John Sinclair 2262 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2262 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Frederick Beauchart war kotzübel!
Er kauerte am Heck von Fjodors Yacht und spähte verbissen zum Festland hinüber, das sich als schmales Band am Horizont abzeichnete. Es hieß, die Übelkeit rührte daher, weil das Gehirn keinen Fixpunkt besaß und die widersprüchlichen Bewegungen nicht einordnen konnte.
Doch das war nur ein Teil der Wahrheit.
Es war vor allem die Angst, die sich durch seine Eingeweide wühlte.
Hier draußen, knapp fünfzig Seemeilen von der Küste entfernt, konnte er verschwinden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Und er befürchtete, dass der Russe und seine Chefin genau das mit ihm tun würden, sobald sie erst hatten, was sie wollten.
Den sagenumwobenen Engelstöter ...


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Eine Falle für Carnegra

Epilog

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Eine Falle für Carnegra

(Teil 2 von 2)

von Ian Rolf Hill

Frederick Beauchart war kotzübel!

Er kauerte am Heck von Fjodors Yacht und spähte verbissen zum Festland hinüber, das sich als schmales Band am Horizont abzeichnete. Es hieß, die Übelkeit rührte daher, weil das Gehirn keinen Fixpunkt hatte und die widersprüchlichen Bewegungen nicht einordnen konnte.

Doch das war nur ein Teil der Wahrheit.

Es war vor allem die Angst, die sich durch seine Eingeweide wühlte.

Hier draußen, knapp fünfzig Seemeilen von der Küste entfernt, konnte er verschwinden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Und er befürchtete, dass der Russe und seine Chefin genau das mit ihm tun würden, sobald sie erst hatten, was sie wollten.

Den sagenumwobenen Engelstöter ...

Dabei handelte es sich nicht um eine Person, sondern um ein Artefakt. Ein Unikat aus vorbiblischer Zeit. Eine Legende, die es locker mit dem Heiligen Gral oder der Lanze des Longinus aufnehmen konnte.

Nur dass es sich in diesem Fall um ein Schwert handelte. Allerdings nicht um irgendeines. Angeblich war es dasselbe, mit dem der Erzengel Michael den abtrünnigen Luzifer in die Verdammnis gestoßen hatte. Was genau Chandra und der Russe damit vorhatten, entzog sich Beaucharts Kenntnis. Es interessierte ihn auch nicht wirklich. Er war froh, wenn er aus dieser Sache einigermaßen heil herauskam.

Er verfluchte den Tag, an dem der seltsame Mister Metatron in sein Büro am Hafen spaziert war, als gehöre es ihm. Natürlich waren Fjodors Wachhunde Dimitri und Sviatoslav ebenfalls anwesend gewesen und hatten gehört, wie Metatron ihm ein Geschäft vorgeschlagen hatte. Zunächst hatte Freddy angenommen, es ginge um Antiquitäten. Dann war das Wort Reliquie gefallen, und er war hellhörig geworden. Ebenso wie die Russen.

Danach war alles blitzschnell gegangen. Fjodor hatte seine Chefin in Moskau angerufen, die nur einen Tag später auf der Matte gestanden hatte. Und jetzt befanden sie sich zu sechst an Bord einer Motoryacht und schipperten hinaus auf die keltische See, wo angeblich ein Dampfer ankerte, der archäologische Schätze aus Mesopotamien geladen hatte.

Darunter auch den Engelstöter.

Noch lagen gut hundert Seemeilen vor ihnen, und mit jeder verstreichenden Minute wuchsen Beaucharts Zweifel, dass er ihr Ziel lebend erreichte. Wenn er den Blick hob, sah er den Russen mit Chandra im Steuerstand stehen. Metatron hatte es sich auf dem Bug bequem gemacht und tat so, als wäre das hier eine gottverdammte Vergnügungsfahrt.

Am meisten enervierte ihn jedoch das beständige Klicken und Ratschen, mit denen Dimitri das Magazin aus seiner Pistole rutschen ließ, nur um es gleich darauf zurück in den Griff zu rammen und durchzuladen. Danach ging das Spiel von Neuem los.

