Katharina von Medici - Cornelia Wusowski - E-Book
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Katharina von Medici E-Book

Cornelia Wusowski

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Beschreibung

Frau, Mutter, Königin – das opulente Portrait einer starken Persönlichkeit: „Katharina von Medici“ von Cornelia Wusowski jetzt als eBook bei dotbooks. Große Politikerin oder eiskalte Mörderin? Liebende Mutter oder intrigante Herrscherin? Katharina von Medici ist erst vierzehn Jahre alt, als sie 1533 mit Heinrich II. vermählt wird. Dabei kennt sie den späteren König nicht einmal – und sein Herz gehört einer anderen. Aber Katharina lässt sich von der Ablehnung ihres Gatten nicht einschüchtern, sondern bemüht sich, seine Liebe zu gewinnen. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Als zwischen den Eheleuten endlich Zuneigung erwächst, stirbt Heinrich bei einem Unfall. Katharina übernimmt anstelle ihres minderjährigen Sohnes die Regentschaft über Frankreich – und wird zu einer der mächtigsten und umstrittensten Frauen der europäischen Geschichte! „Ein Meisterwerk von der deutschen First Lady des historischen Romans.“ Grosse-Literatur.de Ein farbenprächtiger Roman, der die Zeit der Renaissance lebendig werden lässt! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Katharina von Medici“ von Cornelia Wusowski. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 2285

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Über dieses Buch:

Große Politikerin oder eiskalte Mörderin? Liebende Mutter oder intrigante Herrscherin?Katharina von Medici ist erst vierzehn Jahre alt, als sie 1533 mit Heinrich II. vermählt wird. Dabei kennt sie den späteren König nicht einmal – und sein Herz gehört einer anderen. Aber Katharina lässt sich von der Ablehnung ihres Gatten nicht einschüchtern, sondern bemüht sich, seine Liebe zu gewinnen. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Als zwischen den Eheleuten endlich Zuneigung erwächst, stirbt Heinrich bei einem Unfall. Katharina übernimmt anstelle ihres minderjährigen Sohnes die Regentschaft über Frankreich – und wird zu einer der mächtigsten und umstrittensten Frauen der europäischen Geschichte!

»Ein Meisterwerk von der deutschen First Lady des historischen Romans.« Grosse-Literatur.de

Über die Autorin:

Cornelia Wusowski wurde 1946 in Fulda geboren. 1971 schloss sie ihr Studium der Politischen Wissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin mit dem Diplom ab. Bis 2009 war Cornelia Wusowski im Höheren Verwaltungsdienst tätig. Anfang der 1990er-Jahre schrieb sie ihren ersten historischen Roman. Auf ihr erfolgreiches Debüt »Die Familie Bonaparte« folgten weitere Romanbiografien großer historischer Persönlichkeiten. Diese bieten dank der detaillierten Recherche von Cornelia Wusowski einen überzeugenden Einblick in die Charaktere.

Cornelia Wusowski veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Romanbiografien »Elisabeth I.«, »Friedrich der Große: Der ungeliebte Sohn«, »Friedrich der Große: Der einsame König« und »Die Familie Bonaparte«.

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eBook-Neuausgabe Juli 2016

Copyright © der Originalausgabe 2001 Schneekluth Verlag GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Gemäldes eines anonymen Künstlers

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-763-5

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Cornelia Wusowski

Katharina von Medici

Die große Romanbiografie

dotbooks.

Für Elke Bast

Erster Band

Im Schatten der Lilie 1519 – 1559

Erstes Buch

Kindheit und Jugend (1519 – 1533)

Kapitel 1

Am frühen Abend des 28. April 1519 herrschte in Florenz auf dem Ponte Vecchio das übliche emsige Leben: Die Metzger, Gerber, die Barbiere, Kürschner, Schuhmacher, Hufschmiede, Chirurgen, Notare und ein Goldschmied priesen ihre Waren und Dienstleistungen an und arbeiteten emsig, nur geschützt durch Wetterdächer, Zelte oder Auskragungen von Häusern. Einige Geldwechsler standen hinter ihren Bänken und hielten sich ein Tuch vor die Nase wegen des üblen Geruchs, den die Gerber verursachten, die nun – nachdem sie die Häute monatelang eingeweicht hatten – diese mit Pferdeharn gerbten. Als die Glocken des Domes Santa Maria del Fiore den Abend einläuteten, betrat ein Mann die Brücke am unteren Ende und bahnte sich langsam seinen Weg durch die Menschenmenge nach oben. Er trug die Kleidung der ehrwürdigen älteren Männer, den so genannten lucco, ein langes Gewand aus schwarzem Tuch mit weiten Ärmeln und Kapuze, das vorne geknöpft und ohne Gürtel getragen wurde. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen, wollenen mazzochino; dieses Tuch rollte man wie eine Krone zusammen und ließ den Zipfel hinten herabhängen.

Jeder, der ihn sah, grüßte respektvoll, und er dankte freundlich und liebenswürdig. Auf der Mitte der Brücke angekommen ging er in den kleinen, bescheidenen Laden des Goldschmiedes, dessen Inhaber ein Meister seiner Zunft war und erst wenige Monate zuvor aus der Stadt auf die Brücke übersiedelt war.

»Willkommen, Signor Bicci!«, rief der Goldschmied. »Wie geht es der Signora? Man erzählt, dass sie die Krise überstanden hat.«

Eduardo Alessandro Biccis Miene verdüsterte sich. »Gott hat es anders gewollt, Signor Leonardo«, erwiderte er leise. »Meine Mutter ist vor wenigen Stunden gestorben.«

Der Goldschmied starrte den Besucher erschrocken an und vergaß vor Betroffenheit, sein Beileid auszusprechen, was Signor Bicci allerdings nicht bemerkte. Er holte ein kleines, ovales Medaillon hervor, auf welchem die Madonna mit dem Kind abgebildet war, betrachtete es nachdenklich und gab es schließlich dem Goldschmied.

