John Sinclair 2235 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2235 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mein Name ist John Conolly!
Ich war Irrenarzt im Middlesex County Asylum und setzte mich für eine humanere Behandlung der Irren ohne mechanische Zwangsmittel ein. Doch dann wurde ich Opfer einer Intrige. Es dauerte ein wenig, bis ich dahinterkam, doch dann war ich mir absolut sicher.
Eine perfide List einer Irren, die sich dem Bösen verschrieben hatte. Doch damit war nun endgültig Schluss. Hier und heute würde es enden ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Der Spinnenfrau ins Netz gegangen

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Der Spinnenfrau ins Netz gegangen

(Teil 2 von 2)

von Ian Rolf Hill

Hanwell, 1. November 1839

Mein Name ist John Conolly!

Ich war Irrenarzt im Middlesex County Asylum und setzte mich für eine humanere Behandlung der Patienten ohne mechanische Zwangsmittel ein. Doch dann wurde ich Opfer einer Intrige. Es dauerte ein wenig, bis ich dahinterkam, doch dann war ich mir absolut sicher: Irgendwie war es der wahnsinnigen Margaret gelungen, meinen Assistenten Seymour zu manipulieren.

Zuerst hatte er meinen Vorgänger Doktor William Charles Ellis vergiftet und getötet, und jetzt sollte ich an die Reihe kommen. Was ich zunächst für Seymours Plan gehalten hatte, die Leitung der Anstalt an sich zu reißen, entpuppte sich als perfide List einer Irren, die sich dem Bösen verschrieben hatte.

Doch damit war nun endgültig Schluss. Hier und heute würde es enden.

Ich brauchte die Wahnsinnige nur noch zu töten, so wie es mir die Stimme befohlen hatte.

Die Hand mit dem Messer fuhr hinab, genau auf den ungeschützten Hals der Wahnsinnigen zu, die mit sardonischem Grinsen ihre Zähne entblößte. Das gesunde Auge zuckte unstet von einer Seite zur anderen. Margaret traf nicht einmal Anstalten, sich zu wehren.

Erwartete sie den Tod etwa? Sehnte sie ihn möglicherweise sogar herbei?

Ich weiß nicht, was es war, dass mich zögern ließ, den finalen Stoß anzusetzen, jedenfalls riss ich im letzten Moment den Arm zur Seite, sodass die Klinge dicht neben Margarets Halsschlagader in den Boden hackte. Trotzdem wurde die dünne Haut aufgerissen. Statt eines Stroms aus Blut quoll aber nur ein Rinnsal aus der Wunde.

Die hektischen Bewegungen des Auges stoppten. Unvermittelt heftete sich Margarets Blick auf mich, bohrte sich förmlich in mein Gehirn. Ehe ich es verhindern konnte, umklammerte sie meinen Kopf mit beiden Händen. Ich fürchtete, sie würde mir das Genick brechen. Stattdessen schnellte ihr Oberkörper nach oben.

Und dann spie sie mir, begleitet von einem Schwall abgestandenen, säuerlichen Atems, einen Namen ins Gesicht. »Pollock!«, keuchte sie. »Pollock!«

Einen Lidschlag später erschlaffte sie unter mir, und im selben Augenblick hämmerte es von außen gegen die Tür. Die Wärter hatten längst mitbekommen, dass ich mich nicht mehr im Arbeitszimmer aufhielt. Woher sie allerdings so schnell wussten, dass ich bei Margaret weilte, war mir schleierhaft. Aufschließen konnten sie die Zelle nicht, da der Schlüssel, den ich einem der Wärter abgenommen hatte, von innen im Schloss steckte.

Trotzdem würden sie nicht lange brauchen, um die Tür aufzubrechen.

Schon hörte ich die aufgeregten Rufe von Samuels und Richard sowie Evelyns Schreie und Seymours heisere Befehle. Kurz darauf wurde aus dem Hämmern ein dumpfes Wummern, als sich mehrere Männer gegen die Tür warfen. Schließlich drosch sogar jemand mit einem Vorschlaghammer dagegen. Bis sich ein Spalt in der oberen Hälfte auftat, durch die einer der Wärter eine Brechstange schob.