Beauchart wäre weniger nervös gewesen, wenn der Kerl zwischendurch nicht immer wieder einen Schluck aus der Wodkaflasche genommen hätte. Sviatoslav saß neben seinem Kumpan und las in einer zerfledderten Taschenbuchausgabe von Wem-auch-immer. Aber selbst wenn es Freddy interessiert hätte, hätte er das kyrillische Kauderwelsch ohnehin nicht lesen können.

Der Mafioso, der sich selbst gerne als Iron-Man bezeichnete, wandte den Kopf, um erneut nach der Küstenlinie Ausschau zu halten. Sie war in der Zwischenzeit hinter einem leichten Dunstschleier verschwunden. Er fluchte leise. Wenn wenigstens nicht die Sonne gewesen wäre.

Plötzlich wandte sich Chandra vom Steuerstand ab, schwang sich über die Leiter nach unten und verschwand in der Kajüte, aus der sie wenig später mit einem Sixpack Wasserflaschen wieder auftauchte. Sie warf Sviatoslav eine davon zu, der sie auffing, ohne von seinem Buch aufzublicken.

Dimitri winkte ab und hob die Wodkaflasche.

»Du sollst dich nicht besaufen, sondern bei klarem Verstand bleiben«, zischte sie und reichte dem Gorilla ebenfalls ein Wasser. Als Nächstes war Beauchart an der Reihe. »Hier, damit kannst du dir den Mund ausspülen, wenn du damit fertig bist, die Fische zu füttern.« Sie grinste schmallippig.

Beauchart grunzte, nahm die Flasche entgegen, die sich kalt anfühlte, als käme sie direkt aus dem Kühlschrank. Er drückte sie sich gegen die heiße Stirn.

»Das ist der Wind«, erklärte Chandra. »Er sorgt dafür, dass du nicht merkst, wie dir die Sonne das Gehirn weichkocht.«

Sviatoslav kicherte. Chandras Kopf ruckte herum, doch der Russe starrte unentwegt in sein Buch, sodass unklar blieb, ob er sich über die Bemerkung seiner Chefin oder das Gelesene amüsierte.

»Wie lange brauchen wir noch?«, fragte Beauchart, um überhaupt etwas zu sagen.

Chandra wandte sich wieder zu ihm um. Obwohl sie nicht besonders hochgewachsen war strömte sie eine Zähigkeit und Wildheit aus, die Beauchart gleichermaßen einschüchterte wie anmachte. Vielleicht lag es an den beiden Schulterholstern, die sie über dem Tanktop trug, vielleicht auch am kurzen zum Fasson geschnittene Haar oder den grünlich schillernden Augen.

»Ein wenig wirst du dich noch gedulden müssen. Drei, vier Stunden werden wir mit Sicherheit noch brauchen.«

Vier Stunden!

Frederick Beauchart glaubte, ohnmächtig zu werden. Chandra hatte wohl an seinem Gesichtsausdruck abgelesen, was er von dieser Antwort hielt. Sie lachte hart. »Keine Bange, Freddy. Du wirst es überleben.« Sie wiegte den Kopf. »Vielleicht«, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu und schickte sich an, den Steuerstand zu erklimmen.

Wie aus dem Nichts stand Metatron vor ihr.

Chandra zischte etwas auf Russisch, das sich nicht gerade freundlich anhörte. »Was soll das? Warum schleichen Sie sich an mich heran?«

Metatron ging nicht auf den Vorwurf ein, stattdessen legte er den Kopf in den Nacken und blickte zum Himmel hinauf. Das Licht der Sonne spiegelte sich in den Gläsern seiner Sonnenbrille. »Wir bekommen Besuch!«

Chandra folgte wortlos seinem Blick, und auch Beauchart drehte sich auf der Bank sitzend, um in den Himmel zu spähen. Und da sah er den Punkt, der rasch größer wurde. Zunächst hielt er ihn für einen Vogel, bis er es aufblitzen sah. Im selben Moment vernahm er ein leises Knattern.

Das war ein Hubschrauber!

Und er flog viel zu tief, als dass er nur zufällig ihren Weg kreuzte. »Wer ist das?«

»Woher soll ich das wissen?«, gab Chandra zu. »Aber ich habe da so eine Ahnung.«

»Sinclair!«

Die Anführerin der Unheilsbringer gluckste. »Der bestimmt nicht.«

»Aber er hat Freunde, die ...«

»... bald Geschichte sein werden.« Sie drückte ihm die restlichen Flaschen in die Hand. »Maschinen stop!«, rief sie Fjodor über die Schulter zu.

