John Sinclair 2365 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2365 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Ashton Lloyd und sein Freund Dick Pine hatten sich zu einem scheinbar harmlosen Bootcamp angemeldet, um in Form zu kommen und vielleicht sogar die eine oder andere hübsche Frau kennenzulernen.
Doch als sie in einem geheimnisvollen Wald landeten, wurden sie mit einer uralten Macht konfrontiert. Dick Pine verschwand spurlos und machte in einem versteckten Sarkophag eine unheimliche Entdeckung. Als er wieder auftauchte, spürte Ashton, dass etwas Böses in der Luft lag. Der Geruch von frischem Blut lockte die Kreatur in dem Sarg an, und die Versuchung wurde auch für Dick immer größer ...


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Inhalt

Cover

Bootcamp der Vampire

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Bootcamp der Vampire

von Ian Rolf Hill

»Komm schon, Dick. Weiter! Jetzt bloß nicht schlappmachen. Reiß dich gefälligst zusammen, Dick!« Ashton Lloyd beschleunigte seine Schritte und nutzte den Schwung, den er auf dem abschüssigen Gelände bekommen hatte, um im Laufschritt den Hügel zu erklimmen.

Das Ziehen in den Waden ignorierte er ebenso wie den Schweiß, der ihm den Rücken hinunterlief. Seine Konzentration galt einzig und allein der Atmung und den Bewegungsabläufen. Zu leicht konnte man auf dem unebenen Waldboden ins Straucheln geraten.

Endlich erreichte Ashton die Kuppe des Hügels und stützte sich keuchend auf den Oberschenkeln ab. Dann wartete er auf seinen Freund, der eben noch dicht hinter ihm gewesen war. Doch Dick Pine kam nicht, er war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt ...

Ashton Lloyd war Dick Pines bester Freund, doch heute wünschte er ihn zum Teufel. Wieso hatte er sich nur zu dieser Schnapsidee überreden lassen?

»Du schaffst das, Dick«, äffte er Ashton nach. Keuchend lehnte er sich an den Stamm der Kiefer. »Das wird bestimmt lustig«, fuhr er leise im Selbstgespräch fort. »Ja, total lustig. Dabei bin ich bloß wegen der Weiber mitgekommen. Doch die Einzigen, die an mir saugen, sind diese gottverdammten Mücken.«

Dick Pine wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Sein Herz hämmerte im Stakkato, wie ein Maschinengewehr im Dauerfeuer.

Er beobachtete, wie Ashton den Hang hinauflief. Zügig und geschmeidig. Im Gegensatz zu Dick eine echte Sportskanone. Der einzige Sport, den Dick bisher betrieben hatte, war das Training seiner Daumenmuskeln, wahlweise am Smartphone oder den Controllern seiner Playstation.

Manchmal legte er auch eine Einheit für den Bizeps ein. Vor allem abends im Pub, wenn er Bierkrüge stemmte. Da machte ihm so leicht niemand etwas vor.

Ashton war das glatte Gegenteil. Der ging nicht nur mit den Hühnern ins Bett, er stand auch zusammen mit ihnen auf. Und das nicht nur im übertragenen Sinne. Die Frauen mochten Ashton, und das wurmte Dick. Nicht, weil er seinem Freund den Erfolg nicht gönnte, sondern weil er selbst gerne mal zum Zug kommen würde.

Während einer ihrer seltenen gemeinsamen Zechtouren, bei denen Ashton stundenlang an einem Pint herumnuckelte, derweil Dick einen Humpen nach dem anderen in sich hineinschüttete, hatte er Lloyd von seinem Dilemma erzählt.

Am nächsten Tag war Ashton dann mit der Idee für dieses Bootcamp gekommen.

»Da bringen wir dich richtig in Form. Und mit ein bisschen Glück sind da auch ein paar ungebundene Mädels.«

»Genau, die warten ja bloß auf einen schwitzenden Klops wie mich.«

»Du wirst dich wundern, wie ein bisschen Sport die Hormone in Wallung bringt«, hatte Ashton daraufhin erwidert und ihm einen Klaps auf den Bauch verpasst.

