Jungen fördern in der Schule - Reinhard Winter - E-Book

Jungen fördern in der Schule E-Book

Reinhard Winter

0,0

Beschreibung

Jungen gelten heute gemeinhin als Bildungsverlierer: dümmer als Mädchen, problematischer und infolge dessen benachteiligt. Das muss nicht so sein, wenn Lehrerinnen und Lehrer als Profis fürs Lernen die Herausforderungen durch Jungen nicht fürchten, sondern annehmen. Viele Lehrkräfte fragen sich, wie sie angemessen und gut mit Jungen umgehen können. Reinhard Winter, einer der bekanntesten Autoren zu Jungen- und Männerthemen, verspricht ihnen in diesem Spickzettel für Lehrer: "Durch die Lektüre bekommen Sie Einblicke ins Männliche der Jungen und können sie verstehen. Sie verbessern Ihre Beziehung zu Jungen und Ihr Handeln mit ihnen. Sie gewinnen an Professionalität und können besser differenzieren. Sie erzielen bessere Ergebnisse, gewinnen mehr Freude am Unterricht mit Jungen und empfinden mehr berufliche Zufriedenheit."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 73

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SPICKZETTEL FÜR LEHRER

Reinhard Winter

Jungen fördernin der Schule

2018

Reihe »Spickzettel für Lehrer«, Band 20

hrsg. von Christa Hubrig

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlag und Satz: Heinrich Eiermann

Printed in Germany

Druck und Bindung: Kösel, Krugzell

Erste Auflage, 2018

ISBN 978-3-8497-0248-9 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8164-4 (ePub)

ISBN 978-3-8497-8165-1 (PDF)

© 2018 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: www.carl-auer.de.

Wenn Sie Interesse an unseren monatlichen Nachrichten aus der Vangerowstraße haben, abonnieren Sie den Newsletter unter http://www.carl-auer.de/newsletter.

Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Spickzettel für Lehrer – systemisch Schule machen

»Hast du einen Spickzettel?« Diese Frage kennen wir noch aus der Schulzeit, aus der Schülerperspektive, wenn es darum ging, sich auf Prüfungen und Klassenarbeiten vorzubereiten. Wechseln wir die Rolle und Perspektive und stellen uns auf die andere Seite des Klassenzimmers, auf der die »Wissenden«, d. h. die Lehrer, stehen. Schnell wird deutlich: Bei aller Erfahrung gibt es doch erhebliche »Wissenslücken« im Umgang mit schwierigen Situationen, ob sie nun das Lernen selbst, die Schule als Organisation oder die Beziehungen und das Verhalten der Beteiligten betreffen.

Systemisch orientierte Pädagogen können sich hier ruhig und entspannt zurücklehnen, wohl wissend, dass sie selbst »Fragende« sind – Fragende bezüglich passender Antworten auf die sich stets wandelnden und neu entstehenden Konfliktfelder in der Organisation Schule, zwischen Schülern und Lehrern, zwischen Schule und Eltern und auch mit dem politischen Umfeld von Schule.

Aus systemischer Sicht sind Schwierigkeiten immer mit Lernchancen verbunden. Wo der Blick vom Problem auf die Lösung wechselt, wo man statt hinderlicher Defizite hilfreiche Ressourcen ins Auge fasst, kommt auch die Haltung in Bewegung. Ein gut platzierter Unterschied zieht dann oft viele positive Änderungen nach sich.

Die Bücher dieser Reihe wollen Einladungen sein, sich auf diese andere Sichtweise einzulassen. Sie sollen Lehrern, Erziehern und Schulleitern Methoden und Strategien zum täglichen Handeln anbieten, die Ihnen die Arbeit – und im besten Fall: das Leben – leichter machen. Sie sind auch Rezepte, die man ausprobieren und mit eigenen Zutaten verfeinern kann.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, Erfahren und Ausprobieren!

Dr. Christa HubrigHerausgeberin der Reihe Spickzettel für Lehrer

Inhalt

Einleitung

1Jungen in der Schule: Szenen und Themen

1.1Typische Szenen

1.2Typisch! Schwierigkeiten von und mit Jungen in der Schule

2Was Jungen männlich macht

2.1Alle verschieden oder alle gleich?

