John Sinclair 2139 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2139 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Im Tempel der Schlange

Der Echsenkeim breitete sich aus!
Schnell wurde uns klar, dass uns ein heftiger Kampf bevorstand. Man wollte mich ins Heilige Land bringen, wo ich nahe der Stadt Jerusalem meinem Erzfeind geopfert werden sollte, um den Ophiten-Götzen zu neuem Leben zu erwecken ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Im Tempel der Schlange

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8311-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Im Tempel der Schlange

von Ian Rolf Hill

13. September anno Domini 1191

Mein Johann,

der Herr sei gepriesen. Unser glorreicher Sieg bei Arsuf hat die Sarazenen das Fürchten gelehrt. Saladin ist auf dem Rückzug, sein Heer geschlagen. Vor drei Tagen gelang es uns, Jaffa einzunehmen, ohne auch nur einen Pfeil abzuschießen und einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen. Jetzt ist Jerusalem an der Reihe. Ich bin zuversichtlich, auch dieses Ziel mit Gottes Hilfe zu erreichen. Zuvor aber gilt es, noch eine andere Prüfung zu meistern, die mir der Herr auferlegt hat. Wie mir zu Ohren gekommen ist, stehen nahe Zion die Tempel eines heidnischen Kultes, der seinem Götzen noch heute Menschenopfer darbringt. Sie nennen sich selbst Naassener und verspotten unseren Herrn, indem sie der Schlange des Garten Eden Göttlichkeit bescheinigen. Ein Frevel, der nicht ungesühnt bleiben darf. Bete für mich, mein Johann. Damit ich siegreich in unser geliebtes England zurückkehren kann.

Dein Bruder Richard

Ich legte den Gänsekiel zur Seite und faltete das Papier sorgfältig an zwei Stellen. Ein Vorteil der trockenen Luft hier unten im gelobten Land war der, dass die Tinte nicht lange benötigte, um zu trocknen. Anschließend schob ich den Brief in das Kuvert, in dem sich bereits ein längeres Schreiben an meinen Bruder Johann befand, der in Nonancourt, in Frankreich, geblieben war. Eine Rückkehr nach England hatte ich ihm untersagt und es mir unter Eid schwören lassen.

So siegreich der Kreuzzug bislang gewesen war, so barg er doch eine erhebliche Gefahr für meinen Titel König von Britannien, denn es gab nicht wenige, die auf eine solche Gelegenheit gewartet haben, um mir die Krone streitig zu machen. Sogar mein eigener Bruder Johann Ohneland. Nicht ohne Grund war mein Vater, Heinrich II., entsetzt gewesen, als er von meinem Entschluss hörte, gegen die Ungläubigen in den heiligen Krieg zu ziehen.

Aber ich musste tun, was mein Herz mir gebot, denn trotz der Krone war ich ein Diener Gottes und des Papstes. Fürderhin dazu ausersehen, sein Wort zu verbreiten und seine Feinde zu vernichten.

Das Böse wucherte dieser Tage allen Ortes, doch mit Hilfe jenes Kleinods, das offen vor meiner Brust hing, würde ich ihm auch weiterhin die Stirn bieten.

Wir alle sind in Gottes Hand.

Er ist es, der unser Schicksal lenkt und mir meine Bestimmung gegeben hat, gegen die Mächte der Finsternis anzutreten. Warum sonst wäre ich wohl hier? Oder hätte Kenntnis von den verfluchten Naassenern bekommen, die nahe der heiligen Stadt ihr Unwesen treiben?

Ich versiegelte den Brief mit dem königlichen Wappen und verstaute ihn einstweilen in einer Kladde aus Ziegenleder. Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde ich ihn mit dem Stoß der restlichen Dokumente, die sich im Laufe der Wochen angesammelt haben, einem Boten übergeben, damit er sie heim in das angevinische Reich brachte, um sie meinem Bruder Johann zu überreichen.

Ein Rascheln in meinem Rücken veranlasste mich, das Haupt zu heben.

