John Sinclair 2464 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 2464 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Die Conollys brauchten einfach mal Abstand von uns, ihren geisterjagenden Freunden von Scotland Yard! Zu viel war in letzter Zeit auch auf sie eingestürmt, und das nur, weil sie mit Suko und mir befreundet waren. Darum besuchten sie die Weltausstellung in Japan. Und dort erwarteten sie Zerstreuung und Entspannung und ... die nordische Totengöttin Hel - die griechische Unheilsbringerin Pandora - der japanische Meeresgott Susanoo ... Und Xorron, der Herr der Zombies und Ghouls! Bill und Sheila gerieten zwischen die Fronten gnadenloser Götter und mordender Monster und wurden verstrickt in die Japan-Verschwörung.

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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Die Japan-Verschwörung

Grüße aus der Gruft

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Die Japan-Verschwörung

(Teil 1 von 2)

von Ian Rolf Hill

Kaiserliche Residenzstadt Asuka,

Yamamoto, im Jahr 672

Der Kaiser war tot!

Im Alter von 45 Jahren war Tenji verstorben. Noch auf dem Sterbebett bat er seinen jüngeren Bruder Temmu, zugunsten seines Sohnes Otomo auf den Thron zu verzichten.

Doch im Gegensatz zu seinem Bruder erkannte Temmu die Niedertracht in Otomos Herzen. Sein Neffe war von Machthunger und Bosheit zerfressen. Also forderte Temmu den Thron zurück. Es kam zum Krieg, den Temmu für sich entschied.

Otomo, der den Thron als Kaiser Kobun erst vor wenigen Monaten bestiegen hatte, kochte vor Zorn. In seiner Wut erschlug er Frau und Kinder, mit deren Blut er Emma-Hoo beschwor.

Er bat den Herrscher der Jigoku um Beistand.

Und Emma-Hoo erhörte seinen Diener und schickte ihm seinen mächtigsten Krieger. Selbst in den jenseitigen Reichen wagte niemand, seinen Namen laut auszusprechen.

Alle kannten und fürchteten ihn.

Ihn – Shimada, die lebende Legende.

Heute

»Fantastisch!«

Bill Conolly blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und beschattete die Augen, während er den Blick über die gigantische, zwölf Meter hohe Holzkonstruktion schweifen ließ.

Auf einer Länge von über sechshundert Metern umschloss sie das Gelände, das die Conollys soeben im Begriff waren, zu betreten. Bei einer Breite von dreißig Metern kam da eine Menge Holz zusammen.

Sheila lächelte angesichts der kindlichen Begeisterung ihres Mannes, die selbst nach jahrzehntelanger Ehe noch ansteckend wirkte. Sie kannte kaum jemanden, der andere Menschen mit seiner Leidenschaft derart mitreißen konnte wie der Reporter Bill Conolly. Eine Eigenschaft, die ihm bei seiner Tätigkeit als freier Journalist zugutekam.

Manchmal fragte sie sich, wie er nach all dem, was sie erlebt hatten, überhaupt noch eine solche Lebensfreude an den Tag legen konnte.

»Weil das Leben zu kurz ist, um Tr‍übsal zu blasen«, hatte er erwidert, als sie ihn einmal darauf angesprochen hatte.

An diese Worte musste sie auch jetzt denken, als sie mit ihrem Mann vor den Toren der Weltausstellung stand, die dieses Jahr in Osaka stattfand.

Noch vor zwei Tagen waren sie in London gewesen, wo ihnen fast die Decke auf den Kopf gefallen war. Der Bungalow im Süden Londons war ihnen mit einem Mal winzig klein vorgekommen. Die Küche, das Arbeitszimmer, der Wohnraum, ja, selbst das Schlafzimmer war ihnen bedrückend erschienen. Eine beklemmende Stille hatte sich im Haus ausgebreitet.