Dummerweise hatte Ashton vergessen zu erwähnen, dass er die Hormone von Mücken-Weibchen meinte. Dabei gefiel ihm die kleine Rachel durchaus. Oder ihre Freundin Jennifer. Doch die machte ja bereits Darryl Saunders, dem Camp-Leiter, schöne Augen.

Gwen und Cindy waren allerdings auch nicht zu verachten.

»Scheiße, von den Schnepfen würd ich keine Einzige von der Bettkante stoßen.«

Aber davon konnte er nur träumen. Wahrscheinlich waren die Mädels längst am Ziel, während Ashton und er noch nicht mal die Hälfte der Strecke geschafft hatten.

Und das lag definitiv nicht an seinem besten Freund.

Sofort meldet sich sein schlechtes Gewissen. Umso mehr, da Ashton soeben die Kuppe des Hügels erreichte.

Dick knirschte mit den Zähnen und stieß sich von dem Baumstamm ab, um seinem Freund zu folgen. Wenn nur die verdammten Seitenstiche nicht wären.

Sein Atem pfiff wie ein unter Druck stehender Kessel.

Allein bei dem Gedanken, den steilen Hang hinaufzulaufen, wurde ihm schlecht. Es musste doch einen leichteren Weg geben. Auf ein paar Minuten kam es jetzt auch nicht mehr an. Dick überlegte nicht lange und setzte sich wieder in Bewegung.

Mehr schlurfend als laufend, bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz, das leider nicht nur aus jungen Kiefern und gewaltigen Farnen bestand, sondern auch aus dornenbewehrten Brombeerranken.

Der beißende Schmerz an seinem nackten Unterschenkel machte ihm klar, dass seine Entscheidung, einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen, nicht zu seinen besten Ideen zählte.

Also doch umkehren und den Hang auf allen vieren erklimmen? In dem Fall hätte er sich die Wade und den Arsch ganz umsonst aufgerissen.

»Kommt gar nicht infrage«, murmelte Dick trotzig und marschierte weiter.

Er kam genau vier Schritte weit, bevor der Boden unter ihm nachgab.

Der Sturz erfolgte so schnell, dass ihm der panische Schrei im Halse stecken blieb. Zusammen mit einer Wagenladung Erde, Laub und Nadelstreu rauschte Dick in die Tiefe.

Lange dauerte der Fall jedoch nicht an. Zum Glück. Andernfalls hätte er sich an dem Felsbrocken, der seinen Sturz abrupt bremste, mit Sicherheit nicht nur ein paar blaue Flecken und eine Abschürfung am rechten Handballen zugezogen.

Bäuchlings blieb Pine auf dem Ding liegen. Er hustete, spuckte altes Laub und trockene Nadeln aus. Sand knirschte zwischen den Zähnen, rieselte auch aus den Haaren. Einige von den Körnern fanden den Weg in seine Augen.

Dick zog die Arme an und stemmte sich hoch. Plötzlich hielt er inne. Zuerst wollte er es nicht glauben. Fahrig wischte er sich Schweiß, Erde und Dreck aus dem Gesicht. Blinzelte, zwinkerte und öffnete schließlich die Augen, die sich ungläubig weiteten.

Der Gegenstand, der ihn aufgefangen hatte, war gar kein Felsbrocken. Zumindest kein natürlich Gewachsener. Es war ein Sarkophag.

Und so wie er aussah, lag er seit Jahrhunderten hier begraben.

Der Geruch nach frischem Menschenblut drang in ihr Gefängnis, das im Laufe der Zeit brüchig und durchlässig geworden war.

Obwohl es nur verschwindend wenig war, kaum mehr als ein paar Tropfen, konnte sie es förmlich schmecken. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Und dort, wo es herkam, war noch mehr. Viel mehr. Ein ausgewachsener, wohlbeleibter Mann, prall gefüllt mit Blut. Mit flüssigem Leben.

