John Sinclair 2381 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2381 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Bertrand Caruso breitete die Arme aus. Er genoss den kühlen Wind, der von Westen her über die Seine auf die Île de la Cité wehte und seine schweißnasse, erhitzte Haut kühlte. Es fühlte sich wunderbar an. Und gleich würde es noch viel wunderbarer werden. Wenn er sich abstieß und wie ein Vogel durch die Lüfte schwebte, über die Stadt Paris hinweg, deren Lichter in der nächtlichen Dunkelheit funkelten wie tausend Diamanten.
Bertrand schloss die Lider. Vor seinen Augen blitzten Bilder auf. Bilder von Engeln, die, begleitet von sphärenhaften Klängen, über den Wolken segelten.
Auch er war ein Engel. Ein Engel, der den Menschen Frieden und Glückseligkeit schenken wollte. Caruso rannte die letzten zwei Schritte nach vorne und stieß sich von der Zinne des Turms der Kirche Notre-Dame ab. Der Wind zerrte und riss an seiner Kleidung.
Bertrand öffnete die Lider. Rasend schnell kam der betonierte Boden auf ihn zu.
"Ich bin ein Engel!", kreischte Caruso. "Ein Engel der Glückselig ..."
Der Aufprall zerschmetterte den Körper des Mannes. Die Schreie der Menschen, die Zeugen des grauenhaften Geschehens geworden waren, hörte er nicht mehr.

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Inhalt

Cover

Satans Marotte

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Satans Marotte

von Ian Rolf Hill

Bertrand Caruso breitete die Arme aus. Er genoss den kühlen Wind, der von Westen her über die Seine auf die Île de la Cité wehte und seine schweißnasse, erhitzte Haut kühlte. Es fühlte sich wunderbar an. Und gleich würde es noch viel wunderbarer werden. Wenn er sich abstieß und wie ein Vogel durch die Lüf‍te schwebte, über die Stadt Paris hinweg, deren Lichter in der nächtlichen Dun‍kelheit funkelten wie tausend Diamanten.

Bertrand schloss die Lider. Vor seinen Augen blitzten Bilder auf. Bilder von En‍geln, die, begleitet von sphärenhaften Klängen, über den Wolken segelten.

Auch er war ein Engel. Ein Engel, der den Menschen Frieden und Glückseligkeit schenken wollte. Caruso rannte die letzten zwei Schritte nach vorne und stieß sich von der Zinne des Turms der Kirche Notre-Dame ab. Der Wind zerrte und riss an seiner Kleidung.

Bertrand öffnete die Lider. Rasend schnell kam der betonierte Boden auf ihn zu.

»Ich bin ein Engel!«, kreischte Caruso. »Ein Engel der Glückselig...«

Der Aufprall zerschmetterte den Körper des Mannes. Die Schreie der Menschen, die Zeugen des grauenhaften Geschehens geworden waren, hörte er nicht mehr.

Emir Yaman kniff ein Auge zu und spähte durch das Zielfernrohr seines Präzisionsgewehrs auf die Person, die eben im Begriff war, die Tür des Containers zu öffnen, der heute Nachmittag mit einem Schiff aus Georgien im Hafen von Istanbul eingetroffen war.

Laut ihrem Informanten beladen mit Frauen und Mädchen, die aus ihrer Heimat verschleppt worden waren, um in Zukunft in einem der zahlreichen Bordelle anzuschaffen. Oder direkt an irgendwelche kranken Arschlöcher als Leibeigene verschachert wurden. Viele von ihnen waren mit falschen Versprechungen geködert oder mit Gewalt gefügig gemacht worden.

Yaman spürte jedes Mal eine mörderische Wut im Bauch, wenn er daran dachte, mit welcher Brutalität diese Gangster gegen Schwächere vorgingen. Selbst minderjährige Mädchen waren nicht vor ihnen sicher.

Und Levent Kaplan war einer der dicksten Fische im Schleppermilieu von Istanbul. Seine Kontakte reichten von Asien bis Europa, angeblich sogar nach Amerika. Auch dort gab es einen Markt für junge exotische Frauen und genügend kranke Kerle, die bereit waren, einen Batzen Geld für eine private Sklavin hinzulegen. Oder eines der Mädchen zu entjungfern.

Emir, selbst Vater einer kleinen Tochter, musste sich zusammenreißen, um nicht den Finger zu krümmen, als Oktay, einer von Kaplans Handlangern, die Plombe löste und die Tür aufzog.