Robert von Konstanz, einer meiner besten Hauptmänner, stand im Eingang des Zeltes, den Helm unter dem Arm, das dichte schwarze Haar unter der Kapuze des Kettenhemdes verborgen.

Er neigte den Kopf, wie es sich für einen braven Untertanen ziemte.

»Mein König. Die Heerführer haben sich versammelt, wie Ihr gewünscht habt.«

Ich lächelte huldvoll, erhob mich und griff nach dem Schwertgurt. »Ist der Templer bei Ihnen?«

»Sehr wohl, Mylord.«

»Gut, dann wollen wir sie nicht länger warten lassen.«

Ich verließ hinter Robert von Konstanz das königliche Zelt. Raschen Schrittes durchquerten wir das Heerlager, in dem sich nicht weniger als zwanzigtausend Mann aufhielten. Die Schlacht von Arsuf hatte uns nur geringe Verluste gekostet, auch wenn es mir um jeden einzelnen Ritter oder Knecht leidtat. Mich tröstete der Gedanke, dass Saladin die zehnfache Menge an Opfern zu beklagen hatte. Und das, obwohl seine Armee in der anderthalbfachen Übermacht gewesen war.

Wo ich auch hinblickte, sah ich in müde, aber zufriedene Gesichter.

Stolz erfüllte meine Brust, wenn ich an den glorreichen Sieg dachte, den uns diese tapferen Männer mit Blut und Schweiß erkämpft hatten.

In vielen Augen glaubte ich die Sehnsucht nach der Heimat zu erkennen, aber vielleicht war es auch nur meine eigene, die sich in den Blicken meiner Mannen spiegelte. Noch war es jedoch zu früh, um ernsthaft über eine Heimkehr nachzudenken. Philipp mochte nach der Schlacht von Akkon sein Kreuzzuggelübde als erfüllt angesehen haben, doch wir, die wir bei Arsuf gegen die Sarazenen stritten, wir würden erst ruhen, wenn sich Jerusalem wieder in Christenhand befand.

Vom Mittelmeer, dessen Weiten sich bis zum westlichen Horizont erstreckten, wehte eine kühle Brise, die angenehm über die heiße Haut strich. Bei klarem Wetter konnten wir bis zu den Gestaden des byzantinischen Reiches und der Insel Zypern sehen.

Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel und brachte die Luft zum Flimmern. Wäre das Land nicht von solch göttlicher Schönheit gewesen, man hätte meinen können, in den Glutöfen der Hölle zu stehen.

Die Stimmen der Männer, das Wiehern der Pferde und das Gemecker der Ziegen bildeten eine beständige Geräuschkulisse, die lediglich vom Hämmern und Schleifen des Metalls durchbrochen wurde, mit dem die Ritter ihre Harnische ausbeulten oder ihre Waffen schärften.

Gleichwohl ich mir vor dem Verfassen des Briefes das Haupt mit klarem Wasser gekühlt hatte, brach mir auf dem kurzen Weg zum Versammlungszelt der Schweiß aus, und als ich hinter Robert von Konstanz durch den Eingang trat, den zwei bewaffnete Wächter für uns öffneten, klebte schon wieder eine dünne Schicht aus Staub und Sand auf meiner Haut.

Ein Knappe reichte mir eine Schale mit Meerwasser, das ich mit beiden Händen schöpfte, um mein Antlitz zu reinigen. Ein anderer Diener brachte einen Krug mit süßem Wasser, das den Durst löschte. Die anwesenden Männer, die Anführer der Heere, die den Sieg bei Arsuf zu verantworten hatten, saßen bereits am runden Tisch in der Mitte, auf dem eine ausgerollte Karte der Levante lag.

Der Reigen begann zu meiner Linken mit Guy de Lusignan, dem ehemaligen König von Jerusalem. Sein lockiges braunes Haar fiel bis auf die Schultern, und der dichte Bart, zusammen mit den melancholisch dreinblickenden Augen, erinnerte nicht nur mich an den Heiland, auch wenn dieser nicht mit Schild und Schwert in die Schlacht geritten sein durfte.