»Dieses Medaillon, Signor Leonardo, hat meine Mutter stets bei sich getragen, es war ein Talisman …« Er zögerte etwas. »Sie wissen, dass sie mit dem zweiten Gesicht begabt war, manche Ereignisse vorhergesehen hat. Vielleicht hing es mit diesem Medaillon zusammen, wer weiß. Nun, ich möchte, dass sie es mit in ihr Grab nimmt, und damit das Bild erhalten bleibt, sollen Sie es mit purem Gold umschließen und mit Brillanten, Smaragden, Rubinen und Saphiren besetzen, das bin ich meiner seligen Mutter schuldig.«

Signor Leonardo holte zwei Goldbarren und legte sie auf den Tisch. »Wünschen Sie Gelbgold oder Rotgold?«

»Rotgold.«

»Sehr wohl, Signor Bicci. Morgen Abend werde ich Ihnen das Medaillon schicken.«

Er begleitete den Bankier bis zur Tür und ging zusammen mit ihm hinaus, um einige Minuten das Leben und Treiben auf der Brücke zu beobachten.

Der Bankier sah hinauf zu dem wolkenlosen Himmel und sog die Frühlingsluft ein.

»Wie warm es noch ist.«

»Sie werden sicherlich viele Trauergäste einladen.«

»Nein, meine Mutter hat immer ein schlichtes Begräbnis im Familienkreis gewünscht.«

Der Goldschmied, der jede Gelegenheit nutzte, um seinen Kunden zu schmeicheln, erwiderte: »Ihre Familie wird bald so reich und mächtig sein und die Künstler fördern wie einst die Medicis.«

»Sie irren, Signor Leonardo. Uns genügt der Reichtum, wir streben nicht nach Macht, zumal die Florentiner schwierig zu regieren sind. Die Förderung der Künste ist bestimmt reizvoll und interessant, aber wo sind die Künstler? Botticelli, Donatello und all die andern sind tot, Andrea del Sarto und Leonardo da Vinci leben in Frankreich, Michelangelo arbeitet in Rom. Nur Lorenzo di Credi und der jüngere della Robbia sind noch hier. Man muss es einmal offen sagen: Die Blütezeit von Florenz ist vorüber. – Doch sehen Sie, wer da kommt.«

Vom oberen Ende der Brücke näherte sich ein Reiter, der von einigen Bewaffneten, Dienern und einem Priester begleitet wurde, die ihre Reit- und Gepäckpferde am Zügel führten.

Der Reiter war ein großer, schlanker Mann in mittleren Jahren, dessen Gesichtszüge angenehm wirkten. Wer ihn indes genauer betrachtete, erkannte, dass seine Augen kühl und berechnend die Umgebung musterten.

Die Florentiner traten zwar zur Seite und grüßten, viele hingegen betrachteten ihn feindselig. Als er nun ein purpurnes, seidenes Tuch hervorzog und es vor die Nase hielt, ging ein empörtes Raunen durch das Volk, und einer der Gerber sagte zu seinem Nachbarn: »Er ist ein Medici und hält sich die Nase zu. Waren die Medici nicht immer dem Volk verbunden, haben sie sich nicht immer für die Interessen der kleinen Leute eingesetzt?«

»Sieh an«, sagte der Goldschmied mit spöttischem Unterton. »Giulio von Medici im purpurnen Kardinalsgewand. Was will der in Florenz? Warum ist er nicht in Rom geblieben bei seinem Vetter Giovanni, dem jetzigen Papst Leo X.?«

»Er wird wahrscheinlich die Herzogin und ihre kleine Tochter besuchen, die sie am 13. April zur Welt gebracht hat.«

»Ein Mädchen, mein Gott, ein Mädchen ist also der letzte legitime Nachkomme Lorenzos des Prächtigen. Mit ihr stirbt diese Linie aus. Nach allem, was man hört, wird die Herzogin wohl keine Kinder mehr bekommen. Naja, sic transit gloria mundi.« Seit dem Tod Lorenzos des Prächtigen war der Glanz der Medicis verblasst. Zwar hatte mit der Wahl des Kardinals Giovanni ein Medici den Papstthron bestiegen und seinem Neffen Lorenzo die Herrschaft über Florenz gesichert, doch die Überschreibung des Herzogtums von Urbino an denselben war auf unrechtmäßige Weise zustande gekommen.

Lorenzos Unbeliebtheit im Volk war sprichwörtlich, sein ausschweifender Lebenswandel weithin bekannt. Daran änderte auch die sanfte Anmut seiner Gattin nichts, die sofort nach ihrer Ankunft die Herzen der Florentiner gewonnen hatte.

Im Vorbeireiten erinnerte sich Kardinal Giulio, wie oft der Papst und er Lorenzo wegen seines lasterhaften Lebensstils getadelt hatten. Doch der hatte alle Ermahnungen in den Wind geschlagen und wurde nun, noch nicht dreißigjährig, von der Lustseuche zerstört und hinweggerafft. Beim Palazzo Medici in der Via Larga angekommen, befahl er dem Priester, mit dem herzoglichen Haushofmeister die Unterbringung zu regeln. Während die Pferde an den schweren Eisenringen der Hauswand festgebunden wurden, betrachtete Kardinal Giulio das festungsartige Gebäude aus massivem Mauerwerk. Sein Großvater Cosimo hatte es von dem berühmten Baumeister Michelozzo errichten lassen. In der Vergangenheit haben die Patrizier sich entweder gegenseitig bekämpft, oder sie mussten vor Volksaufständen Zuflucht suchen. Siebzig Jahre ist der Palazzo alt, dachte er. Lorenzos kleine Tochter ist die sechste Generation, die hier wohnt … Wie lange noch …? Das Gebäude wird die Jahrhunderte überdauern, die Familie Medici hingegen …