Wenn sie doch nur nicht so schwach gewesen wäre.

Komm doch, rief sie in Gedanken. Komm näher. Ich will dich küssen. Mich an dir laben. Komm zu mir, und ich gewähre dir meine Gunst.

Die Kreatur im Sarg frohlockte, als sie spürte, wie ihre hypnotischen Kräfte nicht ohne Wirkung auf den jungen Mann blieben. Trotz der langen Zeit, die sie nun schon hier unten in der Finsternis begraben lag. Und sie verstärkte ihre Bemühungen.

Ich werde dich reich belohnen. Ich schenke dir das ewige Leben. Ich ...

»Diiick!«

Pine schreckte wie aus einem tiefen Schlaf hoch.

Erschrocken starrte er auf den Deckel des Sarkophags. Ein Riss klaffte in dem Gestein. Fassungslos schüttelte er den Kopf. Für einen Moment hatte er das Gefühl, als hätte jemand mit ihm gesprochen. Jemand, der ganz nah bei ihm war. Unter ihm. In dem Sarg!

»Reiß dich zusammen«, murmelte Dick. »Sonst wirst du noch verrückt.«

Wieder erklang der Ruf seines Freundes Ashton.

Pine schüttelte sich wie ein nasser Hund. Als er aufstand, spürte er es warm an seinem Bein herunterlaufen. Er verdrehte den Kopf, um einen Blick nach unten auf die Wade zu werfen.

Blut rann in dicken Tropfen über die weiße Haut und wurde vom Stoff der Socken aufgesaugt. Pine verzog das Gesicht.

»Diiick!«

Das klang schon deutlich näher. Hastig kletterte er aus der Grube, die zum Glück nicht allzu tief war. Trotzdem musste er auf allen vieren herausklettern.

»Dick, antworte!« Ashtons Stimme schwankte zwischen Ungeduld und Sorge.

»Mir geht's gut!«, rief Pine keuchend.

Schwankend kam er auf die Beine. Humpelte durch das Dickicht zurück zu seinem Freund, der die Arme in die Hüften gestützt hatte und ihn tadelnd anblickte.

»Echt jetzt? Wir machen einen Orientierungslauf, und du gehst kacken?« Als er sah, wie sein Freund das Bein leicht nachzog, wechselte der Ausdruck in Ashtons Miene. Aus spöttischer Herablassung wurde echte Besorgnis.

»Bist du verletzt?«

»Kaum der Rede wert. Hab mich mit ein paar Brombeersträuchern angelegt. Aber ich fürchte, mit dem Laufen wird das heute nichts mehr.«

Ashton winkte ab. »Scheiß drauf. Lass uns zurückgehen, nicht dass du dir noch was einfängst. Mit solchen Kratzern ist nicht zu spaßen.«

»Okay. Sorry, noch mal. War wirklich keine Absicht.«

»Das wär' ja noch schöner. Wird's denn gehen, oder soll ich dich stützen?«

»Geht schon.«

Dick Pine setzte sich in Bewegung, blieb jedoch nach zwei Schritten stehen und warf einen Blick über die Schulter.

»Äh, bist du sicher?«

»Ja, bin ich«, entgegnete er harscher als beabsichtigt.

Und ging weiter. Den Sarkophag erwähnte er mit keinem einzigen Wort.

Nein. Nein! NEEEIN!!!

Komm zurück! Komm zurück zu mir! Ich mache dich unsterblich. Ich ... ich habe Durst! Durrrst!

Doch das so sicher geglaubte Opfer war längst verschwunden. Erde und Sand rieselten auf ihr Gefängnis. Sie befürchtete, jemand könne sie wieder eingraben, so wie man es schon einmal getan hatte? Wie lange lag das jetzt zurück? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass es zu lange war. Viel zu lange. Sie konnte sich ja nicht mal bewegen.

Sie brauchte Blut!

