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Manfred Henze ist zu den Wurzeln seiner Schriftstellertätigkeit und seines ehemaligen Berufes zurückgekehrt. Der langjährige Polizeichef hat nach umfangreichen, zeitraubenden Recherchen den echten, wahren Straftaten gegen das Leben, wie es seit Jahrhunderten im Strafgesetzbuch heißt, der Jahre 1880 bis 1900 nachgespürt. Das Ergebnis spiegelt die damalige Zeit, ihre Lebensweisen, das Denken und Handeln der Menschen und auch die Überschreitung von Hemmschwellen gegenüber dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit wider. Leserinnen und Leser dürfen auf teils spektakuläre, lokale Kriminalfälle gespannt sein, die bisher weitgehend unbekannt waren. Parallel dazu ist dem Autor wichtig, dass Opfer nicht in Vergessenheit geraten. Eine ruhige, idyllische, ländlich geprägte Epoche steht einer harten, grausamen, entbehrungsreichen, menschenverachtenden Zeit gegenüber. Henzes einfühlsamer Schreibstil lässt den Leser die Zeit näherbringen und der Bücherfreund kann in eine längst vergangene Welt eintauchen. Besonderheit und Faszination für den Alteingesessenen lösen die Beschreibungen der Örtlichkeiten und die heute oft noch bekannten einheimischen Namen der Handelnden aus. Er überrascht dabei mit einem erstaunlich hohen Wiedererkennungswert.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Manfred Henze trat gleich nach der Schule in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen ein. Er wirkte in über 45 Dienstjahren in fast allen Bereichen der Landespolizei. Das heutige Polizeikommissariat Neustadt leitete der Diplom-Verwaltungswirt (FH) 15 Jahre bis zu seiner Pensionierung.
Mit dem Tod wurde er vom ersten bis zum letzten Tag seines Dienstes konfrontiert. Er sollte sein ständiger Begleiter bleiben. Zahllose Opfer unnatürlicher Todesfälle sah er von Angesicht.
Hunderte und Aberhunderte dieser fürchterlichen Bilder, dieser Momente, prägten sich in seinem Gedächtnis ein.
Die Berührung mit dem Tod setzte sich auch nach seiner Pensionierung fort.
Der Polizeichef fand frühzeitig einen neuen Wirkungskreis bei der Opferhilfeorganisation WEISSER RING. Seit 2015 leitet er den WEISSEN RING in der Region Hannover und betreut Kriminalitätsopfer, oft auch Angehörige von Getöteten. Seit 2022 nimmt er auch die Aufgabe eines Landespressesprechers der Organisation wahr.
Bei der Auseinandersetzung mit den widerfahrenen Todesfällen wanderten seine Gedanken auch zu früheren schrecklichen Verbrechen. So interessierte er sich für weit zurückliegende Morde. Folgerichtig beschäftigte er sich intensiv und über viele Jahre mit uralten, heute unbekannten, damals aber aufsehenerregenden Todesermittlungsfällen.
Als regionaler Autor faszinierte ihn nicht nur die Kriminalität in der Ferne und den Großstädten, sondern es fesselten ihn vor allem die Verbrechen vor seiner „Haustür“, im ländlichen Raum. In akribischer Fleißarbeit spürte er die Fälle auf und konnte die ältesten bis 1880 zurückverfolgen.
In diesem neu erschienenen Buch „Kaffmörder“ taucht er tief in regionale Tötungsdelikte aus der Zeit zwischen 1880 und 1900 ein. Es sind wahre, spannende, mitreißende, individuelle Taten unter den Bedingungen der damaligen Zeit aber auch mit dem Blick auf Heute.
Manfred Henze ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und wohnt in Neustadt-Poggenhagen. Er ist Mitglied in zahlreichen sozialen Vereinen und karitativen Institutionen.
„Mit viel Einfühlungsvermögen verwebt Henze die nüchternen Fakten aus den Gerichtsprotokollen mit seiner eigenen Familiengeschichte. Dabei scheut er sich nicht, das Bestialische der Taten zu schildern, und schafft es doch, seine Leser einer Spur jenseits der puren Sensationslust zu führen. Was ihnen bleibt, ist die Fassungslosigkeiten der Taten."
Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 14.12.2021 über „Die Mädchenschlächter".
Stehlen, Quälen, Morden – Das ist doch nicht
erlaubt!