Ich zuckte wie von der Natter gebissen in die Höhe.

Der brennende Hass auf Margaret war verraucht, obwohl mir selbst nicht so recht bewusst war, weshalb. Kurzzeitig bekam ich den Eindruck, als wäre sie gar nicht so verrückt. Auf die Distanz wirkte der Ausdruck in dem gesunden Auge klar und berechnend.

»Pollock!«

Ich wich bis hinter die Tür zurück. Gerade noch rechtzeitig, denn mit einem Knall zersprang das Schloss, und die Tür schwang auf. Da ich mich in ihrem Schatten aufhielt, entging ich zunächst der Aufmerksamkeit der Wärter, die mit Samuels und Richard an der Spitze in die Zelle stürmten.

Bei Margarets Anblick blieben sie stehen. Ehe sie dazu kamen, sich umzusehen, fuhr die Wahnsinnige mit einem Kreischen, das direkt aus der Hölle zu kommen schien, auf und stürzte sich auf die Männer.

Das war die Ablenkung, die ich brauchte. Schattengleich huschte ich um die Tür herum und sah mich unvermittelt Seymour und Evelyn gegenüber. Ich stieß meinem Assistenten die Fäuste vor die Brust. Er wurde zurückgeschleudert, prallte gegen die Matrone, die ihn noch festzuhalten versuchte, sodass beide zu Boden gingen.

Für mich aber war der Weg frei.

Mit weiten Sätzen ließ ich die Schreie und den Tumult hinter mir, rannte den Gang entlang, bis ich schwer atmend den Ostflügel erreichte, in dem sich die weniger schweren Fälle tummelten.

Die Patienten blieben stehen, lachten oder klatschten in die Hände. Einige wollten mich festhalten, hielten mein Betragen offenbar für einen großen Spaß. Grob stieß ich sie zurück, jagte in die Küche, wo bereits das Mittagessen vorbereitet wurde.

Bei meinem stürmischen Eintreten verstummte das Klappern der Töpfe und Pfannen. Ein halbes Dutzend Augenpaare richtete sich auf mich. Gehetzt sah ich mich um. Rechts von mir lag der Durchgang zum Vorratsraum, wo sich auch die Treppe in den Keller befand.

Bimbo kam die Stufen hinauf. Auf der Schulter einen Sack Kartoffeln, in der Hand eine Öllampe. Seine Augen weiteten sich, als er mich erkannte. Die Treppe war zu schmal, um auszuweichen, und so warf ich mich mit meinem gesamten Körpergewicht gegen ihn. Der Irre wankte, verlor den Halt und segelte rücklings die steinernen Stufen hinab.

Stöhnend blieb er am Fuß der Treppe liegen. Ich kümmerte mich nicht um ihn, ich musste weg, bevor mich Seymour und seine Lakaien erwischten.

Obwohl ich erst seit fünf Monaten im Middlesex County Asylum tätig war, kannte ich den Komplex mittlerweile wie meine Westentasche. Dazu zählte auch der Gewölbekeller, der einem Labyrinth ähnelte. Einem Labyrinth, in dem es von Ratten wimmelte.

Im Schein der Öllaterne sah ich ihre graubraunen Körpern über den staubigen Boden und zwischen den Kartoffelsäcken herumwuseln. Ihre nackten Schwänze leuchteten wie fingerdicke Würmer. Von Grauen geschüttelt passierte ich den Vorratskeller und erreichte den hinteren Teil des Gewölbes, der nicht mehr genutzt wurde.

Steine und Geröll lagen auf dem Boden der Katakomben, die sich zu einem kaum schulterbreiten Korridor verschmälerten, der wiederum vor einer morschen Holztür endete. Sie war so dick mit Spinnweben behangen, dass es aussah, als hätte jemand alte Lappen darüber gehängt.

Ich zerrte die Tür auf, die mir entgegen kippte. Spinnen wuselten zwischen den brüchigen Latten hervor und huschten auf der Flucht vor dem Licht über das morsche Holz. Moderig riechende Luft schlug mir ins Gesicht. Unwillkürlich hielt ich den Atem an.