Vier mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer sicherten die Umgebung. Ihre Aufgabe war es, darauf zu achten, dass keines der Mädchen entkam. Sie sollten in zwei bereitstehende Lkws verladen werden, die sie in die Stadt zu den entsprechenden Bordellen bringen sollten.

Dort würden einige der Frauen noch heute Nacht von Oktay und seinen Kumpanen »eingeritten«, sprich vergewaltigt werden. Als Vorbereitung für das, was später folgte. Ein Leben voller Missbrauch und Abhängigkeit. Bei einigen der Frauen reichte die Androhung körperlicher Gewalt, um sie gehorsam zu machen, andere wurden mittels Drogen gefügig gemacht. Das waren diejenigen, die das Potenzial hatten, Probleme zu verursachen. Die wurden auch nicht verkauft, sondern mussten in Bordellen anschaffen. Ihre Lebenserwartung war nicht besonders hoch.

Anders sah das bei den Mädchen aus. Mit etwas »Glück« gerieten sie an einen reichen Gönner, der sie in einen goldenen Käfig sperrte, bis sie selbst glaubten, das große Los gezogen zu haben. Nicht wenige von ihnen verliebten sich in ihre Peiniger, allein, um nicht an der Tatsache zu zerbrechen, ein Le‍ben in Gefangenschaft führen zu müssen.

Menschenhandel war ein brutales Geschäft, und viele Polizisten, die in diesem Milieu ermittelten, zerbrachen im Laufe der Zeit daran. Auch Emir Yaman wusste, dass er den Job nicht mehr lange ausüben konnte. Mit jedem Einsatz wuchs sein Hass auf diese Männer. Ebenso wie der Wunsch, sie mit einer Bewegung seines Zeigefingers von der Welt zu tilgen.

Doch er riss sich zusammen. Leise sprach er in das Mikrofon des Headsets.

»Fünf Zielpersonen am Container. Vier mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer und Oktay. Im Container befindet sich eine unbekannte Zahl an Frauen und Mädchen. Sie haben ihn noch nicht verlassen. Ich habe freies Schussfeld. Wiederhole, ich habe freies Schussfeld. Ich kann mindestens zwei von ihnen ausschalten, bevor sie in De‍ckung gehen. Eventuell drei.«

»Negativ«, drang die Stimme des Teamleiters aus dem Lautsprecher in Emirs Ohr. »Die restlichen Männer könnten das Feuer auf die Frauen eröffnen oder sich mit ihnen im Container verschanzen. Das gäbe ein Blutbad. Auf Posten bleiben und warten!«

»Worauf?«, entfuhr es Emir.

»Auf eine bessere Gelegenheit. Wenn wir jetzt zuschlagen, erwischen wir bloß ein paar Handlanger. Wir müssen an Kaplan herankommen.«

Die Stimme des Teamleiters klang angespannt. Emir Yaman konnte ihn verstehen, immerhin erzählte der Boss ihm Dinge, die er längst wusste. Wie ein Lehrer, der seinem Schüler zum x-ten Mal dieselbe Aufgabe erklärte.

»Verstanden«, knurrte Emir und schwieg.

Er fror trotz der milden Nachtluft und des schwarzen Einsatzoveralls, der durch die schusssichere Weste noch dicker war. Auch das stundenlange Ausharren auf dem harten Metall-Container forderte seinen Tribut. Seit Stunden lag er nun schon hier, zur Tatenlosigkeit verdammt. Er konnte nicht mal aufstehen und sich die Beine vertreten. Hinzu kam der frische Wind, der vom Meer herüberwehte.

Emir Yaman lauschte den Berichten seiner Kollegen, die an strategisch günstigen Positionen verteilt waren. Sie hatten nicht genau gewusst, welcher der Container es war, in dem die Frauen verschifft worden waren, daher mussten einige der Scharfschützen zunächst ihre Stellung wechseln.

Wie sich herausstellte, hatte keiner der anderen ein so günstiges Schussfeld wie Emir.

Jetzt kamen die ersten Frauen aus dem Container. Wie verängstigte Schafe duckten sie sich zwischen den Männern in den schwarzen Lederjacken.

Nur noch wenige Sekunden, dann würden die Kerle mit ihren Geiseln im Schatten zwischen den Containern verschwinden und damit auch aus Emirs Sichtfeld.

Der Scharfschütze biss sich auf die Unterlippe.

Das konnte nicht richtig sein. Für einen kurzen Augenblick kam ihm ein schrecklicher Verdacht. Was, wenn Y‍i‍l‍m‍a‍z, der Teamleiter, von Kaplan ge‍schmiert worden war?