Der befolgte ihren Befehl prompt. Das Brummen des Viertakters wurde zu einem leisen Tuckern, als er in den Leerlauf schaltete. Jetzt war das Knattern der Rotoren noch deutlicher zu hören. Zusammen mit dem Klatschen der Wellen an die Bordwand war es das einzige Geräusch.

»Ernie, Bert! Holt die Sturmgewehre.«

»Ich heiße Sviatoslav«, protestierte einer der beiden Wachhunde.

»Wen interessiert das?«, blaffte ihn Chandra an. »Beweg deinen Arsch, oder du kannst nach Hause schwimmen.«

»Oh, ich glaube, die beiden können sich die Mühe sparen«, mischte sich Metatron ein, der noch immer wie hypnotisiert in den Himmel starrte. Dort war der Hubschrauber in den letzten Sekunden größer geworden und deutlich zu erkennen.

Er schoss höchstens zwanzig Yards über der Oberfläche auf sie zu.

Und genau über ihnen entstand plötzlich ein blaues Licht, das sich rasend schnell ausbreitete. Wind kam auf und brachte die See um sie herum zum Kochen. Die Yacht hüpfte auf den Wellen wie ein Korken. Selbst Chandra hätte beinahe den Halt verloren, hätte Metatron sie nicht festgehalten.

Das Licht wurde zu einem Strudel aus herumwirbelnden Farben, die einen Schlauch bildeten, der Beauchart an eine Windhose erinnerte. Nur dass diese nicht nach unten raste, um sie zu verschlingen, sondern einen Bogen beschrieb. Plötzlich wies das Ende auf den näher kommenden Hubschrauber, formte einen Trichter. So als wollte das Gebilde die Flugmaschine einfach aufsaugen.

»Was, zum Teufel, ist das?«, schrie Beauchart über das Tosen der Elemente hinweg.

»Von wegen Teufel.« Chandra schüttelte den Kopf und lachte. »Das ist Pandora!«

Bill Conolly vergaß sogar zu blinzeln.

Aus dem wirbelnden Schlund des riesigen Füllhorns, das vor ihnen am Himmel entstanden war, raste eine Gestalt mit gewaltige Schwingen und einem rötlich schillernden Rumpf.

Ein Schädel mit Augen so groß wie Gullydeckel schob sich aus dem Strudel. Der gekrümmte Schnabel öffnete sich. Das folgende Kreischen war so laut, dass es selbst über das Knattern der Rotoren hinweg wie Nadeln in Bills Ohren stach.

Der Monstervogel jagte aus dem Füllhorn, das von einer Sekunde auf die andere verschwand, als wäre es nie dagewesen. Sein gewaltiger Leib konnte es locker mit dem Hubschrauber aufnehmen.

Das Herz des Reporters setzte vor Schreck beinahe aus, als das Ungeheuer die Flügel spreizte und die gekrümmten Krallen nach vorne schwang. Das Biest zog feurige Schwänze hinter sich her, die wie die Riemen einer gewaltigen Flammenpeitsche aussahen.

Doch mit Belphegor hatte dieses Monster nichts zu tun, das hier ging auf das Konto einer anderen Person, die dem Erzdämon in puncto Gefährlichkeit jedoch in nichts nachstand.

Pandora!

»Scheiße«, brüllte Bill, und klammerte sich am Haltgriff über der Tür fest.

Mit den Füßen stemmte er sich gegen den Boden der Pilotenkanzel. Jeder Muskel in seinem Körper war gespannt. Unternehmen konnte er trotzdem nichts. Ihr Schicksal lag jetzt allein in Form eines Steuerknüppels in den Händen von Karina Grischin. Und die reagierte mit einer Kaltschnäuzigkeit, als täte sie so etwas jeden Tag.

Abrupt kippte der Hubschrauber nach links, legte sich auf die Seite und schoss haarscharf an dem Ungeheuer vorbei, dessen Schwingen sogar kurzzeitig die Sonne verdunkelten. Ein heftiger Schlag traf den Helikopter und schüttelte die drei Insassen durch.

