dieser Richtung, die aber rasch leiser wurden.

Wir hätten uns niemals trennen dürfen, schoss es Suko durch den Kopf, und die Angst um seine Freunde verlieh ihm übermenschliche Kräfte. Er durfte sich nicht länger mit den Bestien hier auf offener Straße herumschlagen.

Also blieb nur eine Option: Flucht!

Nur wohin?

Die Mantikore würden auf der Jagd nach ihm das ganze Dorf in Schutt und Asche legen. Abgesehen davon, dass er keine fünf Schritte weit käme, bis sich die ersten Dornen in seinen Rücken bohrten. Egal wie viele Haken er schlug. Und so griff er zur letzten Alternative, die ihm blieb.

Suko ließ die Beretta fallen und schob die Hand in die Innentasche der Jacke. Kaum berührten seine Finger den Stab Buddhas, da brüllte er das magische Wort, das für fünf Sekunden die Zeit anhielt.

»TOPAR!«

»Willkommen in meinem Reich!«

Mir wurde übel, als ich die Worte aus dem Mund des kleinen Mädchens vernahm. Eines Mädchens mit gelb leuchtenden Augen und Zähnen, die jedes Raubtier vor Neid hätten erbleichen lassen.

Es bestand kein Zweifel, dieses Kind war eine Dämonin. Aber wirklich ein Mantikor?

Je mehr sich das Mädchen veränderte, desto unsicherer wurde ich. Es war ja nicht nur die sonderbare Stimme, mit der es gesprochen hatte. Auch die Art wie sich der Leib verwandelte und nicht zuletzt die Augen, die in diesem kalten intensiven Gelb schimmerten.

Die Gestalt plusterte sich nicht auf, so wie es Mantikore für gewöhnlich taten, wenn sie ihre bestialische Urform annahmen. Er wuchs stattdessen in die Höhe.

Dennoch hielten die Nähte nicht stand. Das Kleidchen spannte sich und platze der Dämonin schließlich vom Leib. Zum Vorschein kam nackte Haut, bewachsen mit dicken schwarzen Borsten. Aufgequollene Brüste hingen seitlich herab, dürre Finger mit hornigen Krallen bewegten sich spinnenartig. Die Stupsnase des Mädchens wich schlitzförmigen Nüstern und die Ohren ragten schmal und spitz an den Seiten empor. Rotbraunes Haar fiel lang über den Rücken, mit dessen Haut es verwachsen war und eine regelrechte Mähne bildete.

Irgendwie kam mir die Gestalt bekannt vor und doch wieder nicht.

Mit der linken Hand umklammerte ich immer noch das Kreuz, während ich mit rechts die Bleistiftleuchte hielt. Der Strahl glitt zitternd über die groteske Erscheinung, die ihre kaum erkennbaren Lippen zu einem teuflischen Lächeln verzog.

»Ich sehe dir an, wie überraschst du bist.« Sie neigte den Kopf von einer Seite zur anderen und taxierte mich gierig mit ihren gelben Raubtieraugen. Dabei wich sie langsam vor mir zurück in den Schatten des schwarz glänzenden Gebildes, das in der Mitte des unterirdischen Hohlraums an dicken teerartigen Fäden hing.

»Wer bist du?«

Sie lachte und huschte um den unförmigen Klumpen im Zentrum der Höhle herum, der das Licht meiner Taschenlampe schluckte.

»Du kennst mich, Geisterjäger«, raunte die grässliche Frau und schlich weiter, als ich ihr folgen wollte. »Nur in einer anderen Form!«

Wir kreisten um die pulsierende Schwärze wie Planeten um die Sonne. Dabei musste ich mich immer wieder ducken, um den Fäden auszuweichen, die aussahen, als hätte sie eine gigantische Spinne produziert, die ich im Leben nicht zu Gesicht bekommen wollte.

Für einen winzigen Sekundenbruchteil flammte das Bild einer Kreatur der Finsternis vor meinem geistigen Auge auf. Zarina Velina Boryana, Leiterin eines Frauenhauses, die sich in eine abscheuliche Riesenspinne verwandelt hatte. Doch die war vernichtet. Gemeinsam mit Morgana Layton, Aleksandra Jorgovanovic und nicht zuletzt Sukos Hilfe, hatte ich das Monstrum getötet.

Sie konnte es unmöglich sein, zumal Zarina in ihrer menschlichen Gestalt gänzlich anders ausgesehen hatte. Und sie war es auch nicht, wie ich feststellte, als die Dämonin hinter der Schwärze hervortrat.

Ich war stehen geblieben, weil ich es satt hatte, im wahrsten Sinn des Wortes umeinander herumzutanzen. Mir schnürte sich die Kehle zu, als nicht mehr die nackte Frauengestalt in das schwächer werdende Licht meiner Bleistiftlampe trat, sondern eine riesige wolfsähnliche Kreatur, die sich auf überlange affenartige Arme stützte.

Obwohl dieses Monster auf allen vieren ging, hatte es zwei weitere Arme, die aus den Schultern des aufgerichteten Oberkörpers ragten. Er war mit einem dichten, zotteligen Wolfspelz bewachsen und auch der Schädel glich mehr dem eines Werwolfs.

Eine Bewegung zu meiner Rechten lenkte mich kurzzeitig ab. Ich sah den typischen Skorpionsschwanz mit der verhornten Schere, aus deren Mitte die nekrotisierenden Stacheln schossen.

»Carnegra!«, hauchte ich ergriffen.