Er trat durch das Tor des schmalen, hohen Vorhofs und ging weiter zum Innenhof, wo sich vom Frühjahr bis zum Herbst das Leben der Hausgemeinschaft unter freiem Himmel abspielte. An jenem Abend jedoch standen nur einige Diener in den Ecken herum, einige Wachsoldaten gingen gelangweilt in den Kolonnadengängen auf und ab, und das leise Klirren ihrer Schwerter war das einzige Geräusch, das die Totenstille durchschnitt. Und auf einmal wusste der Kardinal, warum er den Palazzo an jenem Tag als besonders düster und abweisend empfand: Hinter diesen Mauern gab es kein Leben mehr, und etwas wehmütig erinnerte er sich an seine Kinderjahre. Hier, im Innenhof und in dem sich anschließenden Garten, hatte er mit Cousins und Cousinen gespielt, Dienstboten waren die Treppen hinauf und herab gelaufen, im Sommer hatten hier Bankette, Bälle und Maskeraden stattgefunden. Hier war sein Onkel, Lorenzo der Prächtige, plaudernd mit dem jungen Michelangelo auf und ab gegangen.

Er sah hinauf zum ersten Stock und dachte daran, dass dort oben zwei Menschen den Tod erwarteten und es ungewiss war, ob das kleine Mädchen die nächsten Wochen und Monate überlebte … Ich muss meiner Familie die Herrschaft über die Stadt Florenz sichern, sinnierte er, es gibt nur noch einen männlichen Medici, der würdig ist, hier zu regieren …

Er winkte einen Diener herbei und befahl ihm, ihn zu den privaten Gemächern des herzoglichen Paares zu führen, die im westlichen Flügel des Palazzos lagen. Ich werde zuerst die Herzogin besuchen, entschied er sich, während er die Treppe hinaufging, ich muss das kleine Mädchen sehen.

Als er das Schlafzimmer der Herzogin betrat, blieb er an der Schwelle stehen und ließ seine Augen zu dem großen Fenster wandern, durch das die kühle Abendluft hereinstrich. Zur Linken stand eine reich verzierte Wiege aus Ebenholz, an deren Kopfende eine dunkelhaarige Amme saß. Sie sang mit leiser Stimme ein Kinderlied.

Er blickte hinüber zu dem riesigen ausladenden Prunkbett, das von einem kunstvollen Baldachin aus rotem, mit Goldbrokat besetztem Samt überspannt war. Es dauerte einige Sekunden, bis er in der seidenen Pracht die Herzogin entdeckte, und er näherte sich zögernd dem Bett. Magdalena von Medici, Herzogin von Urbino, eine geborene de la Tour d’Auvergne, lag blass, schmal und zerbrechlich in den Kissen. Die dunkelblonden Haare waren feucht vom Schweiß, und als der Kardinal den Ausdruck der graublauen Augen genauer betrachtete, spürte er, dass sich das Leben der jungen, noch fast kindlichen Frau zu Ende neigte.

Magdalena versuchte zu lächeln, doch der hagere Mann, dessen kalte Augen wachsam alles beobachteten, flößte ihr Furcht ein. Trotz seiner geistlichen Maske ahnte sie, dass sie für ihn und seinen päpstlichen Vetter nur eine Schachfigur in den Beziehungen des Vatikans zu Frankreich war.

»Ich danke Ihnen, Onkel Giulio, dass Sie gekommen sind. Mein Brief muss wie ein einziger Hilferuf geklungen haben, aber ich sah keine andere Möglichkeit … Mein Kind wird bald eine Waise sein … Ich bitte Sie, kümmern Sie sich um meine Tochter, sie hat nicht viele Verwandte in Florenz, nur ihre Großmutter Alfonsina Orsini und Maddalena Cibo, eine Tante meines Mannes … Bei ihrer Tante, Clarissa Strozzi, wäre sie am besten aufgehoben, aber Clarissa lebt in Rom. Sie werden sich um mein Kind kümmern, nicht wahr?«

»Selbstverständlich, Magdalena«, sagte er und sah verlegen hinüber zu der Wiege, weil er die flehenden Augen der jungen Frau nicht länger ertragen konnte. »Ich will noch einige Zeit hier bleiben und mich um die Angelegenheiten der Stadt kümmern, es liegt vieles im Argen.«

Bei den letzten Worten verfinsterte sich seine Miene, und die Herzogin spürte, dass Florenz ihn mehr interessierte als ihr Kind. Die Kleine wäre wahrscheinlich bei den Verwandten in Frankreich besser aufgehoben, dachte sie, aber die Reise war zu weit …

Der Kardinal unterbrach ihre Gedanken. »Was ist mit der jüngeren Linie unseres Hauses? Man könnte deine Tochter auch der Obhut Giovannis und seiner Frau Maria Salviati anvertrauen.«

»Nein. Glauben Sie wirklich, Onkel Giulio, dass Giovanni an der Urenkelin Lorenzos des Prächtigen interessiert ist? Er wartet wahrscheinlich schon auf den Augenblick, dass seine Nachkommen über Florenz regieren werden.«

»Nein, Magdalena, Giovanni ist mit Leib und Seele Soldat. Überdies gibt es auch in der älteren Linie noch männliche Medicis.«

»Ich weiß, Onkel Giulio«, erwiderte sie leise, sah ihn prüfend an, und er spürte, dass sie ahnte, was in ihm vorging. Er schwieg, und während er hinüber zur Wiege ging, kam es Magdalena vor, als begutachtete er ihre Tochter wie eine Ware.