Wie es Karinas Begleiterin Isabell erging, konnte der Reporter nicht sehen, er war viel zu sehr mit sich beschäftigt. Ebenso wie Karina, die Mühe hatte, die stählerne Libelle wieder in den Griff zu bekommen.

Die Menschen an Bord wurden durchgeschüttelt wie in der Zentrifuge einer Waschmaschine. Bill umklammerte den Haltegriff jetzt mit beiden Fäusten, während die Welt um den Hubschrauber herumwirbelte. Himmel und Meer verschmolzen zu einer einzigen blaugrauen Masse.

Dann kehrte unvermittelt Ruhe ein.

Karina hatte es geschafft.

Eben fegten sie über die Motoryacht hinweg, auf der sich Pandoras Schergen tummelten. Um die mussten sie sich später kümmern. Bill bezweifelte, dass das Ungeheuer aufgegeben hatte und davonfliegen würde.

»Was, zum Henker, war das?«

»Schon mal was vom Phönix gehört?«, fragte Isabell hinter ihm.

»Was? Das Ding gibt es wirklich?«

»Ja, und er ist praktisch unverwundbar.«

»Vor allem ist er immer noch hinter uns«, rief Karina. »Wenn uns sein Flammenschweif trifft, sind wir geliefert.«

»Ich nehme an, dass wir es mit den Maschinenpistolen gar nicht erst zu versuchen brauchen?«, erkundigte sich Bill.

»Welchen Teil von unverwundbar hast du nicht verstanden?« Isabell verdrehte die Augen.

»Scheiße, und ausgerechnet jetzt ist John Sinclair nicht da. Mit dem Bumerang ...«

»Vergiss ihn«, unterbrach ihn Karina barsch, und riss den Hubschrauber nach rechts.

Gleichzeitig senkte sich die Schnauze, und mit einem Mal sah Bill nur noch die aufgewühlte See in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen.

»Bist du lebensmüde?«

»Im Gegenteil.« In buchstäblich letzter Sekunde zog Karina den Helikopter nach oben.

Bill wäre jede Wette eingegangen, dass die Kufen die Wellen touchierten. Aber auch an anderer Stelle war es knapp gewesen. Das erkannte er, als der Schatten des Phönix einen Herzschlag lang die Sonne verdunkelte.

»Versuch das Ding ruhigzuhalten«, sagte Isabell. »Und bring mich direkt vor das Monster.«

»Was hast du vor?«, rief Karina besorgt.

Isabell hob das Zepter. »Ich habe eine kleine Überraschung für unser Vögelchen.« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung wandte sie sich ab. Kurz darauf ging eine Erschütterung durch den Hubschrauber, als sie die Seitentür aufzog und ein kalter Windstoß in die Kabine fuhr.

»Verflixt noch eins.« Das Zittern des Steuerknüppels übertrug sich auf Karinas Arme.

Der Hubschrauber bockte wie ein störrischer Esel. Bill dagegen hatte nur Augen für den Phönix, der wie aus dem Nichts über ihnen auftauchte.

Für eine Sekunde tauchte ein Bild aus der Vergangenheit vor seinem geistigen Auge auf. Ein Hubschrauber über einem urzeitlichen Dschungel. Flugsaurier mit rasiermesserscharfen Schnäbeln. Und er mit einer Maschinenpistole bewaffnet im offenen Einstieg stehend.

Ein Feuerball verschlang die Reminiszenz, jagte nur wenige Yards an der Kanzel vorbei und raste ins Meer. An der Stelle, wo die Flammenkugel eingeschlagen war, schoss eine meterhohe Wassersäule empor, die augenblicklich verdampfte. Die Tröpfchen prasselten auf die Cockpitscheiben und erschwerten für Sekunden die Sicht.

»Das Vieh speit Feuer?«, krächzte Bill fassungslos.

»Vergaß ich das zu erwähnen?«, schrie Isabell. Ihre Stimme war über das Dröhnen der Motoren und das Pfeifen des Windes kaum zu verstehen.

»Ja, verdammt.«

Er warf einen Blick über die Schulter. Karinas Freundin stand mit einem Bein auf der Kufe. Sie hielt sich nur mit einer Hand fest, während sie in der anderen das Zepter schwang, dessen Kugel in einem strahlend weißen Licht aufleuchtete.