Finsternis füllte den Gang wie Pech, das den Schein der Öllaterne aufsaugte.

Alles in mir sträubte sich dagegen, weiterzugehen, doch ich hatte keine Wahl. Ich wusste nicht, wie lange ich durch den schmalen Korridor irrte, aber irgendwann stieß ich erneut vor eine hölzerne Tür. Sie war zwar ebenfalls mit Spinnweben behangen, war jedoch nicht annähernd so morsch und brüchig wie die, die ich zuerst geöffnet hatte.

Ich fand mich in einem Rundbogengewölbe wieder. In die Wände waren Nischen eingelassen. In einer von ihnen entdeckte ich eine steinerne Treppe. Mein Fuß berührte gerade die unterste Stufe, als ein scharfer Schmerz, einer glühenden Nadel gleich, durch meine Schläfen mitten ins Gehirn fuhr. Grelle Lichter zerplatzten vor meinen Augen. Mir schwindelte, und ich taumelte gegen das spröde Mauerwerk.

Hätte ich auf der Treppe gestanden, ich wäre mit Sicherheit gestürzt. So aber schloss ich die Augen, atmete mehrere Male tief ein und wieder aus und wartete, bis die Qualen abebbten. Dann gab ich mir einen Ruck, um die Treppe erneut in Angriff zu nehmen.

Abermals fuhr mir der Schmerz durch den Schädel. Meine Kehle schnürte sich zu, blanke Panik befiel mich. Die Öllaterne rutschte mir aus den schweißnassen Fingern und schepperte zu Boden.

Ich taumelte vorwärts, übersah die Kante der untersten Stufe und schlug der Länge nach auf die Treppe. Ein Schrei der Qual flog aus meinem Mund, für einen Moment verlor ich die Besinnung.

Lange konnte ich jedoch nicht ohnmächtig gewesen sein.

Das Licht der Öllaterne, die wie durch ein Wunder heil geblieben war, flackerte mit unverminderter Helligkeit. Ich vernahm auch keinerlei Geräusche etwaiger Verfolger. Dafür bemerkte ich, dass der glühende Schmerz einem dumpfen Pochen in den Schläfen gewichen war. Hinter Stirn und Augen pulsierte ein immenser Druck.

Die Angst war wie fortgeblasen. Ohne lange nachzudenken, kroch ich auf allen vieren die Stufen hinauf, gelangte an eine weitere Tür und öffnete sie. Mit einem gequälten Stöhnen auf den Lippen fiel ich in den dahinterliegenden Raum, krabbelte hinein und wälzte mich auf den Rücken. Mit den Füßen stieß ich die Tür zu und blieb schwer atmend liegen, den Blick an die Decke gerichtet.

Ein Lächeln huschte über meine Lippen.

Ich hatte es geschafft, ich war den Häschern entkommen. Und mein Kopf war so klar wie nie zuvor. Meine Gedanken schweiften zu Margaret und dem Begriff, den sie genannt hatte.

Pollock.

Ein Name? Vermutlich.

Plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte.

Heute

Dead End Asylum!

Johnny Conolly hatte das Gefühl, in Eiswasser getaucht worden zu sein. Er kannte diesen Namen, und er barg keine guten Erinnerungen. Bilder und Reminiszenzen tauchten wie aus dichtem Nebel vor Johnnys geistigem Auge auf.

Norek, der Dämon, der seine Mutter getötet hatte, Doktor Shelley ...

Nein, das konnte nicht sein. Er war nicht mehr in Twilight City. Es war ihm gelungen, der fremden Dimension zu entkommen. Wie lange das zurück? Drei Jahre?

Und jetzt kam dieser Doktor Turpin und behauptete, dass er nie Johnny Conolly gewesen war, sondern schon immer Wynn Blakeston, der seit drei Jahren Patient im Dead End Asylum war.

Das war Irrsinn!