»Katharina«, murmelte Giulio, »Katharina von Medici.« Gütiger Himmel, dachte er, was für ein hässliches Kind – bräunliche Haut, dunkle Haare … und das bei einem Mädchen … Warum hat sie nicht die blonden Haare und die weiße Haut ihrer Mutter geerbt? Hoffentlich erschweren diese Mängel nicht ihre Verheiratung!

Magdalenas Mutter, eine geborene Johanna von Bourbon-Vendôme, war königlichen Geblüts und konnte ihren Stammbaum bis zu Ludwig dem Heiligen zurückführen.

Die durch geschickten Geldhandel reich und mächtig gewordene Bankiersfamilie der Medicis, in die sie hineinverheiratet worden war, hatte Ehre und Einfluss durch die eheliche Verbindung mit der Aristokratie vermehrt.

In diesem Augenblick öffnete Katharina die Augen und sah den Kardinal fragend an. Giulio seufzte unhörbar, auch das noch, dachte er, sie hat die dunklen, etwas vorstehenden Augen der Medicis, wahrscheinlich hat sie die abstoßende Hässlichkeit Lorenzos des Prächtigen geerbt …

Er schlug die Decke zurück, hob das Kind vorsichtig hoch, und dabei fiel ihm ein, was der Dichter Ariost, der in jenem Frühling in Florenz weilte, anlässlich Katharinas Geburt geschrieben hatte: »Ein winziger Zweig wird grün mit einigen Blättern; und ich schwebe zwischen Furcht und Hoffnung, ob ihn der Winter mir erhalten oder mir entreißen wird.« In diesem Augenblick begann das Kind leise zu weinen.

»Ich glaube, sie hat Hunger«, sagte er zur Amme.

»Nein, Eminenz, ich habe sie erst vor einer Stunde gestillt.«

Der Kardinal betrachtete ratlos das Kind, das nicht aufhörte, leise vor sich hin zu weinen. »Du magst mich wohl nicht«, sagte er halb scherzhaft, halb verärgert. »Du wirst dich an mich gewöhnen müssen.« Er legte sie zurück in die Wiege, woraufhin das Weinen aufhörte, und ging zur Herzogin. »Hat ein Astrologe ihr Horoskop erstellt, Magdalena?«

»Ja, Onkel Giulio.« Sie zögerte etwas und beschloss, ihm nur die beiden ersten Voraussagen anzuvertrauen und die dritte für sich zu behalten. Sie wusste nicht, warum, hielt es aber für besser, weil ihre Tochter wahrscheinlich irgendwann diese Voraussagen erfahren würde – und die dritte Prophezeiung, überlegte Magdalena, wird sie nur belasten.

»Der Astrologe hat geweissagt, dass sie fern von Florenz leben und viele Kinder zur Welt bringen wird.«

»Gütiger Himmel!«, rief Giulio. »Ist das alles, was er aus dem Stand der Sterne gelesen hat? Das ist weiß Gott nicht viel, jede gesunde Frau hat viele Kinder, und sie wird natürlich fern von Florenz leben, es ist unwahrscheinlich, dass sie in dieser Stadt ihren künftigen Gatten findet.«

»Onkel Giulio, wenn Katharina viele Kinder zur Welt bringt, so bedeutet dies, dass sie die ersten Jahre überleben wird.«

Während dieser Worte dachte sie an die dritte Prophezeiung: »Der Tod wird das Leben Ihrer Tochter begleiten, sie wird die Ursache großen Unglücks sein«, der Tod, mein Gott, der Astrologe hatte Recht, der Tod begleitet sie schon jetzt. Lorenzo liegt im Sterben, ich liege im Sterben … der Tod … Welche Menschen wird Katharina im Laufe ihres Lebens noch verlieren? Den Tod ihrer Eltern bemerkt sie nicht, aber sie wird wahrscheinlich Menschen verlieren, die sie liebt, vielleicht auch einige, die sie nicht liebt …

Die Stimme des Kardinals unterbrach ihre Gedanken.

»Du hast Recht, Magdalena, viele Kinder … das bedeutet auch, dass sie heiraten wird. Nun, man muss zur rechten Zeit eine vorteilhafte Ehe für sie arrangieren.«

»Vorteilhaft, wie meinen Sie das?«

»Eine vorteilhafte Ehe bedeutet eine politisch vorteilhafte Ehe. Du weißt, dass in wenigen Wochen der künftige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt wird; drei Kandidaten haben sich beworben: Heinrich VIII. von England, Franz I. von Frankreich und Karl I. von Spanien. Meine Agenten glauben, dass der Engländer nur geringe Chancen hat, der Kampf um die Kaiserkrone wird sich zwischen Franz und Karl entscheiden, zwischen den Häusern Valois und Habsburg. Im Augenblick sieht es für Franz I. recht günstig aus – mir persönlich wäre ein Wahlsieg des französischen Königs am liebsten. Das Haus Habsburg besitzt jetzt schon eine bedenkliche Vormachtstellung in Europa, der junge König Karl, er ist erst neunzehn Jahre alt, herrscht über Spanien, die Niederlande und die österreichischen Erblande, hinzukommen die überseeischen Eroberungen. Wenn er jetzt noch Kaiser wird, besitzt er eine Vormachtstellung, die nicht nur für Frankreich, sondern auch für die italienischen Staaten bedrohlich werden kann. Aber warten wir die Entwicklung in Ruhe ab, Valois oder Habsburg …«

»Valois oder Habsburg. Onkel Giulio, bedenken Sie, dass die Medici nicht fürstlichen Geblüts sind.«

»Gewiss, aber die Medici besitzen Geld, und Geld regiert immer mehr die Welt; vor ein paar Tagen hörte ich, dass das Augsburger Bankhaus Fugger den jungen König Karl bei der Kaiserwahl finanziell unterstützt.«

»Onkel Giulio, Katharina ist erst zwei Wochen alt. Ist es nicht verfrüht, schon jetzt über eine eheliche Bindung nachzudenken?«

»Nein, Magdalena, ich denke stets an die Zukunft des Hauses Medici.« Die Zukunft des Hauses Medici, dachte Magdalena, das allein ist für ihn wichtig, nicht die Zukunft meiner Tochter.

