Kater Brown und das Rätsel des Roten Raben - Ralph Sander - E-Book

Kater Brown und das Rätsel des Roten Raben E-Book

Ralph Sander

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Beschreibung

Folge 6: In ihrem neuen Fall reisen Alexandra und Kater Brown in den hohen Norden, nach Beekersiel an der ostfriesischen Nordseeküste. Dort soll Alexandra über die Eröffnung des neuen Museums berichten - einem spektakulären Neubau, der auf einem Pier mitten im Wasser gebaut wurde. Doch während der Eröffnungfeier wird Christina Hansen, die Leiterin des Museums, ermordet. Und dann nutzt auch noch jemand das Durcheinander, um den Roten Raben - einst im Besitz des berühmten Piraten "Schwarzer Hannes" und heute Hauptattraktion des Museums - zu stehlen. Zu allem Unglück ist das Piermuseum durch ein Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten und es ist klar, dass unter den Anwesenden mindestens ein Mörder und Dieb sein muss ... Kater Brown und Alexandra nehmen beherzt die Spur des Täters auf und stoßen gleich auf mehrere Dinge, die lange im Verborgenen lagen.

Die Serie:

Kater Brown, der Kater mit der Spürnase, merkt schnell, wenn etwas faul ist - aber die Menschen verstehen seine Hinweise einfach nicht! Bis auf Alexandra Berger. Seit sie gemeinsam ihren ersten Mordfall aufgeklärt haben, weicht der Kater der Reisejournalistin nicht mehr von der Seite. Für Alexandras Reportagen vom schönen Landleben kommen sie viel herum - und stellen fest, dass das Verbrechen auch in der größten Idylle zu Hause ist. Humorvoll und spannend erzählt entlarvt das Ermittlerduo scheinbar harmlose Todesfälle und macht sich auf die Suche nach dem Mörder.


eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.



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Seitenzahl: 205

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Kater Brown – Die Serie

Über diese Folge

Die Hauptfiguren

Über den Autor

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Epilog

Kater Brown – Die Serie

Kater Brown, der Kater mit der Spürnase, merkt schnell, wenn etwas faul ist – aber die Menschen verstehen seine Hinweise einfach nicht! Bis auf Alexandra Berger. Seit sie gemeinsam ihren ersten Mordfall gelöst haben, weicht Kater Brown der Reisejournalistin nicht mehr von der Seite. Und zusammen können sie Morde aufklären, die auf den ersten Blick gar nicht nach einem Verbrechen aussehen.

Kater Brown ermittelt weiter:

Kater Brown und die Klostermorde

Kater Brown und die tote Weinkönigin

Kater Brown und die Kämpfer des Ostens

Kater Brown und das Testament der Madame Maupu

Über diese Folge

In ihrem neuen Fall reisen Alexandra und Kater Brown in den hohen Norden,  nach Beekersiel an der ostfriesischen Nordseeküste. Dort soll Alexandra über die Eröffnung des neuen Museums berichten – einem spektakulären Neubau, der auf einem Pier mitten im Wasser gebaut wurde. Doch während der Eröffnungfeier wird Christina Hansen, die Leiterin des Museums, ermordet. Und dann nutzt auch noch jemand das Durcheinander, um den Roten Raben – einst im Besitz des berühmten Piraten „Schwarzer Hannes“ und heute Hauptattraktion des Museums  – zu stehlen. Zu allem Unglück ist das Piermuseum durch ein Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten und es ist klar, dass unter den Anwesenden mindestens ein Mörder und Dieb sein muss … Kater Brown und Alexandra nehmen beherzt die Spur des Täters auf und stoßen auf gleich auf mehrere Dinge, die lange im Verborgenen lagen.

Die Hauptfiguren

Kater Brown erinnert mit seinem schwarzen Fell und dem weißen Fleck am Hals an einen Geistlichen – daher, in Anlehnung an Pater Brown, der Name. Er hat einen „siebten Sinn“, wenn es um Verbrechen geht und nimmt mit seiner Spürnase Dinge wahr, die den Menschen entgehen. Seit den Klostermorden in der Eifel hat er entschieden, bei Alexandra zu leben und weicht ihr nicht mehr von der Seite.

