Julia Sommeredition Band 6 - Jessica Hart - E-Book

Julia Sommeredition Band 6 E-Book

JESSICA HART

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Beschreibung

LIEBESTRAUM AM WEISSEN STRAND von JESSICA HART

Für Martha geht ein Traum in Erfüllung: Lewis Mansfield hat sie engagiert. Sechs Monate verbringt sie mit ihm in einer Villa am Meer! Doch auf der romantischen Insel im Indischen Ozean verliebt sie sich in den überzeugten Junggesellen. Soll sie ihm ihre Gefühle gestehen?

SOMMER DER SEHNSUCHT von MAUREEN CHILD

Jesse King! Ihren neuen Vermieter erkennt Bella sofort! Und die Erinnerung an die gemeinsame magische Nacht lässt ihr verletztes Herz schneller schlagen. Eigentlich dürfte sie sich nicht mehr nach jenem Sommer sehnen. Doch der Geschäftsmann ist einfach unverschämt sexy …

TROPENWIND AUF ZARTER HAUT von ELIZABETH POWER

Weißer Sand, türkisblaues Meer und ein Gastgeber, der ihre Fantasie beflügelt: Diese Insel könnte das Paradies sein. Doch Lauren ist überzeugt, dass der mächtige Reeder Emiliano Cannavaro sie nur aus einem Grund in die Karibik gelockt hat: um ihr das Liebste zu nehmen!

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Seitenzahl: 572

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jessica Hart, Maureen Child, Elizabeth Power

JULIA SOMMEREDITION BAND 6

IMPRESSUM

JULIA SOMMEREDITION erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/82 651-370 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2025 in der Reihe JULIA SOMMEREDITION, Band 6

© 2003 by Jessica Hart Originaltitel: „Her Boss’s Baby Plan“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Hartmann Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1572

© 2009 by Maureen Child Originaltitel: „Conquering King’s Heart“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Greul Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1620

© 2014 by Elizabeth Power Originaltitel: „A Clash with Cannavaro“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Hummelt Deutsche Erstausgabe 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 402

Abbildungen: Harlequin Books S.A., Getty Imgaes / Larysa Pashkevich, JadeThaiCatwalk, Irina Karpinchik, Nataliya Kushnir, phokin, photohampster, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2025 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751533591

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Jessica Hart

Liebestraum am weißen Stand

1. KAPITEL

Martha sah auf ihre Armbanduhr. Zwanzig vor vier. Wie lange würde Lewis Mansfield sie noch warten lassen?

Seine persönliche Assistentin hatte ihn entschuldigt, als Martha pünktlich um drei Uhr erschienen war. Mr. Mansfield habe sehr viel zu tun, hatte sie gesagt. Das war in Ordnung. Martha wusste, wie es war, viel zu tun zu haben, und sie konnte es sich nicht leisten, verärgert wieder abzurauschen. Lewis Mansfield war im Moment ihre einzige Chance, nach St. Bonaventure zu kommen, also würde sie warten müssen.

Sie wünschte nur, er würde sich beeilen. Noah war aufgewacht und wurde unruhig. Sie hob ihn aus dem Buggy und betrachtete mit ihm die vergrößerten Schwarz-Weiß-Fotos, die an den Wänden hingen. Die Bilder waren nicht besonders interessant. Eine Straße durch eine Wüste. Eine Start- und Landebahn. Ein Hafen. Noch eine Straße, diese mit einem Tunnel. Eine Brücke. Sie hatten etwas Dramatisches, aber Martha zog ein bisschen Leben vor. Personen auf den Fotos hätten die Bilder menschlicher gemacht. Mit einem Model, das über die Start- und Landebahn schreitet …

„Ich denke wie eine Moderedakteurin“, sagte Martha zu Noah. „Damit sollte ich besser aufhören, stimmt’s? Ich habe jetzt einen neuen Beruf.“

Kindermädchen für sechs Monate. Konnte man das als Beruf bezeichnen? Das hatte sie gewiss nicht im Sinn gehabt, als sie die Universität verlassen hatte. Martha dachte an ihren aufregenden Job bei „Glitz“ und seufzte. Kindermädchen war irgendwie nicht das Gleiche.

Was Gespräche anbelangte, war mit Noah noch nicht viel los. Er war ja erst acht Monate alt. Aber er antwortete, indem er mit der Stirn liebevoll gegen Marthas Kinn stieß, und sie drückte ihn an sich. Er war mehr wert als jede großartige Karriere.

Die Tür zu Lewis Mansfields Büro ging auf, und Martha drehte sich hoffnungsvoll um, als seine persönliche Assistentin heraustrat.

„Lewis wird Sie jetzt empfangen“, sagte sie. „Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten.“ Sie blickte unsicher Noah an. „Möchten Sie, dass ich auf ihn aufpasse?“

„Danke, aber jetzt, da er wach ist, nehme ich ihn besser mit“, erwiderte Martha. „Kann ich den Buggy hier lassen?“

„Natürlich.“ Die Assistentin zeigte auf die geschlossene Tür und dämpfte die Stimme. „Er hat ziemlich schlechte Laune.“

Oh, großartig, dachte Martha. „Vielleicht bessert sich seine Laune, wenn er feststellt, dass ich die Antwort auf seine Gebete bin“, murmelte sie.

Die Assistentin lächelte mitfühlend. „Viel Glück“, meinte sie nur.

Lewis schob mürrisch Papiere auf dem Schreibtisch hin und her, während er darauf wartete, dass Martha Shaw hereinkam. Zu behaupten, dass er ziemlich schlechte Laune hatte, war eine Untertreibung.

Bisher war der Tag grässlich gewesen. In aller Herrgottsfrühe war Savannah bei ihm zu Hause aufgetaucht, und natürlich waren ihr Reporter gefolgt, gespannt auf die schmutzigen Details des nächsten Akts des Melodrams um Savannahs Beziehung zu Van Valerian. Lewis hatte seine aufgelöste Schwester beruhigt, sich dann durch das Rudel der Paparazzi vor seiner Tür gekämpft und in endlosen Staus frustriert die Zähne zusammengebissen, nur um im Büro mit neuen Krisen konfrontiert zu werden, die er sofort lösen musste. Zur Mittagszeit war das Kindermädchen aufgekreuzt. Die Mutter der Kleinen sei ins Krankenhaus gebracht worden, hatte es gesagt, und Viola müsste bis zum Abend bei ihm bleiben.

Zumindest benimmt sich Viola gut, dachte Lewis. Bis jetzt jedenfalls. Er betrachtete skeptisch die Babytragetasche in der Zimmerecke. Seine Nichte schlief friedlich, aber so, wie dieser Tag lief, würde das nicht andauern. Er musste eben das Beste aus der Zeit machen, die ihm noch blieb. Wenn er sich doch nur nicht bereit erklärt hätte, Martha Shaw zu empfangen! Aber Gill hatte so beharrlich behauptet, ihre Freundin sei genau das richtige Kindermädchen für Viola, dass er am Ende nachgegeben hatte. „Martha ist perfekt für dich“, hatte Gill immer wieder betont.

Lewis war da nicht so sicher. Gill war eine Freundin von Savannah und arbeitete für irgendein glamouröses Hochglanzmagazin. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie mit einem Kindermädchen befreundet war, geschweige denn mit einem, das ruhig, vernünftig und zuverlässig war.

Die Tür ging auf. „Martha Shaw“, sagte seine persönliche Assistentin munter und führte genau den Typ Frau herein, den Lewis im Moment am wenigsten sehen wollte.

Ich hätte es wissen sollen, dachte er bitter. Mit dem glatten dunklen Haar und dem sinnlichen Mund war sie durchaus attraktiv, aber sie war viel zu dünn. Lewis zog Frauen vor, die nicht aussahen, als würden sie in zwei Teile zerbrechen, sobald man sie berührte.

So viel zu einem ruhigen, ausgeglichenen Kindermädchen. Martha Shaw strahlte Nervosität und Erschöpfung aus. Ihre großen dunklen Augen waren glanzlos vor Müdigkeit, und sie hielt sich angestrengt aufrecht.

Lewis ignorierte ihren Gruß und blickte sie anklagend an. „Sie haben da ein Baby auf dem Arm.“

Martha folgte seinem Blick und betrachtete Noah, der am Daumen lutschte und sich staunend umsah. „Tatsächlich!“, rief sie gespielt überrascht. „Wie ist das denn da hingekommen?“

Leider musste sie feststellen, dass Lewis Mansfield keinen besonderen Sinn für Humor besaß, so finster, wie er sie jetzt anblickte. Kein guter Start für ein Vorstellungsgespräch. Nun, dann musste sie es eben mit ihrem Charme versuchen. „Das ist Noah“, sagte sie mit ihrem schönsten Lächeln.

Es wurde nicht erwidert. Damit hatte Martha irgendwie gerechnet. Lewis Mansfield war die wandelnde Verdrossenheit. Er war groß und sah so aus, als würde ihn nichts umwerfen, hatte ein ernstes Gesicht und einen reservierten Blick. Es war kaum zu glauben, dass dieser Mann mit der glamourösen Savannah Mansfield verwandt war, die für ihr lebhaftes Temperament berühmt war und das Leben einer Prominenten führte.