»Onkel Giulio, ich bin müde und möchte ruhen.«

»Selbstverständlich, Magdalena.« Er verbeugte sich, verließ das Zimmer, und die Herzogin atmete auf.

Sie ließ sich von der Amme das Kind geben und erinnerte sich noch einmal an die schönsten Tage ihres Lebens, ihre prunkvolle Hochzeit auf Schloss Amboise an der Loire …

Anfang des Jahres 1518 hatte sie erfahren, dass König Franz I. von Frankreich und Papst Leo X. eine Ehe zwischen ihr und dem Neffen des Papstes, Lorenzo von Medici, arrangiert hatten; sie wusste damals, dass außenpolitische Gründe dabei eine Rolle spielten, interessierte sich aber weiter nicht dafür. Sie war nur neugierig auf den zukünftigen Gatten, und als er im Frühjahr zusammen mit den Hochzeitsgeschenken in Frankreich eintraf, hatte sie sich sofort in den charmanten, ritterlichen Mann verliebt. Er war nicht schön, aber er plauderte geistreich und machte eine gute Figur bei den Turnieren, die anlässlich der Hochzeit stattfanden, wobei seine Leistungen bescheiden waren, weil er an einer Verwundung litt.

Die Geschenke, die er mitgebracht hatte, waren überwältigend: dreihunderttausend Golddukaten für sie selbst, Schmuck für das Königspaar und zwei Gemälde von Raffael – Die Heilige Familie und Sankt Michael, den Drachen erschlagend. Das Geschenk, das alle am meisten beeindruckt hatte, war das Brautbett aus Schildpatt, das mit Edelsteinen und Perlen besetzt war. König Franz schenkte ihr ein Gehalt von zehntausend Goldstücken jährlich, Lorenzo erhielt eine Kompanie Soldaten und die Kette des Sankt-Michael-Ordens.

Am 25. April 1518 – eine Woche vor ihrer Hochzeit – war der zwei Monate alte Dauphin Franz getauft worden, und Lorenzo hatte, stellvertretend für den Papst, den Paten des künftigen Königs von Frankreich, das Kind über das Taufbecken gehalten. Nach der Hochzeit am 2. Mai war zehn Tage lang gefeiert worden, und König Franz hatte weder Kosten noch Mühen gescheut: Da es im Schloss keinen Saal gab, der groß genug war, um alle Gäste aufzunehmen, hatte man den Schlosshof in ein Zelt verwandelt und an die Wände kostbare Gobelins gehängt; dort fanden die Bankette, Bälle und Maskeraden statt.

Das beeindruckendste Schauspiel war die Inszenierung einer Belagerung: Man errichtete eine hölzerne Festung und beschoss sie mit echten Belagerungsmaschinen, die Leonardo da Vinci konstruiert hatte … Leonardo da Vinci … Am Tag nach den Feierlichkeiten hatten sie und Lorenzo den König nach dem nahe gelegenen Clos de Luc begleitet, wo der Künstler wohnte; er hatte hinter der Villa im Garten gesessen, an einem Platz, von wo aus man das Schloss sehen konnte, und hatte die wuchtige, mittelalterliche Festung gezeichnet. Der König, erinnerte sie sich, wartete respektvoll, bis der Meister sein Werk vollendete, erst dann unterhielt er sich mit ihm auf seine leutselige, liebenswürdige Art.

Der König, dachte sie, der Sieger von Marignano, ist der Mittelpunkt des Hofes, alles dreht sich um ihn, nicht nur wegen seines Ranges, sondern auch, weil er ein stattlicher, schöner Mann ist, der schönste Mann am Hof, der ritterlichste, galanteste. Er liebt die Frauen und die Frauen lieben ihn, allen voran die unscheinbare, sanfte, gutherzige, allgemein beliebte Königin Claudia. Sie ist ihm aufrichtig zugetan – und König Franz?

Er liebt sie nicht besonders, aber er achtet sie, behandelt sie in der Öffentlichkeit liebenswürdig und zuvorkommend, vor allem erfüllt er seine ehelichen Pflichten, sie war bis jetzt jedes Jahr schwanger … Welche Frau ist die Schönste am französischen Hof? Die Mätresse des Königs, die olivenhäutige Françoise de Foix? Nein – und die Damen der Königin? Vielleicht die junge, stolze Engländerin, die zwölfjährige Anna Boleyn … Sie ist nicht ausgesprochen schön, aber apart, und sie behext die jungen Männer, sie wird am meisten umworben. Nein, die schönste Frau am Hof Franz I. ist die junge Gattin Louis’ de Brézé, des alternden Groß-Seneschalls der Normandie, Diana von Poitiers.

Anfang September kehrten sie nach Florenz zurück, sie war schwanger und er freute sich auf das Kind. Einige Wochen später erfuhren sie, dass Lorenzo krank war. Er ließ sich in einer Sänfte in seine Villa nach Montughi bringen, wo die Luft besser war als in der Stadt und verbrachte dort den Winter. Anfang April gaben die Ärzte die Hoffnung auf und er kehrte nach Florenz zurück, um bei der Geburt in ihrer Nähe zu sein. Die Niederkunft war ohne Komplikationen verlaufen, aber drei Tage später hatten die Fieberanfälle begonnen …

Sie betrachtete das Kind und fragte sich, was aus ihm werden würde. Die Königin Claudia war ungefähr zur selben Zeit wie sie schwanger geworden und hatte am 31. März einen zweiten Sohn geboren, Heinrich, den Herzog von Orléans. Der junge Herzog wird eine sorglosere Kindheit verleben als meine Tochter, dachte sie bekümmert, dann winkte sie die Amme herbei und gab ihr das kleine Mädchen.