Nicht, dass es früher unbedingt lauter und lebhafter zugegangen wäre. Als ihr gemeinsamer Sohn Johnny noch klein gewesen war, vielleicht. Damals hatte ja noch die Wölfin Nadine bei ihnen gelebt. Doch seitdem war eine Menge passiert.

Johnny war nur noch selten zu Gast bei ihnen und verbrachte die meiste Zeit bei seiner Freundin Cathy Graham. Oder er arbeitete, denn nach einigem Hin und Her hatte er beschlossen, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

Allerdings ohne von seinem Namen und seinen Kontakten zu profitieren, daher schrieb Johnny seine Artikel unter Pseudonym. Er wollte den Beruf des Journalisten von der Pike an erlernen, mit all seinen Höhen und Tiefen.

Für Sheila war es nicht einfach gewesen, das zu akzeptieren, doch sie hatte eingesehen, dass sie ihren Sohn nicht anbinden konnte. Und das wollte sie ja auch gar nicht. Immerhin – und das war ein nicht unerheblicher Trost – war er nicht auf die Idee gekommen, seinem Patenonkel John Sinclair nachzueifern und Polizist oder – schlimmer noch – Geisterjäger zu werden.

Vermutlich hatten ihn die anderthalb Jahre, die er in einer anderen Dimension verschollen gewesen war, ihm jegliche Ambitionen dahingehend ausgetrieben.

Sheila war sich sicher, dass Johnny ihr nicht einmal die Hälfte von dem erzählt hatte, was er in Twilight City erlebt und durchgemacht hatte, doch das Wenige hatte schon genügt.

Jedenfalls hatte er bewiesen, dass er auf sich allein aufpassen konnte. Johnny war kein Kind mehr, das war nun mal Tatsache.

Wahrscheinlich, so hatte Bill vermutet, war sie deshalb Feuer und Flamme gewesen, Denise Curtis bei sich aufzunehmen. John Sinclair hatte die Tochter des Wolfsdämons Lykaon aus Deutschland mitgebracht, wo es ihm gelungen war, sie aus den Fängen der Urdämonin Lilith zu befreien. Der Großen Mutter war es durch einen perfiden Trick gelungen, Denise zu einem ihrer Engel der Unzucht und Hurerei zu machen.

Im Kampf gegen Luzifer waren ihr all ihre magischen Kräfte entzogen worden. Aus Denise war ein gewöhnlicher Mensch geworden, ein Mensch, der nicht wusste, wo sein Platz in dieser Welt war. Ein Mensch, der erst wieder zu sich selbst finden musste.

Deshalb hatte sie auch darauf verzichtet, nach Alaska zu den Berserkern und in Morgana Laytons Werwolf-Kolonie zurückzukehren.

Sheila hatte sich sehr darüber gefreut, obwohl Denise und Johnny unterschiedlicher nicht hätten sein können. Es war eine Herausforderung gewesen, aber eine, die Sheila gerne angenommen hatte. Und das war leider das Problem, denn dadurch fühlte sie sich für das, was geschehen war, verantwortlich.

Hatte Denise ihr Schicksal zu Beginn noch akzeptiert und anscheinend sogar begrüßt, war sie nach dem Vorfall in einem Dorf bei Sheffield, wo sie tatenlos hatte mitansehen müssen, wie es einer Dämonin gelungen war, einem Jugendlichen das Herz aus dem Leib zu reißen, immer verschlossener geworden.

Auf der anderen Seite hatte sie damit begonnen, wildfremde Männer aufzureißen, so als wollte sie den Schmerz durch oberflächliche Bekanntschaften und bedeutungslosen Sex betäuben. Und dann ... tja, und dann war Justine Cavallo aufgetaucht.

Die Vampirin hatte Denise ein Angebot gemacht, das diese zwar durchaus hätte ausschlagen können, dies aber nicht gewollt hatte. Bill und Sheila hatten alles versucht, ihr zu helfen, waren letztendlich aber zu spät gekommen.*

Denise war zusammen mit Justine Cavallo verschwunden, und die Conollys fürchteten sich vor dem Tag, an dem sie zurückkehrte.

