Julien und Henry - Gabriel Gerling - E-Book

Julien und Henry E-Book

Gabriel Gerling

0,0

Beschreibung

November 1999. Henry, der Buchhändler aus dem Osten, und der geheimnisvolle Julien, der aus dem Westen nach Berlin geflohen ist, schließen einen Pakt: Einer verhilft dem anderen zu seinem Glück, egal, wie lange es dauern wird! Sieben Jahre bleiben sie zusammen – sieben schicksalhafte Jahre, die ihr Leben für immer verändern werden … »Julien und Henry« ist ein Auszug aus »So oder so (Alles muss sich ändern)«, dem zweiten Teil von Gabriel Gerlings Romantrilogie »Sex und Sozialkritik«.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 50

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gabriel Gerling

Julien und Henry

Eine Liebesgeschichte

aus dem Berlin

der Jahrtausendwende

Impressum

Texte: © Copyright by Gabriel Gerling 2025

Covergestaltung: © Copyright by Gabriel Gerling 2025

Verlag:

Gabriel Gerling

Berliner Straße 48-50

51063 Köln

[email protected]

Vertrieb:

epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Inhalt

Impressum

Inhalt

Julien und Henry

Julien und Henry

Die Kunstbuchhandlung im Westteil der Stadt entdeckte Julien nur zufällig, eigentlich war das gar nicht seine Gegend. Er betrat den Laden, dessen bis zum Bersten vollgestopften Regalen jegliche Beschilderung fehlte, so als solle man sich allein gar nicht zurechtfinden, und wollte ihn gleich wieder verlassen. Da fiel ihm der Mann auf, der hinter dem Bestellpult stand: ein Mann mit einem scheuen Lächeln. Er war älter als Julien, hatte scharfe Wangenknochen, sandfarbenes Haar und auch einen ebensolchen, dünnen Schnäuzer. (Den konnte Julien ihm nie abgewöhnen, aber schließlich wollte er ihn gar nicht mehr ohne.) In dieser einschüchternden Umgebung wirkte er wie eine Rettungsinsel. Als er auf Julien aufmerksam wurde und sich ihre Blicke trafen, wusste Julien, ihn hatte er gesucht. Und obwohl Henry derjenige war, der die ganze Zeit über liebte und am Ende zu sehr liebte, war er im ersten Moment eher amüsiert über den jungen, südländisch anmutenden Mann, der sich definitiv hierher verirrt hatte, aber seinen schwarzen, von der Stange gekauften Anzug mit Grandezza trug und auf Henry zukam, als sei er extra aus São Paulo oder Barcelona angereist, um den Laden zu kaufen. So erzählte Henry es später Julien.

Julien nahm allen Mut zusammen und sprach ihn an, ob sie auch Die Andere Bibliothek führten, denn nur darüber konnte er mit vollem Sachverstand sprechen. Nein, antwortete Henry, sie seien ja eine Kunstbuchhandlung, und – auch das erzählte Henry ihm später – wie Julien ihn daraufhin angesehen habe, als frage er sich, ob Henry überhaupt richtiger Buchhändler sei. Ach so, sagte Julien, dann wär Bücher machen für ihn also keine Kunst? Aber er hätte eigentlich sagen können, was er wollte, denn Henry war schon in den Klang seiner Stimme verliebt und in seine schwarzen Augen. Doch, sagte Henry, natürlich sei es das, aber – und dann redeten sie noch irgendwas, was, das wussten sie nachher beide nicht mehr, denn auch Julien hörte nicht mehr zu, er versenkte sich in Henrys offenen Blick. Er hörte nur, dass der Mann freundlich klang und willens, alles andere war nicht mehr wichtig.

»Ich kenn mich noch nicht so richtig aus in Berlin«, sagte er, als er dann schließlich zwei Zeitschriften bei Henry bezahlte und sich von ihm in eine Tüte packen ließ. »Also, mit der Designszene. Wo es was gibt, wo man hinjeht und so.«

Henry hörte wohl die Einladung in diesem Satz, das sah Julien ihm an, aber er griff zu einem Kunstführer, der auf dem Verkaufstresen lag. »Wir hätten hier—«

Julien nahm seine Tüte, er ignorierte die Broschüre und schaute Henry an. »Da steht ja allet und jar nischt drin. Ich find’s eigentlich besser, wenn man das von einem jezeigt bekommt, der Ahnung hat.«

Da wurde Henry rot, er schaute sich um, ob der Chef gerade zuhörte. Nicht, dass es Julien gekümmert hätte, aber er wollte natürlich auch nicht, dass Henry nachher vielleicht einer blöd kam. Als er sah, dass niemand in der Nähe war, fragte er:

»Du hast nicht zufällig Zeit?«

Was sollten sie noch groß drumherum reden, es war ja alles klar, und das wusste Henry doch auch schon. Also verabredeten sie sich, um die Ausstellung im Gropiusbau zu besuchen, in der Julien dann Gott begegnen sollte. Julien sah Henry noch einmal an, Henry lächelte freundlich zurück, ja, er war der Richtige. Julien verließ den Laden – an der Seite der durchsichtigen Frau, die ihn hierhergeführt hatte.

* * *

Sich einen Buchhändler zum Geliebten zu nehmen ist schlau, wenn man selbst nicht so viel Ahnung hat. Buchhändler sind belesene Leute, aber weniger dünkelhaft als Akademiker. Sie haben Bodenhaftung und lassen andere gern an ihrem Wissen teilhaben. Und sie können sich alles vorstellen, auch Menschen und Zustände, die es in der wirklichen Welt so eigentlich nicht gibt.

Es dauerte nicht lange, bis Henry herausfand, was es mit Julien auf sich hatte: Dass er aus dem Nichts kam und hinaufstrebte in die Wirklichkeit, in Anerkennung und Wohlstand. Aber das störte Henry nicht. Er konnte sich eben wirklich alles vorstellen, nicht nur, weil er Buchhändler war, sondern Henry. Und weil er eben so war, freundlich, vorurteilsfrei, die Menschen und deren sonderbare Lebenswege kennend, schlief Julien auch nicht direkt am ersten Abend mit ihm. Dafür war Henry viel zu schade. Erst nach dem vierten Rendezvous fragte dann Henry auf seine zurückhaltende Art, ob Julien vielleicht noch mit zu ihm kommen wolle, auf ein Bier oder so. Da hatten sie sich schon oft geküsst und ein bisschen rumgemacht vor den Cafés, in denen sie gesessen hatten, und an den Tramhaltestellen, an denen sie sich trennten. Und Henry hatte ihn auch schon gefragt, was er denn arbeite; er sei Grafiker – wolle Grafiker werden, sagte Julien. Henry lächelte, ach so, sagte er, und er fragte gar nicht erst nach Schule und Studium, er sah nur Julien, der etwas wollte und es sich holen würde. Aber ob er schon Aufträge habe? Und womit er sonst sein Geld verdiene? Da schaute Julien ihn nur an, und so, wie er war, wie er lächelte, wie er manche Männer musterte und selbst die Blicke von Männern erwiderte, wusste Henry, was er meinte. Und auch wenn es ihn zuerst schockierte, weil er niemanden kannte, der so war, lächelte er darüber hinweg, und dann redeten sie von etwas anderem. Dass Julien sich prostituierte, blieb in all den Jahren unausgesprochen.