»Mingo, Katharina wird bald keine Eltern mehr haben, ich weiß nicht, in wessen Obhut der Kardinal sie geben wird. Ich möchte, dass du bei meinem Kind bleibst, verlasse Katharina nicht! Ihre Verwandten werden sie nicht lieben, weil sie deren ehrgeizigen Plänen im Wege steht, und ob der Mann, mit dem man sie verheiratet, sie lieben wird? Ich sterbe beruhigter, wenn ich weiß, dass es einen Menschen gibt, dem sie sich anvertrauen kann.«

»Gewiss, Hoheit, ich verspreche es Ihnen. Sie wissen, dass ich die Duchessina wie ein eigenes Kind liebe, zumal mein Sohn tot geboren wurde … Aber Hoheit, Sie werden nicht sterben, ich kenne Frauen, die das Kindbettfieber überlebt haben.«

»Es ist nicht nur das Kindbettfieber, Mingo. Lass mich jetzt ein wenig schlafen. Wenn der Kardinal noch einmal kommt, soll man ihm sagen, dass ich ihn nicht empfangen kann … Ich will ihn nicht mehr sehen.«

»Ja, Hoheit.«

Mingo trug Katharina zum Fenster und zeigte ihr die untergehende Abendsonne.

Die junge Frau war so alt wie die Herzogin, entstammte der florentinischen Mittelschicht und war mit dem Verwalter des mediceischen Landgutes Poggio a Caiano verheiratet. Mingo konnte lesen, schreiben und rechnen, besaß einige Kenntnisse in der Geografie, spielte die Laute recht gut und war eine geschickte Näherin. Überdies nahm sie wissbegierig alles auf, was sie hörte. Einst hatte eine weise alte Frau ihr erzählt, dass es für die Entwicklung eines Kindes förderlich sei, wenn man bereits mit dem Säugling viel rede. Das Kind verstünde natürlich den Inhalt noch nicht, merke aber, dass man sich mit ihm beschäftige, und das sei wichtig. So hatte sie sich angewöhnt, viel mit dem Kind zu sprechen. »Dort drüben im Westen liegt Frankreich, es ist ein großes Land und wird von einem König regiert. Frankreich ist die Heimat deiner Mutter.« Inzwischen war es kühl geworden. Mingo legte Katharina in die Wiege zurück, setzte sich daneben und fing wieder an, sie langsam zu schaukeln.

Unterdessen führte der Kardinal ein ernstes Gespräch mit dem Leibarzt des herzoglichen Paares. Giulio von Medici musterte einige Minuten lang den Mann in dem weiten, weißen, fußlangen Mantel, der mit Fehwerk verziert war. Er betrachtete die rote Mütze und dachte, dass Medizin und Jurisprudenz die beiden sichersten Wege waren, zu Wohlstand zu kommen. Die Ärzte sind reiche Leute, überlegte er, auch wenn sie ihren Patienten je nach Erfolg die Höhe ihres Honorars überlassen.

»Nun, Messire, was haben Sie mir zu sagen?«

»Eminenz, Seine Hoheit, der Herzog, wird nur noch wenige Tage leben, die ›französische Krankheit‹ ist in der letzten Phase …« Er zögerte etwas und fuhr fort. »Ich weiß nicht, wie lange Ihre Hoheit, die Herzogin, noch leben wird, vielleicht ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen. Eines aber weiß ich: Die Ursache ihres Todes ist nicht nur das Kindbettfieber, sondern auch die ›französische Krankheit‹ – ihr Gatte hat sie infiziert.« Bei den letzten Worten verfinsterte sich die Miene des Kardinals. »Das habe ich befürchtet, aber reden wir von den Lebenden. Ist die Duchessina gesund?«

Der Arzt sah Giulio erstaunt an. »Wie meinen Sie das, Eminenz? Die Duchessina ist vollkommen gesund und wird wie jeder Säugling während der ersten Jahre sterben oder überleben.«

»Nun, ist es möglich, dass sie im Mutterleib mit der ›französischen Krankheit‹ infiziert wurde?«

Der Arzt überlegte und erwiderte: »Nein, Eminenz, das ist völlig unmöglich, Sie können beruhigt sein. Die Duchessina ist völlig gesund.« Als der Arzt gegangen war, blieb der Kardinal noch eine Weile im Vorraum von Lorenzos Appartement, dachte über die ärztliche Diagnose nach und wusste nicht recht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Falls die Duchessina das heiratsfähige Alter erreicht, überlegte er, ist sie natürlich eine wertvolle Figur im politischen Spiel, andererseits … Nun, man musste abwarten. Er ging in das herzogliche Schlafzimmer.

Lorenzo lächelte matt, als er den Kardinal erblickte. »Ich danke Ihnen, Onkel Giulio, dass Sie gekommen sind.«

»Ich habe nur meine Pflicht erfüllt«, erwiderte er kühl.

Es entstand eine Pause.

Der Kardinal dachte verärgert darüber nach, dass letztlich Lorenzo daran schuld war, dass die außenpolitischen Pläne des Papstes, nämlich ein Bündnis mit Frankreich, sich in Luft auflösten, wenn die Herzogin starb. Allerdings, überlegte er, Leo ist auch nicht ganz unschuldig an der verfahrenen Situation. Warum hat er nach dem Tod seines jüngeren Bruders, des Herzogs von Nemours, die Herrschaft von Florenz nicht für eine Übergangszeit mir übertragen? Ich hätte dafür gesorgt, dass das Ansehen unserer Familie erhalten bleibt.