Die Erinnerungen an die Zeit nach der Rückkehr aus TC waren so lebendig, wie die, die er an seine Kindheit hatte. An Nadine, die Wölfin, an seine Eltern oder an seinen Patenonkel John Sinclair. Er hatte Cathy Graham kennengelernt, und er hatte Nadine Berger und die Nebelinsel Avalon vor einem tückischen Angriff Luzifers bewahrt.

Und das alles sollte nur der Fantasie eines Verrückten entsprungen sein?

»Blödsinn«, keuchte Johnny und zerrte an den Riemen, mit denen er an das Bett gefesselt war. »Sie lügen. Machen Sie mich los, oder ...«

»Oder was?« Turpins Stimme klang weder provokant noch höhnisch, eher neugierig. »Es tut mir sehr leid, Ihnen eine solchen Schock zu versetzen. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht mit einer derartig heftigen Reaktion gerechnet. Sie hatten so gut auf die Behandlung angesprochen, Mister Blakeston.«

»Mein Name ist Johnny Conolly!«, brüllte er.

Turpin verschränkte die Arme, wobei er die Akte so vor seine Brust hielt, dass der Name Wynn Blakeston deutlich zu erkennen war. »Ich hatte wirklich gehofft, dass wir um die Schocktherapien herumkommen, doch ich fürchte, Ihr Wahn steckt einfach zu tief.«

»Sie ... Sie sind wahnsinnig. Ich bin Johnny Conolly. Der Sohn von Sheila und Bill Conolly. Geboren und aufgewachsen in London. Mein Patenonkel ist John Sinclair. Ich hatte als Kind eine Wölfin namens Nadine.«

»Die angeblich die Seele eines Menschen besaß?« Turpin lächelte maliziös.

»Woher ...?«

»Ich sagte doch, dass wir diese Gespräche schon häufiger geführt haben.« Der vermeintliche Arzt drehte sich um und ging zurück zu dem Stuhl unter dem vergitterten Fenster. »Leider hat die Elektro-Krampftherapie, der wir Sie unterzogen haben, eine unangenehme Nebenwirkung. Sie führt zu Gedächtnisverlust.« Er tippte sich mit dem Finger gegen die Schläfe.

»Was ist mit meiner Kleidung? Darin befand sich meine Brieftasche, das Handy und ein Ticket für ein Konzert in London.«

»London«, echote Turpin. »Diesen Ort erwähnen Sie tatsächlich sehr oft.«

»Weil er meine Heimatstadt ist«, schrie Johnny und bäumte sich auf. »Wie sollte ich mir all diese Details ausdenken?«

»Sie würden staunen, wozu das menschliche Gehirn fähig ist. Vor allem, wenn es bestrebt ist, den Verstand vor einer schrecklichen Wahrheit zu beschützen.«

»Was denn für eine schreckliche Wahrheit?«

Turpin schlug die Beine übereinander. »Noch ist nicht der richtige Zeitpunkt, Ihnen das mitzuteilen. Wie schon gesagt, wir hatten gehofft, dass Sie schon reif für die Wahrheit wären, doch wir haben uns geirrt. Ihr Geist war zu labil und hat sich stärker als je zuvor in Ihre neue Identität geflüchtet.«

»Wen meinen Sie mit wir?«

»Meine Kollegin Doktor Cruciata und mich!«

Johnny hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen bekommen zu haben.

Cruciata.

Auch dieser Name war ihm nicht fremd. Er war dieser Person bereits begegnet, allerdings nicht in Twilight City oder einem anderen Ort der Anderswelt, sondern in London. In einem Theater, in dem alte viktorianische Stücke aufgeführt wurden. Dort hatte sie sich als Madame Cruciata ausgegeben. Sie war eine Suggesta, eine Dämonin, die ihre Opfer durch bloße Worte beeinflussen konnte.

Plötzlich ergab für Johnny alles einen Sinn. Und so widersinnig es auch sein mochte, nach dem ersten Schreck, wirkte die Nennung dieses Namens sogar irgendwie beruhigend.