Rübenberger Verlag
1 und 2 Auflage
ISBN: 978-3-936788-29-7
BoD – Books on demand, Norderstedt
Neuauflage
ISBN: 978-3-750417-27-4
Kaffhocker
BoD – Books on demand, Norderstedt
ISBN: 978-3-748119-39-5
Eingemauert für die Ewigkeit
BoD – Books on demand Norderstedt
ISBN: 978-3-750422-82-7
Brassenköppe
BoD – Books on demand Norderstedt
ISBN: 978-3-752661-80-4
Die Mädchenschlächter
BoD – Books on demand Norderstedt
ISBN: 978-3-755739-28-9
Gerichtspräsident zu Beginn der Verhandlung:
„Angeklagter Heinrich Clausing, bekennen Sie sich des Raubmordes schuldig?“
Angeklagter mit fester Stimme:
„Nein!“
Liebe Leserinnen und Leser,
viele schlagzeilenträchtige, herausragende Morde aus früheren Zeiten sind mir, aber sicherlich auch Ihnen, im Gedächtnis geblieben; Morde, begangen von Männern, aber auch von Frauen oder sogar von Pärchen, etliche Taten konnten darüber hinaus nie aufgeklärt werden.
Ihnen sagt bestimmt der Name Alphonse Gabriel „Al“ Capone, geb. 1899, etwas, der sein Unwesen in Chicago trieb.
Mit Sicherheit kennen Sie Friedrich „Fritz“ Haarmann, geb. 1879, der vom Schwurgericht Hannover wegen Mordes von insgesamt 24 Jungen und jungen Männern im Alter von 10 bis 22 Jahren zum Tode verurteilt wurde.
Und Mörderinnen?
Die gibt es auch, wie die Niederländerin Maria Catharina Swanenburg, Spitzname „Goeie Mie“ („Gute Mia“). Sie vergiftete zwischen 1880 und 1883 wenigsten 102 Menschen mit Arsen.
In unserem kleinsten Bundesland trieb Gesche Margarethe Gottfried, genannt der „Engel von Bremen“, ihr Unwesen und vergiftete 15 Menschen ebenfalls mit Arsen.
Auch gemeinsam lässt sich „gut“ morden.
Bonnie Elisabeth Parker und Clyde Cestnut Barrow, besser bekannt als „Bonnie and Clyde", ein amerikanisches Verbrecher-Duo, ermordete, überwiegend nach Überfällen, 14 Polizisten.
Wer mein Buch „Die Mädchenschlächter“ gelesen hat, dem sind die schaurigen Morde von Dorothee Buntrock und Fritz Erbe an „Dienstmädchen in Stellung“ in grausamer Erinnerung.
Zahlreiche Morde konnten aber nicht aufgeklärt werden und gingen trotzdem in die Kriminalgeschichte ein.
„Jack the Ripper“, der seine barbarischen Taten 1888 in London beging, ist ein Beispiel dafür.
Trieben nur in der Ferne Verbrecher ihr Unwesen, wurde nur in Großstädten gemordet, nur in Chicago, London oder Bremen und Hannover?
Spannungsgeladen fand ich die Frage, ob auf dem platten Land, wo die Menschen räumlich, vielleicht sogar geistig, eingeschränkter lebten, ebenfalls gemordet wurde. Was geschah nun vor über 120 Jahren auf dem „platten Lande“? Wurden auch in unserer Nähe grauenerregende Taten verübt?
Ein klares: Ja! Auch in den ländlich geprägten Bereichen geschahen schreckliche Taten.
Den Beweis trete ich mit diesem Buch an.
Meine Recherchen ergaben, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts überraschend viele Menschen ihr Leben durch Selbsttötung beendeten. Daneben las ich in massenhafter Zahl von Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang, die aktenkundig gemacht wurden.
Unzählige Geschöpfe, insbesondere auch Kinder, starben darüber hinaus in Folge gefährlicher Krankheiten. Die Lebenserwartung war viel geringer als heute.
In der Kriminalität beherrschten Bettler und Landstreicher die Szene. Misshandlungen, Brandstiftungen, Diebstähle wurden angezeigt und, für mich völlig unerwartet: Es wurden etliche Tötungsdelikte verübt. Von diesen Fällen möchte ich überwiegend berichten.
Will man diese Tötungsdelikte verstehen, muss man die Zeit kennen. Eine Zeit, die für uns noch gar nicht so lange her ist, denn die Großeltern oder Urgroßeltern redeten noch davon.
