John Sinclair 2450 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2450 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Ein mörderischer Schwarm. Ein traumatisierter Dämonenjäger. Ein Grauen, das sich nicht aufhalten lässt. In Colchester werden mehrere Menschen von Wespen attackiert. Die Angriffe scheinen wahllos und sind wissenschaftlich nicht zu erklären. Werden sie von einer übersinnlichen Macht geleitet? John Sinclair und sein Partner nehmen die Ermittlungen auf. Doch Suko ist nicht mehr er selbst, die ›Hölle von Kasan‹ hat ihn gezeichnet. Während John Sinclair dem Rätsel der mörderischen Wespen auf die Spur zu kommen versucht, kämpft sein bester Freund gegen seine eigenen Dämonen ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Der Gott der Wespen

Grüße aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Der Gott der Wespen

von Ian Rolf Hill

»Miserabel, Colin! Einfach nur miserabel!«

Mr Farrington schmiss das Heft auf den Tisch, dass es nur so klatschte. Colin zuckte zusammen, als hätte er eine Backpfeife bekommen. Er wagte nicht, den Kopf zu heben. Mit brennenden Augen starrte er das Heft an, auf dem sein Name stand.

Fang jetzt bloß nicht zu heulen an, vernahm er Mums Stimme im Geiste.

Tapfer würgte er den Kloß in seinem Hals herunter. Aufzublicken traute er sich dennoch nicht. Wozu auch? Colin wusste genau, wie Mr Farringtons Gesicht aussah. Hochrot und wütend.

Außerdem war sein Lehrer längst schon zwei Tische weiter. Soeben übergab er Lisa ihr Heft und lobte sie für ihre außergewöhnliche Leistung.

»Perfekt!«, sagte er. »Wie immer.«

Natürlich. Colin biss sich auf die Unterlippe. Selbst wenn er genauso gut gewesen wäre wie Lisa, hätte Mr Farrington ihn niemals gelobt.

Ganz einfach, weil er Colin hasste!

»Ich bin wirklich enttäuscht von euch!«, rief Robert Farrington mit erhobener Stimme, nachdem er das letzte Heft ausgeteilt hatte. »Im Durchschnitt drei Fehler pro Satz. Sagt mal, habt ihr eigentlich gar nichts gelernt? Wo seid ihr bloß mit euren Gedanken? Auf TikTok? Vielleicht glaubt ihr ja, ihr bräuchtet kein gutes Englisch, weil ihr irgendwann Influencer werdet. Aber selbst als Influencer solltet ihr euch ausdrücken können. Nehmt euch gefälligst ein Beispiel an Lisa!«

Im selben Moment, als er den letzten Satz sagte, bereute er ihn auch schon. Das blonde Mädchen riss die Augen auf und ließ die Schultern hängen. Ihr war genauso klar wie ihm, was er da gerade getan hatte. Er hatte sie an den Pranger gestellt. Genauso gut hätte er ihr den Kaugummi selbst in die Haare schmieren können. Oder ihr ein Bein stellen, damit sie in die Pfütze fiel.

Glücklicherweise war Lisa kein typisches Mobbing-Opfer. Aber selbst wem das schwache Selbstbewusstsein nicht aus jeder Pore troff, konnte zum Ziel solcher Attacken werden. Es war immer einfacher, den Fehler bei anderen als bei sich selbst zu suchen.

Statt sich also auf den Hintern zu setzen und zu lernen, versuchten die faulen Schüler, ihre fleißigeren Kameradinnen und Kameraden auf ihr Niveau herunterzuziehen.

Und leider gelang es ihnen immer öfter.

Das war zumindest Roberts Wahrnehmung, wenn er an die letzten zehn Berufsjahre zurückdachte.

Leider war das ein gesellschaftliches Problem. Sie lebten in einer Welt der Schreihälse, der Rowdys und Pöbler, die durch ihr Gezeter versuchten, die klugen Köpfe einzuschüchtern, und leider immer öfter damit durchkamen.

Manchmal drohte Robert daran zu verzweifeln. Er kam sich vor wie Don Quichotte, der gegen Windmühlen ankämpfte.

Die Schulglocke erlöste nicht nur die zweiundzwanzig Schülerinnen und Schüler, sondern auch ihn.