Noch bevor sich dieser Gedanke in Emirs Hirn festsetzen konnte, überschlugen sich die Ereignisse.

In den Schatten zwischen den Containern, in denen Oktay und seine Kumpane mit ihrer menschlichen Beute verschwinden wollten, geriet Bewegung. Oktay schrie etwas, das Emir nicht verstand. Dafür sah er, wie Kerl unter die Jacke griff, um die Pistole zu ziehen.

Er bekam sie nicht mal aus dem Schulterholster.

Etwas Helles wirbelte aus den Schatten, blitzte kurz im Licht des Mondes auf, ehe es sich in den Brustkorb des Gangsters grub.

Emir Yaman traute seinen Augen kaum, als er durch den Restlichtverstärker die blutverschmierte Spitze einer Machete erblickte, die aus Oktays Rücken ragte. Sie war mit solcher Wucht geschleudert worden, dass sie den Brustkorb von Kaplans Gorilla glatt durchbohrt hatte.

Schreie erklangen.

Die Frauen kreischten, die Männer brüllten wild durcheinander.

Zwei von ihnen feuerten ihre Maschinenpistolen ab. Über den Lärm der Salven hinweg bemerkten sie gar nicht, wie ein weiterer ihrer Komplizen zusammenbrach. In seinem Rücken steckte ebenfalls eine Machete.

Der vierte Bewaffnete sah sich hektisch und von Panik erfüllt um. Er ahnte, was Emir Yaman längst wusste. Die Menschenhändler waren umstellt.

Nur von wem? Wer hatte zugunsten der Frauen eingegriffen? Ohne Wissen der Polizei?

Dass der Teamleiter ebenso überrascht war wie Yaman, wurde diesem Sekunden später klar, als Yilmaz' aufgeregte Stimme aus dem Lautsprecher schepperte. »Was ist da los? Bericht!«

»Die Zielpersonen werden von Unbekannten angegriffen«, meldete Emir. »Zwei Verdächtige am Boden. Ich wiederhole, zwei Verdächtige ...«

Die nächsten Worte blieben Emir Yaman im Halse stecken. Denn plötzlich löste sich eine Gestalt aus dem Schatten neben dem Container, in dem die Frauen und Mädchen festgehalten worden waren.

Dem Scharfschützen stockte der Atem. Im ersten Moment glaubte er an einen Geist. Nicht aufgrund der geschmeidigen Bewegungen, es war allein das Aussehen der Gestalt, die Emir verblüffte.

Anhand der Körperformen erkannte er sofort, dass es sich um eine Frau handelte. Das Kostüm, das sie trug, lag hauteng an und brachte ihre durchtrainierte Figur zur Geltung. Das Gesicht war hinter einer grauen Maske verborgen, die den gesamten Kopf umschloss. Nur die Augen waren frei. Vor Mund und Nase hob sich ein dunkler Fleck ab, der sich bei genauerem Hinschauen als senkrechte Schlitze entpuppte, durch die die Person atmete.

Sie hielt zwei Macheten, die sie gekonnt um die Handgelenke wirbelte, während sie auf einen der Mädchenhändler zulief. Der bemerkte die Gefahr zu spät. Just in dem Augenblick, als er herumwirbelte, flog das erste Haumesser aus der Faust der Angreiferin.

Es schlug in die linke Schulter des Mannes, der in die Knie brach. Die Hand glitt von der Maschinenpistole, der Arm hing schlaff herab. Trotzdem ließ er die Waffe nicht fallen. Verbissen umklammerte er die MPi mit der Rechten und feuerte.

Die Garbe fuhr in den Himmel. Die Geschosse würden irgendwo im Meer herunterkommen, wo sie wahrscheinlich keinen Schaden anrichteten.

Ehe der Mann dazu kam, die Schussrichtung zu ändern, war die Vermummte bei ihm und schlug mit der zweiten Machete zu.

Der Arm wurde auf Höhe des Ellenbogens glatt durchtrennt.

Der Beschuss endete, Unterarm und Waffe fielen zu Boden.

Gleich darauf folgte der Kopf.

Auch die übrigen zwei Mädchenhändler hatten begriffen, dass die Gestalt in der Gasse zwischen den Containern nicht ihre einzige Gegnerin war.

Sie kamen aus allen Richtungen und umstellten die Frauen und die beiden übrig gebliebenen Männer. Die Gefangenen drängten sich ängstlich aneinander. Wieder kam Emir der Vergleich mit einer Schafherde in den Sinn.