Neben ihm saß Hugo von Burgund, der nach Philipps Rückkehr den Oberbefehl über das französische Heer innehielt. Damit waren die bedeutendsten Heerführer der Schlacht versammelt. Jakob von Avesnes, der das flämische Heer angeführt hatte, fehlte. Er war leider im Kampf gefallen. Sein Stellvertreter war ein mutiger Mann, besaß aber weder das strategische Wissen noch genoss er genug meines Vertrauens, als dass ich ihn in dieser Angelegenheit anhören wollte.

Von Robert abgesehen, gab es aber noch einen weiteren Krieger, dessen Meinung mir von allen am wichtigsten war. Sein widerspenstiges blondes Haar schien nur von einem Kettenhemd gebändigt werden zu können. Ein markantes Kinn unter einem dichten Vollbart und ausgeprägte Wangenknochen zeugten von der Willensstärker, die sich auch in seinen himmelblauen Augen spiegelte.

Hätte er sich nicht schon früh der armen Ritterschaft Christi angeschlossen, kein Weiberrock wäre vor ihm sicher gewesen. Doch ich wusste, dass dieser Mann sein Gelübde ernst nahm und das rote Tatzenkreuz, das auf weißem Linnen über dem Kettenhemd leuchtete, war für ihn weit mehr als nur ein Statussymbol.

Der Tempelritter hatte sich bei meinem Eintritt ebenso erhoben wie Guy de Lusignan und Hugo von Burgund. Doch ihn begrüßte ich als Erstes, schließlich hatte ich ihn, im Gegensatz zu den anderen beiden Heerführern, nach der Schlacht von Arsuf, nicht mehr persönlich sprechen können.

»Godwin, mein treuer Gefährte und Waffenbruder. Mein Herz ist erfüllt von Freude, Euch wohlbehalten vor mir zu sehen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Sire. Und ich bin stolz, Seite an Seite mit dem Löwenherz in die Schlacht geritten zu sein.«

»Ihr untertreibt. Jemand mit weniger Wagemut als Ihr und Eure Tempelritter und unsere Verluste wären weit größer ausgefallen.«

Das war keineswegs übertrieben, denn Godwin de Salier hatte mit seinen Mannen die Vorhut gebildet. Die Speerspitze unseres Sturms, in dessen Gefolge mein bretonisches und angevinisches Kontingent siegreich in die Schlacht geritten war.

Nachdem ich auch Guy und Hugo entsprechend begrüßt hatte, setzte ich mich auf einen hochlehnigen Stuhl, den mein Knappe und der Diener herbeitrugen.

»Meine Brüder. Ich habe euch zusammenrufen lassen, weil der Herr unser Gott, eine weitere Prüfung für uns vorgesehen hat, ehe wir die heilige Stadt erobern dürfen. Unsere Botschafter berichten von Opferstätten nahe des Bergs Zion, in denen die Anhänger eines grausamen Kultes ihrem Götzen Menschenopfer darbringen.«

Guy de Lusignan und Hugo von Burgund sahen sich verständnislos an, während Godwin meinen Blick stumm erwiderte.

Der französische Kommandant lachte rau. »Saladins Heer ist auf dem Rückzug. Er, den man den Unbesiegbaren nennt, wurde vernichtend geschlagen. Die Barbaren trachten danach, mit billigem Mummenschanz die Moral unserer Männer zu untergraben. Doch es wird ihnen nicht gelingen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Soviel wir wissen, haben die Sarazenen damit nichts zu tun. Ihre eigenen Frauen und Kinder werden verschleppt und geopfert.«

»Warum lässt Saladin dies zu?«, fragte Guy de Lusignan. »Warum lässt er die Kultstätten nicht niederbrennen?«

»Das gilt es herauszufinden«, erwiderte ich.

»Sire, von was für einem Kult sprechen wir überhaupt?«, erkundigte sich Godwin de Salier.

Ich trank einen Schluck Wasser, ehe ich mich zurücklehnte und eine Antwort gab, wobei ich jedem einzelnen Mann am Tisch fest in die Augen blickte.