Alexandra Berger ist Reisejournalistin und berichtet gerne aus entlegenen, landschaftlich dafür umso schöneren Gegenden. Seit ihrem ersten Mordfall in einem Kloster findet sie großen Gefallen am Ermitteln und am Lösen von Kriminalfällen. Mit ihrer Neugier bringt sie sich allerdings auch öfter mal in Gefahr…

Tobias Rombach ist ein Kollege von Alexandra und stets bereit, sie als Hobby-Detektiv zu unterstützen. Er hat eine Schwäche für Alexandra, aber auch immer eine flapsige Bemerkung auf Lager – und bekommt deshalb regelmäßig einen Korb. Doch Tobias gibt nicht so schnell auf und ist sich ziemlich sicher, dass seine Gefühle irgendwann erwidert werden.

Über den Autor

Ralph Sander arbeitet seit vielen Jahren als Übersetzer und Autor. Unter diversen Pseudonymen sind von ihm etliche erfolgreiche Krimis erschienen. Nachdem er bereits eine Reihe von fiktiven samtpfotigen Helden für seine Krimis erschaffen hat, entstand mit Kater Brown zum ersten Mal eine Figur nach einem realen Vorbild: dem Sanderschen Familienkater Paulchen Panther.

Ralph Sander

Kater Brown und das Rätsel des Roten Raben

Kurzkrimi

beTHRILLED

Digitale Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Julia Feldbaum

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Minaieva Antonina, © shutterstock/joto, © shutterstock/Vector Tradition SM, © shutterstock/Malchev

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-4286-4

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

  Kater Brown machte es sich auf der Friedhofsmauer bequem und beobachtete von dort aus das kleine Cottage, das so dicht neben der Kirche stand, dass zwischen den Außenmauern beider Gebäude bestenfalls noch eine Maus Platz gefunden hätte. Sein Interesse galt aber ohnehin nicht irgendwelchen Beutetieren, er hatte anderes im Sinn. Durch eines der kleinen Fenster sah er den Pastor an einem Sekretär sitzen und schreiben. Im Halbdunkel der herbstlichen Dämmerung war der Kater hingegen für den Geistlichen so gut wie unsichtbar.

Der hagere ältere Mann mochte einen harmlosen Eindruck machen, und er strahlte eine Friedfertigkeit aus, die seinem Beruf angemessen war. Doch wenn es darauf ankam, konnte er zur Furie werden und einen Mann erschlagen, der halb so alt war wie er. Kater Brown hatte es gesehen.

Plötzlich hörte er ein leises Rascheln aus dem Busch an der Friedhofsmauer. Seine Ohren drehten sich ein Stück weit zur Seite, um das Geräusch genauer wahrzunehmen. Gleichzeitig atmete er tief durch die Schnauze ein, um zu erschnuppern, wer oder was sich ihm von dort aus näherte.

Im nächsten Moment schoss etwas Rötliches aus dem Busch und landete nicht weit von ihm entfernt auf der Mauer. Kater Brown nahm die Tatsache gelassen hin, dass es sich bei diesem Etwas um eine getigerte Artgenossin handelte, die ihn argwöhnisch betrachtete.

„Wer bist du?“, fragte die rote Katze.

„Kater Brown. Und du?“

„Was machst du hier?“

Kater Brown drehte seinen Kopf von der roten Katze weg und sah wieder zum Cottage und zum beleuchteten Fenster hinüber. „Ich warte.“

„Worauf?“, wollte die rote Katze wissen.

„Darauf, dass die Menschen mich hier finden und verstehen, dass ich für sie den Mörder aufgespürt habe“, antwortete er gelassen.

„Du hast den Mörder aufgespürt?“ Der Tonfall der Tigerkatze hatte etwas Spöttisches an sich. „Tut mir leid, Kater Brown, aber da kommst du zu spät. Ich wusste schon vor dir, dass Father Mulcahy das Ehepaar Witherspoon auf dem Gewissen hat.“

„Tatsächlich?“, gab er zurück. Auch bei ihm war der leicht ironische Tonfall nicht zu überhören.