Gill hätte mich warnen können, dachte Martha ein bisschen verärgert. Zugegeben, Gill hatte gesagt, Lewis sei kurz angebunden. „Aber er ist wirklich ein Schatz“, hatte sie schnell versichert. „Ich bin sicher, ihr werdet sehr gut miteinander auskommen.“

Jetzt, da sie die Zielscheibe seines einschüchternden Blicks war, bezweifelte Martha das. Sie musterte Lewis Mansfield, während sie darauf wartete, dass er sie aufforderte, sich zu setzen. Vergeblich suchte sie nach irgendeinem Anzeichen von Sanftheit oder Sensibilität in dem strengen Gesicht. Es sah verdächtig danach aus, als wäre sein Stirnrunzeln dauerhaft, und er wirkte grimmig und mürrisch. Kurz angebunden war er ja, aber ein „Schatz“? Das glaubte Martha nicht.

„Er ist sehr brav“, sagte sie und zerzauste Noah das Haar. Einer von ihnen musste schließlich das Schweigen brechen. Sie konnten nicht den ganzen Nachmittag hier stehen und sich anblicken. „Er wird keinen Ärger machen.“

„Ha!“ Lewis kam hinter seinem Schreibtisch hervor. „Das habe ich schon gehört. Meistens von Frauen, die ihre Babys abgeben, schnell verschwinden und es anderen überlassen, herauszufinden, wie viel Ärger sie machen!“

Du liebe Güte, das lief nicht gut. Gill hatte den Eindruck vermittelt, dass Lewis Mansfield ein völlig erschöpfter Ingenieur war, der gerade sein eigenes Unternehmen aufbaute und sich plötzlich auch noch um das Baby seiner Schwester kümmern musste. Gill hatte nicht ausdrücklich gesagt, dass er sich die Haare raufe und verzweifelt Hilfe brauche, dennoch war Martha in der Erwartung gekommen, dass er ihr vor Dankbarkeit um den Hals fallen würde, weil sie genau im rechten Moment auftauchte.

Träum ruhig weiter, sagte sie sich sarkastisch. Ein Blick auf Lewis Mansfield, und es war klar, dass er nicht der Typ war, der seine Gefühle zeigte. Verzweifelt sah er nicht aus, und das mit der Dankbarkeit … Tja, an der Front den Atem anzuhalten hatte offensichtlich nicht viel Sinn!

Martha dachte an St. Bonaventure und rang sich ein Lächeln ab. „Deshalb bin ich hier.“ Sie setzte sich auf eins der schwarzen Ledersofas. Noah war schwer, sie müde, und ihr taten die Füße weh. Zum Teufel damit, dass sie nicht dazu aufgefordert worden war, Platz zu nehmen. Sie setzte Noah neben sich und ignorierte Lewis Mansfields alarmierten Blick. Hatte er etwa Angst, dass Noah das todschicke Sofa kaputtmachen würde? Er war acht Monate alt und hatte weder die Zähne noch die Hände für große Zerstörungen.

Noch nicht.

„Gill hat gesagt, Sie würden sich für einige Zeit um das Baby Ihrer Schwester kümmern und es mit auf eine Insel im Indischen Ozean nehmen, weshalb Sie ein Kindermädchen brauchen würden.“

„Es stimmt, dass ich ein Kindermädchen brauche“, erwiderte Lewis. „Meine Schwester Savannah macht gerade eine sehr … stressige … Zeit durch“, erklärte er vorsichtig, als hätte Martha nicht in „Hello!“ alles über die stürmische Affäre, die Hochzeit und jetzt die Scheidung gelesen. „Sie wird im Moment mit dem Baby und allem anderen nicht fertig und möchte in eine Klinik, um zur Ruhe zu kommen.“

Darüber wusste Martha auch Bescheid. Wer bei Glitz arbeitete, musste Hello! lesen, und die Gewohnheit war schwer abzulegen. Sie nahm Lewis Mansfield den missbilligenden Ton nicht übel. Savannah Mansfield war hinreißend schön, aber Martha war sie immer wie eine verzogene Göre vorgekommen, die zu Wutanfällen neigte, wenn sie ihren Willen nicht bekam. Ihre Ehe mit dem grüblerischen Rockstar Van Valerian, selbst nicht gerade für seine Liebenswürdigkeit berühmt, war schon zum Scheitern verurteilt gewesen, als mit ausführlicher Fotoreportage und lächerlich großen Diamantringen die Verlobung bekannt gegeben worden war.

Jetzt ging Savannah freiwillig in eine Klinik, die für ihre prominenten Patienten berühmt war, von denen die meisten nur darunter zu leiden schienen, dass sie zu reich oder zu dünn waren. Die arme kleine Viola Valerian war von beiden Elternteilen im Stich gelassen und ihrem grimmigen Onkel übergeben worden. Sie tat Martha leid. Lewis Mansfield mochte ja ein verantwortungsbewusster Mensch sein, aber nett oder liebevoll wirkte er nicht.

Was schade war, denn er wirkte keineswegs unattraktiv. Sie betrachtete ihn kritisch. Wenn er lächelte, könnte er wahrscheinlich ganz anders aussehen. Als sie versuchte, ihn sich lächelnd und liebevoll vorzustellen, spürte sie ein seltsames Prickeln und sah schnell weg. „Wer kümmert sich zurzeit um Viola?“, fragte sie, nur um irgendetwas zu sagen.

„Das Kindermädchen, das Viola betreut, seit sie auf die Welt gekommen ist, aber die junge Frau heiratet im nächsten Jahr und will nicht sechs Monate lang von ihrem Verlobten getrennt sein.“

Martha fand das nur recht und billig, doch Lewis klang so ungehalten, als wäre die Frau völlig unvernünftig, weil sie bei dem Mann bleiben wollte, den sie liebte.

„Ich brauche jemand, der Erfahrung mit Babys hat und bereit ist, sechs Monate auf St. Bonaventure zu verbringen“, sprach Lewis weiter.

Martha war froh, dass sie endlich zur Sache kamen. „Ich kann mit Babys umgehen. Und ich will nach St. Bonaventure. Ich würde sagen, wir beide sind füreinander bestimmt, meinen Sie nicht auch?“

Sie hätte sich davor hüten sollen, flapsig zu sein.

Lewis blickte sie argwöhnisch an. „Sie sehen nicht aus wie ein Kindermädchen.“

„Heutzutage sind Kindermädchen nicht mehr dralle, rotbackige alte Dienerinnen.“

„Das merke ich gerade“, erwiderte Lewis niedergeschlagen.

Offensichtlich sehnte er sich nach einer grauhaarigen Dame, die seit Generationen bei der Familie war und ihn „Master Lewis“ nannte. Warum hatten die Mansfields eigentlich keine solche Angestellte? Sie schienen doch eine dieser berühmten reichen Familien zu sein, die legendäre Partys feierten, mit Skandalen kokettierten und sich amüsierten, ohne jemals irgendetwas Nützliches zu tun. Zumindest hatte Martha das gedacht, bis sie Lewis kennengelernt hatte. Vielleicht war er ein Atavismus?

„Moderne Kindermädchen sind wahrscheinlich nicht gut darin, sich unterwürfig zu benehmen, aber das bedeutet doch nicht, dass sie schlechter mit Babys umgehen können“, meinte sie und lächelte liebevoll Noah an, der mit verwirrtem Gesichtsausdruck auf das Lederpolster klopfte. Auf etwas so Luxuriöses war er noch nie gestoßen.

„Stimmt wohl.“ Lewis klang nicht überzeugt und beobachtete misstrauisch, wie Noah das Sofa erforschte.

Martha kramte in der großen Tasche, die sie jetzt immer bei sich trug, und gab Noah eine Rassel, um ihn abzulenken. Er schüttelte sie und strahlte vor Vergnügen.

Er war so entzückend. Wie könnte ihm irgendjemand widerstehen?

Martha blickte wieder Lewis an und stellte fest, dass er Noah mühelos widerstand. Immerhin war er gekommen und hatte sich auf das Sofa ihr gegenüber gesetzt. Das ist ja schon mal etwas, dachte sie hoffungsvoll.

„Sind Sie zurzeit damit belastet?“, fragte er, als wäre Noah eine Rechnung.

„Er ist meine Dauerbelastung“, antwortete Martha stolz. „Noah ist mein Sohn“, erklärte sie geduldig, als ihr klar wurde, dass Lewis nicht klüger als zuvor war.

„Ihr Sohn?“ Lewis schreckte nicht wirklich zurück, doch er hätte es ebenso gut tun können. „Gill hat nicht erwähnt, dass Sie ein Baby haben.“

Gill hat auch nicht erwähnt, dass er das menschliche Gegenstück zur Eigernordwand ist, dachte Martha. Nicht, dass sie es ihr wirklich verübelte. Gill hatte ihre Stelle als Moderedakteurin bei Glitz übernommen, und offensichtlich wollte sie Martha auf eine Insel im Indischen Ozean verfrachten, damit sie nicht versuchte, ihren alten Job zurückzubekommen. Gill konnte den Job gern behalten, und das hätte Martha auch gesagt, wenn sie dadurch besser darauf vorbereitet gewesen wäre, Lewis Mansfield gegenüberzutreten.

So, wie die Dinge lagen, schien die Sache immer schlimmer zu werden. Unter diesen Umständen würde sie niemals nach St. Bonaventure kommen. „Es tut mir leid“, erwiderte Martha vorsichtig. „Ich habe angenommen, dass Gill Ihnen von Noah erzählt hat.“

„Sie hat nur erwähnt, Sie hätten Erfahrung mit Babys, seien für sechs Monate frei und könnten sofort abreisen. Und Ihnen würde sehr viel daran liegen, nach St. Bonaventure zu kommen.“

Danke, Gill, dachte Martha und änderte ihre frühere, nicht so dankbare Meinung über ihre Nachfolgerin. „All das stimmt. Ich bin sehr …“ Martha sprach nicht weiter, als Noah jauchzte und die Rassel nach Lewis warf. „Nicht so laut, Schatz“, mahnte Martha, aber es war zu spät. Das Baby in der Tragetasche war aufgewacht und stieß leise Schreie aus, die einen großen Ausbruch signalisierten.

