John Sinclair 2340 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2340 E-Book

Ian Rolf Hill

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Das ist eine gute Frage", murmelte ich.
Angesichts des toten Mädchens sträubten sich mir die Nackenhaare. Und dabei stand ich nicht mal persönlich vor der Leiche, sondern betrachtete sie mir auf den Fotos, die Chiefinspektor Tanner mit ins Büro gebracht hatte.
Es machte generell keinen Spaß, Verstorbene zu betrachten. Noch viel weniger, wenn sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden waren. Im Fall von Peggy Page war es mir sogar noch unangenehmer, denn das Mädchen war gerade mal fünfzehn Jahre alt geworden, bevor ihm jemand den Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen hatte.
Der Täter beziehungsweise die Täterin musste voller Hass auf das Opfer gewesen sein. Anders war diese sinnlose Brutalität in meinen Augen nicht zu erklären ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 134

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Wer erschlug Peggy Page?

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Wer erschlug Peggy Page?

von Ian Rolf Hill

»Das ist eine gute Frage«, murmelte ich.

Angesichts des toten Mädchens sträubten sich mir die Nackenhaare. Und dabei stand ich nicht mal persönlich vor der Leiche, sondern betrachtete sie mir auf den Fotos, die Chiefinspektor Tanner mit ins Büro gebracht hatte.

Es machte generell keinen Spaß, Verstorbene zu betrachten. Noch viel weniger, wenn sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden waren. Im Fall von Peggy Page war es mir sogar noch unangenehmer, denn das Mädchen war gerade mal fünfzehn Jahre alt geworden, bevor ihm jemand den Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen hatte.

Der Täter beziehungsweise die Täterin musste voller Hass auf das Opfer gewesen sein. Anders war in meinen Augen diese sinnlose Brutalität nicht zu erklären ...

»Mag sein.« Die Stimme meines Partners Suko lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf unsere Besucher, die auf den Besucherstühlen Platz genommen hatten und abwechselnd an Glendas Kaffee nippten. »Nur warum stellt ihr diese Frage ausgerechnet uns?«

»Das würde ich auch gerne wissen«, fügte ich überflüssigerweise hinzu. »Bei allem Respekt, aber das erscheint mir doch ein gewöhnlicher Mordfall zu sein. So tragisch er auch ist.«

»Sofern man bei so etwas wie Mord überhaupt von gewöhnlich sprechen kann«, erwiderte Purdy Prentiss.

Es kam nicht oft vor, dass sich die Staatsanwältin in unser Büro verirrte. Doch wenn es der Fall war, dann steckte meist mehr dahinter. Dasselbe galt natürlich auch für die Anwesenheit unseres Freundes Tanner, der dieses Mal sogar seine Assistentin Constable Fiona Garrett mitgebracht hatte, mit der wir ebenfalls schon zusammengearbeitet hatten.

Sie war die einzige Person im Raum, die stehen geblieben war, was unter anderem dem Mangel an Sitzgelegenheiten geschuldet war. Unser Büro war schließlich kein Seminarraum. Glenda hatte ihr zwar angeboten, einen Stuhl aus dem Nebenraum in den Kabuff zu stellen, den ich mir mit Suko teilte, doch Garrett hatte dankend abgelehnt.

Ich gebe es nicht gerne zu, aber ihre Anwesenheit machte mich nervös. Fiona erinnerte mich an eine Wächterin, wie sie so an der Tür stand. Als ob sie verhindern sollte, dass ich mich vom Acker machte. Fehlte nur noch, dass sie die Arme vor der Brust verschränkte.

Unsere bisherigen Begegnungen waren nicht gerade harmonisch verlaufen. Fiona Garrett machte keinen Hehl daraus, dass sie nicht an das Übernatürliche glaubte, und nahm dabei auch kein Blatt vor den Mund.

»Tatsächlich können wir beim derzeitigen Stand der Ermittlungen einen gewöhnlichen Mord nicht ausschließen«, sagte Tanner, wobei er das Wort »gewöhnlich« in imaginäre Anführungszeichen setzte, die er mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände andeutete. »Trotzdem gibt es einige Ungereimtheiten. Oder sagen wir mal Anhaltspunkte, die uns stutzig gemacht haben.«

Bei den letzten Worten warf Tanner unserer Freundin Purdy einen knappen Blick zu.

Die Staatsanwältin beugte sich vor und stellte die geleerte Kaffeetasse auf die Schreibtischplatte. »Peggy Page wurde in einer Hütte im Wald von Langley gefunden.«

Ich hob die Hand und Purdy nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.

