John Sinclair 2290 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2290 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Seymour Scott konnte vor Erregung kaum geradeaus denken. Wie jeden Freitagabend, wenn er Naomi erwartete, die dunkelhäutige Schönheit mit den vollen Lippen, die ihn innerhalb kürzester Zeit den stressigen Alltag vergessen ließ.
Oftmals, so wie heute, musste sie dafür nicht mal anwesend sein. Die bloße Vorstellung von den Dingen, die sie in wenigen Minuten mit ihm anstellen würde, genügten, um ihm den Schweiß aus den Poren zu treiben und seinen Puls in ungeahnte Höhen zu peitschen.
Als es an der Tür klingelte, übersprang Scotts Herz einen Schlag. Beinahe wäre ihm das Glas mit dem Mundwasser aus der Hand gerutscht. Ein Blick auf die Uhr. Fast eine halbe Stunde zu früh. Egal. Umso besser.
Mit klopfendem Herzen stürmte er aus dem Bad, durch die Diele zur Haustür. Er riss sie auf und blieb wie vom Donner gerührt stehen.
"Du ... du bist nicht Naomi!"
"Gut erkannt!", erwiderte die Fremde. "Aber ich bin sicher, dass wir uns ebenfalls prächtig amüsieren werden."


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Inhalt

Cover

Die Töchter des Kain

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Die Töchter des Kain

von Ian Rolf Hill

Seymour Scott konnte vor Erregung kaum geradeaus denken. Wie jeden Freitagabend, wenn er Naomi erwartete, die dunkelhäutige Schönheit mit den vollen Lippen, die ihn innerhalb kürzester Zeit den stressigen Alltag vergessen ließ.

Oftmals, so wie heute, musste sie dafür nicht mal anwesend sein. Die bloße Vorstellung von den Dingen, die sie in wenigen Minuten mit ihm anstellen würde, genügten, um ihm den Schweiß aus den Poren zu treiben und seinen Puls in ungeahnte Höhen zu peitschen.

Als es an der Tür klingelte, übersprang Scotts Herz einen Schlag. Beinahe wäre ihm das Glas mit dem Mundwasser aus der Hand gerutscht. Ein Blick auf die Uhr. Fast eine halbe Stunde zu früh. Egal. Umso besser.

Mit klopfendem Herzen stürmte er aus dem Bad, durch die Diele zur Haustür. Er riss sie auf und blieb wie vom Donner gerührt stehen.

»Du ... du bist nicht Naomi!«

»Gut erkannt!«, erwiderte die Fremde. »Aber ich bin sicher, dass wir uns ebenfalls prächtig amüsieren werden.«

Mit einem selbstsicheren Lächeln auf den Lippen schritt die zierliche Frau auf Seymour Scott zu, der automatisch zurückwich und die Tür freigab. In der Diele blieb sie stehen und blickte sich neugierig um. »Und? Wo geht es zum Arbeitszimmer?«

Scott hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein. »Arbeitszimmer?«

Plötzlich dämmerte ihm, was hier vor sich ging. Er drehte sich um und spähte an der offenen Tür, deren Klinke er noch immer in der Hand hielt, vorbei in die einsetzende Dämmerung.

Scott verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, konnte aber keine weiteren Personen entdecken. Ob sich jemand in den Büschen verbarg?

»Soll das ein Scherz sein?« Seymour schloss die Tür und wandte sich der Fremden zu.

Langsam wurde er sauer. Sicher, die Besucherin sah gut aus, war ihm persönlich aber ein wenig zu flachbrüstig. Außerdem fehlte ihr der gewisse Hauch Exotik, der ihn so anmachte. Auch wenn ihre hellblauen Augen mit dem lasziven Blick entlarvten, dass sie bestimmt keine Anfängerin war.

Das verriet schon ihre Kleidung.

Pumps mit Plateausohle, weiße Overknees mit Spitze und ein rotschwarz karierter Minirock. Darüber trug sie ein bauchfreies T-Shirt und eine schwarze Lederjacke. Das Haar hatte sie zum Pferdeschwanz zusammengebunden, der schräg aus dem Scheitel wuchs. Im Bauchnabel schimmerte ein Piercing. Der fransige Pony fiel ihr ins Gesicht und ließ sie jünger erscheinen, als sie vermutlich war.

»Du wolltest doch ein wenig Gesellschaft heute Abend.«

»Ich wollte Naomi!«, korrigierte Seymour Scott.