„Das hat mir gerade noch gefehlt!“ Lewis verdrehte die Augen.

Martha stand schnell auf, ging zu Viola hinüber, nahm sie hoch und drückte sie an ihre Schulter, bis sich das Baby beruhigte. „Jetzt will ich dich mal richtig ansehen.“ Sie setzte sich wieder aufs Sofa, hielt Viola auf den Knien und betrachtete sie. „Oh, du bist ja wirklich eine Schönheit!“ Martha fand alle Babys entzückend, aber Viola war mit ihren blonden Locken, den blauen Augen und langen Wimpern außergewöhnlich hübsch. „Und du weißt es auch, glaube ich.“

Viola lächelte, und wäre sie nicht noch ein Baby gewesen, hätte man das Lächeln zweifellos affektiert nennen können.

„Wie alt ist sie?“, fragte Martha.

„Wie bitte?“ Lewis klang verwirrt.

„Sie sieht aus, als wäre sie in Noahs Alter.“

Aus irgendeinem Grund hatte ihn Marthas unerwartet süßes Lächeln aus der Fassung gebracht. Lewis riss sich mühsam zusammen. Wie alt war Viola? Er rechnete in Gedanken nach. „Acht Monate.“

„Oh, dann sind sie gleich alt.“ Noah wurde neidisch auf all die Aufmerksamkeit, die Viola bekam. Martha setzte beide Babys auf den Teppich und beobachtete sie einen Moment lang liebevoll. „Sie könnten fast Zwillinge sein, oder?“

„Abgesehen davon, dass einer blond und der andere dunkel ist?“

„Okay, keine eineiigen Zwillinge. Wann hat Viola Geburtstag?“

„Hm … am neunten Mai, glaube ich.“

„Wirklich?“ Martha vergaß sein unfreundliches Benehmen und strahlte Lewis begeistert an. „Noah auch! Ist das nicht ein Zufall? Ihr seid tatsächlich Zwillinge“, sagte sie zu den beiden Babys auf dem Fußboden, die sich noch immer unsicher musterten. Sie sah wieder Lewis an. „Das muss Schicksal sein.“

Sein missbilligender Blick überraschte sie nicht allzu sehr. Sie hatte nicht erwartet, dass er ein Mann war, der viel von Zeichen, Aberglauben und faszinierenden Zufällen hielt.

„Sie haben mir nicht gesagt, warum Sie versessen darauf sind, nach St. Bonaventure zu reisen.“ Lewis konnte sich nicht erklären, warum er so verärgert war. Es hatte irgendetwas damit zu tun, wie sie die beiden Babys auf dem Teppich angelächelt und sich ihr Gesicht vor Begeisterung aufgehellt hatte. Du hast keine Zeit, auf solche Dinge zu achten, ermahnte er sich mürrisch.

„Braucht man einen Grund für den Wunsch, sechs Monate auf einer tropischen Insel zu verbringen?“, erwiderte Martha gelassen.

Lewis hatte jedoch das Gefühl, dass sie etwas verschwieg. „Vielleicht ist Ihnen nicht klar, worauf Sie sich einlassen würden. St. Bonaventure liegt abgeschieden mitten im Indischen Ozean und ist sehr klein. Sobald man eine Rundfahrt gemacht hat, kennt man alles, und man kann zur Abwechslung nur zu einigen vorgelagerten weitaus kleineren Inseln fahren, auf denen es noch weniger zu sehen gibt.“

In diesem Moment streckte Viola den Arm aus und schubste Noah um. Er heulte erschrocken auf, und Lewis verzog gereizt das Gesicht.

Hoppla, die Babys zusammenzusetzen war vielleicht doch kein so guter Einfall. Martha hob beide hoch, brachte sie links und rechts von sich auf dem Sofa unter, gab Noah seine Rassel und Viola ein Stofftier, das sie sich sofort in den Mund steckte. „Tut mir leid.“ Martha sah wieder Lewis an. „Was wollten Sie gerade sagen?“, fragte sie höflich.

Lewis beobachtete, wie seine Nichte über Marthas Schoß hinweg hochmütig Noah anblickte, und fast hätte er gelacht. Auch wenn Martha überhaupt nicht wie ein Kindermädchen aussah, machte sie einen erstaunlich kompetenten Eindruck. Viola konnte eine Nervensäge sein, wie ihr jetziges Kindermädchen ihm immer wieder versicherte. Und wenn sie ihrer Mutter nachschlug, würde sich das als eine meisterhafte Untertreibung erweisen. Martha schien Viola jedoch sofort richtig eingeschätzt zu haben und behandelte sie liebevoll, aber bestimmt.

Verspätet wurde sich Lewis bewusst, dass Martha auf eine Antwort wartete, und er war wütend auf sich, weil er sich hatte ablenken lassen.

„Sie wollten mir gerade etwas über die Bedingungen auf St. Bonaventure erzählen“, half ihm Martha freundlich auf die Sprünge.

Nicht, dass sich Lewis dadurch besser fühlte. Er mochte es nicht, dumm auszusehen, und er hatte den Verdacht, dass er im Moment genau das tat. Um Marthas Blick zu entkommen, stand er auf und durchquerte das Zimmer. „Im vergangenen Jahr hat ein Wirbelsturm den größten Teil der Infrastruktur zerstört. Deshalb gehe ich dorthin. Die Weltbank finanziert einen neuen Hafen und einen neuen Flugplatz mit Zufahrtsstraßen. Es handelt sich also um ein großes Projekt.“

„Aber das wird doch sicher länger als sechs Monate dauern?“, fragte Martha überrascht.

„Natürlich! Für die Dauer des Projekts wird ein Ingenieur von uns auf der Insel wohnen, aber ich möchte zumindest in der Anfangsphase dort sein. Es ist ein Prestigeauftrag, und für die Firma ist dies eine kritische Zeit. Wir brauchen einen Erfolg.“

„Sie werden dort also sechs Monate lang alles vorbereiten und dann nach London zurückkommen?“

„So ist es geplant. Vielleicht bleibe ich auch länger, das hängt davon ab, wie die Sache läuft. Wir müssen mehrere Untersuchungen durchführen, und möglicherweise bedeuten sie, dass verschiedene Änderungen in den Entwurf aufgenommen werden. Zunächst ist es wichtig, ein gutes Arbeitsverhältnis mit den Behördenvertretern und Zulieferern aufzubauen. Diese Dinge brauchen Zeit.“ Lewis wünschte, Martha würde aufhören, ihn anzublicken, aufhören, mit einem Baby unter jedem Arm dazusitzen, aufhören, so … beunruhigend zu sein. „Jedenfalls sollte Savannah in sechs Monaten in der Lage sein, sich wieder selbst um Viola zu kümmern“, sagte er kurz angebunden, sich unbehaglich bewusst, dass er den Faden verloren hatte. Was erzählte er da eigentlich alles? Martha brauchte über das Projekt nichts zu wissen, und es ging sie nichts an, warum es für ihn wichtig war. Jeder würde denken, ihm liege etwas an ihrer Meinung. „Der Vertrag des Kindermädchens ist also auf ein halbes Jahr befristet.“

„Ich verstehe.“

„Damit will ich sagen, dass es kein ausgedehnter Strandurlaub sein wird“, sprach Lewis weiter. „Der Tourismus ist wenig entwickelt und die Gemeinschaft der dort lebenden Ausländer sehr klein. Ich werde viel zu tun haben und den ganzen Tag nicht zu Hause sein, wahrscheinlich auch abends oft nicht. Für Violas Kindermädchen werden es einige sehr ruhige Monate. Sicher, das Wetter ist schön, aber man kann nichts unternehmen, außer an den Strand zu gehen. Die Hauptstadt, Perpetua, ist klein, und die wenigen Geschäfte sind von Importen abhängig. Manchmal sind die Regale monatelang leer, was die Ernährung eintönig machen kann.“

„Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.“ Martha lächelte, als wüsste sie genau, dass er sein Bestes tat, um sie abzuschrecken. Und es nicht schaffte.

Lewis blickte finster. „Ich will damit nur sagen, dass Sie es noch einmal überdenken sollten, wenn Sie ein Urlaubsparadies erwarten!“

„Ich suche auf St. Bonaventure nicht nach einem Paradies.“

„Wonach dann?“

Martha zögerte. Sie hatte gehofft, Lewis Mansfield nicht schon jetzt die ganze Geschichte erzählen zu müssen, aber wahrscheinlich war es besser, offen zu sein. „Nach Noahs Vater.“

„Unvorsichtig von Ihnen, jemand so Wichtiges zu verlieren.“ Lewis zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Oder hat er Sie verloren?“

Martha wurde rot. „So war es nicht. Rory ist Meeresbiologe und schreibt seine Dissertation über irgendetwas, was mit Meeresströmungen und Korallenriffen zu tun hat. Die praktische wissenschaftliche Arbeit dafür macht er auf einem Atoll bei St. Bonaventure.“

„Wenn Sie wissen, wo er ist, dann ist er genau genommen nicht verschwunden, oder? Warum nehmen Sie nicht einfach Kontakt zu ihm auf? Als Student hat er bestimmt eine E-Mail-Adresse. Heutzutage ist es nicht schwer, Leute aufzuspüren.“

„Ich muss ihn sehen. Rory weiß nichts von Noah, und so etwas kann man nicht mal eben in einer E-Mail mitteilen. Was soll ich denn sagen? Ach, übrigens, du bist Vater geworden?“

„Das müssen Sie auch sagen, wenn Sie ihn sehen“, erwiderte Lewis.