„Was heißt hier ‚tatsächlich‘?“, konterte die rote Katze. „Willst du etwa vor mir davon gewusst haben? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Schließlich sehe ich dich heute hier zum ersten Mal.“

„Ich habe nicht behauptet, dass ich es vor dir gewusst habe“, machte Kater Brown ihr seelenruhig klar. „Mit ‚tatsächlich‘ meinte ich das Ehepaar Witherspoon.“

„Was ist mit den Witherspoons? Willst du jetzt behaupten, dass er die beiden nicht umgebracht hat?“

„Natürlich hat er sie umgebracht. Aber wenn das alles ist, was du weißt …“

„Was sollte ich denn noch wissen?“, fragte die rote Katze neugierig.

„Sag mir erst mal, wie du heißt“, wechselte Kater Brown das Thema.

„Isabelle.“

„Also, Isabelle, du kannst zwar vermutlich beweisen, dass Father Mulcahy die Witherspoons ermordet hat“, raunte er und ließ eine kurze Pause folgen, „aber ich habe den Beweis, dass er auch der Mörder der Ainsworth-Drillinge ist.“

Isabelles Augen weiteten sich verdutzt. „Die Ainsworth-Drillinge? Das war Father Mulcahy?“

„Ja, er hat ihnen die Fleischpastete gebracht, die er zum Geburtstag von Bürgermeister Shepperton geschenkt bekommen hatte“, berichtete Kater Brown. „Jeder weiß, dass Shepperton Mulcahy hasst, weil der das Grundstück nicht verkaufen will, das für den Bau dieser Chemiefabrik unbedingt erforderlich ist. Mulcahy hat die Pastete mit Gift versetzt und sie den Drillingen gegeben, weil er ahnte, dass der Tod der drei dem Bürgermeister in die Schuhe geschoben werden kann. Schließlich hatte dieser Politiker ein Motiv, den Geistlichen aus dem Weg zu räumen – und der Pastor kann so tun, als hätte er mit der Pastete nur den drei armen alten Witwen helfen wollen.“

„Raffiniert“, sagte Isabelle und wandte den Blick vom Cottage zu Kater Brown. „Und welchen Beweis hast du, Katerchen?“

„Und … wie kann er es beweisen?“, fragte Bettina neugierig, die über Skype mit ihrer Freundin Alexandra verbunden war.

Die zuckte mit den Schultern und legte den Text zur Seite. „Das weiß ich noch nicht so genau“, antwortete sie.

„Hm“, machte Bettina und grinste sie an. „Ehrliche Worte einer großen Autorin.“

„Ich bin keine ‚große Autorin‘“, widersprach Alexandra sofort und sah nach rechts, wo Kater Brown auf dem Couchtisch lag und die Augen nur einen Spaltbreit geöffnet hatte. Es wirkte so, als wollte er eigentlich schlafen, dabei aber nicht verpassen, wenn irgendetwas Essbares in seine Nähe gelangte. „Da ist halt dieser Verleger, der meinte, ich sollte doch mal einen Krimi mit Kater Brown in der Hauptrolle schreiben, wenn der Kater schon so gut darin sei, Verbrechen aufzuklären.“

„Warum nicht, das ist doch eine gute Idee“, meinte Bettina. „Was sagt denn Tobias dazu?“

„Was soll Tobias dazu sagen? Warum sollte er überhaupt seine Meinung dazu kundtun?“, konterte Alexandra und merkte zu spät, dass ihre Reaktion verräterisch heftig ausgefallen war. Ihr Kollege war seit drei Wochen in Südamerika unterwegs, weil sein Macho-Magazin ihn zu einer Dschungelrallye geschickt hatte. Anders als sonst konnte sie ihn da unten nirgends erreichen – allenfalls über eines der Satellitentelefone, die die Teams mitgenommen hatten. Doch die waren für Notfälle gedacht. Und den bloßen Wunsch, seine Stimme mal wieder zu hören, würde ganz sicher niemand als Notfall anerkennen.