»Ja, das weiß ich. Leider ist Naomi ein wenig, nun ja, unpässlich. Deshalb bin ich ja jetzt hier.« Sie strahlte über das ganze Gesicht, schob die Hüfte nach vorne und trat dicht an ihn heran. Spielerisch griff sie nach der Krawatte und zog ihn zu sich hinunter. Ohne den Blick von seinen Augen abzuwenden, drückte sie ihr Bein vor und rieb den Oberschenkel an seinem Schritt.

»Ich hatte gehofft, dass du mir etwas Nachhilfe gibst, Professor!«, hauchte sie.

Ihr Atem kitzelte an seinem Ohr. Seymour spürte, wie sich das Blut im Unterleib sammelte. Ihm wurde schwindelig, sein Atem ging schneller. Verflucht, das kleine Luder wusste genau, was es tat und welche Knöpfe es drücken musste. Die Finger ihrer rechten Hand glitten über den Nacken, kraulten die feinen Härchen. Scott erschauerte. Seine Kehle war mit einem Mal so trocken wie eine Wüste.

Er ließ den Blick über ihre Figur schweifen. Die Lederjacke war aufgeklafft, deutlich zeichneten sich die dunklen Brustwarzen unter dem dünnen Stoff ab, verrieten ihm, dass sie keinen BH trug. Sofort gingen seine Hände auf Wanderschaft, strichen über den nackten Bauch und glitten schließlich unter das T-Shirt.

Seymour stöhnte, denn kaum lagen die Hände auf ihren harten Nippeln, da rieb sie ihr Bein stärker an seinem Schritt. Wahrscheinlich trug das kleine Luder nicht mal ein Höschen.

Er wollte sich eben davon überzeugen, als die Unbekannte blitzschnell zurückwich und sich mit einem koketten Lachen umdrehte.

Seymour Scott stolperte nach vorne. »Was ...?«

Die Unbekannte winkelte den linken Arm an und wackelte mit dem ausgestreckten Zeigefinger, während sie ihn lasziv über die Schulter ansah.

»Aber nicht doch hier, in der Diele. Ich dachte, du zeigst mir dein Arbeitszimmer.«

»Sollen ...« Scott musste sich räuspern. »Sollen wir nicht lieber ins Schlafzimmer gehen?«

Sie lachte girrend, ging durch die Tür und öffnete nacheinander die anderen Türen. Bei der dritten hatte sie Glück. Bevor sie das Zimmer betrat, gab sie ihm mit dem Zeigefinger zu verstehen, dass er ihr folgen sollte.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schlüpfte sie in den dahinterliegenden Raum, wo kurz darauf das Licht seiner Buchhalterlampe auf dem Schreibtisch aufleuchtete.

»Kommst du, oder brauchst du eine Extraeinladung?«

Seymour Scott erwachte wie aus einem Traum. Langsam bewegte er sich auf die halb offene Tür zu. Naomi war längst vergessen. Typ hin oder her, aber dieses Luder wollte er unbedingt haben. Er keuchte, als er sah, wie sie sich über den Schreibtisch beugte.

Der Rock war nach oben gerutscht, sodass trotz der schummerigen Lichtverhältnisse deutlich zu erkennen war, dass sie tatsächlich kein Höschen trug.

Er trat dicht hinter sie, wollte die Hände auf ihre Backen legen, als ihm etwas einfiel. »Wie ... wie heißt du eigentlich?«

»Isabell!«, antwortete die Fremde, ohne sich umzudrehen.

Sie hatte den bronzenen Stifthalter zur Seite geschoben und stützte sich mit den Ellenbogen auf die Schreibtischplatte. In den Händen hielt sie sein persönliches Notizbuch, in dem sie neugierig herumblätterte.

Schlagartig verpuffte seine Gier. Er beugte sich über sie und riss ihr das Buch aus den Fingern.

»Hey, das geht dich nun wirklich nichts an!«

Isabell reagierte nicht auf den Tadel, stattdessen bestaunte sie die vielen Bücher und Dokumente, die sich auf dem Schreibtisch stapelten.

»Wow, was ist das für Zeug?«, fragte das Escort-Girl und hob eine Blatt Papier, das mit seltsamen Schriftzeichen übersät war. »Sieht aus, als wäre ein Huhn drüber gelaufen.«

Scott seufzte und nahm ihr auch dieses Dokument aus der Hand. »Das ist Keilschrift.«

Sie richtete sich auf und drehte sich um, wobei sie den Hintern auf die Schreibtischkante schob und ein Bein auf die Platte stellte. Dadurch gewährte sie Seymour nicht nur tiefe Einblicke, er sah auch, dass sie rasiert war.

»Geilschrift?« Isabell giggelte.