Mit fingerlangen Hauern und einem brennenden Durst nach menschlichem Blut!

Erinnerungen an Nadine Berger waren wach geworden, die ebenfalls in eine Blutsaugerin verwandelt worden war, kurz nachdem sie ihr Dasein als Wölfin hinter sich gelassen hatte.

All dies war Bill und Sheila durch den Kopf gegangen. Ihre Gedanken hatten sich im Kreis gedreht, immer und immer wieder, nur um letztendlich zu demselben niederschmetternden Ergebnis zu kommen: Es ist unsere Schuld!

Daran hatten auch die Gespräche mit John Sinclair, Suko und Marisa Douglas nichts geändert.

Bis Bill Conolly auf die Idee gekommen war, London für eine Weile zu verlassen. Natürlich nicht für immer. Der Reporter wusste genauso gut wie jeder andere aus ihrem Team, dass man vor seinen Problemen nicht weglaufen konnte. Doch man konnte sie auch nicht lösen, indem man zu Hause hockte, die Wand anstarrte und dumpf vor sich hinbrütete.

Und jetzt standen sie hier, vor dem großen Ring, einem der vielen Wahrzeichen der diesjährigen Weltausstellung, die in Osaka, Japan, stattfand.

Wenn man hier nicht auf andere Gedanken kam, wo sonst?

»Hey, Sheila! Worauf wartest du denn? Träumst du?«

Der Reporter wedelte mit der Hand vor Sheilas Augen. Er konnte es nicht fassen.

Da standen sie endlich hier, vor den Toren der Expo, die im Westen von Osaka auf einer künstlichen, knapp vierhundert Hektar großen Insel stattfand, und seine Frau verlor sich in Tagträumereien.

»Ich komme ja schon. Der Anblick hat mich schier überwältigt.«

»Schon klar. Und ich werde heute Abend zum neuen Kaiser gekrönt.«

Sheila lächelte und widerstand der Versuchung, ihrem Mann einen Kuss auf die Wange zu geben. In Japan wurden derartige Zuneigungsbekundungen in der Öffentlichkeit nicht so gern gesehen, auch wenn man mittlerweile ein wenig nachsichtiger mit den ausländischen Touristen geworden war.

»Oh, das freut mich aber für Sie, Eure Hoheit!«

»Das heißt: Eure kaiserliche Majestät. Wenn schon, denn schon. Oder auf Japanisch: tennō heika.«

»Du bist und bleibst mein Lieblings-Klugscheißer!«

Bill legte seiner Frau den Arm um die Taille. »Da bin ich aber erleichtert. Ich dachte schon, du hättest einen anderen gefunden.«

Sie schlenderten auf den Einlass zu, vor dem sich bereits ein Pulk von Menschen drängelte. Es ging weit weniger diszipliniert zu, als man es von einem traditionellen Land wie Japan vielleicht erwartet hätte, aber auch das war zum Großteil den Touristen geschuldet.

Immerhin hielt sich das Gedrängel in Grenzen und war nicht einmal ansatzweise mit dem Chaos vergleichbar, das in europäischen Ländern während gewisser Konzerte herrschte. Oder am Black Friday beziehungsweise den Winter- und Sommerschlussverkäufen.

Bill konnte es noch immer nicht fassen, dass sie jetzt tatsächlich hier waren. Er spürte, wie die Last der letzten Wochen und Monate von seinen Schultern fiel und er sich entspannte.

Es war ja nicht bloß die Sache mit Denise, die ihn dazu bewogen hatte, seiner Frau diesen Urlaub vorzuschlagen. Es war eine Menge passiert, das auch die Conollys getroffen hatte.

Angefangen von dem Kampf gegen Luzifer, der seiner Geliebten, der Großen Mutter Lilith, den Krieg erklärt hatte. Einen Krieg, in den das gesamte Sinclair-Team hineingezogen worden war und der mit Luzifers Vernichtung geendet hatte.