»Schert euch nach Hause!«, sagte Farrington enttäuscht.

Zum Glück ging sein harscher Tonfall in dem Tohuwabohu aus Gebimmel, Geschrei und rückenden Stühlen unter.

Seufzend wandte sich der Zweiunddreißigjährige von seiner Klasse ab und nahm hinter dem Lehrerpult Platz, um den Inhalt der letzten Stunde ins Klassenbuch einzutragen.

Fünfundvierzig Minuten hatte er sich zusammenreißen müssen, um den Kindern seine Enttäuschung nicht um die Ohren zu hauen. Hätte er das während der Unterrichtsstunde getan, hätte ihm niemand mehr zugehört und nur über das vergeigte Diktat nachgedacht und darüber, was die Eltern wohl dazu sagen würden.

Nein, korrigierte sich Robert. Das war meine Generation. Den meisten Eltern ist es egal, was ihre Kids treiben oder wie sie in der Schule abschneiden.

Er wusste, dass er damit vielen Eltern Unrecht tat. Es war nicht leicht, in dieser digitalisierten, von sozialen Medien bestimmten Welt ein Kind aufzuziehen. Die Aufmerksamkeitsspanne sank bedenklich. Es gab sogar Lehrer, die die Ansicht vertraten, die Unterrichtseinheiten müssten auf eine halbe Stunde verkürzt werden, weil danach sowieso niemand mehr zuhörte.

Robert Farrington hob den Kopf, als er Lisa in ihrer zu weiten Latzhose an sich vorbeistampfen sah. Das Mädchen verließ fast fluchtartig das Klassenzimmer, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Bedrückt widmete er sich wieder dem Klassenbuch.

Eben wollte er seine Sachen zusammenpacken, da fiel ihm auf, dass einer der Schüler noch immer auf seinem Platz hockte und stumm auf das Heft starrte, das unangetastet auf der Tischplatte ruhte.

Es war Colin Wheeler.

Robert unterdrückte ein Seufzen. Ausgerechnet Colin.

»Die Schule ist zu Ende, Colin. Du darfst nach Hause.«

Der Neunjährige reagierte nicht. Mit gesenktem Kopf kauerte er auf dem Stuhl, als müsse er nachsitzen. Weinte er etwa?

Der Lehrer zog die Brauen nach oben. Colin war sensibler als die anderen, sicher, aber bislang hatte Farrington ihn nicht als jemanden eingestuft, der nah am Wasser gebaut hatte. Da gab es andere, die schneller in Tränen ausbrachen. Und das waren beileibe nicht nur die Mädchen.

Robert klappte das Klassenbuch zu, schnappte sich seine abgewetzte Ledertasche, ein Geschenk seiner Frau Alice, und stand auf. Er umrundete das Pult und blieb vor Colins Tisch stehen. Der Junge war eines seiner Sorgenkinder.

Er war nicht dumm, nur unaufmerksam. Robert war sich nicht sicher, woran das lag. Möglicherweise hatte der Junge ADHS, doch als er mit Colins Mutter darüber sprechen wollte, hatte sie sofort dichtgemacht und behauptet, ihr Sohn sei ›keiner von diesen Verrückten‹.

Damit war das Thema für sie erledigt gewesen, und Robert war seitdem der Ansicht, dass die Ursache für Colins schlechte Leistungen woanders lag.

»Colin, ist alles in Ordnung?«

Endlich zeigte der Junge eine Reaktion, auch wenn sie nicht Roberts Frage beantwortete. Oder vielleicht doch, denn die Art, wie sich Colin mit dem Ärmel durchs Gesicht wischte, machte dem Lehrer klar, dass die Antwort Nein lautete.

Robert beugte sich nach vorn und berührte Colin an der Schulter. »He, wenn ich vorhin ...«

Weiter kam er nicht, denn mit einer unerwartet heftigen Bewegung wischte Colin die Hand des Lehrers von seiner Schulter. Wie von der Tarantel gestochen, sprang er auf.

Sein Gesicht war verquollen, in den Augen schimmerten die Tränen.

»Fassen Sie mich nicht an!«, brüllte er mit krebsrotem Gesicht.

