John Sinclair 2336 - Michael Breuer - E-Book

John Sinclair 2336 E-Book

Michael Breuer

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Beschreibung

Marik wusste nicht, wie lange er sich schon vergeblich die Finger blutig schabte, als ihm endlich aufging, dass es auf diesem Wege nicht funktionieren würde. Zeit war für ihn bedeutungslos geworden. Er hatte nur noch sein Ziel vor Augen. Wie er es erreichen würde, war ihm egal.
Er atmete einmal tief durch, holte Schwung und schlug dann mit der Stirn gegen die Steinplatte. Diesen Schmerz spürte er deutlich. Für einen kurzen Moment drohte ihm schwarz vor Augen zu werden.
Dann jedoch klärte sich sein Bewusstsein wieder. Er legte das Ohr an die Platte. Mit einem Mal glaubte er aus dem darunterliegenden Raum geisterhaftes Singen zu hören. Unwillkürlich schloss er die Augen. Was dort an sein Ohr drang, klang wie der betörende Gesang verwunschener Feen. Feen, die um jeden Preis aus ihrem unterirdischen Kerker befreit werden wollten ...


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Inhalt

Cover

Gesang der Phantome

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Gesang der Phantome

von Michael Breuer

Es war ein außergewöhnlich heißer Tag, als man die Königin mit ihrem Hofstaat zum Sterben in die Wüste hinausführte.

Viele Jahre hatte sie Unheil über das alte Reich gebracht, und der Unwille des Volkes war bereits seit Langem deutlich zu spüren gewesen. Die Königin jedoch hatte alle Vorzeichen mit der ihr eigenen Arroganz ignoriert.

Die Priesterschaft des Reichs verbündete sich mit der Armee, um den Sturz der Schwarzen Königin einzuleiten. Im Handstreich gelang es, sie zu entmachten und all ihre Helfershelfer dingfest zu machen.

Das Urteil über sie wurde schnell gefällt. Man wollte keine Zeit verlieren oder gar verborgenen Anhängern die Chance geben, sie zu befreien.

Nun also sollte das Urteil vollstreckt werden ...

In einer langen gewundenen Schlange bewegte sich der gewaltige Prozessionszug durch die Wüste. Die Sonne brannte sengend heiß, doch die Mienen der zahlreichen Männer und Frauen blieben unbewegt. Niemandem war anzusehen, was er gerade dachte.

Der Zug bestand aus der entmachteten Königin und ihren Getreuen, der Priesterschaft des Reiches und einer großen Anzahl von Soldaten, die den ordnungsgemäßen Ablauf der Dinge sicherstellen sollte.

Allen war bewusst, dass man gerade Teil eines unerhörten Ereignisses war. Die Königin sollte hingerichtet und ihr Name aus den Annalen der Geschichte getilgt werden.

Die Grabkammer, in der sie mit ihrem Hofstaat ihr Ende finden sollte, war bereits vor langer Zeit erbaut worden. Jetzt würden die unterirdischen Grüfte ihr letztes irdisches Herrschaftsgebiet werden.

Denn dies war die außergewöhnliche Strafe, welche der Hohepriester verkündet hatte. Die Königin sollte gemeinsam mit ihren Getreuen in den Grabkammern eingeschlossen werden, um dort ihr verdientes Ende zu finden.

Nach einer schier endlosen Zeit kam der Prozessionszug endlich zum Stehen. In einiger Entfernung gähnte ein großes, dunkles Loch im Boden. Dies war der Einstieg zu den unterirdischen Grabkammern.

Nun, da sie ihr Ziel erreicht hatten, blickten sich die Soldaten aufmerksam um. Sie wollten jede Möglichkeit eines Hinterhalts ausschließen. Obwohl man glaubte, alle Diener der Schwarzen Königin dingfest gemacht zu haben, war es dennoch nicht gänzlich unmöglich, dass sich Einzelne dazu berufen fühlten, einen Befreiungsversuch zu unternehmen. Dies sollte um jeden Preis verhindert werden. Das Land hatte genug unter ihrer Knute bluten müssen.

Wahrlich, die Königin hatte mit eiserner Faust regiert. Jetzt also sollte sie die Quittung für ihre Untaten bekommen!

Jeder wusste, was gleich geschehen würde, und so herrschte eine atemlose Stille. Die böse Königin sah ihrem unausweichlichen Schicksal mit stoischer Gelassenheit entgegen.

