John Sinclair 2118 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2118 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Horror-Trip zur Schreckensinsel

"Hörst du das, Carsten?"
Der Angesprochene schlug den Kragen der Jacke hoch und lauschte. Doch bis auf den Wind, der durch die Kronen der Bäume rauschte und die Blätter der Birken und Pappeln zum Zittern brachte, war es totenstill.
"Nein, was sollte ich hören?"
"Zum Beispiel Vögel. Dieses Eiland liegt gerade einmal drei Meilen vor der Küste. Wir haben Frühling, mein Bester. Normalerweise müsste es hier von Vögeln wimmeln."
Spencer zog den Kopf zwischen die Schultern und fröstelte.
"Die werden sich in Strandnähe aufhalten und in den Felsen brüten", warf Carsten ein.
Sein Kollege lachte, doch es klang alles andere als fröhlich.
"Von wegen. Dann müssten wir sie trotzdem hören. Du weißt selbst wie viel Krach die Möwen machen. Nein, Carsten, hier gibt es keine Vögel. Und weißt du auch, warum?"
Carsten Steglitz seufzte. "Nein, aber du wirst es mir gleich sagen."
"Richtig. Weil diese Insel dem Bösen geweiht ist!"

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EPUB

Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Horror-Trip zur Schreckensinsel

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Lightspring/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7660-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Horror-Trip zur Schreckensinsel

von Ian Rolf Hill

»Hörst du das, Carsten?«

Der Angesprochene schlug den Kragen der Jacke hoch und lauschte. Doch bis auf den Wind, der durch die Kronen der Bäume rauschte und die Blätter der Birken und Pappeln zum Zittern brachte, war es totenstill.

»Nein, was sollte ich hören?«

»Zum Beispiel Vögel. Dieses Eiland liegt gerade einmal drei Meilen vor der Küste. Wir haben Frühling, mein Bester. Normalerweise müsste es hier von Vögeln wimmeln.«

Spencer zog den Kopf zwischen die Schultern und fröstelte.

»Die werden sich in Strandnähe aufhalten und in den Felsen brüten«, warf Carsten ein.

Sein Kollege lachte, doch es klang alles andere als fröhlich.

»Von wegen. Dann müssten wir sie trotzdem hören. Du weißt selbst, wie viel Krach die Möwen machen. Nein, Carsten, hier gibt es keine Vögel. Und weißt du auch, warum?«

Carsten Steglitz seufzte. »Nein, aber du wirst es mir gleich sagen.«

»Richtig. Weil diese Insel dem Bösen geweiht ist!«

Das hatte ja so kommen müssen.

Spencer Torrance hatte von Anfang an geunkt, dass der Auftrag unter keinem guten Stern stünde. Carstens Kollege glaubte an diesen ganzen Unfug: Astrologie, Karma, Spiritismus. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn er in seiner Freizeit Séancen abhielt und mit den Toten sprach. Und Carsten wäre auch keineswegs erstaunt darüber gewesen, hätte Spencer versucht, Fotos von Elfen zu schießen.

Die Landschaft war dafür wie geschaffen.

Eine einsame Insel, die seit Jahren sich selbst und der Natur überlassen worden war. Herausgekommen war ein dicht bewaldetes Eiland mit breitem Strand und felsiger Küste. Eigentlich ein wahres Paradies für Vögel, da musste Carsten seinem Kollegen beipflichten. Aber er war Geologe und kein Vogelkundler. Wer wusste schon, was die Tiere davon abhielt, hier zu nisten?

Sicherlich gab es eine banale Erklärung dafür, ohne dass man gleich den Teufel oder Beelzebub als Ursache heranziehen musste. Gott, diese Engländer konnten manchmal aber auch anstrengend sein.

Das hatte der aus Kiel stammende Carsten Steglitz bereits kurz nach seiner Ankunft feststellen müssen. Dabei mochte er die Engländer gerade wegen ihrer Spleenigkeit. Und es waren ja längst nicht alle so speziell wie Spencer Torrance. Vielleicht irritierte Carsten dessen Aberglaube auch nur deshalb, weil er für einen Akademiker so ungewöhnlich war.

An Freitagen, die auf den Dreizehnten fielen, nahm sich Spencer stets im Vorfeld frei. Und Carsten erinnerte sich nur zu gut an den Tag, an dem sich sein Kollege krankgemeldet hatte, weil eine schwarze Katze seinen Weg von links gekreuzt hatte. Das Ende vom Lied war, dass Spencer in der Dusche ausgerutscht war und sich das Handgelenk gebrochen hatte.