»Ja, ich weiß, dass Langley nicht unser Einzugsgebiet ist. Aber der ermittelnde Beamte bat um Unterstützung. Nicht aufgrund einer möglichen übernatürlichen Komponente, sondern wegen der seltsamen Umstände, unter denen die Tat verübt wurde. So wie sich uns die Angelegenheit darstellt, wollte Peggy offenbar in der Hütte ihren fünfzehnten Geburtstag feiern, zusammen mit vier Freunden, die bewusstlos neben der Leiche lagen.«

»Wer hat die Tote gefunden?«, wollte ich wissen.

»Ihr Vater, Ezra Page«, antwortete Purdy. »Und das allein ist schon merkwürdig.«

»Weil?«, fragte ich.

»Weil Peggy und ihre Freunde vorgehabt hatten, in der Hütte zu übernachten.«

Ich hob die Schultern. »Nun ja, kann er nicht einfach besorgt gewesen sein, was die Kids dort treiben? Wäre nicht der erste Vater, der seiner Tochter hinterherspioniert.«

»Wobei seine Sorge in diesem Fall ja nicht ganz unberechtigt war«, warf Fiona Garrett ein. Es war das erste Mal, dass sie etwas zum Gespräch beitrug, wofür sie sich prompt einen finsteren Schulterblick ihres Vorgesetzten einfing.

»Sicher«, sagte Purdy anstelle des Chiefinspektors, und zog ihr Smartphone aus der Innentasche des Blousons. »Auch in diese Richtung wird natürlich ermittelt. Für euch interessant ist ohnehin die Aussage der Jugendlichen.«

»Wart ihr bei der Vernehmung dabei?«, erkundigte sich Suko.

»Wir haben die Vernehmung durchgeführt«, korrigierte Tanner, der selbst im Büro seinen alten Filz nicht abgenommen hatte, so als befände er sich auf dem Sprung. »Natürlich haben wir die Zeugen getrennt voneinander befragt. Was dabei herausgekommen ist, hat uns stutzig gemacht. Vorsichtig formuliert.«

»Was ist denn herausgekommen?«

»Das werdet ihr gleich selbst hören«, entgegnete Purdy. »Wir haben die Gespräche aufgezeichnet.« Mit diesen Worten öffnete die Staatsanwältin die Sprachdatei.

Suko und ich lehnten uns zurück und lauschten gespannt der folgenden Vernehmung.

»Bitte nennen Sie uns Namen, Geburtsdatum und Adresse«, hörten wir die Stimme von Fiona Garret.

Sie war vermutlich dabei gewesen, weil es sich bei der Zeugin, um eine junge Frau handelte. Dem Klang nach zu urteilen, ein Mädchen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren.

»T...Tamara Quentin. Vierzehnter August zweitausendsieben. Ewen Crescent acht.«

Sie sprach die Worte zitternd aus, so als würde sie frieren. Vermutlich hatte sie noch unter Schock gestanden, als Garrett und Tanner sie vernommen hatten. Hinzu kam die Einschüchterung durch die Anwesenheit der Polizeibeamten.

»Vielen Dank, Miss Quentin. Bitte schildern Sie uns, was gestern Abend vorgefallen ist.«

»I...ich weiß es nicht.« Sie klang verzweifelt. »Ich kann mich an nichts erinnern.«

»Woran können Sie sich denn erinnern?«

»W...wir waren in der Hütte. Im Wald. Pigg..., äh, Peggy wollte dort unbedingt ihren Geburtstag feiern.«

»Wie sind Sie dorthin gekommen? Von Brixton nach Langley ist kein Katzensprung.«

»M...M...Mister Page hat uns in seinem Wagen hingebracht.«

»Wer war alles dabei?«

»Lucas, Kendra und Finn. Und ich natürlich.«

»Und Peggy?«

»Die war schon da. Hätten ja auch sonst gar nicht alle ins Auto gepasst.«

»Hat euch Mister Page von zu Hause abgeholt?«

Es folgte eine kurze Pause.

»Bitte antworten Sie laut und deutlich, damit Ihre Antwort aufgenommen werden kann.«

»Ja!«

»In Ordnung. Mister Page hat euch also zu der Hütte im Wald gefahren. Was ist dann passiert?«

»Nichts!«, rief Tamara schrill. »W...wir haben bloß gequatscht und ein bisschen was getrunken.« Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus ihr hervor. »Peggy wollte unbedingt Pflicht oder Wahrheit spielen. Und dann ... und dann ...«

Tamara zog die Nase hoch, ihre Stimme klang brüchig und versiegte schließlich ganz.

»Wie ging es weiter?« Fionas Tonfall war erstaunlich sanft.