Martha biss sich auf die Lippe. „Ich denke, es ist besser, wenn Rory seinen Sohn wirklich vor sich hat. Sonst wird ihm Noah nicht real vorkommen.“

„Sie meinen, Sie können eher Geld aus ihm herausholen, wenn Sie mit einem niedlichen Baby bei ihm aufkreuzen?“

„Es geht nicht um Geld!“, erwiderte Martha wütend. „Rory ist viel jünger als ich. Er ist noch Student und muss von seinem Stipendium leben. Finanziell für Noah verantwortlich zu sein kann er sich nicht leisten, und das verlange ich auch nicht von ihm.“

„Und wozu dann die lange Reise?“

„Ich finde, Rory hat das Recht zu wissen, dass er Vater ist.“

„Obwohl er doch anscheinend nicht einmal genug Interesse hatte, um mit Ihnen in Verbindung zu bleiben und sich zu erkundigen, ob es Ihnen gut geht?“

„So war es nicht“, erwiderte Martha. „Ich habe Rory Anfang vergangenen Jahres kennengelernt. Es war nicht nur ein One-Night-Stand.“ Sie wollte nicht, dass Lewis dachte, es sei nur schäbiger Gelegenheitssex gewesen. „Ich mochte Rory sehr gern, und wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen, aber wir wussten beide, dass es keine dauerhafte Sache sein würde. Er war in Großbritannien, um auf Konferenzen über seine Forschungen zu berichten, und musste danach zurück, um seine wissenschaftliche Arbeit abzuschließen. Ich hatte einen tollen Job hier in London. Es war für uns beide ein …“ Martha suchte nach der richtigen Bezeichnung. „… ein angenehmes Intermezzo.“

„Dann wusste er nicht, dass Sie schwanger waren?“

„Doch. Ich habe es kurz vor seiner Abreise festgestellt und ihm verraten.“

„Und er ist trotzdem zurückgeflogen?“ Lewis klang empört.

Martha warf ihm einen neugierigen Blick zu. „Wir haben darüber gesprochen. Keiner von uns war bereit, eine Familie zu gründen. Für Rory kam es offensichtlich nicht infrage, und mir war mein Beruf ebenso wichtig. Ich hatte damals auch unglaublich viel zu tun und konnte mir überhaupt nicht vorstellen, ein Baby in mein Leben einzufügen. Ich habe zu Rory gesagt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, ich würde mich darum kümmern. Zu dem Zeitpunkt habe ich das für keine große Sache gehalten. Ein unkomplizierter Eingriff, und es würde in Ordnung sein.“ Martha strich Noah übers feine dunkle Haar. Jetzt schauderte sie bei dem Gedanken, dass sie ihn fast nicht bekommen hätte. Sie sah wieder Lewis an. „Rory ist zurück nach St. Bonaventure geflogen, und ich … ich habe meine Meinung geändert.“

Natürlich! dachte Lewis feindselig. Frauen änderten immer ihre Meinung, und zum Teufel mit den Folgen für jeden anderen Betroffenen! „Lassen Sie mich raten“, sagte er hart. „Ihre biologische Uhr hat getickt, alle anderen haben Babys bekommen und perfekte Mutter gespielt, und da wollten Sie auch teilhaben.“

Martha war bestürzt darüber, wie verbittert er klang. Was war sein Problem? „Mit der biologischen Uhr haben Sie recht“, gab sie ehrlich zu. „Ich bin vierunddreißig. Ohne Aussicht auf eine andere ernsthafte Beziehung musste ich der Tatsache ins Auge blicken, dass ich vielleicht keine zweite Chance bekommen würde. Früher war das niemals ein Thema gewesen. Ich hatte acht Jahre lang einen Partner, und wir haben beide nur an unsere Karriere gedacht, nicht an Kinder. Damit war ich immer zufrieden, aber als ich dann schwanger war … Es ist schwer zu erklären. Nachdem Rory abgereist war, hat sich alles geändert. Ich wusste einfach, dass ich das Baby behalten wollte.“

„Warum haben Sie ihm nicht mitgeteilt, dass Sie es sich anders überlegt haben?“

„Er hätte mir ohnehin nicht helfen können. Außerdem dachte ich, dass es meine Entscheidung sei. Er sollte sich nicht verantwortlich fühlen.“

„Und jetzt haben Sie Ihre Meinung geändert?“, fragte Lewis.

Martha musterte ihn vorsichtig. Sie spürte eine Feindseligkeit, die sie nicht verstand. Konnte er Frauen ganz allgemein nicht leiden oder nur allein erziehende Mütter nicht? Auf jeden Fall hatte sie etwas an sich, was ihm gegen den Strich ging. Schade, dachte sie. Während er ihr von dem Projekt erzählt hatte, war er ihr sympathisch geworden. Die Begeisterung hatte sein strenges Gesicht aufleuchten lassen, und er war ihr freundlicher und zugänglicher vorgekommen. Nun ja, attraktiver. Sie hatte sogar zu glauben begonnen, dass es doch nicht so schlimm sein würde, sechs Monate mit ihm zu verbringen.

Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.

2. KAPITEL

Martha biss die Zähne zusammen. Es spielte keine Rolle, wie Lewis Mansfield war. Das Wesentliche war, ihn zu überzeugen, sie einzustellen. Er musste einsehen, wie wichtig es für sie war, nach St. Bonaventure zu kommen. Sie blickte ihren kleinen Sohn an. Seinetwegen war sie hier. „Als Noah auf die Welt gekommen ist, hat sich mein Leben völlig verändert“, begann sie langsam. „Plötzlich war er das Einzige, was wirklich von Bedeutung war. Als seine Mutter kann ich ihm all das geben, was jedes Kind braucht: Liebe, Geborgenheit und Beistand. Aber ich kann nicht sein Vater sein, und je größer Noah wird, desto klarer erkenne ich, dass er auch einen Vater braucht. Zumindest muss er wissen, wer sein Vater ist.“

Sie sah wieder Lewis an. „Ich möchte nicht, dass Rory meint, er müsse Unterhalt zahlen. Er soll jedoch die Chance bekommen, am Leben seines Sohnes teilzuhaben, selbst wenn es nur gelegentliche Kontakte sind. Natürlich hoffe ich, dass Rory ihn aufwachsen sehen und mit uns beiden zusammenleben will, aber ich hänge nicht mein Herz daran, weil es vielleicht für keinen von uns das Richtige ist. Auf jeden Fall kann ich erst wissen, was aus uns wird, wenn ich mit Rory gesprochen und ihm Noah vorgestellt habe. Deshalb muss ich so bald wie möglich nach St. Bonaventure.“

Lewis antwortete nicht sofort. Er setzte sich ihr wieder gegenüber und blickte sie ausdruckslos an. „Wenn es so wichtig ist, warum kaufen Sie dann nicht einfach ein Flugticket und finden den Mann?“, fragte er schließlich. „Die Insel ist sehr klein. Allzu schwer wird es nicht sein, ihn aufzuspüren. Warum alles komplizieren, indem Sie als Kindermädchen arbeiten?“

„Weil ich es mir nicht leisten kann, einfach hinzufliegen“, erwiderte Martha ehrlich. „Sie haben selbst gesagt, St. Bonaventure sei touristisch kaum entwickelt. Das bedeutet, dass es keine Pauschalangebote gibt. Ich habe mich nach Flügen erkundigt. Sie sind unglaublich teuer, besonders da ich nicht weiß, wie lange ich brauche, um Rory zu finden. So viel Geld habe ich zurzeit nicht.“

Lewis zog die Augenbrauen hoch. „Ich bin zwar kein Experte, aber Ihre Sachen sehen ziemlich teuer aus.“ Er musterte Martha von oben bis unten. Sie trug eine Seidenbluse, eine weiche Wildlederhose und elegante Stiefel. Ohne auffällig gekleidet zu sein, gelang es ihr, Glamour auszustrahlen. „Wenn Sie sich Designermode leisten, dann können Sie sich ja wohl auch ein Flugticket leisten.“

„Ich habe mir dieses Outfit lange vor Noahs Geburt gekauft. Jetzt hätte ich dafür nicht das Geld, und selbst wenn, ich würde es mir nicht kaufen.“ Martha blickte trübselig auf die Flecken und Knitterfalten, die Lewis von seinem Platz aus offensichtlich nicht sehen konnte. „Sich so angezogen um ein Baby zu kümmern ist total unpraktisch!“

„Mit Ihrem ‚tollen Job‘ war vermutlich nicht gemeint, dass Sie damals Kindermädchen waren?“, fragte Lewis spöttisch.