Vor seinem inneren Auge erschien die rundliche Gestalt des Papstes, wie er umgeben von Künstlern, Dichtern und Gelehrten über Philosophie, Literatur, Malerei und Architektur disputierte. Religiöse Probleme interessierten ihn nur wenig. Er ist zu behäbig, dachte Giulio. Wie kann ein Papst behaupten, die Thesen dieses unverschämten deutschen Augustinermönchs und die dadurch entstandene religiöse Kontroverse sei ›Mönchsgezänk‹!

Mönchsgezänk! Unglaublich, er will das Problem lösen, wenn der neue Kaiser gewählt ist – er ist zu langmütig, aber es passt zu ihm. Was soll er nach seiner Wahl zum Papst gesagt haben? »Lasst uns das Papsttum genießen, da Gott es uns gegeben hat.«

Wenn ich Papst wäre, würde ich anders gegen Luther Vorgehen. Leo unterschätzt den Mönch.

Lorenzo spürte den Unmut des Kardinals und schwieg. Schließlich brach Giulio das Schweigen. »Lorenzo, du weißt, wie es um deine Frau steht. Ich habe Magdalena versprochen, für eure Tochter zu sorgen. Ich werde sie sorgfältig erziehen lassen und zur rechten Zeit eine vorteilhafte Ehe arrangieren.«

»Unsere Tochter«, erwiderte der junge Mann kleinlaut, »warum habe ich keinen Sohn gezeugt? Nun wird diese Linie unserer Familie aussterben.«

»Du vergisst, dass es in dieser Linie noch männliche Medicis gibt, zum Beispiel Ippolito.«

»Ippolito ist illegitim.«

Giulio zuckte unmerklich zusammen und erwiderte gereizt: »Was heißt illegitim? In unserer Familie wurden illegitime Kinder so erzogen und behandelt wie legitime Kinder.«

»Die Florentiner würden sich nie von einem Bastard regieren lassen, obwohl Ippolito ausgesprochen intelligent und für seine acht Jahre auch sehr klug ist, genauso klug wie sein Vater, mein Onkel Giuliano«, entgegnete Lorenzo.

»Er ist zu klug«, erwiderte der Kardinal. »Sei unbesorgt, Ippolito wird nicht Florenz regieren, dafür sorge ich.«

»Sie müssen Katharina mit einem angesehenen Florentiner Patrizier verheiraten, um ihre Regierung über Florenz zu sichern.«

Der Kardinal lächelte spöttisch. »Mein lieber Lorenzo, mache dir darüber keine Gedanken. Wenn es so weit ist, werden Leo und ich die passende Ehe für deine Tochter arrangieren. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich will noch einige Briefe diktieren.«

Er begab sich hinunter in den Innenhof, ging nachdenklich auf und ab und sann darüber nach, wie es weitergehen sollte.

Er würde Katharina möglichst bald unter der Obhut ihrer Großmutter die beste Erziehung angedeihen lassen, damit sie an fremden Höfen dereinst mehr durch Können als durch Abstammung brillieren konnte. Dazu würden die alten und zeitgenössischen Sprachen ebenso beitragen wie Philosophie, Rhetorik, Literatur, Mathematik, Geschichte, Musik, Zeichnen, Nähen, Tanzen, Reiten, Bogenschießen und die Falkenjagd. Was fehlt noch? – Richtig, sie muss auch in Religion unterwiesen werden. Nun – die anderen Fächer sind wichtiger. Sie muss zu einer guten Katholikin erzogen werden, aber sie darf natürlich nicht zu fromm sein. Ein fremder Hof, ja, für eine Verwandte des Papstes müsste dies möglich sein, ihre Heirat muss dem Vatikan außenpolitische Vorteile bringen. Katharina, weit weg von Florenz …

Er lächelte und seine harten Augen glänzten weich und zärtlich, als das Bild eines etwa achtjährigen dunkelhäutigen Jungen mit wolligem schwarzen Haar und wulstigen Lippen vor seinem inneren Auge erschien. »Der Maure«, sagte er leise und ging hinauf in sein Appartement.

***

Als es im Schlafzimmer der Herzogin dämmerig wurde, stand eine der Dienerinnen auf, schloss das Fenster, entzündete die Kerzen und stellte einen der Leuchter auf das Tischchen neben ihre schlafende Herrin.

Sie wollte eben wieder zum Erker zurückgehen, betrachtete die Herzogin genauer und schrie leise auf. »Mingo, rasch, ich glaube …«

Mingo trat zum Bett und drehte sich erschrocken zur Dienerin um.

»Sie ist tot, hole den Arzt.«

Lorenzo von Medici, Herzog von Urbino, überlebte seine Frau nur um wenige Tage. Er starb am 5. Mai, und nachdem die Beisetzungsfeierlichkeiten vorüber waren, übergab der Kardinal Katharina ihrer Großmutter.

Am 28. Mai 1519 wählten die Kurfürsten nicht Franz I. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sondern Karl I. von Spanien, der sich nun Kaiser Karl V. nannte. Papst Leo und Kardinal Giulio waren enttäuscht, mussten sich aber damit abfinden.

Im Sommer 1519 starb Katharinas Großmutter Alfonsina Orsini, und Katharina wurde in die Obhut ihrer Tante Maddalena Cibo gegeben. Diese starb im Frühherbst 1519, und so beschlossen Kardinal Giulio und der Papst, dass Katharina nach Rom gebracht werden müsse, zu ihrer Tante Clarissa, die mit dem wohlhabenden Bankier Filippo Strozzi verheiratet war. Clarissa, die selbst vier Söhne hatte und auch die halbverwaisten Kinder Ippolito und den ›Mauren‹ erzog, war sofort bereit, die Duchessina, wie Katharina inzwischen allgemein genannt wurde, in ihrem Haus aufzunehmen. Sie fand, dass es besser war, wenn ein Kind zusammen mit anderen Kindern aufwuchs.