»Emir, verdammt!«, dröhnte es aus dem Lautsprecher. »Sag etwas! Wer sind die Angreifer?«

Yaman hätte seinem Chef gerne eine Antwort gegeben, doch er brachte keinen Laut hervor, denn auch auf den Dächern der umliegenden Container geriet Bewegung. Wenigstens ein Dutzend Frauen in hautengen grauen Ganzkörperanzügen richteten sich auf.

Das sahen auch die beiden Gangster, die sich hektisch umblickten.

Immer wieder glotzten sie über ihre Schultern in die Gasse, die sie vor wenigen Sekunden noch mit ihren Maschinenpistolen beharkt hatten. Sie sahen aus, als erwarteten sie von dort Verstärkung, doch es kam niemand.

Und dann drehte einer der Männer durch. Er riss die MPi hoch, zielte auf die Frauen und brüllte etwas.

Wieder wirbelte eine Machete durch die Luft. Schreiend brach der Kerl in die Knie, dann kippte er leblos um.

Sein Kumpan begriff, dass er gegen diese Übermacht keine Chance hatte, und ließ die MPi fallen. Obwohl keine der Frauen eine Schusswaffe trug, war ihm klar, dass er verloren hatte.

Schlagartig kehrte Stille ein, die Emir nutzte, um Meldung zu erstatten. Er stieß die Worte flüsternd und abgehackt hervor. »Mehrere Frauen. Alle vermummt. Bewaffnet mit Macheten. Oktay und drei weitere Männer tot. Erbitte Anweisungen!«

Während er die Worte sprach, beobachtete er, wie sich aus der Dunkelheit zwischen den Containern, aus der die erste Machete geflogen war, eine weitere Vermummte löste. Sie bewegte sich nicht ganz so geschmeidig wie ihre Kameradinnen. Leicht vornübergebeugt betrat sie den Kai.

In der Hand hielt sie eine weitere Machete. Sie ging auf den unverletzten Mann zu, der flehend die Arme in die Höhe reckte.

Doch die Fremde wollte den jetzt Unbewaffneten, einen Koloss mit Vollbart und Glatze, gar nicht umbringen. Sie ging auf die Frauen zu. Dicht vor ihnen blieb sie stehen. Mit einer Hand griff sie sich an den Nacken, zerrte an einem Reißverschluss und zog sich die Maske vom Kopf.

Ein blasses Gesicht mit harten Zügen und struppigem schwarzen Haar kam zum Vorschein. Das Antlitz glänzte schweißnass. Sie sagte etwas zu den Frauen und reichte einer von ihnen die Machete. Dann deutete sie auf den Mann, der sich ergeben hatte.

Zögernd griff die Frau aus dem Container nach dem Haumesser. Unsicher blickte sie ihre Leidensgenossinnen an.

Da traten vier, fünf weitere Vermummte auf sie zu und streckten ihnen die Macheten mit dem Griff voran entgegen. Zwei von den Frauen fackelten nicht lange und nahmen das Angebot an. Innerhalb weniger Sekunden bewaffneten sich sieben Geiseln.

Die Vermummten traten zur Seite und gaben den Weg auf den verbliebenen Gangster frei. Emir erstattete Bericht.

»Zugriff!«, bellte Yilmaz. »Wir ...«

Doch es war zu spät. Mit einem kollektiven Aufschrei stürzten sich die Frauen auf den Mädchenhändler und hackten mit den Macheten auf ihn ein.

Irgendwo knatterte ein Sturmgewehr. Das war Yilmaz, der das Signal zum Stürmen gab.

Auch Emir Yaman wollte eingreifen. Dass es nicht so weit kam, lag an dem dumpfen Aufprall hinter ihm auf dem Containerdach. Etwas Schweres musste aus großer Höhe dort aufgekommen sein. Noch eine der vermummten Frauen?

Dem Scharfschützen lief es bei dem Gedanken an die Macheten eiskalt über den Rücken.

Im Liegen wälzte er sich herum, das Gewehr fest in beiden Fäusten haltend, bereit, sofort abzudrücken.

Dazu sollte es zunächst nicht kommen. Zwar war tatsächlich jemand hinter ihm auf dem Container gelandet, doch keine vermummte Frau mit Macheten.

Dafür erhob sich vor ihm eine grauenhafte Kreatur!