Es war eigenartig, aber erst seit sie, außer einer gelegentlichen E-Mail, nichts von ihm hörte, war ihr bewusst geworden, wie sehr sie sich inzwischen an diesen Mann gewöhnt hatte, der ihr anfangs so auf die Nerven gegangen war.

„Na, ich dachte, unter Kollegen tauscht man sich in solchen Dingen aus“, erklärte ihre Freundin mit Unschuldsmiene. Die Betonung ihrer Worte ließ keinen Zweifel daran, wie sie gemeint waren.

„Also, was hältst du davon?“, wechselte Alexandra das Thema. „Kann man das so schreiben?“

Bettina grinste noch einmal, um deutlich zu machen, dass ihr Alexandras Absicht nicht entgangen war, dann aber wurde sie ernst. „Na ja, ich glaube, so was würde ich lesen wollen. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, was in einem Katzenkrimi passiert. Du weißt ja, Herr der Ringe und Co. Da könntest du mich alles fragen …“ Sie zuckte flüchtig mit den Schultern.

„Aber wie läuft das ab, wenn der Kater mal allein ist? Ich meine, wenn du diese Isabelle erst kurz vor der Auflösung auftauchen lässt, dann hat er ja die ganze Zeit über niemanden, mit dem er reden kann.“

„Nein, nein, das ist nicht das Ende“, warf Alexandra ein. „Ich habe dir aus dem ersten Kapitel vorgelesen. Als Nächstes wird dieser Father Mulcahy entführt, und dann gibt es wieder einen Toten. Damit ist dann klar, dass Mulcahy nicht der Mörder sein kann.“

„Ach so, verstehe. Du lässt es so aussehen, als würden sich die Katzen irren, und schickst deine Leser auf die falsche Fährte?“

„Ja, kann man so sagen“, bestätigte Alexandra schnell, ohne ins Detail zu gehen, denn Details kannte sie selbst noch nicht. Bis vor ein paar Sekunden hatte sie ja nicht mal gewusst, dass jemand Father Mulcahy entführen würde. Aber diese Notlüge war gar keine so schlechte Idee. Daraus ließ sich etwas machen.

„Redet denn der Kater auch mit Menschen, oder gibt es diese Szenen nicht?“, wollte Bettina wissen.

„Ich will ihn nicht so vermenschlichen“, sagte Alexandra. „Meine menschlichen Helden unterhalten sich ganz normal, sie reden auch mit den Katzen, aber sie bekommen keine Antworten, die sie verstehen können. Die Katzen unterhalten sich untereinander, aber die Menschen hören nur ‚miau, miau‘.“

„Find ich gut“, urteilte Bettina. „Du darfst so weitermachen.“

„Zu gnädig“, gab Alexandra zurück und zwinkerte ihrer Freundin zu. In diesem Moment ertönte ein Wecker. „Oh, lass uns Schluss machen, Süße, ich muss zu meinem Termin.“

„Alles klar, meld dich, wenn du wieder zu Hause bist“, sagte Bettina, dann beendete sie das Gespräch.

Alexandra fuhr den Rechner runter und stand auf. Kater Brown hob lediglich die Augenlider an und sah ihr nach, ohne den Kopf zu bewegen.

„Ja, ich weiß, Kleiner“, sagte sie. „Du hast deinen schwarzen Anzug ja immer an, du musst dich nie umziehen. Weißt du, es gibt Tage, da beneide ich dich um dein Fell. Du musst dir keine Gedanken machen, ob du das rote oder das blaue Oberteil anziehen sollst und …“

Kater Brown kniff demonstrativ die Augen fest zu, als wollte er ihr sagen, dass sie ihn mit ihren banalen Sorgen sooo sehr langweilte. Die einzige Frage, die in seinem Katzenkosmos eine Rolle spielte, war die, wo der nächste volle Fressnapf herkam.