»Es sind die Naassener!«

»Die Naassener?«, echote Hugo von Burgund und sah seine Kameraden an. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«

Godwin de Salier war unter der von der Sonne gebräunten Haut blass geworden. Er war es auch, der die Erklärung gab, allerdings ohne den Blick von mir abzuwenden.

»Der Begriff stammt aus dem Hebräischen und leitet sich ab von dem Wort Schlange. Sie gehören wie die Peraten, eine gnostische Sekte, die vor tausend Jahren existiert haben soll, zu den Ophiten und vergöttern die Paradiesschlange.«

»Sakrileg. Das ist reinste Blasphemie«, ereiferte sich Guy de Lusignan.

»Ophiten«, murmelte derweil Hugo von Burgund. »Was sind das für Leute? Schlangenbeschwörer?«

Godwin schüttelte den Kopf. »Hinter vorgehaltener Hand spricht man von Dämonen. Einige ophitische Sekten sollen harmlos gewesen sein, so wie die Peraten. Doch das hielt die Römer nicht davon ab, ihre Tempel niederzubrennen und ihre Priester abzuschlachten.«

Hugo von Burgund hob die Hand. »Moment, Bruder Godwin. Habt Ihr eben von Dämonen gesprochen?«

»Das tat ich.«

»Das ist doch Unsinn!«, rief er erbost, doch seine Stimme klang unsicher. Ein ängstlicher Unterton schwang darin mit.

»Ich würde die Existenz von Dämonen nicht leichtfertig abtun«, gab Guy de Lusignan zu Bedenken. »Und ich würde es den ungläubigen Mohammedanern zutrauen, dass sie sich mit ihnen verbünden, um uns zu schlagen.«

»Ihr glaubt, es handelt sich um eine Falle?«, wagte Robert von Konstanz den Einspruch.

Der ehemalige König von Jerusalem nickte. »Natürlich. Ein paar gut platzierte Gerüchte, damit wir unsere Streitkräfte aufsplitten. Was käme Saladin gelegener, als dass sein Erzfeind seine Kräfte im Kampf mit Dämonen aufreibt?«

Er starrte mich an, und ich wandte das Haupt meinem Freund Godwin zu. Bislang hatte ich geschwiegen, jetzt wollte ich die Meinung des Templers hören, der bisher nur wiedergegeben hatte, was in alten Schriften und Dokumenten überliefert wurde.

»Was meint Ihr, Bruder Godwin?«

»Ich denke, wir sollten den Hinweisen nachgehen. Selbst wenn es eine Falle sein sollte, so dürfen wir nicht hinnehmen, dass am heiligen Berg Zion, nahe der heiligen Stadt Jerusalem, Menschen der Paradiesschlange geopfert werden. Dieser Bestie göttliche Kraft zuzuschreiben ist ein Sakrileg, in diesem Punkt stimme ich Guy de Lusignan zu. Wie Ihr vielleicht wisst, gibt es Überlieferungen denen zufolge keine Geringere als Lilith mit der Paradiesschlange gleichgesetzt wird.«

Ich nickte versonnen und tastete nach dem silbernen Kreuz vor meiner Brust.

»Lilith?«, wiederholte Hugo von Burgund. »Ist das nicht ein Kinderschreck, um Buben und Mädchen das Fürchten zu lehren?« Er lachte, doch in seinen Augen flackerte die Furcht.

Godwin bedachte den Heerführer mit einem ernsten Blick. »Sie ist eine gefährliche Dämonin, die bereits bei den Babyloniern und Sumerern erwähnt wird. Vor allem ist sie aber die Gemahlin des Asmodäus, den wir Satan nennen.«

»Hört auf«, donnerte Hugo von Burgund und schlug seinen irdenen Becher so wuchtig auf den Tisch, dass das Wasser herausschwappte und die ausgebreitete Karte benetzte. »Ich kenne die Geschichten, die man sich über Euch erzählt, Godwin de Salier. Angeblich habt Ihr das zweite Gesicht. Sagt, sind euch in Akkon nicht die Engel erschienen, um Euer Leben zu retten?«

Der Tempelritter biss die Zähne aufeinander und schwieg. Sein Blick glitt ins Leere, als er sich in Erinnerungen verlor. Auch mir waren diese Geschichten schon zu Ohren gekommen, und ich beschloss, meinen Freund danach zu fragen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab.