2.2Häufungen und Tendenzen

3Zielhorizont der Jungenbildung in der Schule

4Ansätze und Interventionen – sieben Vorschläge

4.1Beziehung zwischen Lehrkraft und Junge

4.2Mitmischen bei den Beziehungen der Jungen

4.3Den männlichen Körper einbeziehen

4.4Visionen des Männlichen

4.5Den Männermangel abfedern

4.6Das Spiel mit den Grenzen: Anomisches Verhalten

4.7Kämpfen im Guten: Assertive Aggression

5Risiken, Nebenwirkungen und Ausblicke

Literatur

Über den Autor

Einleitung

Jungen und Schule? Hier scheinen sich Medien, Lehrkräfte, Eltern und Jungen einig zu sein: ein schwieriges, ja fast trostloses Thema: »Jungen sind Bildungsverlierer«; »Jungen werden in der Schule benachteiligt«; »Jungen haben es schwer, Mädchen starten durch«; »Schlaue Mädchen, dumme Jungen«. Schlagzeilen wie diese entwickelten sich allmählich zu Gemeinplätzen und trugen zu einem Stimmungsumschwung bei: Jungen gelten mittlerweile pauschal als Bildungsverlierer. Beim Thema Jungen überwiegt heute die Problemperspektive: Von Männlichkeitsbildern über die Lesekompetenz bis zu Schulabschlüssen, vom Sozialverhalten über Medienkonsum bis zu Kriminalität, Gewalt, übergriffiger Sexualität oder riskanten Verhaltensweisen – das Männliche scheint stets an ein Problem gekettet zu sein.

Plötzlich sind »die« Jungen, also alle, problematisch. Dass Jungen in der Schule in einigen wesentlichen Fächern und auch insgesamt im Durchschnitt schlechter abschneiden als Mädchen, ist bekannt. So gesehen sind Jungen im Geschlechtervergleich in der Schule tatsächlich im Nachteil. Der Skandal besteht darin, dass die Missverhältnisse pauschalisiert und den Jungen selbst zugeschanzt werden und dass in den Schulen meist nichts gezielt unternommen wird (abgesehen davon, sich über die schlimmen Jungen zu beklagen).

Das ständige Problematisieren zeigt Wirkung und erreicht auch die Jungen, die Zuschreibung der »Bildungsverlierer« ist bei ihnen angekommen. Bereits im Grundschulalter verfestigt sich bei Jungen selbst die Meinung, sie seien schlechtere Schüler und die Erwachsenen sähen das genauso. Scheinbar stimmt das ja auch, wie etwa die PISA-Studien belegen. Nur: Untersuchungen haben gezeigt, dass Jungen besonders dann schlechtere Noten als Mädchen erzielen, wenn sie die Information erhalten, dass Jungen nicht so gute Schüler seien. Umgekehrt verbessert sich ihre Leistung, wenn man vor Tests betont, Jungen und Mädchen könnten gleichermaßen gute Noten schreiben (Hartley a. Sutton 2013). Vorurteile können zu sich selbst erfüllenden Vorhersagen werden und somit die Ursache für schlechtere Leistungen sein, nicht das Ergebnis.

Hinzu kommt, dass die Erwachsenenwelt den Jungen oft keinen Horizont aufzeigen kann, wie ihr Männliches gelingen könnte und wofür sie später als Männer gebraucht würden. Gleichzeitig sind Jungen umgeben von klassischen Männlichkeitsbotschaften über Macht, Stärke und Grandiosität. Wie kann das zu den Problemjungen passen? Allein vor dem Hintergrund dieser Spannung betrachtet ist es offensichtlich, dass es für Jungen nicht einfach sein kann, männlich zu sein.

Jungen in ihrem Männlichwerden und -sein zu unterstützen ist Aufgabe aller Erziehenden, auch und gerade der Schule. Davon, dass diese Aufgabe erfüllt wird, ist wenig zu sehen. Nach über 30 Jahren Fachdiskussionen über Jungen und Jungenpädagogik ist es erstaunlich, wie wenig davon in der pädagogischen Praxis erkennbar ist. Immer wieder zeigt man sich dort überrascht, was für eine Bedeutung die Arbeit mit Jungen hat und dass man darauf konzeptionell reagieren müsste. In nur wenigen Schulen arbeiten die Lehrkräfte jungenbezogen reflektiert und mit diesbezüglich ordentlicher Qualität – abhängig von eher zufälligen personellen Ressourcen, Interessen und individuellen Vorlieben. Oft wird schon ein Bedarf an Jungenpädagogik geleugnet oder nach dem Motto »Wir behandeln alle gleich« unterschlagen.