Der alte Semusret löste sich aus der Gruppe der Priesterschaft. Als ihr Oberhaupt war es seine Aufgabe, die unterirdischen Kavernen zu betreten und einzusegnen.

»Komm mit, Nechti«, sprach er in Richtung seines jungen Adlatus. »Du wirst mich auf diesem dunklen Weg begleiten.«

Gehorsam nickte der dunkel gelockte Nechti und machte sich daran, seinem Herrn und Meister zu folgen. Er wusste, wenn er lange genug lebte und den Haus- und Hofintrigen der übrigen Priesterschaft standhielt, würde er vielleicht dereinst das Amt des Hohepriesters von seinem Meister Semusret übernehmen.

Mit einer Fackel bewaffnet machte sich das ungleiche Paar an den Abstieg in die Dunkelheit. Die unterirdische Anlage bestand aus einem Vorraum, einer großen Hauptgrabkammer und zahllosen kleineren Räumen, die durch labyrinthische Gänge miteinander verbunden waren.

Glücklicherweise war es lediglich nötig, die Hauptkammer der Einsegnung zu unterziehen.

Gemessenen Schrittes durchquerte das Paar den Vorraum und bewegte sich zielsicher durch das Labyrinth, bis es die Hauptkammer erreichte. In der Mitte des großen Raums befand sich ein prachtvoller Sarkophag. Er war dereinst für die Königin bestimmt worden, doch ihre abscheulichen Taten schlossen eine ehrenvolle Bestattung aus. Das Nachleben im Schoß der Götter sollte ihr verwehrt bleiben.

Gemeinsam mit seinem Adlatus vollzog Semusret die rituellen Handlungen und machte sich danach wieder an den beschwerlichen Aufstieg.

An der Oberfläche hatten die Soldaten mittlerweile ihre Speere gesenkt, um die Verurteilten in Schach zu halten. Offenbar war es in der Zwischenzeit zu Unruhe gekommen.

Ein Hauptmann löste sich aus der Gruppe der Bewaffneten und trat auf Semusret zu.

»Wir sollten keine Zeit verlieren, Hohepriester«, erklärte er. »Noch sind die Götter uns gewogen. Wir sollten ihre Gunst nicht überstrapazieren.«

Semusret nickte. Er wusste, der Glaube des Hauptmanns war schwach. Er verließ sich lieber auf die Macht seines Schwertes. Dennoch hatte er natürlich recht. Es musste getan werden. Erst nach der Bestrafung der Königin konnte das Reich zu neuer Einheit und Ruhe finden.

»Es sei!«, erklärte er.

Semusret begab sich zu den übrigen Priestern und beriet sich kurz. Dann nahmen die Dinge ihren Lauf.

Die Soldaten senkten ihre Speere und bildeten ein breites Spalier, durch das die Königin und ihr Gefolge den Priestern entgegengehen konnten. Obwohl man sie für ihre schrecklichen Taten verurteilt hatte, wurde sie immer noch in Ehren behandelt. Niemand schmähte sie oder versuchte, ihr ein Leid anzutun. Bei manch einem Soldaten mochte dabei auch die Furcht eine Rolle spielen, aus dem Jenseits für eventuelle Übergriffe von ihr belangt zu werden. Zu oft schon hatte die Schwarze Königin ihre Macht unter Beweis gestellt. Möglicherweise reichte sie gar über den Tod hinaus.

Als die Verurteilten nur noch wenige Meter von Semusret entfernt waren, räusperte sich dieser vernehmlich. Er griff nach einer großen Pergamentrolle und begann die zahlreichen Titel der Königin zu verlesen.

»Nach dem Willen der Götter und des Volkes sind wir heute hier zusammengekommen, um euch und eure Getreuen für eure Taten gebührend zu betrafen und euren Namen aus dem Andenken der Nachwelt zu tilgen«, verlas der alte Hohepriester.

Dabei musterte er die verurteilte Königin. Sie trug weiße Zeremoniengewänder. Das rabenschwarze Haar wehte leicht im Wind. Die mit Kajal umrandeten Augen blickten ihn ohne jede Spur von Furcht an. Ihr Blick war im Gegenteil selbstsicher und stolz.

»So tut eure Pflicht, alter Mann«, erklärte sie mit samtweicher Stimme.

Ihre Schönheit besaß etwas narkotisierendes und Semusret hatte alle Mühe, sich nicht im Glanz ihrer Augen zu verlieren. Hastig blinzelte er und spürte sogleich, wie etwas von seiner geistigen Klarheit zurückkehrte. Er war sich nicht sicher, ob sie gerade versucht hatte, einen Zauber zu weben, hielt es aber nicht für ausgeschlossen.