„Schon gut, Katerchen, ich habe verstanden“, fügte sie amüsiert hinzu und holte eine neue Jeans und den dickeren Pullover aus der Reisetasche, da es jetzt im Februar immer noch kalt war. Der Wind, der von der Nordsee kommend über das beschauliche Fischerdorf Beekersiel wehte, brachte um diese Jahreszeit beharrliche Kälte mit sich, und der Weg über den Pier zum Museum würde zwangsläufig ungeschützt sein – ganz abgesehen davon, dass sie erst später am Abend von dort zurückkehren und es dann noch ein paar Grad kälter sein würde.

„Ich nehme an, ich kann dich nicht für einen wärmenden Umhang begeistern, wie?“, sagte sie zu Kater Brown, der sofort aufstand und sich unter den Tisch verkrümelte, wo er vor ihrem Zugriff geschützt war. „Na, das lasse ich auch als Antwort gelten.“ Alexandra grinste und legte den Katzenumhang – der eigentlich ein Hundeumhang war (aber wer sah da schon so genau hin?) – zurück aufs Bett.

Schließlich war sie fertig angezogen, steckte das Smartphone ein, das zugleich als Diktiergerät und als Kamera dienen würde, und holte Kater Brown unter dem Tisch hervor. Der setzte sich zwar nicht mit Krallen oder Zähnen zur Wehr, verlieh aber mit einem gedehnten Miauen seinem Unmut darüber Ausdruck, dass er seinen Platz räumen sollte.

Alexandra trug den Kater so auf dem Arm, dass er die Vorderpfoten auf ihre Schulter stützen konnte, und verließ ihr Zimmer in der kleinen Pension. Sie ging die schmale Treppe hinunter. Unten angekommen begegnete ihr Frau Gieter, die sie offenbar hatte abpassen wollen. Die ältere Dame kam aus dem Zimmer im Parterre. Hier wurde morgens das Frühstücksbuffet aufgebaut, für den Rest des Tages diente es als improvisierte Rezeption für die Gäste, und abends schließlich wurde es in das private Wohnzimmer verwandelt.

Es war gerade dieses Behelfsmäßige, das den Charme dieser Pension ausmachte, auf die Alexandra nur durch Zufall gestoßen war. Wegen einer Doppelbuchung war ihr Zimmer im einzigen größeren Hotel am Ort bei ihrer Ankunft bereits anderweitig vergeben gewesen, sodass sie sich ein Ausweichquartier hatte suchen müssen. Die Pension Zur Möwe war zwar im Vergleich zum vorgesehenen Hotel eine bescheidene Unterkunft, aber in ihrer Art so originell, dass Alexandra ihren Chefredakteur hatte überreden können, auch gleich noch einen Artikel über die Pension zu schreiben. Der Text sollte in einer der nächsten Ausgaben des Reisemagazins TravelTime erscheinen.

„Ah, Frau Berger, ich sehe, Sie machen sich auf den Weg“, sagte Frau Gieter freundlich lächelnd, dann deutete sie auf Kater Brown. „Wollen Sie Ihr Kätzchen nicht lieber hierlassen? Nicht, dass dem Schatz was passiert.“

Alexandra schüttelte den Kopf. „Kater Brown kann es kaum erwarten, genau da zu sein, wo der größte Trubel herrscht. Und ganz unter uns … er mag es gar nicht, ‚Kätzchen‘ genannt zu werden. Mit gut acht Kilo liegt er doch ein klein wenig über der Kategorie ‚Kätzchen‘“, fügte sie mit einem Augenzwinkern an.

„Er ist aber auch ein Prachtbursche“, stimmte die Pensionswirtin fröhlich zu. „Und mit diesem kleinen weißen Latz sieht er aus wie ein Pastor. Den Namen Kater Brown haben Sie wirklich passend gewählt.“

„Das war nicht meine Idee, auch wenn ich vielleicht auf den gleichen Gedanken gekommen wäre“, räumte Alexandra ein. „Den Namen haben ihm Mönche in einem Kloster in der Eifel gegeben.“

„Diese Mönche hatten Humor, wenn so ein Name ausgerechnet von ihnen kommt“, meinte Frau Gieter und nahm ihre Jacke vom Garderobenhaken. „Und die haben Ihnen das stattliche Tier einfach überlassen?“