Karina zog den Hubschrauber in eine enge Rechtskurve. Bill brauchte nur leicht den Kopf zu wenden, um das Meer zu sehen, das sich unter den Luftwirbeln des Rotors kräuselte. Der Schatten ihrer Flugmaschine malte sich als zittriger Scherenschnitt auf der Wasseroberfläche ab.

Und er bekam Gesellschaft.

Bills Herz übersprang vor Schreck einen Schlag, als das Vieh erneut den Schnabel aufriss und einen weiteren Feuerball auf sie spuckte. Dieses Mal war Isabell vorbereitet. Sie schwang das Zepter wie eine Schleuder.

Im ersten Moment sah es so aus, als ob sich die Kugel aus der krallenförmigen Halterung gelöst hätte, doch es war bloß eine magische Lichteruption.

Lächerlich im Vergleich zu der Feuerkugel.

Trotzdem zerbarst sie wie eine Seifenblase, als die magische Entladung ihn traf, was den Phönix jedoch nicht daran hinderte, weiter auf sie zuzurasen. Abermals schwangen seine gewaltigen Klauen nach vorne, zielten direkt auf die Zauberin, deren Zepter bereits in neuem Glanz erstrahlte.

Dieses Mal war der Phönix auf der Hut. Bevor ihn die magische Entladung treffen konnte, schwang er sich in die Höhe. Die Lichtkugel schoss unter ihm vorbei und erwischte lediglich einen seiner Flammenschwänze, der sofort zu Asche zerfiel.

Die zwei anderen aber trafen den Heckausleger mit dem Höhentriebwerk. Der Hubschrauber wurde herumgerissen. Die Zentrifugalkraft packte Isabell und riss sie aus dem Einstieg.

Alles, was Bill hörte, war ein kurzer Schrei, dann verschwand sie in der Tiefe.

Karina brüllte vor Wut und Angst, während der Hubschrauber durch die Luft trudelte.

Selten hatte sich der Reporter hilfloser gefühlt. Seine Waffen halfen ihm in dieser Situation herzlich wenig. Selbst die Goldene Pistole war nutzlos. Auch wenn er freies Schussfeld gehabt hätte, wäre der Phönix vermutlich viel zu schnell für den Schleim vom Planeten der Magier.

Bill schloss die Augen. Karina dagegen versuchte alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Hubschrauber unter Kontrolle zu bekommen. Vergebens.

»Festhalten!«

Der Reporter riss die Augen auf und hätte sich gewünscht, es nicht getan zu haben. Wieder raste die Wasseroberfläche auf sie zu, nur dieses Mal würde Karina es nicht schaffen, die Maschine rechtzeitig in die Höhe zu reißen.

Warum habe ich mich nur auf dieses Himmelfahrtskommando eingelassen?, fragte sich Bill Conolly noch. Dann erfolgte der Aufprall.

Der Tod wälzte sich in Form eines Hubschrauberwracks auf uns zu.

Ein Ausweichen kam nicht infrage, da wir uns in auf einem unbefestigten Waldweg mitten in der belarussischen Wildnis befanden.

Wir, das waren mein Freund Suko, die Oppositionspolitikerin Milena Kurkowa samt ihrer Familie, die Spinnenfrau Cruciata, das Waisenkind Marylin Grey, in dem sich der Racheengel Barbelo manifestiert hatte, und ich.

Mary hatten wir es überhaupt zu verdanken, dass wir so weit gekommen waren, denn das Mädchen verfügte nicht nur über enorme telekinetische Kräfte, es besaß auch das magisch wirksame Kometenfragment, das wir Rasputin abgenommen hatten.

Warum es sich in ihrem Besitz befand, war mir ein Rätsel, dessen Klärung aber noch warten musste, denn momentan ging es um Bruchteile von Sekunden. Und Marylin hatte nichts Besseres zu tun, als sich die Ohren zuzuhalten, die Augen zusammenzukneifen und wie am Spieß zu kreischen.

Bislang hatte sie ziemlich konkrete Vorstellungen gehabt, was sie zu tun hatte, doch jetzt war ihr kindlicher Verstand überfordert, und das würde uns das Leben kosten.

Sie war die Einzige, die uns noch retten konnte.