Schlechtes Karma, hatte Spencer das genannt.

Carsten nannte es selbsterfüllende Prophezeiung. Wer stets vom Schlimmsten ausging, würde unbewusst darauf hinarbeiten, sodass es unweigerlich passieren musste. Ein wahrer Teufelskreis, der Spencer in seinem kindischen Aberglauben bestärkte.

Von ihm aus konnte Spencer glauben, woran er wollte, nur sollte er ihn bitte mit seiner Spökenkiekerei verschonen.

»Nur weil die IRA hier früher ein paar Waffen versteckt hat, ist diese Insel noch lange nicht dem Bösen geweiht«, wagte Carsten wider besseren Wissens einen Einspruch.

Spencer sah sich unbehaglich um. »Warum nicht? Dadurch wurde dem Bösen Tür und Tor geöffnet.«

Carsten musste grinsen. »Und was will dein Böses hier auf der Insel machen? Viel zu tun gibt es ja nicht gerade.«

»Spotte nicht. Mit so was treibt man keine Scherze.«

»Von mir aus. Hauptsache du kommst in die Hufe. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier.«

Das stimmte, denn der Konzern, in dessen Auftrag sie das Eiland erkundeten, beabsichtigte, ein Wasserkraftwerk zu errichten. Der Platz war ideal. Die Strömungen zwischen der Insel und dem Festland waren stark genug, um die Turbinen anzutreiben und mehrere Ortschaften mit Öko-Strom zu versorgen. Das war die neue Welle, auf der die Stromindustrie nun schon eine ganze Weile ritt und die immer noch fabelhaft trug.

Dass all diese alternativen Energien ein zweischneidiges Schwert waren, wusste im Prinzip jeder. Aber es ging ja ohnehin nur um das kleinere Übel. Das war Carsten Steglitz durchaus bewusst, und er konnte damit leben. Das Problem war nur, dass für all die Wasserkraftwerke, Windkraft- und Biogasanlagen kein einziges Atomkraftwerk abgeschaltet wurde. Was kaum ein Endverbraucher wusste, war, dass der Energiebedarf ständig wuchs. Und Carsten fragte sich zurecht, ob das noch lange gut ging. Und ob die Schaufenster oder Straßenlaternen wirklich die ganze Nacht über leuchten mussten.

Aber irgendetwas zu tun war immer noch besser, als die Hände in den Schoß zu legen. Und er half lieber dabei, ein Wasserkraftwerk zu bauen, als daheim in Deutschland Wälder zu roden, damit ein Kohlekraftwerk errichtet wurde.

In diesem Fall hatte sein Job auch etwas Gutes, denn das Wasserkraftwerk würde nur einen kleinen Teil des Strandes in Anspruch nehmen und dafür den Rest der Insel unter Schutz stellen.

Bislang war sie Sperrgebiet gewesen, eben wegen der gefundenen Waffen. Doch irgendwann würde irgendein Admiral auf die Idee kommen, irgendwelche neuen militärischen Spielereien zu testen, und das konnte auch nicht im Sinne des Erfinders, beziehungsweise der Natur sein.

»Komm lass uns zurückgehen, Carsten. Hier ist nichts.«

»Die Satellitenaufnahmen sind eindeutig. Ich will wissen, was auf dieser Insel vor sich geht. Vielleicht erklärt das auch deine verschwundenen Piepmätze.«

Carsten warf einen Blick auf das Display seines Smartphones, auf dem eine Karte der Insel zu sehen war. Ein roter Pfeil diente ihm als Orientierungshilfe. Wege oder Pfade gab es in diesem Urwald keine. Nicht einmal Wildwechsel. Es war der reinste Dschungel, durch den sich die beiden Geologen hindurchkämpften.

Außer Birken und Pappeln wuchsen hier noch Platanen, Buchen und sogar Kastanien. Vereinzelt reckte auch eine Fichte ihre Krone in den bewölkten Himmel. Am Boden wucherte der Jungwuchs und bildete mit Sträuchern und Brombeerranken einen dichten Filz, der die Männer am Vorankommen hinderte. Zum Strand hin lichtete sich das Unterholz. Dort wuchsen vor allem Gräser und Strandhafer. Auch Moose gab es in Hülle und Fülle. Wenn schon ein Ornithologe nicht auf seine Kosten gekommen wäre, ein Botaniker hätte sich wie im Schlaraffenland gefühlt.