Und sie bekam Blut. Es war nur ein Tropfen, der langsam und zäh durch den Riss im Gestein sickerte. Für einen schrecklich langen Augenblick fürchtete sie, er könne gerinnen, bevor er sie erreichte. Doch dann siegte die Schwerkraft.

Der Tropfen fiel und klatschte genau auf ihre verdorrte Hand.

Die Kreatur im Sarkophag frohlockte.

Natürlich reichte dieser Tropfen nicht, um sie zu erwecken. Aber er genügte, um ihre geistigen Kräfte zu verstärken. Bald würde es dunkel sein, dann würde sie noch mächtiger sein. Mächtig genug, um Kontakt aufzunehmen. Es war Eile geboten.

Sie hatte Glück gehabt, dass die Sonne bereits tief am Horizont stand. Hätten ihre Strahlen einen Weg in ihr Gefängnis gefunden, sie hätten sie mit Sicherheit vernichtet. Endgültig.

So aber bekam sie noch eine zweite Chance. Und die würde sie nutzen.

Schon bald würde sie wieder in Strömen aus Blut baden. So wie einst.

»Ich hoffe, du bist gegen Tetanus geimpft.«

Darryl Saunders drehte sich auf dem Schemel um und warf die blutige Kompresse in den Mülleiner. Der Leiter des Bootcamps war ein knapp zwei Meter großer, muskulöser Hüne mit braungebrannter Haut und einem Maori-Tattoo auf der Schulter, das er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zur Schau stellte.

Dick Pine hasste diesen Selbstdarsteller mit seinem Zahnpasta-Lächeln und der Dwayne-Johnson-Frisur wie die Pest.

»Bin ich«, erwiderte er kurz angebunden.

»Gut«, entgegnete Saunders und schnitt ein zwei Zoll langes Pflaster von der Rolle. »Solche Kratzer sollte man nicht unterschätzen.«

Er klebte das Pflaster auf die Wunde.

Pine betrachtete es skeptisch. »Äh, meinst du das reicht?«

Saunders hob eine Braue. Dick ging jede Wette ein, dass er sich diese Mimik ebenfalls von Johnson abgeschaut hatte. Furchtbar.

»Ich sagte zwar, man solle solche Kratzer nicht unterschätzen, aber es bleibt nun mal ein Kratzer. Tut mir leid, für ne Gipsschiene reichts leider nicht.«

Er grinste auf unverschämt sympathische Weise. Was für'n Arsch.

»Ich meine ja auch nur wegen der Wärme. Nicht, dass sich das Pflaster durch den Schweiß löst.«

»Also schön, ich wickele dir noch was Hübsches drum herum. Damit du dir von den Mädels noch ein Autogramm holen kannst.«

Saunders wickelte eine selbsthaftende Binde um Pines Unterschenkel. So fest, dass dessen Zehen zu kribbeln anfingen. Doch er war zu stolz, um etwas zu sagen, daher bedankte er sich bloß und humpelte aus dem Behandlungszimmer, das neben dem Büro lag. Molly saß hinter dem Schreibtisch, den Blick starr auf den Computer gerichtet.

Mit der rechten Hand bewegte sie eine Maus, auf der sie hektisch herumklickte.

Sie war eine dralle Person mit roten Haaren und Sommersprossen. Für Pines Geschmack etwas zu drall, obwohl das meiste an ihr aus Muskeln bestand. Aber genau das war sein Problem. Er mochte keine muskulösen Frauen. Zu wenig Busen.

Als Molly ihn aus dem Behandlungszimmer humpeln sah, strahlte sie ihn an. »Hey, alles klar?«

»Ja, alles bestens.«

»Gut, ich muss noch wissen, ob du gegen Tetanus geimpft bist. Für das Protokoll.« Sie deutete auf den Computer.

»Ja, bin ich.«

»Und wirst du das Training wegen des Kratzers abbrechen?«

Pine suchte in Mollys Gesicht nach einem Zeichen, dass sie sich über ihn lustig machte. Seiner Meinung nach wurde das Wort Kratzer ein wenig zu oft betont. Vielleicht hatten sie ja Schiss, dass er sie verklagte. Oder eine schlechte Bewertung hinterließ.