Schule ist ein komplexes und kompliziertes Zusammenwirken von Schülern mit ihren Bedürfnissen, dem Unterricht, der Beziehung zu Lehrkräften und zu Gleichaltrigen und im Hintergrund noch der Beziehungen der Eltern miteinander. In diesem Spickzettel wird das notwendige Wissen für Lehrkräfte konzentriert dargestellt. Auftrag und Aufgabe der Eltern sind anders gelagert und werden hier nicht vertieft (siehe dazu Winter 2018).

Perspektivenwechsel

Der beschriebene Zustand muss nicht verwundern – bleiben doch Jungenthemen in der fachlichen Ausbildung von Lehrkräften nach wie vor völlig randständig. Oft ist das Wenige, was angeboten wird, nicht auf dem Stand der Diskussion oder bewegt sich an der Peripherie von Genderdiskussionen, die mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun haben. So werden auch heute noch Lehrerinnen und Lehrer auf Jungen losgelassen, ohne dass sie dafür fachlich qualifiziert sind und sich mit sich als Mann bzw. Frau in Bezug auf die Arbeit mit dieser Zielgruppe auseinandergesetzt haben. Jungen haben dementsprechend für ihr Männlichsein von der Schule eher wenig zu erwarten.

Indem Lehrkräfte den Jungen das Prädikat »männlich« aufstempeln, versuchen sie, sich selbst zu entlasten: Jungen machen oder haben Probleme? Das hat doch mit mir nichts zu tun! Aber das Gegenteil ist der Fall: Schwierigkeiten von und mit Jungen sind auch hausgemacht, weil die Schule nicht proaktiv gestaltet oder rechtzeitig und qualifiziert auf Jungenverhalten reagiert. Sie fährt hier im selben Zug wie Jungen, die sich auf Floskeln ausruhen: »Ich bin halt faul«; »Ich bin ein Junge, ich kann kein Deutsch«; »Ich bin männlich und deshalb Bildungsverlierer«. Ähnlich tönt es aus der Schule: »Jungen sind so, wir können da nichts machen.« Wer diese Haltung vertritt, klopft Missverhältnisse fest, statt sie zu verändern.

Allerdings gibt es auch gute Nachrichten: Es ist an vielen Stellen möglich, die Situation aktiv zu verändern und die Lage von Jungen zu verbessern. Anstelle des alarmistischen Krisengeredes wäre es angebracht, mehr über Potenziale der Schule und die Verbesserungsmöglichkeiten für Jungen zu sprechen. Das bedeutet, dass man die damit zusammenhängende Verantwortung tatsächlich übernimmt. Lehrerinnen und Lehrer sind Profis fürs Lernen. Sie müssen die Herausforderungen durch Jungen nicht fürchten, sondern annehmen. Sie können es meistern, die Situation von Jungen in der Schule zu verändern.

Viele Lehrkräfte fragen sich ja, wie sie gut oder noch besser mit Jungen umgehen können. Darum geht es in diesem Spickzettel zu Jungen, Jungenförderung und Jungenbildung. Um es aber gleich und ehrlich vorweg zu sagen: Es gibt keine Didaktik, die alle Jungen fesselt, keine Methoden, von denen alle Jungen gebannt sind, und keine schnellen Tricks, wie man mit Jungen fertig wird. Jungenbildung zielt deshalb auf eine verbesserte Qualität der Schulpädagogik, vor allem durch Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern.

Durch die Lektüre dieses Buches bekommen Sie Einblicke ins Männliche der Jungen und können sie verstehen. Sie verbessern Ihre Beziehung zu Jungen und Ihr Handeln mit ihnen. Sie gewinnen an Professionalität und können besser differenzieren. Sie erzielen bessere Ergebnisse, gewinnen mehr Freude am Unterricht mit Jungen und empfinden mehr berufliche Zufriedenheit.

1Jungen in der Schule: Szenen und Themen