Die Motive fürs Töten waren überwiegend andere als heute.
Wie und warum es zur Abweichung von der „Normalität“ und zur Untat kam, möchte ich schreiben. Darüber hinaus schildere ich, wie die verübten Taten einem Individuum, dem Täter oder der Täterin, zugerechnet wurden und wie im gerechten Ausgleich zwischen Schuld und Strafe die „Ordnung“ in der damaligen Zeit wiederhergestellt wurde.
Diesbezüglich erlaube ich mir zu Schuld und Strafe meine Meinung im Kontext von damals und heute anzufügen:
So möchte ich schon gleich erwähnen, dass Richter nicht danach entscheiden dürfen, was in der jeweiligen Zeit politisch korrekt erscheint, also dem Zeitgeist folgend. Vielmehr ist alles vorwurfsvoll was immer objektiv grausam ist. Entsprechend müssen sich Richter an die Gesetze halten, nicht an die jeweilige Gesellschaft. Dies allerdings unter Beachtung des klugen Satzes, dass Tote keine Rache wollen, nur die Lebenden wollen sie.
Im Gegensatz zu Kriminalromanen, die ich auch verfasst habe, ist der Inhalt dieses Buches überwiegend wahr, sind die Taten real und in allen Details tatsächlich geschehen
Das ist von großer Bedeutung. Entspringt doch bei Krimis in der Regel der Fall der Fantasie des Autors. Es ist eine erfundene Geschichte, eine Fiktion, bei der kein Beteiligter Bleibendes ertragen muss. Sozusagen ist es ein „schönes“, ausgedachtes Verbrechen.
Menschen in diesem Buch mussten alles durchleben, alle Gefühle, die sinnlichen Wahrnehmungen, alle seelischen Regungen und Empfindungen, Qualen, unmenschliches Leid und Elend sowie Trauer mit allen Gemütsstimmungen.
Wahre Kriminalfälle sind emotionaler als erfundene Taten, insbesondere hinsichtlich der psychischen Erregungen und Gemütsbewegungen.
Ich möchte Sie am „echten“ Leben dieser Zeit, an der damaligen wahren Kriminalität, teilhaben lassen. Dazu bediene ich mich auch verschiedener zeitgenössischer Beschreibungen, um Stimmungen, Lebenslagen oder typisches Befinden der damals lebenden Menschen zu illustrieren – ohne diese jeweils extra zu kennzeichnen.
Und der Tod schleicht dabei auf allen Seiten und Zeilen durch das Buch.
Die Beweggründe, einen Menschen zu töten, spiegeln wahrhaftig die jeweilige Zeit wider. Die Schilderung eines Tötungsdeliktes ist also nicht nur eine Nacherzählung der Tat, sondern jede Bluttat zu jeder Zeit ist eine andere, etwas ganz Einmaliges.
Sicherlich auch meinem früheren Beruf als Polizist geschuldet, empfand ich die Sichtung alter Kriminalfälle als äußerst mitreißend und packend. Dazu gehörten das Lesen von Steckbriefen, Polizeiberichten, Verhörprotokollen, schriftlichen Plädoyers, der Gerichtsurteile, von Berichten über das Ende der Verurteilten, Zeitungsartikeln. Die aufwendige und zeitraubende Recherche beinhaltet zudem die Suche in Kirchenbüchern und nicht zuletzt die Erinnerung von Befragten an überlieferte Erzählungen.
Die Straftaten zu der von mir betrachteten Zeitspanne zeichnen meines Erachtens auch die jeweiligen Lebensumstände, die kleinbürgerlichen Verhältnisse auf dem Land und die wirtschaftlichen Situationen nach. Sie erlauben Einblicke in die damaligen Zeitumstände, wie sie aus den Geschichtsbüchern kaum zu erhalten sind. Man gewinnt nicht nur ein plastisches Bild von den, nach heutigen Maßstäben, simplen polizeilichen Ermittlungen, sondern erhält eindrucksvolle Einsichten in das Leben der einfachen, ungebildeten, weitgehend mittellosen Leute, die einen nicht geringen Teil der damaligen Einwohnerschaft ausmachten und deren Dasein meist nur in der kargen Befriedigung anspruchsloser Bedürfnisse bestand.