„Nein, nein, das hat er ganz allein zu verantworten“, erklärte sie. „Er hat sich damals einfach in meinen Wagen geschlichen und dort versteckt. Und erst als ich wieder zu Hause ankam, ließ er sich blicken. Vermutlich wusste er, dass seine Arbeit im Kloster erledigt war und er sich woanders einquartieren konnte.“

„Seine Arbeit?“, fragte Frau Gieter ungläubig, während sie die Jacke anzog. „Heißt das, er hat dort alle Mäuse gefangen?“

„Nein, er hat eine Mordserie aufgeklärt“, antwortete Alexandra. Ihr entging nicht, dass Frau Gieter ihr einen zweifelnden Blick zuwarf. Aber daran hatte sich Alexandra inzwischen gewöhnt. „Ich weiß, wie sich das anhört. Aber der Kater hat tatsächlich erst auf die Toten aufmerksam gemacht und dann durch sein Verhalten dafür gesorgt, dass der Täter überführt werden konnte.“

„Meinen Sie nicht, dass das reiner Zufall war?“, fragte die Pensionswirtin. „Sicher, Tieren wird ein sechster Sinn nachgesagt, und sie sollen auch, anders als wir Menschen, sofort fühlen, wer es gut mit ihnen meint und wer nicht. Aber einen Mörder überführen … ich weiß nicht.“

„Es ist nicht bei den Morden in diesem ehemaligen Kloster geblieben“, sagte Alexandra, während sie zusammen zur Haustür gingen. „Haben Sie was zu erledigen, Frau Gieter?“

„Ja, und ich werde Sie sogar den ganzen Weg bis zum Museum begleiten“, erwiderte die ältere Dame mit einem Lächeln. „Ich helfe am Buffet mit, um die Gäste mit Häppchen und Getränken zu versorgen.“

„Ach, das ist ja praktisch. Dann muss ich Sie nicht bitten, mir den Weg zu erklären.“

„Und ich darf vielleicht erfahren, was Ihr Wunderkater noch alles geleistet hat“, gab Frau Gieter mit neugierigem Blick zurück. Sie zog die Tür hinter sich zu und bedeutete Alexandra, sich nach links zu wenden. „Wir nehmen den Weg über den Deich, der bietet die bessere Aussicht.“

Alexandra sah in die angegebene Richtung und schüttelte den Kopf. „Wenn diese Deiche nicht so eine wichtige Rolle spielen würden, müsste man eigentlich sagen, dass sie einen eher um die schöne Aussicht aufs Meer bringen.“

„Oh ja, das tun sie“, stimmte die andere Frau zu. „Man lebt am Meer, aber wenn man aus dem Haus kommt, sieht man nur eine Wand vor sich, die mit Grünzeug bewachsen ist. Aber ohne Deich müssten wir bei jedem Sturm zittern, dass hier ein paar Stunden später alles unter Wasser steht. Und die Touristen kommen so oder so her, demnächst wird unser neues Museum ja noch mehr Urlauber anlocken.“

„Ich bin schon sehr gespannt, was es alles zu sehen gibt“, sagte Alexandra. „Diese Presseeinladung ist ja nicht allzu sehr ins Detail gegangen.“

„Sie werden angenehm überrascht sein, das kann ich Ihnen versichern.“

Sie gingen vorbei an gedrungenen Einfamilienhäusern, die durch die hohen Reetdächer und die kleinen Fenster im Erdgeschoss so wirkten, als würden sie sich am Boden unter ihnen festklammern, um dem Wind zu trotzen. In den Vorgärten herrschte an Sträuchern und Bäumen noch gähnende Leere, die Blumenbeete beherbergten ein paar winterharte Pflanzen, die von der Bezeichnung Farbenpracht weit entfernt waren. In den meisten Häusern brannte bereits Licht. Obwohl es noch taghell war, musste es wegen der kleinen Glasflächen der Fenster im Inneren schon recht düster sein.