Verdutzt über die unerwartet heftige Reaktion verharrte Robert in seiner leicht gebückten Haltung. Colin aber schnappte sich den Ranzen, grabschte nach dem Schulheft und stürmte aus dem Klassenzimmer.

Robert Farrington war wie gelähmt. Noch nie zuvor hatte ihn eines der Kinder so angeschaut wie Colin. Hätte er den Ausdruck in seinen Augen beschreiben müssen, ihm wäre nur ein Begriff eingefallen.

Es war der blanke Hass!

Sekundenlang tat der Zweiunddreißigjährige gar nichts.

Ratlos und völlig konsterniert starrte er auf den leeren Stuhl, auf dem Colin eben noch gesessen hatte. In seiner Magengrube breitete sich ein drückender Schmerz aus. Vielleicht der Beginn eines Magengeschwürs.

Berufsrisiko, hätte Alice vermutlich dazu gesagt.

Als es im Bereich der Lendenwirbel zu ziehen anfing, richtete sich Robert auf.

Der hasserfüllte Ausdruck in Colins Gesicht hatte ihn zutiefst erschüttert und nährte die Ahnung, dass die Probleme des Jungen tiefer lagen als bisher angenommen. Sehr viel tiefer ...

Robert beschloss, mit Alice darüber zu sprechen. Sie war Erzieherin und wusste oft Rat, wo er bereits an seine Grenzen stieß, was immer häufiger der Fall war.

Nachdenklich verließ Robert das Schulgebäude. Auch für ihn war es die letzte Stunde gewesen. Das Schulgebäude hatte sich bereits größtenteils geleert.

Auf dem Flur begegnete ihm Norman Westwood, der Hausmeister. Robert wünschte ihm einen schönen Tag und eilte ins Freie, wo ihn strahlender Sonnenschein empfing. Ein kleiner Lichtblick nach dem morgendlichen Regen.

»Lass mich in Frieden, du blöde Kuh! Das ist alles deine Schuld!«

Abrupt blieb Robert stehen. Er hatte Colins Stimme sofort erkannt. Der Junge stand zusammen mit Lisa bei den Fahrrädern.

Soeben schubste er das Mädchen heftig von sich. Sie versuchte noch, das Gleichgewicht zu wahren, doch der schwere Ranzen auf ihren Schultern zog sie unerbittlich nach hinten. Sie musste ihr Fahrrad loslassen, taumelte rückwärts, ruderte mit den Armen und setzte sich auf den Hintern.

»Hey!«, rief Robert.

Erschrocken drehte sich Colin um. Als er den Lehrer auf sich zukommen sah, rannte er weg, Richtung Bushaltestelle.

Robert dachte gar nicht daran, die Verfolgung aufzunehmen. Lisa war momentan wichtiger.

Das Mädchen kämpfte tapfer gegen die Tränen an. Er half ihm auf die Beine.

»Alles in Ordnung?«, fragte Robert, während er ihr Fahrrad aufhob.

Lisa nickte, doch dann schüttelte sie den Kopf. Der Schrecken wich einem trotzigen, ja, beinahe wütenden Ausdruck.

»Das ist alles Ihre Schuld!« Sie schnappte sich das Rad, schwang sich unbeholfen in den Sattel und trat in die Pedale.

Robert wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Das war heute definitiv nicht sein Tag. Kopfschüttelnd ging er dorthin, wo sein eigenes Rad stand. Fehlte nur noch, dass ihm irgendein wütender Schüler die Luft aus den Reifen gelassen hatte. Doch das war zum Glück nicht der Fall.

Robert freute sich auf die gut viertelstündige Radtour nach Heckfordbridge, einem kleinen Weiler südlich von Colchester, wo er an der St. Michael's Primary School and Nursery unterrichtete. Der Weg führte am Cheshunt Field, einem weitläufigen Park, und dem Colchester Zoo vorbei. Der Tiergarten hatte vielleicht nicht so viele Tiere wie die großen Zoos in London oder Birmingham, dafür bot er den wenigen genügend Platz und Auslauf.

Kaum hatte er ihn hinter sich gelassen, da spürte Robert, wie die Anspannung von ihm abfiel.