Da die Schutzfristen der Persönlichkeitsrechte lange abgelaufen sind, nenne ich präzise die Tatorte sowie die wirklichen Namen der Opfer, der Täter, der Zeugen und anderer Beteiligter, was für Eingeweihte noch einen besonderen Reiz darstellen dürfte. Alle Namen sind heute noch in den Dörfern anzutreffen, das beweist auch die geringe Fluktuation der Einheimischen.
1. Der „Raubmörder“ von Niedernstöcken
2. Die Todesserie in Schneeren
3. Eilvese in Schutt und Asche
4. Jugendlicher mordet in Ekstase in Helstorf
5. Tödliche Messerstiche in Frielingen
6. Bestialische Tat in Luttmersen
7. Der Gattenmord von Osterwald
8. Die Brandt'sche Erbschaftsangelegenheit in Dudensen
9. Tod auf dem Feld in Bordenau
10. Der Feuerteufel von Wulfelade
11. Der Rivalen-Mord in Kolenfeld
12. Der Lustmörder in Esperke
13. Der Kinderschänder am Schneerener Krug
14. Mordversuch nach unglücklicher Liebe in Wulfelade
15. Raubmordversuch in der Residenzstadt Hannover
16. Der Giftmord in Wunstorf
17. Die Fahndung nach Hermann Timian, den Höhlenmenschen von Schloß Ricklingen
18. Züchtigungsrecht des Lehrers in Neustadt
19. Der Verkehrsrowdy aus Osterwald
20. Das Kindsdrama in Warmeloh
21. Mutter-Kind-Tragödie in Bordenau
22. Das „gestohlene“ Neugeborene aus Moordorf
23. Die Kindesleiche von Himmelreich
24. Der Tod lauert in der Kunterschaft in Neustadt
25. In eigener Sache
26. Epilog
27. ... und zu guter Letzt
Ab Herbst 1894 beherrscht ein Fall die Zeitungen als Fortsetzungsartikel, immer unter der gleichen fetten Überschrift:
Der Raubmord in Niedernstoecken
Welch schreckliche Tat ergreift die Leser so gierig?
Donnerstag, der 11. Oktober 1894.
Die Nebelschwaden hängen in der Frühe bis auf die Hausdächer in Hannover. Gustav Schäfer spürt den leichten Nieselregen auf seinem Gesicht. Heute ist es noch dunkler als an den vorhergehenden Tagen, stellt er fest, blickt auf die Taschenuhr und beschleunigt seinen Schritt. Die Vorbereitungen machen ihm zu schaffen, er keucht und ringt nach Luft, „naja, ich bin nicht mehr der Jüngste“, tröstet er sich. Unheimlich still ist es noch. Er bleibt einen Moment stehen, dreht sich nach allen Seiten um, keine Menschenseele befindet sich um diese Zeit auf der Straße. Er setzt seine Arbeit fort und erstarrt; eine schemenhafte Gestalt kommt auf ihn zu.
Beim Näherkommen erkennt er seinen Sohn, der ihn behilflich sein will. Gustav Schäfer holt sein Pferd aus dem Stall, gemeinsam mit seinem Sohn spannen sie das Zugtier ein.
Der 67-jährige Schäfer nennt sich von Beruf Handelsmann und betreibt mit seiner Frau und seinem Sohn in Hannover-Linden, in der Deisterstraße 10, einen Laden, wo er Lebensmittel aller Art zum Verkauf anbietet. Regelmäßig fährt er donnerstags allein mit seinem Fuhrwerk aufs platte Land, um vor allem Kartoffeln, aber auch andere landwirtschaftliche Erzeugnisse zum Weiterverkauf an seine Kunden zu erwerben.
Im Arbeitstrab geht es am heutigen Morgen mit vollem Geldbeutel über den Schwarzen Bär gen Norden ins Neustädter Land durch Helstorf und mit der Fähre über die Leine nach Mandelsloh. Für den knauserigen Schäfer ist es ein Vergnügen mit dem Fährmann Georg Rabe um den Preis fürs Übersetzen zu feilschen. Ein Wagen und ein Pferd kosten 0,15 Reichsmark. Schäfer besteht auf Mengenrabatt und will nur 0,12 Reichsmark zahlen. Schäfer droht, seinen guten Freund, den Neustädter Amtmann von Schwarzkopf, einzuschalten. Und schon gibt Rabe nach.
Weiter geht es zu seinem Ziel, das 470-Einwohner-Dorf Niedernstöcken. Für die etwa 40 Kilometer benötigt er gute vier Stunden. Handelsmann Schäfer kennt die Strecke auf Grund der vielen Fahrten bestens.