Obwohl ich die junge Frau noch nie gesehen hatte, konnte ich mir lebhaft ausmalen, wie sie sich die Tränen aus den Augen wischte, ehe sie stockend mit ihrem Bericht fortfuhr.

»Lucas wollte ... er wollte, dass ... dass ich Peggy ... k...küsse.«

»Und Sie wollten nicht?«

»Nein«, rief Tamara, fast schon empört. »Sie ...«

»Was wollten Sie gerade sagen, Miss Quentin?«

»Ach nichts. Ich ... jedenfalls wollte ich aus der Hütte raus. Doch die war plötzlich abgeschlossen.«

»Was bedeutet plötzlich? War sie das vorher nicht?«

»K...keine Ahnung.«

»Das heißt, bevor Sie die Hütte verlassen wollten, ist keiner nach draußen gegangen?«

»Nein.«

»Nicht mal zum Pinkeln?«

»Nein, wir waren ja gerade erst angekommen.«

»Was haben Sie gemacht, als Sie gemerkt haben, dass die Tür verschlossen war?«

»Ich ... ich ... habe von Peggy verlangt, dass sie aufschließt.«

»Sie sind davon ausgegangen, dass Peggy hinter Ihnen abgeschlossen hat?«

»Natürlich, sie hatte doch die Schlüssel.«

»Haben Sie das gesehen?«

»Was?«

»Ob Peggy abgeschlossen hat?«

»Nein«, gab Tamara leise zu.

»Haben Sie gesehen, ob Peggy einen Schlüssel für die Hütte besaß?«

»N...nein, aber es war ja Peggys Hütte. Also nicht wirklich. Ich meine, sie gehörte ihr nicht. Ihr Vater hat sie bloß gemietet.«

»Es könnte also auch von außen abgeschlossen worden sein?«, vergewisserte sich Tanner, und mischte sich damit erstmals in die Vernehmung ein.

Es folgte eine weitere Pause. Ich stellte mir vor, wie Tamara die Schultern hob, denn sie antwortete mit »kann sein«, nachdem sie von Fiona Garrett erneut ermahnt worden war, ihre Antworten auszusprechen.

»Was hat Peggy gesagt, als Sie von ihr verlangten, aufzuschließen?«

»Sie hat behauptet, sie hätte keinen Schlüssel. Sie wusste angeblich selbst nicht, warum abgeschlossen war.«

»Haben Sie ihr geglaubt?«

Tamara ließ sich Zeit mit der Antwort. Wahrscheinlich wich sie dabei sogar dem Blick der Ermittlerin aus. Sofern sie ihn überhaupt erwidert hatte.

»N...nein. Wir ... wir dachten, dass sie uns ... also, dass Peggy uns einen Streich spielen wollte.«

»Ich verstehe. Und weiter?«

»Finn und Lucas wollten durch die Fenster, aber die waren auch zu.«

»Was meinen Sie damit, die Fenster waren zu?«

»Ich meine, die Fenster waren zugeklappt. Von außen.«

»Sprechen Sie von Fensterläden?«

»Ja, genau.«

»Und das ist Ihnen vorher nicht aufgefallen?«

»Doch, aber wir waren ja bloß zum Partymachen da.«

»In Ordnung, wie ging es weiter, nachdem Sie bemerkt haben, dass Fenster und Türen verriegelt waren?«

»Kendra wurde wütend und hat ... sie hat Peggy ...« Tamara verstummte.

»Was?«, hakte Fiona nach. »Was hat Kendra mit Peggy getan?«

»Nichts«, schrie Tamara. »Sie hat gar nichts getan.« Leiser fügte sie hinzu: »Glaub ich.«

»Was heißt das, Sie glauben?«, fragte Tanner, überraschend einfühlsam.

»Ich ... weiß es nicht. Ich weiß nur noch, wie mir schwindelig wurde. Und ... und ... und als ich wieder wach wurde, da ... da war schon die Polizei da. Und der Krankenwagen.«

»Sie haben also nicht mitbekommen, wie Mister Page die Hütte betreten hat?«

»Nein.«

»Miss Quentin, Sie haben vorhin ausgesagt, etwas getrunken zu haben. Was genau haben Sie getrunken?« Fiona Garrett übernahm wieder das Gespräch.