Frau Gieter und Alexandra überquerten die schmale Straße, die am Deich entlang verlief, dann bewältigten sie die steile Treppe, die sie auf die Krone des Deichs führte. Oben angekommen wehte ihnen ein kräftiger Wind entgegen, der lautes Meeresrauschen und das durchdringende Kreischen der Möwen mit sich trug und so unverhofft kam, dass es Alexandra für einen Moment den Atem verschlug. Kater Brown wurde unruhig, und sie setzte ihn ab, da sie wusste, dass er nicht länger getragen werden wollte.

Eine weitere Böe zerzauste Alexandras Haar. Während sie Mühe hatte, ihre vom Wind geplagte Mähne zu bändigen, musste Frau Gieter lachen. „Jetzt verstehen Sie bestimmt, warum ich diese Frisur trage, Frau Berger“, sagte sie und deutete auf ihren Kopf. Sie hatte sich eine Kurzhaarfrisur schneiden lassen, die ihr ausgesprochen gut stand. Alexandra fand zwar, dass solche Frisuren einer Frau oft einen sehr maskulinen Touch verliehen, aber im Fall von Frau Gieter war das eindeutig nicht so. Die Frau, die Alexandra auf Ende fünfzig, Anfang sechzig schätzte, war von zierlicher Statur und hatte ein recht schmales Gesicht mit einer leichten Stupsnase. Ihre Haare glänzten silbergrau. Tatsächlich hätte eine voluminöse Frisur erdrückend gewirkt und die Pensionswirtin schmächtig wirken lassen.

„Da haben Sie das schmerzlich vermisste Meer“, sagte Frau Gieter und deutete auf die aufgewühlte See.

Nach den zahllosen Schaumkronen zu urteilen und danach, wie weit die Wellen sogar jetzt bei Ebbe den Strand überspülten, war das nicht bloß ein kräftiger Wind, sondern schon eher ein Sturm, überlegte Alexandra und sah Kater Brown hinterher, der zielstrebig in die Richtung davonmarschierte, in die sie auch gehen würden – nur dass er das noch gar nicht wissen konnte.Verwundert zog sie eine Augenbraue hoch und fragte sich, ob das wohl ein Omen sein sollte. Hatte dieser unmögliche Kater schon wieder eine Leiche gewittert?

„Ein wunderschöner Anblick“, erwiderte Alexandra begeistert. „Und der Strand ist jetzt noch wie leer gefegt. Wenn man bedenkt, dass es da unten in ein paar Monaten von sonnenhungrigen Menschen nur so wimmelt, dann ist diese Ruhe gleich um ein Vielfaches wertvoller.“

„Recht haben Sie, Frau Berger, aber ohne die Touristen wäre Beekersiel das ganze Jahr hindurch eine Geisterstadt. Es gibt nur wenige Leute, die nicht am Fremdenverkehr verdienen, aber das sind die, die sowieso genug Geld haben. Beekersiel wäre dann nichts weiter als eine Siedlung voller Zweitwohnsitze für ein paar reiche Unternehmer, die normalerweise in Hamburg oder Hannover wohnen.“

Die beiden Frauen liefen strammen Schrittes los und folgten Kater Brown.

„Sie wollten mir doch noch erzählen, was Ihr Kätz…, was Ihr Kater alles so vollbracht hat“, erinnerte Frau Gieter ihren Pensionsgast nach ein paar Metern.

Alexandra nickte und machte einem Ehepaar Platz, das ihnen mit einem Kinderwagen und drei etwas größeren Sprösslingen entgegenkam, die Kater Brown interessiert musterten, aber auf Abstand zu ihm blieben.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also … zuletzt hat er uns auf die Spur einer Mordserie in einem Weihnachtsdorf gebracht, die andernfalls wohl erst so spät aufgefallen wäre, dass man den Täter nicht mehr hätte überführen können.“

„Was ist denn ein Weihnachtsdorf? Na, das müssen Sie mir genauer erzählen“, drängte die Pensionswirtin.

„Das ist aber eine längere Geschichte.“

Frau Gieter grinste Alexandra amüsiert an. „Wir haben ja noch ein paar Minuten, ehe wir am Ziel sind.“

„Also gut …“, gab Alexandra sich geschlagen.