»Dort vorne muss es sein«, wisperte Carsten, dem trotz des kühlen Windes der Schweiß auf der hohen Stirn stand. Mit dem ausgestreckten Finger deutete er eine Anhöhe hinauf. Hob die Beine und trampelte das Gestrüpp nieder, das sich in der Hose verhakte und blutige Striemen in die Haut riss. Sollte er noch ein zweites Mal herkommen, würde er eine Machete mitbringen. Oder besser gleich eine Kettensäge.

»Kommst du jetzt endlich?«

Carsten blieb stehen und wandte sich zu seinem Kollegen um. Er stutzte, denn Spencer war verschwunden. Steglitz rückte die Brille zurecht, die aufgrund des Schweißes immer wieder in Richtung Nasenspitze rutschte. Zwischen zusammengekniffenen Lidern hielt er Ausschau nach dem feuerroten Haarschopf seines bärtigen Kollegen, konnte ihn aber nirgends entdecken.

»Spencer?«

Bis auf das leise Rauschen des Windes blieb es still. Carsten drehte sich auf der Stelle und warf einen Blick dorthin, wo sich das Gebilde befinden musste, das er auf der Satellitenaufnahme entdeckt und das seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Es erhob sich als brauner Hügel zwischen den Stämmen und war mehr als mannshoch. Carsten schluckte trocken. Seine Kehle fühlte sich rau an. Das Sprechen fiel ihm schwer, trotzdem versuchte er es.

»Spencer, schwing die Hufe. Das musst du dir ansehen!«

Doch Spencer rührte sich immer noch nicht. Langsam wurde Carsten sauer. Das Verhalten seines Kollegen ging ihm mehr und mehr auf den Zeiger. Es wurde Zeit ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden. Und plötzlich wusste Steglitz, warum er Spencer hatte mitnehmen müssen.

So war man ihn für eine Weile los.

Carsten drehte sich wieder um und senkte dabei den Blick, um nicht über eine Brombeerranke zu straucheln. Mitte in der Bewegung hielt er inne. Der Boden bewegte sich.

Nein, fuhr es ihm durch den Sinn. Das war nicht der Boden. Es waren hunderte winziger Leiber, die darüber hinweg wuselten. Auf den ersten Blick waren sie kaum zu erkennen, denn sie hielten sich im Schatten des dichten belaubten Unterholzes.

Der deutsche Geologe ging in die Hocke und betrachtete das Gewimmel zu seinen Füßen.

Waren das Ameisen?

Er blinzelte sich den Schweiß aus den Augen. Abermals rutschte die Brille in Richtung Nase. Carsten wollte sie gerade wieder zurückschieben, als ein brennender Schmerz durch seine Beine zuckte. Wie von der Feder geschnellt fuhr er hoch.

Seine Augen weiteten sich, als er auf die Stiefelspitzen starrte. Sie wimmelten vor winzigen Insekten, die über die Schäfte unter das Hosenbein krochen. Und jetzt spürte er nicht nur ihre Beinchen, sondern auch die spitzen Mandibeln.

»Verfluchte Scheiße!«, brüllte er. »Was ist das?«

Hektisch schlug er auf seine Hosenbeine, versuchte, die Ameisen von den Stiefeln zu wischen, und mit einem Mal wuselten sie auch über Arme und Hände. Und sie bissen zu. Carsten hatte das Gefühl, die Finger in Säure getaucht zu haben. Die Brille rutschte ihm von der Nase und fiel auf den Waldboden. Taumelnd machte der Geologe einen Schritt vorwärts. Das Gestell zerbrach knackend unter der Sohle. Es kümmerte ihn nicht, obwohl er ohne die Sehhilfe blind wie ein Maulwurf war. Hauptsache er kam hier weg. Er durfte nicht stehen bleiben und rannte einfach drauflos.

Das heißt, er wollte es. Doch irgendetwas hielt seine Beine umklammert und zerrte ihn zurück. Der Länge nach schlug Carsten ins Unterholz. Dornige Ranken rissen ihm die Haut auf. Er schrie, er brüllte, während ihm tausend Gedanken durch den Kopf schossen.

Wo kamen diese Ameisen her?

Das Gebilde. Der Hügel. Das musste ihr Nest sein. Aber das war unmöglich. Viel zu groß.