»M...muss ich das sagen?«

»Ich fürchte ja.«

»Na ja, so'n Energydrink mit ... mit ...«

»Mit Alkohol?«

»Wodka.«

»Und die anderen?«

»Auch.«

»Peggy ebenfalls?«

»Natürlich. Sie ...«

»Ja, bitte?«

»Nichts. Ich glaube, sie hat sogar am meisten getrunken.«

»Miss Quentin, Sie sagten vorhin, dass Kendra sehr wütend auf Peggy gewesen sei.«

»Ja, aber nur weil sie behauptet hat, nicht zu wissen, warum Türen und Fenster abgeschlossen waren.«

»Was ist mit Ihnen?«

»Was? Ich meine, wie bitte?«

»Sind Sie auch wütend auf Miss Page gewesen?«

»Ja, schon. Irgendwie.«

»Dann haben Sie ihr also auch nicht geglaubt, dass sie keinen Schlüssel besaß?«

»Nein. Sie wollte ja, dass wir dort übernachten. Dazu brauchte sie doch einen Schlüssel.«

»Wissen Sie, ob den anderen auch schwindelig geworden ist?«

»Ja. Nein. Ich ... ich weiß nicht. Kann sein. Ich ... ich kann mich nicht erinnern.«

»Miss Quentin.« Jetzt war wieder Tanner zu hören. »Wie gut waren Sie mit Miss Page befreundet?«

»Was?«

»Waren Sie gut mit Peggy befreundet?«

»N...nein, eigentlich nicht.«

»Warum hat sie Sie dann zu ihrem Geburtstag eingeladen?«, erkundigte sich Fiona.

»K...keine Ahnung. D...das ...«

»Ja?«

»'tschuldigung.«

»Wofür entschuldigen Sie sich, Miss Quentin?«

»Ich wollte sagen, dass Sie das Peggy fragen müssten. Sie ... ich glaube, sie hatte nicht viele Freunde.«

»Mochten Sie Miss Page?«, schoss Tanner seinen nächsten Pfeil ab.

Tamara zögerte. »Weiß nicht. Vielleicht. Ich kannte sie ja kaum.«

»Aber trotzdem sind Sie zu ihrer Geburtstagsparty gegangen?«

»Na ja, sie ... sie tat uns leid.«

»Uns?«

»Ja, Finn und mir. Und Kendra und Lucas natürlich auch. Außerdem ...«

»Bitte sprechen Sie weiter«, forderte Constable Garrett die junge Frau auf.

»Außerdem klang es ziemlich cool. So allein in ner Hütte im Wald.«

»Hatten Sie keine Angst?«

»Nein, wovor? Wir waren doch zu viert, äh, zu fünft, meine ich.«

»Danke, Miss Quentin, das wäre vorerst alles.«

Purdy Prentiss beugte sich vor und schaltete das Smartphone aus.

»Bevor ihr fragt, die Aussagen der drei anderen Jugendlichen ähneln der Aussage von Tamara Quentin. Es gibt nur geringe Abweichungen.«

»Inwiefern?«

»Vor allem, was die Freundschaft zu Peggy Page betrifft. Lucas sagte beispielsweise aus, dass es für sie nur ein Scherz gewesen sei. Kendra behauptete sogar, dass niemand Peggy so richtig mochte. Vorsichtig formuliert.«

»Wurde sie gemobbt?«

Bei dieser Frage sah ich vor allem Fiona Garrett an. Schon bei Tamaras Vernehmung war mir aufgefallen, wie zurückhaltend das Mädchen reagiert hatte, als die Konstablerin es auf sein Verhältnis zum Mordopfer angesprochen hatte.

»Möglich, Näheres werden wir erst dann wissen, wenn wir mit dem Vater, Ezra Page, gesprochen haben. Er ist übrigens alleinerziehend. Peggys Mutter starb vor einem Jahr an Krebs.«

Ich presste die Lippen aufeinander und nickte stumm. Dabei sah ich mir noch einmal das Foto der Ermordeten an. Himmel, was musste das Mädchen durchgemacht haben? Und das alles nur, um am Ende in einer dreckigen Waldhütte zu Tode geprügelt zu werden. Zu Tode geprügelt von einer Gruppe Halbwüchsiger, die selbst erst knapp den Kindesbeinen entwachsen waren?

Alles in mir sträubte sich gegen die Vorstellung, auch wenn mir natürlich bewusst war, dass der Mensch zu noch viel grausameren Dingen fähig war.

»Apropos Mutter und Vater«, meldete sich Suko. »Versteht mich nicht falsch, aber hätten bei Tamaras Vernehmung nicht ihre Eltern anwesend sein müssen?«

Purdy nickte, sodass ihre roten Haare wie eine Glocke um ihr schmales Gesicht schwangen.