»Keilschrift«, berichtigte er sie automatisch. Er mochte es nicht, wenn man sein Steckenpferd beleidigte. »Ich bin Archäologe und Keilschriftexperte.«

»Aha«, machte Isabell wenig geistreich. »Und was steht dort?«

Scott zog die Brauen über der Nasenwurzel zusammen. Er würde einen Teufel tun, der Kleinen von seiner Arbeit zu erzählen, daher erwiderte er: »Das ist ein Rezept zum Bierbrauen.«

Isabell legte die Stirn in Falten und wollte sich das Blatt wieder schnappen, doch Seymour Scott war schneller.

»Bier?«, fragte sie ungläubig, und nahm den Fuß von der Schreibtischplatte. »Wer schreibt denn so was in Geilschrift auf?«

»Nun, zum Beispiel die Sumerer oder Babylonier«, antwortete er gelangweilt. »Und das vor mehr als fünftausend Jahren.«

»Krass. Hatten die denn nichts Besseres zu tun?« Isabell schritt an dem Schreibtisch vorbei und strich dabei mit dem Finger über die Tischkante.

»Nein, hatten sie nicht. Was glaubst du, warum die Schrift erfunden wurde? Um die Geheimnisse der Menschheit aufzuschreiben?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Na ja, vielleicht um Geschichten weiterzugeben.«

Scott schnaubte verächtlich. »Das geschah erst einige Jahrhunderte später. Die Schrift selbst wurde vor fünftausend Jahren in Mesopotamien erfunden. Und zwar von Beamten und Zählmeistern, die damit Waren katalogisierten.«

Isabells Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln. »Fünftausend Jahre? Und was ist mit den älteren Zivilisationen?«

Seymour runzelte die Stirn. »Was für ältere Zivilisationen? Sprichst du von den Maya oder Azteken? Die haben zur selben Zeit ...«

»Ich meine eher Atlantis, Lemuria und Toghan.«

Der Professor presste die Kiefer aufeinander. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Plötzlich war er sich sicher, dass hier etwas nicht stimmte. Isabell war vor einer kleinen Statue stehen geblieben, die inmitten dicker Wälzer in einer Vitrine stand. Die Gips-Replik stellte eine gekrönte Frau dar, die einen siebenköpfigen Drachen ritt.

Die Hure Babylon.

»Willst du mich verarschen?«

Isabell hob den Kopf. Ihr Gesicht spiegelte sich schemenhaft in der Scheibe. Ihre Augen dagegen waren überdeutlich zu erkennen. Sie leuchteten blau.

»Ich bin es bestimmt nicht, die hier jemanden verarscht«, sagte sie mit klirrender Stimme. Sie wirbelte herum und fixierte Seymour Scott mit kaltem Blick.

Der Gelehrte fing an zu schwitzen. Sein Herz pumpte schneller.

Das ist doch keine gewöhnliche Nutte, dachte er. Das ist ... das ist ... eine Spionin. Eine, die mich aushorchen soll.

Sein Blick glitt zu der Statue hinter Isabell. Bewegte sie sich etwa?

Gewaltsam löste er sein Augenmerk von der Replik und starrte auf das Blatt Papier in seinen Händen. Sämtliche Erregung war verflogen, dafür spürte er die Angst, die sich wie ein Klumpen Eis in seinem Magen festgesetzt hatte. Kälte kroch in seine Glieder.

»Raus«, krächzte er.

Isabell trat näher, neigte den Kopf zur Seite, um ihm von unten ins Gesicht zu sehen. »Aber wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen. Du hast mich für zwölf Stunden bezahlt.«

»Ich habe für Naomi bezahlt«, knurrte er. Dann streckte er ruckartig den Arm aus und deutete zur Tür. »Und jetzt raus, bevor ich mich vergesse!«

Sie schürzte die Unterlippe und senkte traurig den Blick. Mit spitzen Fingern lüpfte sie den Rock und präsentierte ihm ihr Geschlecht. »Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Ich bin auch ganz artig.«

»Nein!«, schrie Seymour, und wankte rückwärts. »Ich will, dass du verschwindest. Verzieh dich, sonst rufe ich die Polizei.«

Schlagartig fiel die devote Haltung von ihr ab. Isabell ließ den Rock fallen und warf den Kopf in den Nacken. Ihr Gelächter hallte bis an die Decke.

»Das will ich sehen, wie der berühmte Professor Seymour Scott die Bullen ruft, damit sie die Hure abführen, die er sich bestellt hat.«

»Ich habe dich nicht bestellt. Ich habe ...«

Sie winkte ab. »Ja, ja, du wolltest Naomi haben. Na, also schön. Ich geb ihr Bescheid.«

Er war so verdutzt, dass er zu keiner Reaktion fähig war. Isabell griff erneut nach seiner Krawatte, zog ihn zu sich heran und küsste ihn auf den Mund. Seymour Scott erstarrte.