Waren das Feuerameisen? Er dachte an das, was ihm vor wenigen Minuten durch den Sinn gegangen war. Experimentierte das Militär mit biologischen Waffen?

Die Gedanken rissen ab, als sein verschwommener Blick auf die Hände fiel, mit denen er sich auf dem weichen Humus abstützte. Er konnte keine Einzelheiten erkennen, aber er sah, dass die Handrücken von einer dunklen, sich bewegenden Masse bedeckt waren.

Eine warme Flüssigkeit rann zwischen den Fingern hindurch. Dick und klebrig. Blut. Sein Blut, das aus tausenden winziger Bisse quoll. Auch an den Beinen spürte er es hinabrinnen.

»Hilfe! Mein Gott, Hilfe«, stieß er qualvoll hervor und versuchte, auf allen vieren davon zu kriechen. Seine Beine wurden weiterhin festgehalten, und Carsten warf sich auf den Rücken, strampelte und schaffte es tatsächlich, sich aus dem Griff der Ranken zu befreien.

Die Ameisen wuselten mittlerweile überall auf seinem Körper und nutzen jede sich bietende Öffnung, um unter die Kleidung zu krabbeln.

Sein Leib schien in Flammen zu stehen. Es war, als ob ihn jemand mit Schmirgelpapier die Haut abrieb, bis das rohe Fleisch offen lag. Trotz der Schmerzen warf sich Carsten nach vorne. Krabbelte wie ein Rekrut bei der Bundeswehr über den Waldboden und hinein ins Unterholz.

Er kam nicht weit. Überall um ihn herum schlängelten sie sich aus dem Boden, wanden sich um Handgelenke und Beine. Waren das Wurzeln, die aus der Erde stießen und ihn fixierten?

Ich halluziniere, dachte Carsten am Rande seines Bewusstseins, das noch nicht von dem omnipräsenten Schmerz überflutet wurde.

Und mit einem Mal wusste er, dass er es nicht schaffen würde.

Hier auf diesem, im wahrsten Sinn des Wortes, gottverlassenen Eiland vor der walisischen Küste würde er sterben.

Die Wurzeln zogen sich zusammen, pressten ihn auf den Waldboden und drückten seinen Leib in das mit Laub, Nadeln und Ameisen übersäte Erdreich. Auch um den Nacken schlang sich eine Wurzel. Das Letzte, was Carsten sah, bevor sein Gesicht in die Erde gepresst wurde, war der blutverschmierte Schädel von Spencer Torrance, der ihn aus leeren Augenhöhlen aus dem Dickicht heraus anstarrte.

Er lag keine zwei Armlängen von Carsten entfernt, der den Kollegen nur noch anhand der Kleidung erkannte.

Das in den Mund quellende Erdreich erstickte seine Schreie, während sich die Ameisen ihren Weg durch sämtliche Sinnesorgane in sein Inneres bahnten.

Bunte Kreise explodierten vor seinen Augen, als die Insekten den Sehnerv zerfraßen.

Danach folgte die absolute Finsternis.

»John, würden Sie mich bitte ein Stück begleiten?«

Wenn mein Chef Sir James Powell am frühen Morgen schon so anfing, war der Tag gelaufen. Davon ging ich zumindest aus, als ich mit hochgezogenen Brauen aufblickte. Suko grinste so breit, dass ich misstrauisch wurde.

Ich beschloss, ihn zunächst zu ignorieren, und erhob mich.

»Wo soll es denn hingehen, Sir?«

»Das werden Sie schon früh genug merken«, erwiderte er kurz angebunden und ging schnurstracks auf den Fahrstuhl am Ende des Flurs zu, sodass ich mich beeilen musste, um mit meinem Chef Schritt zu halten.

Als wir die Liftkabine betraten, bemerkte ich, dass mir nicht nur Suko gefolgt war, sondern auch Glenda. Das bestärkte mich in dem Verdacht, dass ich das Opfer eines Komplotts geworden war, zu dem auch meine Assistentin gehörte.

»Wollen Sie mir nicht wenigstens eine kleinen Hinweis geben?«, erkundigte ich mich vorsichtig.

Sir James wandte nicht einmal den Kopf von der Anzeige, als er erwiderte: »Seien Sie nicht so ungeduldig, John. Nehmen Sie sich an Beispiel an Suko.«

Dem warf ich über die Schulter einen Blick zu und formte mit den Lippen das Wort »Schleimer«, was das feiste Grinsen in seinem Gesicht nur noch breiter werden ließ.