Es war eine nackte Gestalt mit grauweißer Haut und winzigen Brüsten. Das Geschlecht war haarlos und glatt. Das Gesicht kalkweiß und von strähnigem schwarzem Haar umrahmt. Glühende Augen lagen tief in den Höhlen, die Lippen leuchteten blutrot. Eine lange ölig glänzende Zunge baumelte wie der Schwanz einer Schlange aus dem geöffneten Mund, der mit spitzen Zähnen gespickt war.

Die Kreatur stieß abgehackte, kehlige Laute in einer fremden Sprache aus, während sie die Arme ausbreitete, an der eine Art Umhang befestigt war. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Emir, dass es sich um eine dünne Flughaut handelte, die mit den überlangen Fingern verwachsen war.

Wie bei einer Fledermaus.

Nur die Daumen ragten über die Schwingen hinweg. Dennoch war es für das Geschöpf kein Problem, nach einem blanken Knochen zu greifen, der in dem Gürtel steckte, der sich mehrfach um ihre schmale Hüfte wand.

Emirs Augen weiteten sich, als er sah, um was es sich bei dem vermeintlichen Gürtel in Wirklichkeit handelte. Es war eine menschliche Wirbelsäule. Zumindest sah es so aus. Die Wirbel waren mit dem langen Oberschenkelknochen verbunden und wirkten wie eine Peitsche, die vorne spitz zulief. Sie verursachte klickernde Laute, als die Dornfortsätze über das Metall des Containers schepperten.

Bläuliches Licht flammte in den Augen der Kreatur auf. Auch die Klaue, die die Peitsche hielt, leuchtete blau. Von dort aus floss das bläuliche Licht über den Knochen in die Wirbel, die regelrecht aufglühten.

Emir Yaman wähnte sich in einem Albtraum. Er hörte sich selbst schreien, als die geflügelte Monstrosität mit ihrer Knochenpeitsche ausholte. Der Finger des Scharfschützen krümmte sich um den Abzug. Die Waffe in seinen Händen bäumte sich auf, spie Blei in den fahlen Leib des Ungeheuers, das sich davon jedoch völlig unbeeindruckt zeigte.

Erbarmungslos schlug es mit der Peitsche zu.

Emir sah die Knochenpeitsche seitlich auf sich zurasen. Eisige Kälte legte sich um seinen Hals, gefolgt von einem unbeschreiblichen Schmerz. Für eine Sekunde wurde ihm schwarz vor Augen.

Als er die Lider öffnete, sah er über sich den wolkenlosen Himmel. Blitzschnell raste er an ihm vorbei. Emir Yaman wurde schwindelig. Er wollte schreien, doch es drang kein Laut aus seiner Kehle, die sich anfühlte wie zugeschnürt.

Dafür schlug sein Hinterkopf auf den Container.

Allerdings blieb es nicht dabei. Die Welt wirbelte um den jungen Mann herum, der sich unsagbar leicht fühlte, fast schwerelos. Ein heftiger Schlag traf ihn im Gesicht, während sein Schädel über die Kante des Containers rollte und in die Tiefe fiel.

Mit dem Aufprall erlosch auch Emirs Bewusstsein und versank in der endlosen Schwärze des Todes ...

Ein Poltern auf der Treppe riss Jeanette Beaumont aus dem Tiefschlaf.

Dass sie es trotz Ohrstöpsel überhaupt wahrgenommen hatte, verdeutlichte, wie laut es diesmal gewesen war. Die gesamte Nachbarschaft musste es mitbekommen haben und senkrecht im Bett sitzen, so wie Jeanette Beaumont.

Bei ihr kam vielleicht noch das Unterbewusstsein hinzu, das längst bemerkt hatte, dass das Poltern in erster Linie sie anging. Weil es von ihrem werten Gatten Robert stammte, der vermutlich gestolpert war.

Mal wieder.

Was nichts anderes bedeutete, dass er stockbesoffen war.

Mal wieder.

Jeanette Beaumont seufzte und überlegte, ob sie das Geräusch ignorieren sollte. Das Kind war doch ohnehin schon in den Brunnen gefallen. Jeder hier im Haus wusste, dass Robert ein Trinker und es daher kein Wunder war, dass man ihn gefeuert hatte.

Er selbst behauptete natürlich, dass er das Saufen erst angefangen hatte, nachdem er seinen Job verloren hatte.

Jeanettes einziger Trost in diesem bemitleidenswerten Dilemma war, dass Robert wenigstens nicht zur Gewalt neigte, sobald er einen über den Durst getrunken hatte.