Kater Brown hörte, wie sich die Frau, die ihm regelmäßig Futter gab und ihn streichelte, mit der Frau mit der hohen Stimme unterhielt. Er wusste, dass sie über ihn redeten, weil ein paarmal der Name fiel, den er immer dann hörte, wenn sie ihn zu sich rief oder wenn sie ihn streichelte, was sie oft und ausgiebig tat.

Gegen die großen Menschen hatte er normalerweise nichts, außer natürlich, es waren schlechte Menschen, die ihresgleichen oder Tieren etwas antaten oder antun wollten. Diese Menschen mochte er gar nicht.

Bei den drei kleinen Menschen, die ihm auf dem Deich entgegengekommen waren, hatte Kater Brown schon auf einige Entfernung wittern können, dass sie nicht versuchen würden, ihn zu streicheln. Sie hatten nämlich Angst vor ihm gehabt.

Das kannte Kater Brown vorwiegend von Hunden, die zwar laut bellten, wenn sie ihn sahen, die aber nervös zu zwinkern anfingen, wenn er vor ihnen stehen blieb und sie anstarrte. Er tat das nicht, um sie zu ärgern, auch wenn die Menschen das meinten. Er tat es, weil er wissen wollte, warum er angebellt worden war. Da die Hunde dann aber immer sehr kleinlaut wurden, war er einer Erklärung noch nicht näher gekommen. Es gab auch ein paar Hunde, die keine Angst vor ihm hatten, vielleicht weil sie noch nie jemandem wie ihm begegnet waren. Sie konnte Kater Brown gar nicht leiden, denn anstatt auf Abstand zu bleiben, kamen sie auf die dumme Idee, ihn abzulecken. Er konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als Hundesabber auf seinem Fell.

Auch jetzt war da ein Hund, der zu einem Stück Ast lief, den sein Mensch weggeschleudert hatte. Der Hund kam mit dem Stück Holz quer im Maul die Schräge raufgelaufen, entdeckte Kater Brown, ließ den Ast fallen und lief eilig davon. Der Mensch, der zu ihm gehörte, rannte ebenfalls los und rief wiederholt laut einen Namen, aber der Hund reagierte nicht.

Kater Brown kümmerte sich nicht weiter darum, sondern setzte seinen Weg fort. Er spürte, dass es ein aufregender Abend werden würde und dass noch jede Menge Arbeit auf ihn wartete …

„Da vorn ist es“, sagte Frau Gieter, nachdem sie gut zwanzig Minuten gegangen waren und Alexandra die frische Luft ausgiebig genossen hatte. Die Pensionswirtin zeigte auf ein ausladendes Bauwerk am Ende eines langen Piers, der weit ins Meer hinausragte. Das Museum war ein großes Sechseck, das an allen Seiten von weiteren, kleineren Sechsecken umgeben war. Das Ganze erinnerte aufgrund seiner Form unweigerlich an Bienenwaben, gleichzeitig musste Alexandra beim Anblick dieser modulartigen Bauweise an eine Raumstation denken, die nach und nach erweitert worden war.

„Eine ungewöhnliche Form“, stellte Alexandra fest.

„Die geht auf den Gründer unseres Museums zurück, Malte Johannsen“, antwortete die Pensionswirtin. „Der hat im 19. Jahrhundert ein Vermögen mit dem Export von Honig gemacht und unserem Dorf damals das Friesland-Museum geschenkt.“

„Aber dieser Pier sieht noch relativ neu aus … und noch nicht mal ganz fertig, wenn ich das richtig sehe“, wandte Alexandra ein.

„Stimmt“, bestätigte Frau Gieter, „und tatsächlich ist der Bau noch nicht komplett abgeschlossen. Aber bis zur offiziellen Eröffnung ist das alles erledigt.“ Dabei sah sie auf ihre Armbanduhr. „Huch, wir sind ja viel zu früh dran … das heißt, Sie, meine Liebe, sind zu früh dran.“