Um den kleinen Hof zu erreichen, den die Farringtons für einen Spottpreis erworben hatten, musste er ein kleines Waldstück durchqueren. Die Sonnenstrahlen sickerten durch die Kronen der dicht belaubten Bäume und zauberten einen Teppich aus Licht und Schatten auf die vom Regen feuchte Straße. Und genau hier fiel ihm das Summen zum ersten Mal auf.

Es war so laut, dass es selbst das Zwitschern der Vögel übertönte.

Ein Lächeln huschte über Roberts Lippen. Wenigstens die Bienen waren heute fleißig.

Der Wald lichtete sich, der asphaltierte Weg mündete auf einem freien sandigen, von Pfützen übersäten Platz. Dem Wohnhaus gegenüber stand ein verfallener Schuppen, den Robert und Alice gerne ausgebaut hätten, doch dazu fehlten ihnen nicht nur die Zeit und das handwerkliche Geschick, sondern vor allem das Geld. Die Renovierung des Bauernhauses hatte ihre gesamten Ersparnisse geschluckt.

Und jetzt, wo das erste Kind unterwegs war, mussten sie ohnehin ein wenig sparsamer sein.

Robert stieg aus dem Sattel und schob das Rad die letzten Meter bis zum Haus, wo er es im Schatten der Seitenwand abstellte. Der Bereich neben der Tür war von Alice mit Blumen bepflanzt worden.

Auch hier war das Summen überdeutlich zu hören. Allerdings waren es gar keine Bienen, wie Robert feststellte, als ihn plötzlich drei Wespen umschwirrten. Unwillkürlich hielt er den Atem an und zwang sich zur Ruhe.

Auf keinen Fall wollte er die Insekten provozieren, indem er nach ihnen schlug oder sie womöglich noch anpustete. Das ausgestoßene Kohlendioxid machte Wespen erst recht aggressiv. Doch obwohl er den Reflex erfolgreich unterdrückte, hatten die Wespen offenbar ein Problem mit ihm, denn sie wurden immer zudringlicher.

Aus drei wurden sechs und schließlich noch mehr Tiere.

So viele, dass er sie nicht zu zählen vermochte, was in erster Linie jedoch ihren schnellen, heftigen Bewegungen geschuldet war.

Langsam wurde es Robert mulmig zumute. Und als ihm gleich vier der Biester zu nahe kamen, ließ er sich doch zu einer Reaktion hinreißen. Mit der Tasche schlug er sie zur Seite, überwand die letzten drei Schritte bis zum Eingang und stieß die Tür auf.

Zum Glück war sie nicht abgeschlossen.

Zwei Wespen huschten mit ihm ins Haus und griffen sofort an.

Robert stieß einen leisen Schrei aus, als ihn das erste Insekt in den Hals stach. Er schlug nach dem Tier, das zu Boden fiel, wo er es zertrat. Die zweite Wespe erwischte er mit der Tasche. Die Wespe klatschte gegen die Wand, fiel benommen zu Boden und seiner Sohle zum Opfer. Normalerweise versuchte er keine Insekten zu töten, selbst Wespen nicht, aber diese hier hatten es ja geradezu darauf angelegt.

Zum Glück war er nicht allergisch. Trotzdem musste er den Stich kühlen. Am besten mit einer halbierten Zwiebel.

»Robert? Bist du das?«, drang die Stimme seiner hochschwangeren Frau Alice aus der Küche.

Sofort sah die Welt ein wenig besser aus.

Alice hatte die wundervolle Gabe, selbst schwerwiegende Probleme einfach wegzulächeln. Dafür liebte er sie von ganzem Herzen.

Robert Farrington stellte die Tasche ab und betrat die Küche. Er versuchte, nicht länger an Colin Wheeler, Lisa oder die Wespen zu denken. Nur der pochende Schmerz, den ihr Stich hinterlassen hatte, ließ sich nicht so leicht ignorieren.

Was war nur in diese Biester gefahren?

Urplötzlich waren die Wespen da!

Wütend summten sie um Lisa herum, die den Kopf zwischen die Schultern zog und schließlich sogar eine Hand vom Lenker nahm, um nach den Insekten zu schlagen.