Semusret nickte abgehackt.

»Habt ihr noch etwas zu sagen, bevor ihr dem ewigen Vergessen überantwortet werdet?«, fragte er.

Die Antwort der Königin war ein gleichermaßen liebreizendes wie boshaftes Lächeln.

Semusret nickte. Er überwand die trennende Distanz, dann schoss seine Hand pfeilschnell nach vorne und krallte sich um ihre goldene Halskette, ihr letztes verbliebenes Hoheitszeichen. Mit einer einzigen ruckartigen Bewegung riss er ihr die Kette ab und schleuderte sie hinter sich in den Sand.

Der alte Hohepriester machte einen Schritt zur Seite und gab so den Blick auf den Zugang zu den unterirdischen Grabkammern frei.

»Treibt sie hinein«, erklärte er dann in Richtung der Soldaten.

Überraschend widerstandslos setzte sich die Königin in Bewegung und marschierte auf die gähnende Finsternis zu. Ihre Jünger folgten ihr willig.

Dem letzten Teilnehmer der Prozession drückte Semusret eine Fackel in die Hand, damit er die in der Grabkammer befindlichen Ölschalen entzünden konnte. Die Verurteilten sollten sehenden Auges ins Jenseits übergehen.

Einer nach dem anderen kehrten die Soldaten schließlich an die Erdoberfläche zurück. Lediglich der Hauptmann verweilte einen Augenblick länger im Vorraum der Grabkammer. Dort berührte er in einer bestimmten Reihenfolge mehrere ausgewählte Wandziegel, um so den geheimen Schließmechanismus in Gang zu setzen. Anschließend beeilte er auch er sich, wieder an die Erdoberfläche zu kommen.

Die schweren Steintüren der Grabkammer schlossen sich jetzt wie von Geisterhand. Während sich Tonnen von Sand in den Vorraum zu ergießen begannen, schob sich eine schmucklose Platte über die Öffnung im Boden.

Für einen Augenblick glaubte Semusret, aus der Tiefe geheimnisvolle Gesänge der Eingeschlossenen gehört zu haben, aber dabei musste es sich um eine Täuschung gehandelt haben.

Er wandte sich dem Hauptmann zu, dem sichtlich der Schweiß auf der Stirn stand.

»Gehen wir«, erklärte der alte Hohepriester. »Unser Werk ist getan.«

So geschah es einst in Ägyptenland und im Laufe vieler Jahrhunderte gerieten die schrecklichen Ereignisse allmählich in Vergessenheit. Das Böse selbst jedoch vergisst nie. Und geduldig wartet es im Dunkel auf den Tag der Rache.

Tal der Königinnen, Ägypten. Gegenwart.

»Mister Montfort, wir haben etwas entdeckt!«

Die aufgeregte Stimme ließ Peter Montfort unvermittelt zusammenzucken. Konnte das wirklich sein? Waren sie nach all den Monaten des Herumstocherns im Sand tatsächlich auf etwas gestoßen?

Der britische Grabungsleiter gab sich einen Ruck. Dann erhob er sich und trat aus seinem Zelt. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, sodass er schützend die Hand über die Augen legte.

»Was gibt es, Essam?«, fragte er dann.

Der Arbeiter, der ihn gerufen hatte, stand leicht vornübergebeugt da und war völlig außer Atem. Offenbar hatte er keine Zeit verloren, die frohe Nachricht weiterzuleiten. Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und schnaufte einen Moment tief durch.

Peter Montfort lächelte. »Nun sag schon!«, forderte er ihn freundlich auf, obwohl die Ungeduld in ihm brannte.

»Kommen Sie«, sagte Essam stattdessen. »Kommen Sie einfach mit!«

Schon setzte er sich mit wehendem Kaftan wieder in Bewegung und verschwand in Richtung Grabungsstätte.

Montfort seufzte. Er war fünfundvierzig Jahre alt, schlank und an den Schläfen bereits leicht ergraut. Zeit seines Lebens beschäftigte er sich schon mit dem ägyptischen Altertum, und obwohl er nie darauf gehofft hatte, einmal einen bedeutenden Fund zu machen, spürte er jetzt doch diese gewisse kribbelnde Unruhe in sich. Hastig machte er sich daran, Essam zu folgen.

Es dauerte einige Minuten, bis er den jungen Arbeiter eingeholt hatte.