»Pass bloß auf, dass du keinen Krampf bekommst«, flüsterte ich leise. »Dann müssten wir dich schminken und an den Zirkus verkaufen.«

»Warum gleich der Zirkus?«, fragte mein Freund. »Wir stellen uns einfach mit einer Drehorgel in die Stadt. Du kannst ein paar Kunststücke vorführen und bekommst ein schickes Hütchen, mit dem du das Geld eintreiben kannst. Hauptsache, du lässt dich nicht mit Bananen abspeisen.«

»Apropos Drehorgel: Was wollen wir denn in der Tiefgarage?«

»Keine Bange, John«, meldete sich Glenda zu Wort. »Suko wird nicht mit dir in den Wald fahren.«

»Höchstens in die Wüste«, fügte dieser hinzu.

Normalerweise sorgten unsere kleinen Kabbeleien dafür, dass die Spannung etwas aufgelockert wurde. Dieses Mal bewirkten sie das genaue Gegenteil. Vor meinem inneren Auge liefen die aberwitzigsten Szenarien ab. Angefangen von einer Überraschungsparty in der Tiefgarage, bis hin zu einem Wohnmobil, unter dessen Scheibenwischer mein Versetzungsbefehl nach Spitzbergen klemmte.

Allerdings lag mein Geburtstag schon einen Monat zurück, und Überraschungspartys waren auch gar nicht Sir James’ Stil. Ich beschloss, alles auf mich zukommen zu lassen. Allzu lange würde ich schließlich nicht mehr warten müssen, denn just in diesem Augenblick erreichten wir die Tiefgarage. Die Türen des Lifts öffneten sich, und der Geruch nach Motoröl, Benzin und Gummi drang mir in die Nase.

Kaltes Neonlicht erhellte den schmutzigen Betonboden, und mein Blick glitt die Reihen der Fahrzeuge entlang. Hier unten parkten die verschiedensten Fabrikate und Typen: vom Streifenwagen, über zivile Dienstautos, bis hin zum Mannschaftswagen war alles vertreten. Aber auch einige beschlagnahmte Vehikel wurden hier geparkt.

Also doch ein neuer Fall, dachte ich und fragte mich in derselben Sekunde, wie ein solcher mit Sukos Grinsen und Glendas Anwesenheit in Zusammenhang stehen könnte.

»Geben Sie mir bitten den Schlüssel ihres Rovers, John!«

Fast hätte ich den Superintendenten umgerannt, so vertieft war ich in meine Gedanken gewesen.

»Wie bitte?«

»Haben Sie was an den Ohren? Ich möchte die Schlüssel zu ihrem Dienstwagen.«

»Aber wieso? Wollen Sie …«

»Es tut mir leid. Aber auch ich habe meine Befehle. Sie wissen selbst, wie knapp unser Budget ist.« Die Miene meines Chefs sah aus wie aus Stein gemeißelt. »Miss Dick ist der Meinung, dass unsere Abteilung ohnehin zu viel Geld schluckt.«

»Das kann doch nicht ihr Ernst sein, Sir!« Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg.

»Silberne Kugeln, Interkontinentalflüge, Hotelzimmer«, zählte mein Chef auf. »Und wie viele Dienstwagen haben Sie in den letzten Jahren verschlissen?«

Ich suchte Blickkontakt mit Suko, dem das Grinsen nun ebenfalls vergangen war. Damit hatte er offenbar nicht gerechnet.

»Von dem Hubschrauber vor wenigen Wochen ganz zu schweigen!«, schnauzte Sir James und sah dabei vor allem meinen Partner an.

»Sir, Sie wissen, womit wir es tagtäglich zu tun haben …«

»Eben drum. Deshalb können wir es uns ja auch nicht leisten, dass Sie wertvolle Ressourcen verschwenden. Also bitte!« Er hielt mir die ausgestreckte Hand entgegen. »Ich möchte mich ungern wiederholen.«

Ich presste die Kiefer aufeinander, als ich den Schlüssel des Rover vom Bund zog und Sir James auf den Handteller legte. In meinem Magen hatte sich ein Klumpen gebildet.

»Machen Sie nicht so ein verdrießliches Gesicht, John. Natürlich bekommen Sie ein neues Dienstfahrzeug. Wir lassen unsere Beamten auch in Zukunft nicht mit dem Fahrrad fahren.«

Ich war mir nicht sicher, ob mich das jetzt beruhigen sollte.



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