Ein leises Lachen drang aus Johnnys Kehle. »Madame Cruciata. Sie ist eine Spinnenfrau, die Menschen aussaugt. Ich hätte sie fast mit der Dämonenpeitsche vernichtet.«

Turpin nickte traurig. »Ja, diese Version ist mir bekannt.«

Johnny ging auf die Bemerkung nicht ein. »Ich will sie sehen. Ich will mit ihr sprechen.«

»Und das werden Sie auch. Allerdings später. Jetzt wäre es noch zu früh. Sie haben es ja selbst gesagt, dass sie eine Dämonin sei, die sie mit einer Peitsche beinahe umgebracht hätten. Tatsächlich haben Sie sie mehrfach attackiert. Sie haben sie so fest in Ihren Wahn integriert, dass wir es für besser hielten, Sie zunächst von ihr fernzuhalten. Deshalb habe ich Ihre Behandlung übernommen.«

»Bullshit.«

Doktor Turpin bewies eine Engelsgeduld. »Es ist die Wahrheit.«

»Dann beweisen Sie es mir«, verlangte Johnny. »Beweisen Sie mir, dass ich mich in Twilight City befinde und nie nach London zurückgekehrt bin.«

Turpin seufzte und massiert sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. »Nein, nein, sie waren noch nie in London. Verstehen Sie doch. Einen solchen Ort gibt es gar nicht.«

»Dafür habe ich aber ziemlich konkrete Vorstellungen von ihm.«

»Ja«, erwiderte Turpin ehrlich verbittert. »Und das haben Sie ihm zu verdanken.«

»Wem?«

»Dem Showman natürlich.«

Johnny stutzte. Der Showman war ein Dämon gewesen, der wie er durch Zufall nach Twilight City gekommen war, wo er feststellen musste, dass seine Fähigkeiten in der fremden Dimension nicht funktionierten. Trotzdem war es ihm gelungen, Cruciata aus einer Freakshow zu befreien und mit ihr einen Weg zurück auf die Erde zu finden. Dort hatte er Johnny vorgegaukelt, Abby Baldwin wäre ihm nach London gefolgt.*

Abby!

Der Gedanke an die junge Hexe mit dem silbernen Haar, versetzte Johnny einen Stich in Höhe des Herzens. Sie war die Tochter von Sir Roger Baldwin, einem mächtigen und einflussreichen Mann, der Johnny unter seine Fittiche genommen hatte, als er allein und verloren durch Twilight City geirrt war. Auf der Suche nach dem Mörder seiner Mutter, den er schließlich im Dead End Asylum gestellt hatte.

Doch Sheila Conolly lebte. Und Abby war nur eine Illusion gewesen. Zumindest jene Abby, der er in London begegnet war. Der Dämon hatte sich die Gefühle, die Johnny für sie hegte, eiskalt zunutze gemacht. Aber der Showman war vernichtet. John Sinclair hatte ihn mit Cruciatas Hilfe endgültig zur Hölle geschickt.

»Ich sehe, Sie erinnern sich«, meldete sich Doktor Turpin zu Wort.

»Der Showman ist ein mächtiger Dämon.«

»Er ist ein Scharlatan«, korrigierte der Arzt. »In Ihrer Verzweiflung haben Sie sich an ihn gewandt, damit er Ihnen neue Erinnerungen einpflanzt und Sie Ihren Schmerz endlich vergessen können. Leider hat er dabei Ihre gesamte Identität beinahe ausgelöscht.«

»Das ist ...«

Schwachsinn, wollte Johnny rufen, doch im letzten Moment riss er sich zusammen. Er begriff, dass alles, was er sagte, diesen Turpin nur in seiner Ansicht bekräftigen würde. So schwer es ihm fiel, aber musste die Scharade einstweilen mitspielen.

Doch war es wirklich nur ein Spiel? Eine perfide List, um ihn in die Irre zu führen?

Oh, es gab genügend Leute, die dafür infrage kämen. Nicht nur, um ihn fertigzumachen, sondern auch seine Eltern und John Sinclair. Oft genug war er deshalb in der Vergangenheit schon in Schwierigkeiten geraten. Nicht zuletzt wegen des Fluchs, der auf seiner Familie lastete, und der ebenfalls Teil seines Wahns sein sollte.