Nun, das konnte er sich ja noch überlegen.

»Nein, ich werde das Training nicht abbrechen. Morgen bin ich wieder fit. Versprochen.«

»Das freut mich«, sagte Molly und setzte ein Häkchen in das entsprechende Kästchen.

Dick humpelte ins Freie. Milde Luft schlug ihm entgegen. Für Oktober war es noch ungewöhnlich warm. Warm genug, um das Abendessen im Freien einzunehmen.

Saunders hatte ein Feuer in der Mitte des Platzes entfacht und den Schwenkgrill aufgebaut. Als Belohnung für den erfolgreich absolvierten Orientierungslauf.

Sämtliche Teilnehmer des Camps hatten sich bereits um das Feuer versammelt.

Schon von weitem hörte Dick Jennifers Gelächter, die soeben einen Blick über die Schulter warf, wohl in der Hoffnung, dass sich Darryl zu ihr gesellte. Als sie Dick sah, hielt sie sich die Hand vor den Mund, beugt sich vor und flüsterte Rachel etwas ins Ohr.

Die Vierundzwanzigjährige mit den tätowierten Armen und den schulterlangen dunklen Haaren trug eine verspiegelte Sonnenbrille. Doch das Grinsen in ihrem Gesicht war kaum zu übersehen.

Ashton, der ihr gegenübersaß, direkt neben der heftig flirtenden Cindy, hob den Kopf. »Hey, Dick komm her. Die Steaks sind gleich fertig.«

Wieder steckten Jenny und Rachel die Köpfe zusammen, tuschelten und lachten. Schlagartig verging ihm der Appetit.

»Danke, aber ich leg mich besser hin. Bin irgendwie müde.«

»Zu müde für ein Steak?«, fragte Ashton, ehrlich verwundert und gewiss nicht in böser Absicht. Trotzdem wieherte Jennifer lauthals los.

»Ja, genau!«, erwiderte er und humpelte auf die Hütte zu, die er sich mit Ashton teilte.

Es gab insgesamt vier, mit jeweils Platz für vier Bootcamp-Teilnehmer. Da sie nur zwölf waren, hatten Ashton und Dick das Glück, zu zweit eine Hütte zu bewohnen.

Darryl und Molly schliefen im Haupthaus, in dem auch Büro, Behandlungszimmer und Küche untergebracht waren. Sanitäranlagen gab es keine. Wer den Ruf der Natur verspürte, der musste sich entweder mit dem Plumpsklo oder der Wildnis begnügen. Wasser zum Waschen lieferte ein Bach, der unweit des Camps vorbei plätscherte.

Dick ließ seine schwatzenden Kameraden zurück und betrat die Hütte, deren Einrichtung nur als spartanisch bezeichnet werden konnte. Außer zwei Etagenbetten und vier schmalen Spinden gab es noch einen Tisch mit vier Stühlen.

Es war nicht gelogen gewesen, als er behauptet hatte, müde zu sein. Seit Ashton und er aus dem Wald zurückgekehrt waren, hatte ihn diese bleierne Schwere überfallen.

Eigentlich war er ja noch zu jung, um wetterfühlig zu sein, aber die für die Highlands untypische Spätsommerwärme laugte ihn aus.

Dick schleuderte die Schuhe von den Füßen, zog die durchgeschwitzten Socken aus und wechselte Shorts und T-Shirt gegen frische Wäsche aus der Reisetasche.

Die Tür ging auf, und Ashton stand auf der Schwelle.

»Hey, was ist los mit dir?«

»Nichts, ich sagte doch, dass ich müde bin.«

»Während draußen auf dem Grill Steaks und Würstchen liegen?«

»Hab eben keinen Appetit.«

»Komm, verarsch mich nicht. Rachel hat auch schon nach dir gefragt.«

Dick ließ sich in das Bett am Fenster fallen und grunzte. »Ja, kann ich mir denken.«

Ashton hob die Brauen, die unter dem fransigen Pony verschwanden. Mit seinem athletischen Körper, der sonnengebräunten Haut und dem strohblonden Haar sah er aus wie ein Surfer. Kaum zu glauben, dass er Informatik studierte.