Isabells Lippen fühlten sich an wie kalte, glitschige Würmer.

Ganz so als hätte er eine Leiche geküsst.

Die Kälte fuhr wie ein Stromstoß durch seinen Körper.

Seymour Scott zuckte zusammen und schubste Isabell zurück.

»Hau ab!«, keuchte er. »Hau ab und wage es nicht mehr, zurückzukommen. Ich ... ich werde mich bei der Agentur beschweren.«

»Tu dir keinen Zwang an. Und noch viel Spaß unter der Dusche!« Isabell grinste und ließ den Professor stehen. Mit wiegenden Hüften verließ sie das Arbeitszimmer und verschwand in der Diele.

Seymour Scott starrte ihr sekundenlang hinterher, dann stürzte er ihr nach. Nicht, dass die Schlampe auf die Idee kam, sich hier irgendwo zu verstecken oder etwas mitgehen zu lassen. Doch seine Befürchtungen waren unnötig.

Er sah gerade noch, wie die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Seltsamerweise musste er dabei an den Deckel eines Sargs denken. Totenstille senkte sich über das Haus. Sekundenlang starrte Scott auf die geschlossene Tür und lauschte dem Hämmern seines eigenen Herzens.

Der Professor schämte sich. Wie hatte er sich nur von dieser Frau derart vorführen lassen können? Wahrscheinlich hatte sie Naomi bestochen. Oder gehörte Isabell womöglich gar nicht zur Agentur?

Scott warf einen Blick auf die Uhr. Der Besuch hatte kaum fünfzehn Minuten gedauert. Ihm blieb also eine Viertelstunde bis zu der mit Naomi vereinbarten Zeit. Vielleicht kam sie ja doch noch zu ihrem Termin?

Schlagartig fiel der Frust von ihm ab, als sich seine Libido wieder mit voller Wucht bemerkbar machte. Seymour Scott wandte sich um und eilte zurück ins Bad, um sich frisch zu machen. Vor dem Waschbecken blieb er stehen und betrachtete sich sein Gesicht im Spiegel. Die Haut schimmerte käsig im Licht der Badezimmerbeleuchtung. Schweiß perlte auf seiner Stirn.

Scott zog das Sakko aus und öffnete mit zitternden Fingern die Manschetten des Hemdes, um die Ärmel hochzukrempeln. Die Krawatte warf er kurzerhand über die Schulter. Dann drehte er den Wasserhahn auf und beugte sich über das Becken.

Mit beiden Händen schaufelte er sich das Wasser ins Gesicht, trank auch einige Schlucke, um die trockene Kehle wieder anzufeuchten. Scott schloss die Augen und genoss die Kühle der eiskalten Flüssigkeit auf der erhitzten Haut, während er dem Rauschen des fingerdicken Strahls lauschte, der aus dem Kran schoss.

Eine halbe Minute später hatte er genug und stellte das Wasser ab. Scott richtete sich auf, wobei er die nassen Hände abschüttelte.

Sein Blick fiel in den Spiegel ... und geradewegs auf die vermummte Gestalt hinter ihm.

Ein erschreckter Laut drang aus seinem Mund. Auf dem Absatz wirbelte er herum. Sein Verstand versuchte noch, zu begreifen, wer diese Gestalt war und woher sie so plötzlich gekommen war, da traf ihn bereits der Schlag in den Magen.

Wie Säure fuhr der Schmerz durch die Eingeweide und breitete sich in Windeseile aus, ergriff von seinem gesamten Körper Besitz, der sich anfühlte, als würde er in der Mitte auseinandergerissen werden.

Langsam senkte Seymour Scott den Kopf und erblickte das Ende der Machete, dessen Klinge zwischen der Knopfleiste des Hemdes in seiner Bauchdecke verschwunden war. Zäh wie Sirup quoll ein dünnes Rinnsal Blut aus der Wunde und versickerte im Stoff.

Scott weigerte sich, zu akzeptieren, was sein Verstand schon längst wusste: Er war dem Tod geweiht!

Und wie an der Schnur gezogen hob er den Blick, um seinem Mörder in die Augen zu sehen. Oder besser gesagt, seiner Mörderin, denn dass es sich um eine Frau handelte, war durch den eng anliegenden Stoff des dunkelgrauen Catsuits eindeutig erkennbar.