Das Grabungsgelände in einem abgelegenen Seitenarm des Tals der Königinnen war in verschiedene Parzellen unterteilt. Überall verrichteten fleißige Leute ihre Arbeit und waren unablässig damit beschäftigt, nach Spuren der glorreichen Vergangenheit zu suchen.

Endlich erreichte Essam die Parzelle, mit der er und seine Kollegen sich bis jetzt beschäftigt hatten.

Der junge Arbeiter ging vorsichtig in die Knie.

»Schauen Sie, hier!«, sagte er und deutete vor sich in den Sand.

Montfort kniff leicht die Augen zusammen. Einen Moment wurde er leicht geblendet, als ein Sonnenstrahl auf den dort liegenden Gegenstand fiel und sogleich reflektiert wurde.

Interessiert ging Montfort in die Knie. Unruhig leckte er sich über die Lippen.

»Einen Pinsel«, forderte er mit rauer Stimme.

Als man ihm das Gewünschte reichte, begann er vorsichtig, das vor ihm liegende Schmuckstück vom Sand zu befreien. Schon nach wenigen Momenten war ihm klar, dass er diesmal tatsächlich einen großen Fund gemacht hatte.

Es handelte sich um eine Halskette, offenbar aus reinem Gold, an der ein schwerer Apep-Anhänger hing.

Die Große Schlange, dachte Montfort, der Fürst der Auflösung und des Chaos.

»Habt ihr hier sonst noch etwas gefunden?«, fragte der Grabungsleiter und blickte neugierig in die Runde. Die anwesenden Arbeiter schüttelten unisono den Kopf.

»Nein Sir«, antwortete Essam. »Aber wo eine Halskette ist, wird auch noch mehr zu finden sein!«

Das sah Montfort allerdings ganz genauso.

Er nickte den Männern zu. »Rührt nichts an«, wies er sie an.

Dann erhob er sich eilig, um den Rest seines Teams aufzusuchen. Es dauerte einige Minuten, bis er sie von den verschiedenen Punkten des Camps zusammengetrommelt hatte. Schließlich hatte er jedoch all seine Schäfchen beisammen.

»Sieht so aus, als seien wir buchstäblich auf Gold gestoßen«, verkündete er nicht ohne Stolz in der Stimme.

»Ach ja?«, Amanda Jones hob amüsiert eine Braue. »Richtige Nuggets?«

Die junge Frau stammte aus Amerika und gehörte schon seit etwa zwei Jahren zu Montforts Team.

Der Grabungsleiter schmunzelte unwillkürlich.

»Nicht ganz«, gab er dann zurück.

»Nun spannen Sie uns nicht länger auf die Folter, Chef!«

Eine große, stämmige Frau hatte sich an Amanda vorbeigeschoben. Es handelte sich um Tessa Bly. Ihr kurzes, mausgraues Kraushaar sah wie üblich etwas zerzaust aus. Die Augen der Britin funkelten.

Montfort schmunzelte unwillkürlich, gab seinen Leuten dann einen Wink und führte sie an den Fundort. Interessiert ging die Gruppe vor dem Artefakt in die Knie, um es sich aus der Nähe anzusehen.

»Ganz schöner Klunker«, merkte Amanda respektlos an.

Montfort nickte. »Mein Gedanke«, gab er zurück. Immer noch hielt er den Pinsel in der Hand und deutete damit auf die Halskette. »Ich habe keinen Schimmer, wie viele tausend Jahre das Ding schon hier herumliegt, aber ich vermute, wir sind hier einer großen Sache auf der Spur!«

In den letzten Jahren waren in Ägypten immer wieder aufregende Funde gemacht worden, freilich nicht im Tal der Königinnen. Insgeheim träumte Montfort davon, eines Tages etwas von der Bedeutung der Grabkammer des Tutanchamun zu entdecken, aber vermutlich war das der Traum eines jeden Mannes, der hier im Sand herumbuddelte.

Mit einem Mal glaubte Montfort jedoch, seinem alten Traum ein kleines Stückchen näher gerückt zu sein. Würde man vielleicht bald schon seinen Namen in einem Atemzug mit Howard Carter nennen?

Die Zeit würde es zeigen. Um Gewissheit zu erlangen, gab es nur eine Möglichkeit: Sie mussten die Wüste gründlich auf den Kopf stellen.

Wenn es hier noch etwas anderes als Sand gab, dann würde Montfort es finden. Das schwor er sich.