Jawohl, Luzifer, das absolut Böse, war besiegt!

Zumindest zu zwei Dritteln, denn Asmodis, der Fürst der Finsternis, war in letzter Sekunde von Pandora, der neuen Herrscherin des Schattenreiches, gerettet worden.

Jetzt regierte Lilith über die Hölle, und sie alle, Bill eingeschlossen, hatten gespannt auf die Auswirkungen gewartet, von denen bisher allerdings nichts zu spüren war. Die weltpolitische Lage hatte sich nicht im Geringsten verändert. Im Gegenteil, sie war eher noch angespannter geworden.

Aber vielleicht hatten sie sich das ja auch zu leicht vorgestellt.

Es war einfach, alle Schlechtigkeit dieser Welt einer einzigen Entität, in Luzifers Fall sogar drei einzelnen Entitäten, anzulasten. In Bills Augen aber war Luzifer in gewisser Weise bloß der Verwalter des Bösen gewesen. Der Widersacher des Allmächtigen, der sich die Bosheit und Niedertracht der Menschheit zunutze gemacht hatte, um seine eigene Macht zu mehren, um irgendwann vielleicht in den Himmel zurückzukehren und diesen zu erobern.

Aber davon wollte Bill heute nichts wissen. Genauso wenig wie von all den anderen Problemen dieser Welt. Den Kriegen, Klimakrisen und Naturkatastrophen, die anscheinend immer gehäufter und heftiger wüteten.

Heute wollte er sich einfach von dem überwältigenden Pomp verzaubern lassen und sich daran erinnern, zu welchen großartigen Leistungen die Menschheit imstande war. Obwohl es bei der Weltausstellung natürlich nur in zweiter Linie um Schauwerte und Vergnügen ging.

Die Expo diente dazu, der Bevölkerung zukunftsweisende Technologien vorzustellen. Dabei standen Klimaschutz und Nachhaltigkeit natürlich ganz weit oben auf der Agenda.

Angefangen bei diesem monumentalen Holzkonstrukt, das in der Nacht so hell erleuchtet war, dass der Ring sogar noch aus der Luft deutlich zu sehen war.

Davon hatten sich Bill und Sheila während ihres Anflugs auf den Flughafen Kansai überzeugen können, der nach Tokyo Haneda und dem Narita International Airport immerhin Japans drittgrößter Flughafen war.

Und das musste er auch sein, um die Touristenlawinen bewältigen zu können, die von April bis Oktober in die Stadt strömten. Das war die Zeitspanne, in der die Weltausstellung ihre Tore für den öffentlichen Besucherverkehr geöffnet hatte.

Sie betraten den Innenbereich des Großen Rings, in dem sich zahlreiche Pavillons verteilten, zwischen denen die Menschen in Scharen herumwuselten. Herangekarrt wurden sie mit Bussen, die ausschließlich mit Solarenergie angetrieben wurden. Nur eines von zahlreichen Aushängeschildern, mit denen die Expo für eine smartere, digitalisierte und glorreichere Zukunft warb. Fast hätte man meinen können, es gäbe gar keine Probleme mehr, die den globalen Frieden und die Demokratie bedrohten.

»Es sind insgesamt einhundertachtundfünfzig Länder beteiligt, von denen vierzig eigene Pavillons und Stände gebaut haben.«

»Vor allem Fressbuden!«, kommentierte Sheila.

»Natürlich. Warum auch nicht? Schließlich ist die Ernährung von demnächst zehn Milliarden Menschen eine gewaltige Herausforderung.«

Bill atmete tief durch. Der Geruch nach Frittiertem ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, sein Magen knurrte.

»Das erinnert mich daran, dass ich allmählich mal wieder was vertagen könnte.«

»Wir haben doch gerade erst gefrühstückt.«

»Also ›gerade erst‹ ist schon mal gelogen. Das war vor drei Stunden.«

»Von dem, was du vor drei Stunden verdrückt hast, könnte eine vierköpfige Familie satt werden.«

»Eine vierköpfige Mäusefamilie vielleicht«, konterte der Reporter und dirigierte seine Frau auf einen der Streetfood-Stände zu, wo es angeblich nachhaltige Burger aus Insektenproteinen gab.