Der Professor hatte das Gefühl, sein Schädel wäre mit Blei ausgegossen, so schwer war er plötzlich. Die Killerin neigte stumm den Kopf, erwiderte seinen Blick aus gelbgrün schillernden Augen.

»Wa... wa... wa...?«, stammelte Seymour Scott, und schmeckte Blut auf der Zunge.

Seine Knie schienen mit einem Mal aus Brei zu bestehen. Im nächsten Atemzug zerrte die Mörderin die Machete aus seinem Körper. Blut strömte aus dem Schnitt. Die Schmerzen wurden unerträglich. Seymour Scott wurde kurzzeitig schwarz vor Augen, bis ein grelles Licht zerplatzte und sich seine Sicht noch einmal klärte.

Riesengroß ragte die vermummte Killerin jetzt vor ihm auf und musterte ihn mit gesenktem Haupt. Da erst begriff er, dass er auf die Knie gesunken war. Die Welt schwankte wie ein Schiff auf hoher See.

Ein Schatten fegte von der Seite auf ihn zu. Der Hieb gegen den Hals war mörderisch.

Seymour Scott vernahm ein dumpfes Knacken, das in seinem Schädel widerhallte. Dann begann sich das Badezimmer rasend schnell um ihn herum zu drehen.

Der nächste Schlag traf den Hinterkopf.

Riesengroß ragte der Rand der Badewanne neben ihm auf. Scotts Sicht verschleierte sich, als die Schatten des Todes in sein Blickfeld wallten und es binnen Sekunden verengten.

Den Anblick seines enthaupteten Torsos, aus dessen Halsstumpf das Blut im Rhythmus des schwächer schlagenden Herzens pulsierte, nahm er mit ins Jenseits.

Liliths Vollstreckerin blickte teilnahmslos auf den Leichnam, der vor ihr kniete.

Er schwankte wie ein Schilfrohr im Wind, bis er schließlich den Halt verlor und langsam nach vorne kippte.

Die Maskierte trat einen schnellen Schritt zur Seite und beobachtete, wie der kopflose Rumpf neben der Toilette auf die Fliesen klatschte. Der Blutstrom versiegte, das Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Und Liliths Vollstreckerin verfiel in hektische Aktivität. Die Benzinkanister standen hinter dem Vorhang in der Dusche, in der sie sich versteckt hatte, während Scott von Isabell abgelenkt worden war.

Sie hätte den Professor sicherlich auch selbst kaltstellen können, doch dies hier war ihre Bewährungsprobe. Mit dieser Tat würde sie der Großen Mutter endgültig beweisen, wem ihre Loyalität galt und dass sie Liliths Haut nicht umsonst trug.

Die Henkerin schob die Macheten in die Schlaufen am Rücken und schnappte sich den ersten Kanister. Sobald sie die Maske mitsamt des Trikots überstreifte, verlor sie ihre menschliche Identität, dann wurde sie zu Liliths Vollstreckerin, dem Werkzeug der Großen Mutter.

Für sie existierte sie. Und für Lilith würde sie auch sterben. Aber gewiss nicht heute.

Den ersten Kanister leerte die Mörderin fast vollständig im Arbeitszimmer des Professors. Um die Aufzeichnungen und Dokumente kümmerte sie sich nicht. Das war nicht ihre Angelegenheit. Sie hatte einen Auftrag zu erledigen. Als sie das Büro rückwärts gehend verließ, wurde der Strahl des Benzins bereits dünner. Noch bevor sie die Haustür erreichte, verkam er zu einem Rinnsal.

Zum Glück hatte sie einen zweiten Kanister mitgebracht. Dessen Inhalt goss sie über den Leichnam und zog eine Spur bis zur Eingangstür. Dort ließ sie den Behälter achtlos fallen und holte eine Streichholzheftchen hervor, das sie vorsorglich unter den Ärmel des Trikots geschoben hatte.

Draußen war es mittlerweile vollständig dunkel geworden. Und obwohl das Haus des Professors nicht isoliert stand, brauchte sie keine Angst davor zu haben, vorzeitig entdeckt zu werden.

Selbst wenn man sie sah, würde der Polizei die Beschreibung nichts nutzen. Niemand wusste, wer sie war und woher sie kam. Außerdem vertraute sie auf den Schutz der Großen Mutter.

Lilith würde nicht zulassen, dass ihr ein Leid geschah.

Während sie das Haus verließ, brach die Vollstreckerin ein Zündholz ab und rieb den Schwefelkopf über die raue Fläche. Mit leisem Zischen wurde eine Flamme geboren, die die Maskierte an die restlichen Zündhölzer hielt. Fauchend fingen sie Feuer.