Lisa bemühte sich, tapfer zu sein, schließlich hatte sie von Mrs Jenkins gelernt, dass Wespen nicht gefährlich waren, solange man sie nicht ärgerte. Und sie waren auch keine Schädlinge. Im Gegenteil, sie waren genauso nützlich wie Marienkäfer, Regenwürmer, Ameisen und Bienen. Im Moment waren sie jedoch lästig.

Wenigstens lenkten sie Lisa von ihrem Kummer ab. Dabei hatte sie Colin doch bloß trösten wollen. Sie hatte sofort gemerkt, wie sehr ihn das schlechte Ergebnis des Diktats mitgenommen hatte. Das und der Anschiss von Mr Farrington. Dabei wusste sie genau, dass er sich Mühe gegeben hatte. Colin natürlich, nicht Mr Farrington.

Sie hatten sogar mal zusammen geübt.

Bis Colin plötzlich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Lisa wusste bis heute nicht warum. Als sie ihn nach dem Grund gefragt hatte, hatte er sich umgedreht und war einfach gegangen. Aber er hatte sie nie geschlagen oder geschubst.

Lisa hatte es nie einfach in der Schule gehabt. Ihre Mum meinte, das läge daran, dass sie zu klug sei und die meisten Leute Angst vor klugen Menschen hätten, vor allem, wenn sie selbst nicht besonders gescheit seien.

Allerdings war sich Lisa ziemlich sicher, dass Colin keine Angst vor ihr gehabt hatte. Er war bloß wütend auf sie. Und auf Mr Farrington. Das konnte sie ja noch verstehen. Auch sie war sauer auf den Lehrer. Eigentlich mochte sie ihn ja. Und dabei sah er auch noch gut aus. Selbst der Bart störte sie nicht im Geringsten.

Aber musste er sie deshalb gleich vor versammelter Mannschaft loben und als Streberin hinstellen? Kein Wunder, dass niemand etwas mit ihr zu tun haben wollte.

Am besten, sie lernte gar nicht mehr. Egal, was Mum oder Dad oder Mr Farrington dazu sagten. Die hatten ja auch alle Freunde. Das Einzige, was Lisa hatte, war ihre Katze Murray und einen kleinen Bruder, um den sich alles drehte, obwohl er nur herumbrüllte und sabberte und sich in die Windeln schiss.

Aber vielleicht wollten ja die Wespen ihre Freunde sein.

Warum sollten sie sie sonst umschwirren?

Mittlerweile waren es mindestens zehn oder noch mehr. Lisa schüttelte den Kopf. Der Helm verhinderte, dass ihr blondes Haar von einer Seite zur anderen flog.

Lisa hüpfte mit dem Rad vom Bordstein. Das Vorderrad schlingerte. Ein schneller Blick über die Schulter. Ein Lieferwagen rauschte heran. Dahinter kam noch ein Auto. Und noch eines.

Vor ihr der Zebrastreifen, an dem sie halten musste, um die Straße zu überqueren.

Normalerweise stieg Lisa ab, so wie man es ihr beigebracht hatte. Heute wollte sie aber nicht absteigen, nicht bei all den Wespen um sie herum. Was wollten die überhaupt von ihr?

Sie hatte doch gar nichts Süßes dabei.

Eines der Tiere landete auf der nackten Haut, dort, wo die Schulter in den Hals überging. Lisa quiekte erschreckt und zog reflexartig die Schulter nach oben. Ein beißender Stich zuckte durch das Fleisch. Dann waren die Wespen überall. Eine huschte unter das Brillenglas.

Das Schlingern des Rads wurde stärker. Lisa schrie und fuchtelte mit dem Arm, riss sich die Brille vom Gesicht.

Ein lautes Hupen erklang dicht hinter ihr. Der Lieferwagen fuhr so dicht an ihr vorbei, dass sie von dem Windstoß erfasst wurde. Lisa drohte nach links auf den Bordstein zu kippen.

Verzweifelt versuchte sie, sich im Sattel zu halten, während die Wespen weiterhin wütend auf sie einstachen.

Lisa konnte kaum noch etwas erkennen. Ohne Brille verschwamm alles zu einem bunten Mischmasch. Außerdem konnte sie ihr linkes Augenlid kaum noch heben.

Überall waren Wespen.