»Ich glaub, mir wird schlecht«, murmelte Sheila.

»Du isst doch auch Garnelen.«

»Da hast du auch wieder recht.«

»Sag ich doch!«

Bill stellte sich an den Stand und wartete geduldig, bis er an die Reihe kam. Dabei checkte er die Nachrichten auf seinem Handy.

John Sinclair hatte ihm geschrieben und wünschte ihm und seiner Frau Sheila viel Spaß.

Die Textnachricht war schon ein paar Stunden alt, und mit keinem Wort verriet John, dass er und sein Partner Suko erst am Tag zuvor mal wieder ein haarsträubendes Abenteuer knapp überlebt hatten.

Es hatte ganz harmlos mit einer Housewarming-Party angefangen, doch zwischenzeitlich hatte es den Geisterjäger von Scotland Yard sogar einmal mehr in eine albtraumhafte Dimension verschlagen. Wobei John Sinclair nicht mal ahnte, dass hinter allem ein alter Feind gesteckt hatte, der sich ›der Erlöser‹ nannte – und den es jetzt nicht mehr gab!

Bill schrieb zurück, dass er gerade dabei war, einen Insektenburger zu ordern, doch auf eine Antwort wartete er vergebens.

Dann fiel ihm wieder ein, dass es zwischen England und Japan einen Zeitunterschied von acht Stunden gab. Hier in Osaka war es kurz vor zehn Uhr morgens, also musste es in London kurz vor zwei Uhr nachts sein!

Endlich war Bill an der Reihe. Er orderte zwei Burger, was mittlerweile einer eigenen kleinen Wissenschaft gleichkam, denn er musste sich nicht nur zwischen sechs Brotsorten entscheiden, sondern auch einem Dutzend verschiedener Soßen.

Hilflos schaute er sich zu Sheila um, doch seine Frau wandte ihm den Rücken zu und starrte gebannt in eine andere Richtung.

Seufzend wandte Bill sich wieder dem jungen Mann zu, der geduldig auf seine Entscheidung wartete.

Der Reporter nahm unterschiedliche Soßen, sodass Sheila die Wahl zwischen zwei Alternativen hatte, und kehrte zu seiner Frau zurück.

Die stand wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Fleck und rührte sich nicht.

Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als würde sie frieren. Dabei herrschten noch immer sommerlich warme Temperaturen. Sie hatte die Sonnenbrille ins Haar gesteckt, sodass Bill den starren Ausdruck in ihren Augen deutlich erkannte. Sie war blass geworden.

Das hatte nichts mehr mit irgendwelchen Tagträumereien zu tun. Sheila sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen.

»Hey, alles in Ordnung?«

Sie erschrak so sehr, dass sie sogar einen leisen Schrei ausstieß. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Bill, ich ... ich glaube, ich werde wahnsinnig!«

»Was ist denn passiert?«

»Halte mich bitte nicht für hysterisch, aber ich glaube, ich habe eben Xorron gesehen!«

Bill fühlte sich, als hätte ihn ein Pferd getreten. Schlagartig war ihm der Appetit vergangen.

Die Nachricht, über der Stadt würde sich ein Taifun zusammenbrauen, hätte ihn nicht härter treffen können. Tatsächlich wäre ihm das sogar noch lieber gewesen, denn Xorron war tausendmal schlimmer.

Xorron, der Herr der Zombies und Ghouls, auf der Weltausstellung!

Das war ein Albtraum sondergleichen und eine Horror-Vorstellung par excellence.

Doch warum sollte er ausgerechnet hier und heute, am selben Ort und zur selben Zeit wie die Conollys, auf der Expo erscheinen?

Zumal Xorron in Hels Reich verschollen war!