»Natürlich, aber leider waren sie in diesem Fall nicht verfügbar.«

»Nicht verfügbar? Was soll das heißen? Waren sie auf der Arbeit?«

»Sie waren besoffen«, polterte Tanner dazwischen. »Sternhagelvoll. Scheint bei ihnen so etwas wie ein Dauerzustand zu sein. Tamara hat sich dennoch bereit erklärt eine Aussage zu machen. Gleichwohl uns natürlich bewusst ist, dass ihre Aussage vor Gericht keine Gültigkeit hat.«

Purdy nickte zu den Worten des Chiefinspektors. »In diesem Fall ging es uns auch lediglich darum herauszufinden, was die Kids in der besagten Nacht getan haben.«

Ich hob den Kopf, um meine Freundin anzuschauen. »Du denkst an eine schwarze Messe?«

»Kann doch sein. Habt ihr vor Kurzem nicht etwas Ähnliches erlebt?«

»Das stimmt.«

Eine Gänsehaut rieselte mir über den Rücken, als ich an die missglückte Dämonenbeschwörung einiger Teenager zurückdachte, die der Geist eines satanischen Serienkillers genutzt hatte, um in den Körper der Jugendlichen zu fahren. Letztendlich hatten wir es Marisa Douglas zu verdanken, dass der Fall einigermaßen glimpflich verlaufen war.*

»Gab es denn irgendwelche Hinweise auf eine Beschwörung oder ein satanisches Ritual?«, erkundigte Suko.

»Nein«, räumte Tanner ein. »Überhaupt nicht. Aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass es keinen übernatürlichen Hintergrund gibt.«

Ich verzog die Lippen. »Spricht da dein Bauchgefühl, oder ist da bloß der Wunsch Vater des Gedankens? Dass die Kids nicht aus eigenem Antrieb gehandelt haben?«

Der Chiefinspektor zuckte mit den Schultern. »Nenn es, wie du willst. Aber ein guter Polizist ermittelt nun mal in sämtliche Richtungen. Und ja, vielleicht weigere ich mich auch anzunehmen, dass so eine Tat von Teenagern begangen wird.«

»Sofern es wirklich Teenager sind«, murmelte ich.

Obwohl mein Blick wieder dem Bild von Peggys Leiche galt, entging mir keineswegs, wie Fiona mit den Augen rollte. Purdy und Tanner bekamen davon nichts mit, da sie der Konstablerin den Rücken zuwandten. Ich beschloss, zu schweigen. Von ihrer Warte aus betrachtet hatte sie durchaus recht. Ebenso wie Suko, der schon bei unserer ersten Begegnung Garretts Skepsis als etwas Positives hervorgehoben hatte. Es brachte wirklich nichts, überall Gespenster zu sehen.

Ich konnte schließlich nicht den lieben langen Tag durch London tingeln und sämtliche Opfer eines Gewaltverbrechens mit dem silbernen Kreuz testen, ob womöglich ein Dämon seine Klauen im Spiel hatte.

»Wie sieht es mit der Tatwaffe aus?«, fragte ich. »Wissen wir, womit Peggy Page erschlagen wurde?«

»Nein, das ist ebenfalls Teil des Rätsels«, bestätigte Tanner. »Die Mordwaffe ist zwar verschwunden, trotzdem geht der Gerichtsmediziner davon aus, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Holzknüppel handelte. Vermutlich einen Baseballschläger.«

»Ziemlich profan für einen Mord mit dämonischer Beteiligung«, bemerkte ich trocken. »Ich habe ja schon gegen viele Schwarzblüter und Untote gekämpft. Die bevorzugen in der Regel andere Waffen. Sofern sie überhaupt welche benutzen.«

»Und wie sieht es mit Besessenen aus?«, konterte Tanner.

»Touché!«

»Was genau erwartet ihr jetzt eigentlich von uns?« Suko dachte wie immer sehr viel pragmatischer. »Ich nehme an, ihr seid nicht ohne Plan mit großer Mannschaft hier aufgekreuzt.«

»So ist es«, erwiderte Purdy, froh darüber, dass es voranging. »Auch wir gehen davon aus, dass die Kids nicht als Täter infrage kommen und möglicherweise narkotisiert wurden. Die Laborbefunde der Blutuntersuchungen stehen noch aus. Trotzdem möchte ich, dass ihr euch persönlich mit Peggys Vater unterhaltet.«

Suko hob die Brauen. »Ihr haltet Ezra Page für den Mörder?«

»Da wir keinerlei Beweise haben, halten wir niemanden für den Mörder«, entgegnete Purdy mit ungewöhnlich scharfer Stimme. »Aber euch muss ich doch nicht erklären, wie wandelbar Dämonen sein können.«