»Eines steht fest«, rief ich mit erhobener Stimme dazwischen und stand auf. »Ob Dämonen oder nicht. Wir dürfen diesen Frevel nicht ungesühnt lassen.« Ich zog den silbernen Dolch, den ich an einer Scheide am Gürtel trug, und rammte seine Spitze dorthin, wo Jerusalem auf der Karte eingezeichnet war.

Wie ein Mahnmal ragte der kreuzförmige Griff der Waffe schräg in die Höhe. Auf ihr waren dieselben Zeichen eingraviert worden wie auf dem silbernen Kreuz vor meiner Brust.

»Dieser Sieg wird eine Botschaft sein. Er wird unseren Männern Stärke und Kraft verleihen und neuen Mut geben. Saladin aber wird zittern, wenn er die brennenden Tempel von seinem Palast aus sieht. Nicht zuletzt wird es aber eine Botschaft an den Bocksfuß selbst sein. Solange ich über England und die christlichen Welt wache, wird er niemals siegen. So sei es.«

Guy de Lusignan, Godwin de Salier und Robert von Konstanz standen ruckartig auf, sodass Hugo von Burgund gar nichts anderes übrig blieb, als es ihnen gleichzutun.

»Und wir folgen Euch!«, riefen die Männer im Chor.

»Ich danke Euch, meine Freunde. Aber wir dürfen den Einwand von Guy de Lusignan nicht außer Acht lassen. Es könnte tatsächlich eine Falle sein. Deshalb habe ich beschlossen, den Angriff mit einem Trupp weniger Auserwählter zu führen. Mein treuer Gefährte Robert wird mich ebenso begleiten wie Godwin de Salier. Seine Templer haben bei Akkon und Arsuf bewiesen, dass nur einer von ihnen für zehn Männer kämpfen kann.«

»Aber Sire«, wagte Hugo von Burgund den Einwand. »Was wenn Saladin Eure Abwesenheit nutzt, um das Lager anzugreifen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich. Die Niederlage bei Arsuf steckt seinen Mannen noch in Mark und Bein. Deshalb ist kein Zeitpunkt geeigneter als jetzt, um die Naassener endgültig zu vernichten. Sollte Saladin aber wider Erwarten doch eine Armee auf die Beine stellen, die es wagt, unser Heer anzugreifen, werden sie ihr blaues Wunder erleben, wenn sich zwei der besten Heerführer ihnen entgegenstellen.«

»Ihr sprecht von uns?«, vergewisserte sich Guy de Lusignan.

Ich nickte. »Jawohl. Während meiner Abwesenheit lege ich die Befehlsgewalt über das Heer der Bretonen und Angeviner in Eure Hände.«

Der ehemalige König von Jerusalem und Hugo von Burgund neigten die Häupter. »Wie Ihr wünscht, Sire.«

Sie verließen das Zelt, in dem ich mit Robert von Konstanz und Godwin de Salier zurückblieb.

»Wann wollt Ihr aufbrechen?«, erkundigte sich der Templer.

Ich griff nach dem Silberdolch und zog ihn aus der Tischplatte.

»Im Morgengrauen. Ich schlage vor, Ihr unterrichtet noch heute Eure Männer. Lasset keine falsche Zurückhaltung walten. Sagt ihnen, dass dieses Mal kein Tausendheer der Sarazenen auf sie lauert, sondern des Teufels Schlange selbst.«

Gegenwart

Das Anwesen der Conollys sah aus wie nach einem Bombenangriff.