„Nein. Ich war Moderedakteurin bei Glitz. Sie werden es nicht kennen, aber es ist ein sehr erfolgreiches Hochglanzmagazin für Frauen. Ich habe meinen Job geliebt und ein gutes Gehalt bekommen, aber leider hatte ich auch einen sehr kostspieligen Lebensstil.“ Martha seufzte leise, als sie daran dachte, wie leichtsinnig sie Schuhe, Kleider und die neuesten Accessoires gekauft hatte. Allein von dem Geld, das sie für Taxis ausgegeben hatte, könnte sie ein Jahr lang auf St. Bonaventure leben. „Ich habe oft in Restaurants gegessen und wundervolle Urlaubsreisen gemacht. Zu sparen ist mir niemals in den Sinn gekommen. Es war einfach eine Welt, in der man für den Moment lebt und keinen Gedanken an die Zukunft verschwendet.“

„Was gut und schön ist, bis die Zukunft da ist.“

„Genau.“

„Könnten Sie nicht zurück an Ihren alten Arbeitsplatz, wenn Sie so knapp bei Kasse sind?“

„Ich habe es versucht, aber es war zu schwierig. In den ersten Wochen nach Noahs Geburt war ich so müde, dass ich nicht klar denken konnte. Schließlich habe ich eine Konferenz zu viel versäumt, und die Chefredakteurin hat gesagt, es tue ihr leid, doch sie müsse auf mich verzichten. Ich konnte sie verstehen.“ Martha zuckte die Schultern. „Ich bin wie ein Zombie herumgelaufen, und Modeaufnahmen kosten viel Geld. Man kann Topmodels nicht darauf warten lassen, dass sich die Moderedakteurin daran erinnert, welcher Wochentag ist.“

„Vielleicht hätten Sie darüber nachdenken sollen, bevor Sie ein Baby in die Welt setzten“, sagte Lewis sarkastisch.

Martha blieb mühsam ruhig. „Ich habe darüber nachgedacht. Deshalb habe ich ja all die Jahre kein Kind bekommen. Aber ich bedauere keinen Moment lang, Noah zu haben. Ich will keinen Job, für den ich Noah den ganzen Tag bei jemand anders lassen muss. Solange er noch klein ist, möchte ich mit ihm zusammen sein. Ich habe mehrere Sachen als freie Mitarbeiterin gemacht, was allerdings nicht sehr viel einbringt. Es hilft nicht, dass ich mich mit einer gewaltigen Hypothek belastet hatte, kurz bevor ich Rory begegnet bin. Es ist ein fantastischer Loft mit Blick auf den Fluss. Darin zu wohnen kann ich mir jetzt nicht mehr leisten. Ich habe ihn vermietet, und die Einnahmen decken gerade die Hypothekenzahlungen. Noah und ich hausen in einem Einzimmerapartment.“

„Verkaufen Sie den Loft. Wenn das so eine schicke Wohnung ist, müsste sie Ihnen einiges einbringen.“

„Ich werde es wahrscheinlich tun“, erwiderte Martha. „Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, möchte ich erst mit Rory sprechen. Ich habe einfach das Gefühl, dass sich alles andere ergeben wird, sobald ich weiß, wie er reagiert. Deshalb ist es für mich vorrangig, nach St. Bonaventure zu kommen. Als Gill mir erzählt hat, Sie würden für einige Zeit dort hinziehen und ein Kindermädchen brauchen, schien es die perfekte Lösung zu sein.“

„Für Sie vielleicht.“ Lewis warf ihr einen zynischen Blick zu. „Was habe ich davon, wenn Sie abhauen und Meeresbiologen suchen, sobald wir angekommen sind?“

„Ich würde nicht ‚abhauen‘.“ Martha atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Ich nehme an, Sie würden mir einen ordnungsgemäßen Vertrag für sechs Monate bieten, und ich würde mich selbstverständlich daran gebunden fühlen. Das würde mir reichlich Zeit geben, Rory zu finden, und er könnte sich an den Gedanken gewöhnen, einen Sohn zu haben, ohne sich zu einer Entscheidung gedrängt zu fühlen. Wenn Rory am Ende möchte, dass wir bleiben, gut. Wenn nicht, kommen wir einfach mit Ihnen und Viola zurück. Zumindest hätte ich dann alles versucht, um Kontakt zwischen Noah und seinem Vater herzustellen.“

Viola langweilte sich und begann zu zappeln. Martha hob sie auf ihre Knie und lenkte sie mit einem weiteren Spielzeug aus der Tasche ab. Zufrieden ließ Viola das Stoffkaninchen fallen und schnappte sich den Gummiring.

Während Noah beobachtete, wie seine Mutter ihre ganze Aufmerksamkeit der Rivalin schenkte, verzog sich sein kleiner Mund unheilvoll nach unten. Martha gab ihm schnell das Stoffkaninchen. Noah akzeptierte es, seine Miene machte jedoch deutlich, dass er in Kürze auf den umstrittenen Punkt zurückkommen würde.

Lewis beobachtete, wie Martha mit den beiden Babys jonglierte. „Dass Sie als Kindermädchen arbeiten, ist schlicht nicht durchführbar“, stellte er stirnrunzelnd fest. „Zwei können Sie nicht bewältigen.“

„Warum nicht? Keins von beiden schreit.“ Martha hoffte, dass Viola und Noah noch ein bisschen länger ruhig bleiben würden.

„Bis jetzt nicht. Ihnen Spielzeug zu geben und sie auf Ihren Knien zu schaukeln ist ja für fünf Minuten gut und schön, aber was ist, wenn beide gleichzeitig schreien und gefüttert werden müssen?“

„Mütter mit Zwillingen werden damit fertig.“

„Vielleicht, weil sie daran gewöhnt sind.“

„Ich würde mich auch daran gewöhnen“, erwiderte Martha trotzig.

„Sie sehen aus, als hätten Sie seit einem Jahr nicht mehr geschlafen“, erwiderte Lewis rau. „Es überrascht mich, dass Sie mit einem Baby fertig werden.“ Sie sollte sechs Monate in der Sonne verbringen, mal ordentlich essen und Schlaf nachholen, dachte er, dann nahm er sich zusammen. Er war nicht für Martha Shaw verantwortlich. Es war nicht seine Schuld, dass sie so erschöpft war. Sie hatte sich entschieden, allein ein Baby aufzuziehen, und jetzt war es zu spät, sich zu beklagen.

Eigentlich hatte sie sich überhaupt nicht beklagt … Lewis schob den Gedanken beiseite. Nein, es kam nicht infrage.

„Ich habe keine Lust, mich schließlich nicht nur um Viola, sondern auch um Sie und Noah zu kümmern“, sagte er.

„Ich bin robuster, als ich aussehe“, erwiderte Martha. „Bitte nehmen Sie mich mit. Ich würde Viola lieben und umsorgen wie mein eigenes Kind.“ Sie zögerte. Wie konnte sie Lewis klarmachen, wie perfekt ihre Bedürfnisse zusammenpassten? „Ich finde, wir sind wie füreinander geschaffen.“

Sie hatte das Falsche gesagt. Lewis zog die Augenbrauen hoch, und sie hätte sich die Zunge abbeißen können. Und dann machte sie die Sache noch schlimmer, indem sie rot wurde! „Sie wissen, was ich meine“, murmelte sie.

„Ich weiß, was Sie meinen“, räumte Lewis trocken ein und stand wieder auf.

Also wirklich, der Mann war furchtbar rastlos. Er drehte eine weitere Runde durchs Zimmer.

„Ich habe Sie nur empfangen, um Gill einen Gefallen zu tun“, fuhr er schließlich kurz angebunden fort. „Seltsamerweise hat sie auch beharrlich behauptet, dass Sie genau diejenige seien, die ich brauche.“

„Ich denke, ich könnte es sein“, erwiderte Martha so kühl und gelassen, als wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, Lewis und sie könnten als Liebespartner wie füreinander geschaffen sein.

Lewis war sich dessen nicht so sicher. Er musste einfach daran denken, wie es wäre, mit ihr in einem Haus zu leben, die nächsten sechs Monate lang täglich diese dunklen Augen und diesen Mund zu sehen. Es wäre zu verwirrend, zu beunruhigend, zu … zu alles.

Und sie war als Kindermädchen sowieso völlig ungeeignet. Er würde es auf gar keinen Fall riskieren.

„Vielleicht hätte ich Gill sagen sollen, dass ich noch mit einer anderen Bewerberin sprechen würde.“ Lewis verdrängte den Gedanken daran, sechs Monate lang mit Martha zusammenzuleben. „Ich habe mich an die Agentur gewandt, von der Violas jetziges Kindermädchen gekommen ist. Die Leute haben mir heute Morgen eine junge Frau vorbeigeschickt, und sie schien sehr geeignet zu sein. Eve ist gelerntes Kindermädchen und offensichtlich sehr …“

Langweilig. Das Wort kam ihm plötzlich in den Sinn. Lewis verdrängte es.

„Und sie ist sehr tüchtig“, sagte er stattdessen.

Martha konnte es nicht lassen. „Babys brauchen keine Tüchtigkeit. Sie brauchen Liebe und Herzlichkeit und Routine.“

„Eve hat sehr gute Zeugnisse, also weiß sie sicher, was Babys brauchen“, erwiderte Lewis streng. „Sie ist …“

Langweilig.

„Sie ist eine vernünftige junge Frau …“

Langweilig.

„Und sie hat keine anderen Verpflichtungen.“

Langweilig.

„Anders als Sie kann sich Eve ganz auf Viola konzentrieren“, sprach Lewis ein bisschen verzweifelt weiter, als die innere Stimme nicht lockerließ.

Aber sie ist langweilig.