John und Suko waren Zeugen gewesen, wie das Monstrum in einem Teersumpf, der sich schier endlos weit hinter Hels Festung Eljudnir erstreckte, versunken war. Die Magie von Johns Kreuz hatte diesen Sumpf danach erstarren lassen.*

Der Geisterjäger hatte gehofft, dass Xorron für immer dort eingeschlossen bleiben würde, zumal er ein Feind der Totengöttin Hel war.

Das ließ nur einen Schluss zu: Sheila musste sich geirrt haben!

»Unmöglich!«, raunte Bill. Seine Stimme klang krächzend. »Xorron ist fort! Verschollen im Totenreich! Versunken in ...«

»Das weiß ich«, unterbrach ihn Sheila heftig. »Ich war dabei, als John die Geschichte erzählt hat. Na und? Dann ist er eben wieder zurückgekehrt.«

»Ausgerechnet hier? Ausgerechnet heute? Warum?«

Sheila schluckte. »Muss ich dir das wirklich erklären?«

Bill seufzte und ließ die Hände mit den Burgern sinken. Unwillkürlich hielt er Ausschau nach einem Mülleimer, in den er sie entsorgen konnte. Zum Glück war das nicht nötig. Er fand zwei hungrig aussehende Studenten, deren ganzes Vermögen vermutlich für Unterkunft und Eintritt draufgegangen war.

Lächelnd bedankten sie sich und verneigten sich mehrfach.

»Ja, ja«, murmelte der Reporter bloß, während er sich die Finger an einem Taschentuch säuberte.

Sheila hatte sich in der Zwischenzeit nicht von der Stelle gerührt. »Du weißt, dass wir verflucht sind!«

»Ich bitte dich, Sheila. Hier laufen Tausende von Menschen herum. Selbst wenn es Xorron auf uns abgesehen haben sollte, warum ist er dann nicht schon in London aufgetaucht?«

»Das ist doch sonnenklar. Wegen John Sinclair natürlich. Xorron hat ihm Rache geschworen. Er weiß, dass er ihn härter trifft, wenn er einen von uns attackiert, statt John direkt anzugreifen.«

»Das mag ja sein. Aber das ergibt nur Sinn, wenn John weiß, dass Xorron dahintersteckt.«

»Wer weiß, was in dem Hirn dieses kranken Monstrums vor sich geht.«

»Bist du sicher, dass er es war? Ich meine, du hast ihn doch nie persönlich gesehen. Vielleicht ...«

»Drei Yards groß, milchig-weiße bis silbrige Haut, durch die grün ein menschliches Skelett schimmert!«

Bill zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Unauffällig schaute er sich um. »Wo, glaubst du ... ich meine, wo genau hast du ihn gesehen?«

Sheila deutete auf eine künstlich angelegte Grünfläche inklusive Bäumen und einem Teich in der Mitte des Innenhofs.

Der Reporter wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

Allein die Erwähnung von Xorrons Namen hatte bei ihm für einen Schweißausbruch gesorgt. Der Herr der Zombies und Ghouls trug diesen Titel ja nicht umsonst. Ein Biss von diesem Monstrum genügte, um Menschen in Untote zu verwandeln.

Im Geiste sah er bereits Zombiehorden auf der Suche nach Menschenfleisch über das Expo-Gelände schlurfen.

Und er war nicht mal bewaffnet.

Aber gegen Xorron gab es ohnehin keine Waffe. Zumindest keine, die sich in ihrem Besitz befand. Selbst die Goldene Pistole oder der magische Bumerang vermochten dem Ungeheuer nichts anzuhaben.

»Na schön«, murmelte Bill. »Lass uns mal nachsehen.«

Der Reporter setzte sich in Bewegung, blieb aber schon nach wenigen Schritten stehen.

»Hat er dich auch gesehen oder erkannt?«

Sheila schüttelte stumm den Kopf.

»Wenigstens etwas«, knurrte der Reporter und setzte seinen Weg durch die Menschenmenge fort.