Ich drückte Valentin das Sturmgewehr in die Hand. Dann beugte ich mich über die Rückenlehne, packte Marylins Arme und bog sie zur Seite.

»Mary!«, brüllte ich. »Sieh mich an!«

Erschrocken riss sie die Augen auf. Das Kreuz auf meiner Brust brannte wie Feuer. Ich bog Marylins rechten Arm nach unten, presste ihre Hand auf das poröse Weltraumgestein.

»Staub, Mary! Hörst du? Reiß den Hubschrauber auseinander! Verwandle ihn in Asche und ...«

»JOOOHN!«

Ich sah noch, wie sich Marylins Augen mit einem milchigen Schleier überzogen, in dem tausend winziger Diamantsplitter funkelten, dann wirbelte ich herum und keuchte erschrocken auf. Der auf die Seite gekippte Hubschrauber, der um die eigene Achse drehend auf uns zu walzte, füllte mittlerweile die gesamte Frontscheibe.

Suko ging in die Eisen. Doch selbst wenn er den Rückwärtsgang eingelegt hätte, wären wir unserem Schicksal nicht mehr entronnen. Ganz abgesehen davon, dass sich eine Handvoll Armeejeeps an unsere Fersen geheftet hatte, war der Rumpf des havarierten Kampfhubschraubers viel schneller als wir.

Wie gelähmt starrte ich auf das Wrack, unfähig auch nur den kleinen Finger zu rühren. Milena und Valentin neben mir schrien vor Furcht, ihr Sohn Bojan hatte sich in seinem Gurt nach vorne gebeugt und den Kopf in den Armen verborgen. Der Kater Luzifer war unter dem Sitz verschwunden.

Suko und Cruciata erging es wie mir. Stumm starrten wir unserem Verderben entgegen.

Dann erfolgte der Aufprall. Ich rechnete mit einem im wahrsten Sinne des Wortes mörderischen Ruck, dem Splittern von Glas und dem Kreischen von Metall.

Doch nichts von alledem geschah.

Stattdessen wurde es schlagartig dunkel um uns herum. Auf einmal schien die Zeit langsamer abzulaufen. Mir aber klappte vor Staunen der Unterkiefer talwärts.

Der Stahl gab nach, weichte auf und verschluckte den Van, mit dem wir den Ausbruch gewagt hatten. Ungläubig beobachtete ich die schwarzen Partikel, die wie winzige Hagelkörner gegen die Frontscheibe prasselten und an den Seitenfenstern vorbeiflogen.

Da wusste ich, dass es Marylin geschafft hatte. Sie hatte das Hubschrauberwrack gewissermaßen pulverisiert. Oder war es Barbelo gewesen?

Hinter mir erklang eine Stimme, viel tiefer als die eines Kindes, begleitet von einem sirrenden Unterton. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagte, es hörte sich irgendwie ... antik an. Und da fiel es mir wie Schuppen von Augen. In derselben Sprache hatte Davinas Sohn Joel gesprochen, als er von Lilith besessen gewesen war. Es war babylonisch.

Ich drehte mich um und erschrak, als ich Marylins verzerrtes Gesicht mit den trüben Augen erblickte.

»Gib sie frei!«, forderte ich den Engel auf, doch Barbelo lachte nur.

»Wie undankbar«, wisperte sie.

Trotzdem nahmen Marylins Augen einen normalen Ausdruck an. Im selben Moment kühlte das Kreuz auf meiner Brust schlagartig ab. Das Mädchen stieß einen leisen Seufzer aus und sank ohnmächtig an Bojans Schulter.

Mein Blick fiel ungehindert durch die Heckscheibe, hinter der die schwarze Wolke unsere Verfolger einhüllte.

»Gib Gas!«, schrie ich Suko zu, doch der hatte längst reagiert und nagelte das Pedal ans Bodenblech.

Der Van machte einen regelrechten Satz nach vorne. Ich wurde gegen die Rückenlehne gepresst und wollte den Rucksack schließen, als ich in Bojans tränenüberströmtes Gesicht blickte.

»Ist es vorbei?«

»Ja, mein Junge«, murmelte ich. »Ich denke, wir haben es geschafft.«

»Und was ist mit Mary?«

»Sie schläft. Pass auf sie auf, okay? Versprichst du mir das?«