„Ich muss auch bedenken, dass ich sechs Monate lang mit Violas Kindermädchen in einem Haus leben werde, deshalb ist es wichtig, dass wir zusammenpassen. Eve ist eine ruhige, vernünftige, zuverlässige Frau, und ich bin sicher, dass sie sich schnell an den Alltag auf der Insel gewöhnen wird.“

Ja, und sie wird sehr langweilig sein.

Aber sie hatte keine dunklen Augen, deren Blick ihn beunruhigte. Sie würde ihn nicht allein schon deswegen nervös machen, weil sie dasaß. Mit ihr würde es viel besser sein.

„Ich verstehe.“ Martha stand auf und überreichte ihm seine Nichte, die ihn wütend anblickte. Ich bin ganz deiner Meinung, dachte Martha sarkastisch. „Dann gibt es wohl nichts mehr zu sagen.“ Fest entschlossen, ihm nicht zu zeigen, wie enttäuscht sie war, stopfte sie die Spielsachen in die Tasche und nahm Noah auf den Arm. „Danke, dass Sie mich empfangen haben“, verabschiedete sie sich kühl.

Lewis hielt argwöhnisch Viola fest. Er spürte, wie sie sich zum Protest bereitmachte, als Martha zur Tür ging. „Tut mir leid“, stieß er unwillkürlich hervor. „Ich glaube einfach nicht, dass es funktionieren würde.“

Niedergeschlagen kratzte Martha einen weiteren Löffel voll Brei zusammen und bot ihn Noah an, der die Lippen zusammenpresste und energisch den Kopf schüttelte.

Beinah wie Lewis Mansfield.

„Warum seid ihr Männer im Moment alle so schwierig?“, fragte Martha streng.

Noah antwortete nicht, und essen wollte er auch nicht. Er konnte sehr stur sein.

Auch wie Lewis Mansfield.

Seufzend schob sich Martha den Löffel selbst in den Mund und beschäftigte sich wieder mit den Kleinanzeigen. Sie musste St. Bonaventure eine Zeit lang zurückstellen und sich einen anderen Job suchen. Die meisten Teilzeitjobs wurden so schlecht bezahlt, dass das Gehalt die Kosten der Kinderbetreuung nicht deckte. Martha zog ernsthaft in Erwägung, sich um eine Stelle als Haushälterin oder Kindermädchen mit Wohnen am Arbeitsplatz zu bewerben, sodass sie Noah bei sich haben und die hohe Miete für dieses kleine Apartment sparen konnte.

Hier war ein Job in Yorkshire. Vielleicht sollte sie sich um den bewerben? Oder vielleicht auch nicht, dachte sie, nachdem sie die Anzeige bis zum Ende gelesen hatte. Die verlockende Überschrift täuschte. Gesucht wurde eine Idiotin, die überarbeitet und unterbezahlt sein wollte.

Martha lutschte gerade den Löffel ab, als das Telefon klingelte. Das war sicher Liz, die täglich anrief, um sie aufzuheitern.

„Hallo“, meldete sich Martha, ohne den Löffel aus dem Mund zu nehmen.

„Spreche ich mit Martha Shaw?“

Sie wäre fast an dem Ding erstickt. Es war kein Problem, diese strenge Stimme zu erkennen, aber sie dachte ja gar nicht daran, das zuzugeben. Sie entfernte schnell den Löffel und räusperte sich. „Ja?“ Es kam ein bisschen quakend heraus, aber allzu schlimm klang es wohl nicht.

„Hier ist Lewis Mansfield.“

„Ja, bitte?“ Viel besser. Völlig gelassen.

„Ich möchte gern wissen, ob Sie noch daran interessiert sind, mit nach St. Bonaventure zu kommen und sich um Viola zu kümmern.“

Martha war über seinen widerstrebenden Ton hocherfreut. Es war offensichtlich, dass Lewis Mansfield alles andere lieber tun würde, als sie anzurufen, also war mit seinen ach so vernünftigen Plänen irgendetwas schiefgegangen. Er musste verzweifelt sein, und in diesem Fall konnte es nicht schaden, ihn ein bisschen vor ihr kriechen zu lassen! „Ich dachte, Sie hätten schon die perfekte Kandidatin. Wie war noch gleich ihr Name?“

„Eve“, antwortete Lewis angespannt.

„Ah, ja. Wollte sie den Job nicht?“

„Sie hat ihn angenommen, und ich habe alle Vorbereitungen getroffen, aber sie hat mich gerade angerufen und mir mitgeteilt, sie möchte doch nicht mit.“

„Du meine Güte.“ Martha amüsierte sich gut. „Das klingt nicht sehr zuverlässig.“

„Wir wollten an diesem Wochenende fliegen, und ich habe nicht die Zeit, noch einmal mit der Suche zu beginnen. Wenn Sie dann abreisen können, besorge ich Flugtickets für Sie und Ihr Baby.“

Martha lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und aß noch einen Löffel voll Brei. „Aber Sie meinten doch, dass wir nicht zusammenpassen.“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Sie haben es zu verstehen gegeben.“

„Tja, wir werden eben miteinander auskommen müssen.“

„Sie lassen es klingen, als wäre es eine wirklich unangenehme Aufgabe!“ Martha war gekränkt. „Ich kann ebenso tüchtig, vernünftig und zuverlässig wie Eve sein!“

„Es ging mir darum, dass Eve keine anderen Verpflichtungen hat“, erwiderte Lewis entnervt. „Ich hoffe, dass Sie all das sind – und robuster, als Sie aussehen!“

„Bin ich“, erwiderte Martha hochmütig.

„Ich werde nicht vor Ihnen zu Kreuze kriechen oder behaupten, ich hätte von Anfang an Sie gewollt. Für Spiele habe ich keine Zeit. Ich biete Ihnen die Möglichkeit, nach St. Bonaventure zu kommen. Wenn Sie den Job annehmen, schicke ich Ihnen morgen durch Kurier nähere Einzelheiten und Flugtickets. Wenn Sie ihn nicht wollen, dann sagen Sie es einfach, und ich treffe andere Vorkehrungen.“

Er würde es tun. Martha war nicht bereit, das zu riskieren. „Ich nehme den Job.“

Martha trank ihren Champagner und versuchte, nicht auf Lewis am anderen Ende der Reihe zu achten. Sie hatten die erste Reihe in der Kabine bekommen, sodass die Babys in den zur Verfügung gestellten Spezialbetten schlafen konnten. Alle anderen Passagiere hatten verständnisvoll einen großen Bogen um sie vier gemacht, und in stillschweigender Übereinkunft hatten sich Martha und Lewis jeder ans Ende der freien Mittelreihe gesetzt und eine gähnende Lücke zwischen ihnen gelassen.

In Heathrow hatten sie kein Gespräch führen können, denn es war ein großes Theater gewesen, mit je zwei Hochstühlen, Buggys und Kindersitzen einzuchecken. Und obwohl das meiste Gepäck im Frachtraum war, hatten sie trotzdem noch massenhaft Zeug an Bord zu tragen, und zu der Zeit waren beide Babys hellwach gewesen.

Aber jetzt schliefen Noah und Viola, das Flugzeug war hoch über den Wolken, die Passagiere hatten es sich mit Drinks gemütlich gemacht, und Martha war sich des Schweigens zwischen Lewis und ihr sehr bewusst. Allmählich kam sie sich ein bisschen lächerlich vor. So konnten sie sich nicht unterhalten, und es war ein langer Flug.

Martha beschloss, einen Platz weiterzurücken. Das Tablett zurückzuklappen, mit dem Glas zu balancieren und die Siebensachen der Babys von einem Sitz zum anderen zu räumen war jedoch so umständlich, dass Martha ihren Entschluss bereute und völlig entnervt war, als sie endlich wieder saß.

„Was soll denn das?“, fragte Lewis.

„Wir können uns wohl kaum den ganzen Weg bis Nairobi anschreien.“ Martha schob sich ärgerlich das Haar aus dem Gesicht.

„Ich dachte, Sie seien dankbar für mehr Platz, wenn Sie schlafen wollen“, sagte Lewis.

Jetzt hatte er ihr wirkungsvoll den Wind aus den Segeln genommen. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich aus Rücksicht so weit weg von ihr gesetzt hatte! „Wir haben noch nicht einmal unser Essen bekommen. Ich will noch nicht schlafen.“ Sich bewusst, dass sie sich wie ein schmollendes Kind anhörte, rang sie sich ein Lächeln ab. „Es scheint mir einfach eine Gelegenheit zu sein, uns kennenzulernen. Wir werden schließlich sechs Monate zusammen verbringen. Außerdem fliegen wir von Nairobi ja wohl in einer viel kleineren Maschine weiter, da können wir uns ebenso gut schon daran gewöhnen, nahe nebeneinander zu sitzen.“

„Aber noch näher werden wir uns bestimmt nicht kommen“, erwiderte Lewis mürrisch.

Du liebe Güte, was für ein Charmeur! „Wenn Sie meinen, dass ich Ihre Privatsphäre verletze, ziehe ich eben wieder um“, erwiderte Martha eingeschnappt, stellte ihr Glas hin und öffnete den Sicherheitsgurt.

„Um Himmels willen, bleiben Sie, wo Sie sind!“, brauste Lewis auf, und dann seufzte er. „Tut mir leid. Ich bin in letzter Zeit sehr … beschäftigt gewesen. Hektik im Büro, die Hälfte unserer Projekte in einer Krise, Probleme bei den Verhandlungen für den Hafenbau auf St. Bonaventure und dazu die Sache mit Savannah …“

Martha musste einfach Mitleid mit ihm haben. Sie hatte in den Klatschspalten gelesen, was für Szenen seine Schwester gemacht hatte. Die letzte hatte damit geendet, dass die Polizei zu ihrem Haus gerufen worden war. Schließlich hatte Lewis sie selbst zur Klinik gefahren. Am Tor hatten Reporter gegen die Autofenster geschlagen und Fragen geschrien. Kein Wunder, dass er müde war.

