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Mit einem Seufzer der Erleichterung, lies sich Emil Kasulke auf die hölzerne Bank in der hinteren Ecke des Wartesaals dritter Klasse am Anhalter Bahnhof in Berlin fallen. Der Seufzer kam nicht von ungefähr, denn schließlich war er bereits seit vier Uhr morgens auf den Beinen und kam erst jetzt dazu, eine wohlverdiente Pause einzulegen. Die große Uhr am Bahnsteig würde gleich schon ein Uhr dreißig mittags anzeigen. Kasulke war Obergepäckträger am Anhalter Bahnhof in Berlin und für ihn war es der schönste Platz und der beste Beruf auf der ganzen Welt. Was nicht weiter verwundern darf, denn schließlich hatte er nie etwas anderes kennen gelernt. Mit sich und der Welt im reinen packte er seine Stullen aus und biss genüsslich in die Erste. Heute schmeckte sie ihm besonders gut, denn sie war dick mit Schmalz bestrichen, ja sogar mit richtigem Griebenschmalz, was nicht alle Tage vorkam. Er kam sich dabei fast schon ein bisschen komisch vor, sich an einem normalen Dienstag, so einen Luxus zu leisten. Aber er fand, er hatte es sich verdient. Denn schließlich, es war eine Woche vor Weihnachten und das war für die Gepäckträger die Beste Zeit des Jahres. Zwar kannte er keine weihnachtlichen Gefühle und konnte mit dem "Fest" auch nicht sehr viel anfangen. Er hatte auch nie verstanden, warum die Menschen wegen dieser drei blöden Tage, die er für ziemlich überflüssig hielt, soviel Aufhebens machten. Aber es gab keine andere Zeit im Jahr, in der er so schnell, soviel verdienen konnte. Es lag wohl daran, das diese "vorweihnachtlichen Gefühle" ein bisschen die Sinne vernebelten und mithalfen, die Geldbeutel der Leute schneller und weiter zu öffnen. Zu keiner anderen Zeit, gab es soviel Trinkgeld und so viel zu tun. Aber dieses Weihnachten, war schon etwas besonderes. Man schrieb das Jahr 1899 und es sollte das letzte Fest in diesem Jahrhundert werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2014
Inhalt
Emil Kasulke, ein Berliner Original, ist leitender Dienstmann am Anhalter Bahnhof in Berlin.
Wir schreiben das Jahr 1899, kurz vor dem Jahreswechsel ins neue Jahrhundert.
Kasulke ist Berliner mit Leib und Seele, und mit gleichnamiger »Schnauze« ausgestattet.
Durch einen himmlischen Fehler, wird er kurz vor Weihnachten, während des Dienstes, abgerufen und landet kurz darauf im Himmel.
So etwas kann man mit einem Emil Kasulke aber nicht machen.
Nach einem lautstarken Protest wird er zu Gott gerufen und beginnt mit diesem, so wie es nun mal seine Berliner Art ist eine Diskussion, um Gott seinen, Kasulkes Standpunkt, klarzumachen....
Kasulke trifft Gott
Mit einem Seufzer der Erleichterung, lies sich Emil Kasulke auf die hölzerne Bank in der hinteren Ecke des Wartesaals dritter Klasse am Anhalter Bahnhof in Berlin fallen.
Der Seufzer kam nicht von ungefähr, denn schließlich war er bereits seit vier Uhr morgens auf den Beinen und kam erst jetzt dazu, eine wohlverdiente Pause einzulegen.
Die große Uhr am Bahnsteig würde gleich schon ein Uhr dreißig mittags anzeigen.
Kasulke war Obergepäckträger am Anhalter Bahnhof in Berlin und für ihn war es der schönste Platz und der beste Beruf auf der ganzen Welt.
Was nicht weiter verwundern darf, denn schließlich hatte er nie etwas anderes kennen gelernt.
Mit sich und der Welt im reinen packte er seine Stullen aus und biss genüsslich in die Erste.