Tatsächlich wurden sie im Laufe des Tages fündig. Die Arbeiter legten eine schmucklose Platte im Erdboden frei. Zweifellos bildete sie den Zugang zu einer darunter verborgenen Kammer.

Montfort hatte sie noch nicht öffnen lassen. Zunächst wollte er sie genaueren Untersuchungen unterziehen und alles entsprechend dokumentieren. Der Grabungsleiter bestand auf strengster Geheimhaltung. Um Übergriffe durch Grabräuber und Banditen zu unterbinden, hatte er im Camp Wachtposten aufstellen lassen, die regelmäßig patrouillierten.

Marik war einer von mehreren jungen Burschen, die Montfort zu diesem Zweck angeheuert hatte. Während der Mond auf das Camp herabschien, saß er mit untergeschlagenen Beinen nahe der Fundstelle und hielt Wache. Quer über seinen Oberschenkeln ruhte eine Maschinenpistole. Sollte es nötig sein, würde Marik nicht zögern, sie einzusetzen. Dafür wurde er schließlich gut bezahlt.

Im Moment sah es allerdings nicht danach aus, als würde der Einsatz von Waffengewalt nötig sein. Es war eine friedliche Nacht. Nun, da die Arbeiten für den Tag beendet worden waren und die meisten der Bewohner in ihren Zelten schliefen, herrschte gespenstische Stille. Nur von Zeit zu Zeit waren die Laute nachtaktiver Tiere zu hören. Dazu kam das leise Pfeifen des Windes.

Die Ruhe hatte etwas Einschläferndes, und unvermittelt spürte Marik, wie ihm die Augen zuzufallen drohten. Der junge Mann blinzelte und fluchte leise. Abrupt stemmte er sich hoch, um dann die MPi zu schultern. Mit stampfenden Schritten begann er, eine Runde um die Grabungsstätte zu drehen.

Das half ein wenig, und Marik spürte, wie seine Müdigkeit zusehends verflog. Erleichtert atmete er tief durch. Er wusste, wenn er während der Wache einschlief und dann etwas geschah, würde ihm Montfort nicht zu Unrecht die Hammelbeine langziehen.

Mariks Interesse am ägyptischen Altertum war gering, aber er war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass hier möglicherweise ein Fund von weitreichender Bedeutung gemacht worden war. Eine ungeöffnete Grabkammer mochte da durchaus Begehrlichkeiten wecken.

Marik drehte eine weitere Runde, bis er schließlich abrupt stehen blieb. Nachdenklich musterte er die schmucklose Platte im Boden. Die Arbeiter hatten sie größtenteils freigelegt. Ein Öffnungsmechanismus war nicht zu erkennen. Es handelte sich um eine massive Platte, die durch den Sand wie glattgeschmirgelt wirkte. Falls sich irgendwann einmal Verzierungen auf der Oberfläche befunden haben mochten, waren sie längst dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen.

Was wohl darunter verborgen sein mochte? Marik wusste es nicht, aber er wollte unbedingt vor Ort sein, wenn die Kammer geöffnet wurde.

Marik lächelte flüchtig. Er verstand nicht viel von Archäologie und konnte nicht nachvollziehen, warum Montfort und seine Leute die unterirdische Kammer nicht sofort aufgebrochen hatten. Er jedenfalls hätte an deren Stelle keine Sekunde gezögert.

Was immer sich darin befand, musste freigelegt werden!

Es sollte nach all den vielen Jahren endlich wieder das Licht der Sonne erblicken. Viel zu lange war es dort unten gefangen gewesen ...

Marik blinzelte irritiert. Hatte er das gerade wirklich gedacht?

Aber es stimmte doch. Die Vergangenheit mochte begraben sein, aber sie war niemals vergessen. Und sie drängte mit aller Macht danach, in die Gegenwart zu gelangen und das Ruder zu übernehmen.

Der junge Ägypter blinzelte unruhig. Er griff nach der MPi und umklammerte sie, bis sich seine Knöchel weißlich verfärbten. Plötzlich hatte er das Bedürfnis, sie auf die Bodenplatte zu richten und das Feuer zu eröffnen. Er unterließ es jedoch. Erstens würde er damit nichts gegen die Platte ausrichten und zweitens würde er so jeden im Camp aus dem Schlaf reißen.

Es musste einen anderen Weg geben, sich Zugang zur darunterliegenden Kammer zu verschaffen.

Achtlos ließ Marik die Maschinenpistole fallen und überwand die Absperrung, die die Fundstelle vor unbefugtem Zugriff schützen sollte.