Herbststürme machen sich in diesem Jahr und an diesem Morgen etwas frühzeitig auf, wenn auch noch in erträglicher Form. Aber sie schütteln und zausen so lange im Geäst der Bäume an den Überlandwegen, bis die gelben und roten Blätter in lustigen Scharen davonflattern und Wege und Wegeböschungen dicht bedecken. Schäfer beherrscht sein einspänniges Fuhrwerk, muss aber doch höllisch aufpassen.
Die Fahrten auf den holprigen, ausgefahrenen Verbindungen von Dorf zu Dorf gestalten sich eintönig, im wahrsten Sinne des Wortes landläufig und Gustav Schäfer hat dabei genügend Zeit, um über Gott und die Welt zu reflektieren, mit Gedanken alter Dichter, die er doch so gern liest:
„Was von der Erde kommt, geht wieder hinab, und kahl und dürr ragen die schwarzen Äste gegen den Herbsthimmel. Durch die von Blätterhüllen freigewordenen Bahnen schlüpft am späten Vormittag gewandt die liebe Sonne mit ihrem goldenen und flutenden Lichte, die auch noch keine Lust verspürt, hinter grauen Herbstwolken sich zu verbergen. Brennt auch die leuchtende Sonnenflut nicht mehr, gibt sie doch der sterbenden Vegetation in der Natur noch einen neuen letzten Reiz. Und gar angenehm wird die Sonnenwärme von all den Menschen in den Dörfern empfunden.“
Mit diesen Gedanken nähert er sich gegen Mittag seinem Ziel Niedernstöcken. Kaufmann Schäfer kehrt zum Essen in eine Gastwirtschaft ein, die von dem Ehepaar Wegener und deren Tochter betrieben wird. Zuvor versorgt er sein Pferd, hat es doch schon gute Dienste geleistet.
Nach dem ausgezeichneten üppigen Mahl erledigt er seine Geschäfte bis in den späten Nachmittag.
Er beobachtet dabei, wie Alt und Jung absichtlich Sonnenlicht und Sonnenschein noch einmal genießen. Die Bauersfrauen, die sonst sofort mit Vorhängen am Fenster zur Hand sind, wenn die Sonne naht, nehmen nun gern selbst in ihrem wärmenden und verschönernden Lichte Platz.
Schon dem Ofen in den Bauernstuben sein Recht zu geben, dazu ist es gemeinhin doch noch etwas zu früh. Und so wird die Sonne im Oktober ein gern gesehener Hausfreund.
Vor der Heimfahrt stärkt sich der Hannoveraner Schäfer im Gasthaus Reinicke in Niedernstöcken mit einer deftigen Scheibe Mettwurst und einem Krug Bier. Die Gaststube ist gut besucht und es herrscht ein lautes Stimmengewirr, an dem sich auch Schäfer beteiligt.
Mit vollem Fuhrwerk tritt er abends gegen 8 % Uhr (damals gebräuchliche Nennung der Uhrzeit) den Heimweg an. Die Dunkelheit hat den Tag übermannt und bei der feuchten Luft macht sich sein Rheuma bemerkbar.
„Hauptsache es bleibt trocken und der Nebel an der Leine macht die Fahrt nicht zu einer Odyssee“, denkt er sich.
Er schätzt gegen Mitternacht wieder zu Hause zu sein.
Auf dem Kutschbock sinniert er: „Ade Niedernstöcken, kühl weht am Abend die Luft, in einigen Wochen eine kalte Nacht mit Frost, und – alles ist vorüber. Dann komme ich erst im nächsten Jahr wieder.“
Danach folgt urplötzlich das völlig unerwartete, eine grausame hinterhältige Tat. Diese Geschehnisse sind der polizeilichen Fallakte im damaligen Amtsdeutsch entnommen:
„Der Handelsmann Gustav Schäfer aus Hannover-Linden, Deisterstraße 10, wurde auf der Chaussee zwischen Dinstorf und Niedernstöcken von einer Person meuchlings („aus dem Hinterhalt") überfallen, welcher ihm mit einer Wagenrunge („Stütze, die den Wagenoberteil hält") einen so heftigen Hieb gegen die linke Kopfseite versetzte, dass eine klaffende Wunde entstand. Schäfer war noch im Stande, nach Hülfe („Hilfe") zu rufen, wobei mehrere Leute aus Niedernstöcken herbeieilten.