Heute schmeckte sie ihm besonders gut, denn sie war dick mit Schmalz bestrichen, ja sogar mit richtigem Griebenschmalz, was nicht alle Tage vorkam.
Er kam sich dabei fast schon ein bisschen komisch vor, sich an einem normalen Dienstag, so einen Luxus zu leisten.
Aber er fand, er hatte es sich verdient.
Denn schließlich, es war eine Woche vor Weihnachten und das war für die Gepäckträger die Beste Zeit des Jahres.
Zwar kannte er keine weihnachtlichen Gefühle und konnte mit dem »Fest« auch nicht sehr viel anfangen.
Er hatte auch nie verstanden, warum die Menschen wegen dieser drei blöden Tage, die er für ziemlich überflüssig hielt, soviel Aufhebens machten.
Aber es gab keine andere Zeit im Jahr, in der er so schnell, soviel verdienen konnte.
Es lag wohl daran, das diese »vorweihnachtlichen Gefühle« ein bisschen die Sinne vernebelten und mithalfen, die Geldbeutel der Leute schneller und weiter zu öffnen.
Zu keiner anderen Zeit, gab es soviel Trinkgeld und so viel zu tun.
Aber dieses Weihnachten, war schon etwas besonderes.
Man schrieb das Jahr 1899 und es sollte das letzte Fest in diesem Jahrhundert werden.
Selbst wenn sich für ihn auch im kommenden Jahr, und im neuen Jahrhundert, wohl kaum etwas ändern würde, so konnte er sich dennoch der allgemeinen erwartungsvollen Stimmung nicht ganz entziehen.
Es war die Zeit, in der die internationalen Züge, die meisten ausländischen Gäste brachten und damit verbunden auch Devisen, die es sonst eher selten gab.
Eine besonders angenehme Nebenerscheinung dabei war es, dass die meisten Fahrgäste beim Bezahlen und beim Trinkgeld geben, Probleme mit dem Umrechnen hatten. So bekam er und seine Kollegen, oft mehr in Rubel, Dollar, oder Pfund, als es eigentlich notwendig war.
Er hatte es sich angewöhnt, die Fahrgäste in Kategorien einzuordnen.
Natürlich standen die reichen Amerikaner an der ersten Stelle, denn bei Ihnen saß das Geld immer am lockersten.
Aber auch die wohlbetuchten Russen und die vornehmen Engländer gehörten durchaus zu der ersten Kategorie.
Die Franzosen und Italiener waren nicht ganz so spendabel.
Aber am schlimmsten waren die Holländer und die Schotten, die kaum Trinkgeld gaben.
In zwanzig Minuten, würde schon der nächste Fernzug einfahren und er musste sich mit dem Essen ein bisschen beeilen, um die Einfahrt nicht zu verpassen.
So biss er nochmals herzhaft in seine Stulle und war mit sich im Reinen, denn wer hätte noch vor einigen Jahren daran geglaubt, das er es einmal soweit bringen würde.
Für einen Moment streiften seine Gedanken seine Vergangenheit.
Aufgewachsen in ganz einfachen Verhältnissen, als erster von sechs Kindern, hatte er von Anfang an, den schwersten Stand. Er durfte nicht einmal die Volksschule beenden sondern musste, gerade mal neun Jahre alt, mitarbeiten damit die Familie überhaupt überleben konnte. Sein Vater war einfacher Stellmacher und konnte mit seinem kleinen Verdienst, die Familie nicht alleine ernähren.
Rücksichtnahme auf sein kindliches Alter gab es in diesen Zeiten nicht. Er musste gleich wie ein Erwachsener arbeiten, wurde aber dafür nur wie ein »Kind« entlohnt.
Dennoch war es für ihn ein fast normaler Zustand, denn er war ja nur einer von vielen Kindern die das gleiche Schicksal mit ihm teilen mussten.
So etwas wie »Mitleid« kannte er nicht und er hätte es auch nicht gewollt.
Ja, er war sogar ein wenig Stolz, weil er gebraucht wurde und helfen konnte, die Armut zu verringern.