„Ich hätte mich mehr bemühen müssen“, sprach er weiter. „Sie haben recht, wir sollten uns besser kennenlernen.“

„Sie hatten den Kopf voll mit anderen Dingen“, sagte Martha verlegen. Verdammt, gerade hatte sie sich daran gewöhnt, dass er ein unsympathischer Griesgram war, da musste er sie aus der Fassung bringen, indem er sich plötzlich wie ein Mensch benahm!

„Meinen Sie, wir können noch einmal von vorn anfangen?“, fragte er und machte es noch schlimmer.

„Natürlich.“ Was sonst sollte sie sagen? Sie hielt ihm über den freien Sitz hinweg die Hand hin. „Martha Shaw. Guten Tag.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Lewis schüttelte ihr amüsiert die Hand.

Sie wünschte, er hätte das unterlassen. Die Berührung seiner kräftigen Finger ließ sie besorgniserregend erschauern.

Martha entzog ihm die Hand und trank einen Schluck Champagner. Er war zu süß, und sie hatte ihn ohnehin nicht gewollt. Sie hatte das Gratisglas aus reinem Trotz angenommen, weil Lewis die Flugbegleiterin auf seiner Seite kurz angebunden um eine Flasche Wasser gebeten hatte. Es war dumm gewesen, und jetzt, da sich Lewis als unerwartet umgänglich erwies, kam es Martha noch dümmer vor. Wirklich, er war ziemlich nett.

Also hatte sie keinen Grund, so nervös zu sein. Wenn man davon absah, dass ihr der humorvolle Zug um seinen Mund nicht aus dem Sinn wollte und ihre Handfläche noch immer prickelte. „Und? Was ist …“ Verärgert über ihre piepsige Stimme, räusperte sich Martha und fing von vorn an. „Was ist nun eigentlich mit Eve passiert?“

„Eve?“

„Das perfekte Kindermädchen. So tüchtig, vernünftig und zuverlässig.“

„Oh. Ja.“ Lewis war leicht benommen und wusste nicht, warum. Es hatte bestimmt nichts mit Marthas Lächeln oder ihren dunklen Augen zu tun. Er sah das Glas Mineralwasser in seiner Hand an. Nicht einmal mit Alkohol konnte er das Gefühl erklären. Es muss der Druck in der Kabine sein, dachte er. „Eve hat sich verliebt. Ich habe am Montag das Einstellungsgespräch mit ihr geführt, sie hat den Job am Dienstag angenommen, am Mittwochabend hat sie in einem Club irgendeinen Mann kennengelernt, und am Donnerstagmorgen hat sie mich angerufen und gesagt, sie wolle den Rest ihres Lebens mit dem Mann verbringen und deshalb doch nicht mit nach St. Bonaventure kommen.“

Martha lachte. „Ganz so vernünftig ist sie also doch nicht.“

„Das kann man wohl sagen. Es ist einfach nur lächerlich, einen sehr guten Job abzulehnen, um alles in einen Mann zu investieren, den sie erst einige Stunden kennt!“

„Ihr wird es nicht so vorkommen, wenn sie in ihn verliebt ist.“

„Wie kann sie in ihn verliebt sein?“, fragte Lewis scharf. „Sie weiß nichts über ihn.“

„Ah, Sie glauben also nicht an Liebe auf den ersten Blick.“ Martha lächelte ironisch. „Und warum überrascht mich das nicht?“

„Sie etwa?“

„Ich habe es früher getan.“

„Und was hat Ihre Einstellung verändert?“, fragte Lewis neugierig.

„Die Erfahrung, dass Liebe auf den ersten Blick nicht andauert“, erwiderte Martha traurig. „Paul und ich haben uns quer durch einen überfüllten Raum angeblickt, und ich habe gedacht, er sei der einzige Mann für mich. Eine Woche später sind wir zusammengezogen. Und dann hat sich der Zauber im Alltagsleben abgenutzt, und nichts ist übrig geblieben. Dass wir mit so hohen Erwartungen angefangen hatten, hat das Streiten noch verschlimmert. Wenn wir all diese Träume niemals gehabt hätten, wäre die Trennung nicht so bitter gewesen. Damals habe ich beschlossen, das nicht noch einmal durchzumachen. Eine erfolgreiche Beziehung muss auf mehr als Verliebtheit gegründet sein.“

Lewis zog die Augenbrauen hoch. „Soll heißen?“

„Ich denke, man sollte nicht romantisch, sondern pragmatisch sein, wenn es ums Zusammenleben geht. Jetzt suche ich nach Freundschaft und Respekt. Die führen zu einer Beziehung, die glücklicher ist und länger hält. Auch wenn sexuelle Anziehungskraft natürlich immer hilft!“

„Und das hatten Sie mit Noahs Vater – wie heißt er noch gleich? Rory?“ Entsetzt hörte Lewis, dass in seinen Worten ein bisschen Eifersucht mitschwang. Zum Glück schien Martha es nicht bemerkt zu haben.

„Nein.“ Sie lächelte trübselig. „Ich glaube, das war eher nur Begierde auf den ersten Blick! Ich habe Rory auf einer Party kennengelernt. Es war noch nicht lange her, dass Paul und ich uns getrennt hatten, und mein Selbstbewusstsein war angeschlagen. Rory ist viel jünger als ich. Als er hereinkam, umwerfend gut aussehend, blond und sonnengebräunt, hat jede Frau im Zimmer den Bauch eingezogen und den Atem angehalten! Rory hätte jede haben können, aber er hat den ganzen Abend mit mir verbracht. Ich nehme an, ich habe mich geschmeichelt gefühlt.“

Lewis hörte das Erstaunen und die Freude heraus, die Martha an jenem Abend empfunden hatte, und er fragte sich, ob sie wirklich nicht wusste, wie attraktiv sie war. Ihn überraschte es nicht, dass Rory sie ausgewählt hatte. Die feinen Fältchen um die Augen wurden durch die Intelligenz und Charakterstärke ausgeglichen, die ihr Blick verriet, und dieser sinnliche Mund war viel verlockender als der perfekte Körper oder das glatte Gesicht einer vom Leben noch nicht geprüften Zwanzigjährigen.

„Bei Rory habe ich mich wieder begehrenswert gefühlt“, sagte Martha gerade. „Und trotz des Altersunterschieds sind wir prima miteinander ausgekommen. Da von Anfang an klar war, dass er nach St. Bonaventure zurückmusste, haben wir die Beziehung einfach als das genossen, was es war: viel Spaß.“

Lewis hatte es satt, von Rory zu hören, der so gut aussah und der zweifellos gut im Bett war. „Zählte zum Spaß auch dazu, schwanger zu werden?“, fragte er missbilligend.

„Nein, das war ein Unfall“, erwiderte Martha. „Wir haben ein Wochenende in Paris verbracht und uns an unserem letzten Abend dort ein teures Essen gegönnt. Ich hatte Austern, und die sind mir nicht bekommen. Nach unserer Rückkehr hatte ich zwei Tage lang eine Magenverstimmung, und so ist es trotz Pille passiert. Eine leichte Lebensmittelvergiftung ist nicht der beste Grund, eine Familie zu gründen, aber jetzt würde ich Noah nicht um alles in der Welt eintauschen. Jedenfalls brauchen Sie keine Angst zu haben, dass ich eine zweite Eve werde und alle Ihre Pläne über den Haufen werfe, indem ich plötzlich überzeugt bin, den Mann meiner Träume getroffen zu haben. Ich bin inzwischen viel zu sehr Realistin, was die Liebe angeht. Und selbst wenn ich es nicht wäre, im Moment bin ich einfach zu erschöpft, um mich zu verlieben.“

3. KAPITEL

Lewis ließ den Blick über Marthas blasses Gesicht gleiten. „Sie sehen auch so aus“, sagte er grob.

„Tja, einer Frau, die auf ihren Schlaf angewiesen ist, würde ich bestimmt nicht empfehlen, allein erziehende Mutter zu werden. Ich hatte früher keine Vorstellung davon, was das Wort ‚müde‘ bedeuten kann!“ Martha beugte sich vor und streichelte Noah die Wange. „Aber die Freude, die ein Kind macht, ist jede schlaflose Nacht wert, jede Stunde, die man sich ängstlich fragt, ob es gesund und glücklich ist oder ob man es sich leisten können wird, ihm alles zu geben, was es braucht.“

Lewis verzog den Mund. „Das klingt ja schön, aber nach meinen Erfahrungen bekommen viele Frauen nur ein Kind, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie denken daran, wie sehr sie geliebt oder geachtet werden wollen, und nicht daran, wie es dem Kind gehen wird. Teilweise bekommen sie ein Baby, weil es in Mode ist. Das neueste Designeraccessoire. Man kann es in niedliche Outfits stecken und mit ihm angeben, bis sich die Mode ändert. Natürlich muss man Schritt halten, deshalb heißt es dann: Du liebe Güte, was fange ich jetzt mit dem Baby an?“

„Ich gebe es meinem Bruder?“ Wenn es so mit Savannah gewesen war, wunderte es Martha nicht, dass er verbittert war.