Allerdings nicht allein mit herkömmlichen Bomben oder Granaten, sondern auch mit einem chemischen Kampfstoff, der sich als graue Asche um das Haus herum verteilte. Der abgestürzte Hubschrauber, der ein Stück des Gartens mitsamt dem sorgfältig gestutzten Rasen förmlich umgepflügt hatte, lag noch immer an Ort und Stelle.

Die Leichen der Piloten und Rettungskräfte, die sich mit an Bord befunden hatten, waren längst abtransportiert worden. Ebenso wie die zahllosen Schlangen, die das Grundstück belagert hatten.

Suko konnte nur den Kopf schütteln, als er sich unter dem Absperrband hinwegduckte. Er hatte das Gefühl, ein Katastrophengebiet zu betreten. Überall um ihn herum wimmelte es von Polizei, Feuerwehr und Militär. Trotzdem fühlte er sich wie der einsamste Mensch auf Erden. Und das hatte eine triftigen Grund, der noch nicht einmal etwas mit dem zu tun hatte, was hier geschehen war.

Höchstens indirekt.

Hubschrauber kreisten über dem Haus und sicherten den Luftraum. Kein Nachrichtenhubschrauber, keine Drohne, sollte Aufnahmen machen von dem, was vor wenigen Stunden eine Kreatur von archaischen Ausmaßen angerichtet hatte.

Suko erschauerte jetzt noch, als er an die Schädel der Saurier dachte, die das Haus umkreist hatten, als wäre der Bungalow auf dem Leib einer Hydra errichtet worden.

Vor der großen Doppelgarage stand sein BMW, der nur wenig abbekommen hatte. Der flüssige Stickstoff, mit dem sie dem Echsengott zu Leibe gerückt waren, hatte dem Wagen nichts anhaben können. Genauso wenig wie die Schlangen. Nur einige Dachschindeln hatten den Kofferraum getroffen, das Blech verbeult und den Lack zerkratzt. Nichts, was man nicht wieder beheben konnte.

Wie es um den Bungalow stand, mussten die Gutachter entscheiden.

Suko ging zielstrebig auf die kleine Gruppe zu, die vor dem Eingang stand und das Malheur besichtigte. Eine zierliche Frau mit langen lackschwarzen Haaren stürmte auf ihn zu.

»Suko!«

»Shao!« Plötzlich gab es auch für ihn kein Halten mehr. Suko umarmte seine Freundin, wollte sich mit ihr um die eigene Achse drehen, als sie einen leisen Schmerzensschrei ausstieß. Erschrocken ließ er von ihr ab. Schlagartig kehrte die Erinnerung an ihre blutige Schulter zurück.

»Shao, ist alles in Ordnung?«

»Ja, nur ein kleiner Biss. Ein Teil dieses Echsengottes hatte sich in eine Würgeschlange verwandelt. Wie sich herausstellte bin ich unverdaulich.« Sie schluckte, und mit einem Mal schimmerten Tränen in ihren Augen. »Ich hoffe bloß, dass der Biss keinen Keim übertragen hat. Wenn ich daran denke, dass ich mich auch in so ein Monster wie Elvira verwandele, wird mir ganz anders.«1)

Shao erschauerte, und Suko konnte es ihr nachfühlen. Er selbst war es gewesen, der die Zoologin Elvira Blackstone mit der Dämonenpeitsche erlöst hatte. Eigentlich hatten Shao und Sheila heute mit der Planung ihrer Stiftung beginnen wollen, deren Ziel es war, die Opfer von Dämonen oder schwarzmagischen Angriffen psychologische und monetäre Hilfe zukommen zu lassen.

Außer den beiden Frauen und Elvira Blackstone waren noch Marisa Douglas sowie die Graham-Zwillinge mit von der Partie gewesen. Cathy und Emma Graham waren mit Johnny befreundet. Auch sie hatten schon mehrfach unangenehme Begegnungen mit höllischen Kreaturen gehabt.

Die jungen Frauen waren längst auf dem Weg ins Krankenhaus.

Bill und Sheila kamen ebenfalls herbeigerannt, ihre Gesichter waren ein einziges Fragezeichen.