Meine Hand glitt vom Kreuz und tastete stattdessen nach dem Bumerang. Aber die Höhle war viel zu eng, um ihn mit dem nötigen Schwung zu werfen, obwohl Carnegra in ihrer kentaurischen Form kaum zu verfehlen war. Es sei denn der Bumerang verfing sich in den Fäden oder prallte gegen diesen Klumpen geronnener Schwärze.

Dennoch musste ich es versuchen. Carnegra war viel zu gefährlich, um falsche Zurückhaltung zu üben. Das hatte sie mehrfach bewiesen. Unter anderem, als sie die Sirene Marna fraß, um in die Gegenwart zu fliehen.

Das Ungeheuer lachte bellend und ich wollte den Bumerang aus dem Gürtel zerren, als Carnegra abermals ihre Gestalt veränderte und wieder zu der unheimlichen Kannibalin wurde.

»Hier kommst du nicht mehr lebend raus!«, zischte sie boshaft und bleckte das Raubtiergebiss.

»Das werden wir ja sehen«, entgegnete ich grimmig.

»Was willst du denn tun?«

Es war das übliche Geplänkel, das ich schon so oft mit den unterschiedlichsten Gegnern durchexerziert hatte, dass es mich beinahe langweilte. Ich hatte auch keine Lust mehr, mich länger mit Carnegra zu befassen. Hier bot sich die Chance, eine gefährliche Dämonin für immer zu vernichten, und ich ergriff sie.

»Das«, erwiderte ich auf ihre Frage und berührte abermals das silberne Kreuz. Dann rief ich die Formel: »Terra pestem teneto – salus hic maneto!«

Und beging damit einen der schwerwiegendsten Fehler meines Lebens.

Auf einer Insel im Pazifik, fünfzig Seemeilen vor der Westküste der Vereinigten Staaten von Amerika.

»Ich will mitkommen, verflucht!«

Das schlanke Mädchen in den knappen Jeans, die kaum ihr Gesäß bedeckten, stampfte sogar mit dem Fuß auf, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.

Den hochgewachsenen Mann mit dem lackschwarzen Haar und der sonnengebräunten Haut, der hinter dem Schreibtisch saß, ließ dieser Ausbruch pubertärer Wut gänzlich kalt. Er war weitaus Schlimmeres gewohnt.

»Kommt nicht infrage«, erwiderte er mit einem knurrenden Unterton in der Stimme, der jeden anderen auf der Stelle eingeschüchtert hätte. Auf einer fundamentalen Ebene hätte das Unterbewusstsein das Raubtier in ihm erkannt und entsprechend reagiert – oder auch nicht, denn die meisten Menschen erstarrten bei seinem Anblick vor schierer Furcht.

Zumindest, wenn er sich ihnen in seiner ursprünglichen Gestalt zeigte.

Das halbwüchsige Mädchen vor ihm konnte er damit jedoch nicht beeindrucken, das wusste der Mann nur zu gut. Immerhin war sie sein eigen Fleisch und Blut.

Lykaons Tochter!

»Wie lange willst du mich noch hier einsperren?«, schrie Denise Curtis und ballte die Fäuste.

»Du bist nicht eingesperrt!«, lautete die lakonische Antwort.

»Aber ich darf nicht von dieser verkackten Insel runter.«

Egeas Demeter alias Lykaon erhob sich und wandte Denise den Rücken zu, als er nach der Waffe griff, die hinter ihm an der Wand hing: eine Axt mit silberner Klinge.

Es war beileibe keine normale Axt, das war allein anhand der Schneide ersichtlich. Aber auch das Holz war alles andere als gewöhnlich und barg ein Geheimnis, das in den Tiefen der Mythen und Legenden fußte.

Er selbst spürte die Kraft, die von dieser Waffe ausging, sobald er sie berührte. Es war wie ein beständig fließender Strom, der kribbelnd durch seine Glieder rieselte. Es gab nur wenige Schwarzblütler, die die Axt ohne Schaden zu nehmen anfassen konnten. Er hatte es vor den Ereignissen im Schwarzen Dom selbst nicht gewagt. Erst als Carnegra und Phorkys ihm bewiesen hatten, dass er stark genug dafür war.

Und jetzt durchfuhr ihn jedes Mal, wenn er die silberne Axt festhielt ein wahres Hochgefühl, das an Ekstase grenzte. Das war nicht verwunderlich, schließlich handelte es sich um die Waffe, die seinen Erzfeind vernichten würde.

Fenris, den Götterwolf.

Und um ihn ging es bei diesem Streit.

Genauer gesagt, um die Falle, die sie ihm und seinem Verbündeten John Sinclair gestellt hatten.

Er selbst, Lykaon, seine Braut Carnegra und Phorkys, der Vater der Ungeheuer.

Der trat jetzt hinter Denise aus den Schatten der Sitzgruppe, die schräg gegenüber des Eingangs stand. Das Büro wurde nur von der gedämpften Beleuchtung einer altmodischen Buchhalterlampe schwach erhellt.

Der Monstermacher sah so abscheulich aus wie immer. Vollkommen nackt mit einer glänzenden schuppigen Haut über die unablässig ein nach Fisch stinkender Schleim troff. In seinen Lenden, unter den Achseln und auf der mageren Brust sprossen Büschel tangartigen Haares, das auch um den schmallippigen Mund mit den spitzen Zähnen wucherte.

Phorkys war ein Greis von abstoßendem Äußeren und wurde nicht umsonst der Alte des Meeres genannt. Seine Augen leuchteten in der Finsternis wie winzige pupillenlose Monde.

»Erweise deinem Vater mehr Respekt«, zischte er.

Denise Curtis rümpfte die Nase und wandte den Kopf, ohne Phorkys dabei richtig anzusehen.

»Halt dich da raus, du bist nicht mein …«



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