»Was soll das denn heißen?«

»Das heißt, dass ich keinen Bock hab, für diese Bitches den Clown zu spielen.«

»Sag mal, drehst du jetzt völlig am Rad?«

»Komm, spar dir das, ja? Ich bin doch nicht blöd. Ich hab doch gesehen, wie sich Jenny und Rachel über mich lustig gemacht haben.«

»Was? Die beiden haben herumgealbert. Kein Schwein hat sich für dich interessiert.«

»Na dann ist doch alles klar. Von wegen, Rachel hat nach mir gefragt.«

»Du weißt, dass ich das nicht so gemeint hab.«

Ashton ließ die Schultern hängen. Fast hätte ihm Dick die Show abgekauft. Er winkte ab und rollte sich auf die Seite.

Er hörte Ashton seufzen. Kurz darauf schloss sich die Tür wieder.

»Sorry, Leute. Aber Dick ist echt fertig. War wohl zu lange in der Sonne«, rief Ashton den anderen zu, die daraufhin Enttäuschung heuchelten. Lauter, als es nötig und glaubhaft gewesen wäre. Zwei Minuten später schwatzten und grölten sie schon wieder, als wäre nichts passiert.

»Als ob ich es nötig hätte, mit dem Pöbel zu speisen«, murmelte er, ohne zu merken, dass es nicht seine Worte waren. Er sprach sie zwar aus, doch sie stammten nicht von ihm.

Wie von selbst fielen ihm die Augen zu.

Dick Pine schlief ein und träumte.

300 Jahre früher

Lady Florence Hillingham rannte um ihr Leben!

Das Schreien und Grölen ihrer Häscher hallte durch den Wald, in den sie vor lauter Panik geflüchtet war. Er war die einzige Zuflucht, die ihr geblieben war. Leider konnte sie sich nicht verwandeln, zumindest nicht jetzt. Solange die Sonne am Himmel stand, waren ihre Kräfte geschwächt. Das wusste auch der Pöbel, der sie aufgespürt hatte, um ihrer Schreckensherrschaft ein Ende zu setzen.

Mit Fackeln, Äxten und Speeren rückten sie gegen sie vor.

Ihre Diener hatten sie erschlagen, ihren Bräutigamen hatte man die Schädel gespalten und sie dem Feuer überantwortet.

Feuer!

Nichts fürchtete Ihresgleichen mehr. Gegen Pfähle, Kreuze und Äxte vermochte sie sich zu wehren, doch gegen die reinigende Macht der Flammen war selbst sie machtlos.

Niemals hätte sie damit gerechnet, dass diese tumben Bauern sich gegen sie erheben würden. In England war das was anderes. Dort waren die Menschen aufgeklärt und dem Aberglauben nicht so sehr verfallen wir hier oben, in den Highlands, wo die Leute noch heidnische Götzen anbeteten.

Als Lady Florence vor zehn Jahren hierhergekommen war, hatte sie einen reich gedeckten Tisch vorgefunden. Sie hatte den Clansman, der auf einem Schloss nahe des Waldes lebte, verführt und sein Blut getrunken.

Nachdem er zu ihrem Diener geworden war, hatte sie mit ihm zusammen seine Töchter zu Tode gefoltert. Anschließend hatte sie ihm den Kopf abgeschlagen, diesen auf einen Pfahl gespießt und sich zur Herrscherin aufgeschwungen.

Es hatte nicht lange gedauert, bis die Männer des Clansmans ihrer Schönheit verfallen waren und ihr ewige Treue schworen. Zehn Jahre lang hatten sie Bauernmädchen auf das Schloss geschleppt, an deren Blut sie sich labte. Es war ein Genuss gewesen.

Schottenblut schmeckte bekanntlich besonders gut.