Welch ein Irrsinn ...

Johnny spürte ein Kichern in sich aufsteigen und schluckte es mühsam hinunter. Er durfte sich nicht kirre machen lassen. Er musste einen klaren Kopf bewahren und zu allererst die Fesseln loswerden. Dafür war es unumgänglich, Turpins Spiel mitzuspielen.

»Nehmen wir einmal an, Sie haben recht«, sagte Johnny. »Dann wäre es doch nur hilfreich, wenn Sie mir das Dead End Asylum und Twilight City zeigten.«

Turpin lächelte. »Das wäre es.« Er erhob sich und ging auf das Bett zu. Dicht daneben blieb er stehen und blickte auf seinen Patienten hinab. »Aber ich fürchte, Sie sagen das nur, damit wir die Riemen lösen. Tut mir leid, Mister Blakeston. Aber sie werden sich wohl noch ein Weilchen gedulden müssen.«

Der Arzt wandte sich ab und ging erneut zur Tür. Und dieses Mal ließ er sich nicht davon abhalten, dagegen zu hämmern. Die Angst loderte in Johnny auf.

»Nein, warten Sie ...« Er verdrehte den Kopf und konnte sehen, wie die Tür aufschwang. »Nicht! Bleiben Sie ... bitte!«

Turpin verharrte und drehte sich zu Johnny um. »Keine Bange, mein Freund. Ich komme bald wieder. Die Therapie wird nicht angenehm sein, aber Sie wird Ihnen helfen. Vertrauen Sie mir.« Es waren seine letzten Worte, ehe er die Zelle verließ. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss.

Johnny Conolly war allein.

»Kommen Sie zurück!«, rief er und zerrte verzweifelt an den Fesseln. »Doktor Turpin! Ich bin nicht verrückt. Ich bin Wynn Blakeston! Hören Sie? Ich bin Wynn Blakeston ...«

Obwohl die Nacht für mich relativ ereignislos verlaufen war, abgesehen davon, dass Cathy Graham und Johnny Conolly verschwunden waren, fühlte ich mich wie gerädert.

Bill und Sheila waren mit Cathys Schwester Emma und deren Freundin Marisa Douglas nach Hause gefahren, um dort den Rest der Nacht zu verbringen. Ich war im Yard geblieben, jederzeit damit rechnend, dass die Fahndung nach den Vermissten – oder zumindest nach dem Taxifahrer, der Cathy kutschiert hatte – Erfolg zeigte.

Glenda Perkins hatte frischen Kaffee aufgesetzt, der noch nicht durchgelaufen war, als Suko und Sir James das Büro betraten.

Meinem Partner hatte ich in der Nacht eine Nachricht geschickt, die er erst vor einer Dreiviertelstunde gelesen hatte, wie ich anhand der Häkchen neben der Message sehen konnte.

»Bist du geflogen?«, fragte ich den Inspektor.

»Nein, mit der Tube gefahren. Außerdem hab ich auf das Frühstück verzichtet«, antwortete er. »Warum hast du mich nicht geweckt?«

»Das würde mich auch interessieren«, schlug Sir James in dieselbe Kerbe.

»Das hätte ich getan, wenn es konkrete Hinweise gegeben hätte.« Mit Stichworten brachte ich sie auf den Stand der Dinge.

Suko saß mir gegenüber, ohne Anstalten zu treffen, sein Notebook aufzuklappen. Sir James hatte auf dem Besucherstuhl Platz genommen, während Glenda uns mit Getränken versorgte. Kaffee für Sir James und mich, Tee für Suko. Außerdem bekam der Superintendent noch eine Glas kohlensäurefreies Wasser.

»Cruciata«, murmelte er abschließend und nippte an der Tasse. »Sie hat ja wirklich lange nichts von sich hören lassen. Welches Interesse könnte sie an Johnny haben?«

»Eben das wissen wir nicht«, gab ich zerknirscht zu.



Tausende von E-Books und Hörbücher

Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.