„Oder einem Kindermädchen oder sonst jemand, der dieses ganze unangenehme, langweilige Zeug erledigt. Hauptsache, es hindert die Mutter nicht daran, alles zu tun, was sie will!“

Martha hatte das Gefühl, dass sie sich auf gefährlichem Boden bewegte. „Warum haben Sie sich bereit erklärt, sich um Viola zu kümmern, wenn Sie so denken?“

„Was konnte ich denn tun? Meine Schwester war hysterisch, das Baby hat geschrien …“ Lewis schauderte bei der Erinnerung an die Szene. „Savannah benimmt sich sehr schlecht, aber zurzeit ist sie wirklich nicht in der Verfassung, für ein Baby zu sorgen. Violas Vater ist in den Vereinigten Staaten – oder er war zumindest dort, als ich zuletzt von ihm gehört habe. Die Hälfte der Zeit ist er zugedröhnt und erinnert sich nicht einmal, dass er eine Tochter hat.“ Lewis seufzte. „Ich bin der Einzige, der im Moment die Verantwortung für sie übernehmen kann. Viola ist noch ein Baby. Ich konnte nicht einfach sagen, dass sie nicht mein Problem sei.“

Martha fand seine sachliche Einstellung seltsam rührend. Er wirkte so hart, wenn man ihm das erste Mal begegnete. Sie dachte daran, wie unsympathisch sie sein strenges, ernstes Gesicht und sein kompromissloses, arrogantes Auftreten gefunden hatte. Aber dahinter verbarg sich ein freundlicher und anständiger Mann.

Freundlichkeit und Anstand waren Eigenschaften, die Martha nicht besonders geschätzt hatte, solange sie beruflich voll engagiert gewesen und von einer Party zur anderen gezogen war, sie hatte jedoch schnell gelernt, wie wichtig sie waren, wenn das Leben schwieriger wurde.

Dass Lewis diese Eigenschaften besaß, machte ihn viel netter.

Und viel attraktiver.

Denk nicht einmal daran! befahl sich Martha. Zu erkennen, dass Lewis kein so unangenehmer Typ war, wie sie zuerst geglaubt hatte, war eine Sache. Ihn für attraktiv zu halten eine ganz andere. Er war ihr Arbeitgeber, und sie wollte Rory finden. Sie sollte nicht alles komplizieren.

„Sie müssen Ihrer Schwester sehr nahestehen, wenn Sie derjenige sind, an den sie sich um Hilfe wendet“, stellte Martha fest.

Lewis verzog das Gesicht. „Teilweise ist es meine Schuld, dass Savannah so ist. Ihre Mutter hat sie verlassen, als sie gerade vier war. Michaela war eine reiche Erbin, sehr hübsch und sehr verwöhnt, genau wie Savannah. Nach der Scheidung von meinem Vater ist sie in die Vereinigten Staaten gegangen, wo sie zwei Jahre später bei einem Autounfall umgekommen ist. Ihr Geld wurde in einem Treuhandvermögen für Savannah angelegt. Seit sie achtzehn ist und darüber verfügen kann, bringt sie ihr Erbe durch.“

„Ich wusste nicht, dass sie Ihre Halbschwester ist.“

„Sie ist vierzehn Jahre jünger als ich, und ich war nicht allzu oft zu Hause, nachdem ich zu studieren begonnen hatte. Mein Vater war niemals ein aktiver Elternteil, und als es mit seinem Unternehmen bergab ging, hat er sich noch mehr in sich selbst zurückgezogen. Ich glaube, die meiste Zeit hat er vergessen, dass Savannah existierte. Sie hatte unzählige Kindermädchen und ist dann ins Internat verfrachtet worden. Beim Tod unseres Vaters war sie sechzehn und in eine wilde Clique hineingeraten. Ich habe ihr immer wieder aus Schwierigkeiten herausgeholfen. Vielleicht wäre sie jetzt nicht so verdorben, wenn ich strenger gewesen wäre.“

„Es ist nicht Ihre Schuld“, protestierte Martha heftig. „Selbst für perfekte Eltern ist es schon schwer genug, mit normalen Heranwachsenden fertig zu werden, ganz zu schweigen von problematischen. Ich sehe nicht, was Sie als Bruder noch hätten tun können.“

Lewis sah ein bisschen erstaunt aus, als sie ihm Rückendeckung gab. „Helen hat immer gesagt, ich solle strenger mit Savannah sein.“

„Helen?“, fragte Martha betont gleichgültig.

„Meine Freundin.“

Freundin? Das flaue Gefühl im Magen beunruhigte Martha. Warum war sie so enttäuscht …? Nein, das war nicht das richtige Wort. Überrascht. Das traf es besser. Und warum war sie überrascht? Sie nahm an, dass Lewis Ende dreißig war. Er war intelligent, tüchtig, solvent, sah nicht schlecht aus – wenn man den strengen, stahlharten Typ mochte – und war offensichtlich hetero. Natürlich hatte er eine Freundin.

„Wir waren jahrelang zusammen, und sie war immer sehr genervt, wenn Savannah betrunken bei uns aufkreuzte, während wir gerade Gäste hatten, oder mitten in der Nacht anrief.“

Vergangenheit. Puh! Martha entspannte sich, dann fiel ihr ein, dass sie ja keinen Grund hatte, erleichtert zu sein, wenn sie nicht enttäuscht gewesen war.

„Ich bin sicher, Helen hat recht“, sagte Lewis. „Wahrscheinlich ermutige ich Savannah, sich zu sehr auf mich zu verlassen. Aber ich kann sie schließlich nicht wegschicken, wenn sie Hilfe braucht, auch wenn ihr Benehmen manchmal wirklich entsetzlich ist. Sie ist schließlich meine kleine Schwester …“ Er verstummte. „Warum sehen Sie mich so an?“

„Ich denke nur gerade, wie schade es ist, dass Sie keine Kinder haben. Nicht viele Männer haben einen so ausgeprägten Familiensinn. Wollen Sie keine eigene Familie haben?“

Seine Miene wurde härter. „Nein. Savannah ist genug Familie. Mir reicht es, damit fertig zu werden, danke.“

„Wenn Sie eine eigene Familie hätten, wäre es anders.“

„Das hat Helen auch immer gesagt. Ich habe nicht verstanden, warum es für uns anders sein sollte.“

„Sie sind nicht mehr zusammen?“, fragte Martha.

„Nein. Ich habe geglaubt, wir hätten eine ideale Beziehung. Helen ist eine schöne, intelligente, sehr begabte Frau.“

Na fein! dachte Martha. Die Superex. Aber was kümmerte sie das eigentlich?

„Ich reise viel, und sie war mit ihrer Ausbildung zur Rechtsanwältin beschäftigt.“

Rechtsanwältin! Also nicht nur schön und intelligent, sondern auch seriös. Keine Frau, die herumstand und Champagner trank.

„Wir haben beide unser eigenes Leben geführt, und alles war perfekt, bis Helens Hormone eines Tages im Overdrive waren. Sie wollte ein Kind. Nicht, dass sie heiraten oder auf ihre Karriere verzichten wollte. Sie hatte vor, das Baby zu bekommen und wieder arbeiten zu gehen. Ich habe keinen Sinn darin gesehen, ein Kind in die Welt zu setzen, nur um es einem Kindermädchen zu überlassen, während sich Helen einen Namen vor Gericht macht. Sie hat gesagt, ich sei derjenige, der egoistisch sei. Und sie hat mir ein Ultimatum gestellt. Entweder bemühen wir uns um ein Baby, oder sie verlässt mich.“

„Und?“

„Sie hat mich verlassen.“

„Hatten Sie jemals das Gefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben?“

„Nein“, erwiderte Lewis. „Ich vermisse Helen, aber sie war so besessen davon, dass sich zwischen uns sowieso alles geändert hätte.“

„Vielleicht hätten Sie anders empfunden, wenn das Kind erst einmal da gewesen wäre“, sagte Martha.

„Und wenn nicht? Dann wäre es zu spät gewesen, oder?“

Martha hatte davon geträumt, auf St. Bonaventure zu landen. Das Flugzeug würde über dem Ozean langsam in den Sinkflug gehen, sie würde aus dem Fenster blicken und türkisblaue Lagunen sehen, von Palmen gesäumte weiße Strände, kleine Boote vor den Riffen und das Funkeln der Sonne auf dem Wasser. Sie würde Noah auf dem Schoß haben, an Rory denken und sich fragen, ob sie in sechs Monaten eine Familie sein würden.

Es war ganz anders.

Vierzig Minuten vor der Landung brauten sich dicke dunkle Regenwolken um das Flugzeug zusammen. Wasser prasselte gegen die Fenster, und die Turbulenzen weckten beide Babys. Martha hielt den schreienden Noah im Arm und versuchte, ihn zu beruhigen. Lewis schien es mit Viola viel besser zu machen. Er saß da wie ein Fels und drückte sie an seine Brust, und sie fühlte sich durch seinen gleichmäßigen Herzschlag offensichtlich getröstet.

Glückliche Viola, dachte Martha unwillkürlich. Sie wusste, dass Noah ihre Angst spürte und es ihm deswegen nur schlechter ging, aber wie konnte sie ruhig bleiben, wenn das Flugzeug erzitterte und schlingerte und zwischen ihnen und dem Meer neuntausend Meter Nichts waren?

„Okay?“, fragte Lewis.

„Oh ja. Großartig.“ Das Flugzeug sank in ein weiteres Luftloch, und Martha biss sich so fest auf die Lippe, dass sie zu bluten begann.