Am 13. Oktober 1519 bei Sonnenaufgang bestieg Mingo mit Katharina im Arm die Sänfte, die sie nach Rom bringen sollte.

Auf dem Ponte Vecchio angekommen, befahl Mingo den Sänftenträgern zu halten, hob Katharina hoch und ließ sie durch die linken Brückenbogen flussabwärts über den Arno blicken. »Du verlässt jetzt deine Vaterstadt, aber du wirst zurückkehren, eines Tages kehrst du nach Florenz zurück.«

Kapitel 2

Am 13. April 1525 stand der vierzehnjährige Ippolito von Medici morgens früher auf als sonst, weil er in den Gewächshäusern, die hinter dem Palazzo Strozzi lagen, einige Blumen holen und seiner Cousine Katharina zu ihrem sechsten Geburtstag überreichen wollte. Er hatte ihr noch nie etwas zum Geburtstag geschenkt, aber die Vollendung des sechsten Lebensjahres war in seinen Augen ein besonderes Ereignis, weil nun der Ernst des Lebens anfing. Am nächsten Tag würde für Katharina der Unterricht in Fremdsprachen beginnen, und Ippolito wusste aus eigener Erfahrung, dass dies lernen, lernen, lernen bedeutete; zum Spielen würde sie kaum noch Zeit haben. Ab jetzt behandelte man sie wie eine Erwachsene.

Während er sich ankleidete, überlegte er, dass er ihr hin und wieder etwas schenken könnte, um ihr eine Freude zu bereiten. Ihr bisheriges Leben war wenig glücklich verlaufen.

Nun wollte er ihr eine Freude machen mit den roten Lilien, dem Symbol für ihre Vaterstadt Florenz.

Allerdings war es den vier Söhnen und den drei Pflegekindern von Clarissa Strozzi streng untersagt, in den Gewächshäusern Obst oder Blumen zu holen, weil die Zucht und Pflege in den Treibhäusern kostspielig war. Schließlich gab es einen weitläufigen Garten hinter dem Palazzo. Ippolito zupfte sein Wams zurecht, trat vor den hohen Spiegel und betrachtete sich zufrieden. Er sah einen hoch gewachsenen, schlanken Jungen mit kurz geschnittenen brünetten Haaren, großen, dunklen Augen, und er lachte leise auf, als ihm einfiel, dass sein Onkel, Filippo Strozzi, schon etliche Male gesagt hatte, dass in wenigen Jahren alle römischen Mädchen sich in seine Augen verlieben würden …

Er ging noch ein bisschen näher an den Spiegel, strich mit der rechten Hand vorsichtig über die untere Gesichtshälfte und betrachtete prüfend den dunklen Flaum, der vor einigen Tagen angefangen hatte zu wachsen. Er war fest entschlossen, einen Bart zu tragen, das war männlicher. Er konnte sich noch gut an das runde, bartlose, weiche Gesicht seines päpstlichen Onkels Leo entsinnen, der im Dezember 1521 plötzlich verstorben war. Der neue Papst, sein Onkel Clemens, trug einen langen, spitz zulaufenden Bart.

Zu Giulio von Medicis großer Enttäuschung war nach Leos Tod nicht er, sondern der Lehrer Kaiser Karls V., Adrian von Utrecht, gewählt worden, aber Hadrian VI. starb bereits am 14. September 1523, und am 19. November des gleichen Jahres ging Giulios sehnlichster Wunsch in Erfüllung, seine Wahl zum Papst. Er entschied sich für den Namen Clemens, und weil die jüngste Medici-Generation noch unmündig war, übertrug er die Regierung von Florenz dem Kardinal Silvio Passerini und eilte nach Rom, fest entschlossen, als Papst Clemens VII. die europäische Diplomatie zu beeinflussen. Ippolitos Miene verdüsterte sich, als er an seinen Onkel Clemens dachte. Er mag mich nicht besonders, ging es ihm durch den Kopf, und er hat auch nicht viel für Katharina übrig … In diesem Augenblick betrat einer der Diener den Innenhof, und Ippolito sah entgeistert, dass er einen großen Strauß roter Lilien brachte, die er sorgfältig in einer silbernen Vase ordnete und auf den Tisch stellte. Rote Lilien, die Blume der Stadt Florenz; er selbst hatte Katharina, weil nun ihr siebtes Lebensjahr begann, sieben rote Lilien schenken wollen und dabei vergessen, dass an den Geburtstagen der Familienmitglieder ein Blumenstrauß die Tafel zierte. Er hätte sich denken können, dass Tante Clarissa an Katharinas sechstem Geburtstag die Blume von Florenz als Tischschmuck wählte. Hoffentlich waren noch einige Lilien übrig geblieben …

Auf dem Weg zu den Gewächshäusern traf er Signor Rosso Ridolfi, den Privatlehrer der Strozzis. Dieser ließ ihn wissen, dass Katharinas Unterricht schon am heutigen Nachmittag begänne.

Der Papst selber, den die Kinder Onkel Clemens nannten, hatte diesen vorzeitigen Unterrichtsbeginn eigens verfügt. Überhaupt machte er auf die Kinder einen sehr strengen und kühlen Eindruck. Ausgenommen davon waren die Söhne von Clarissa. Der besondere Liebling von Onkel Clemens war Alessandro.

»Jeden Tag darf der ihn im Vatikan besuchen«, beklagte sich Ippolito bei Signor Ridolfi. »Ich bin immer froh, wenn er weg ist, er tyrannisiert die Dienerschaft und Tante Clarissas jüngere Söhne, Lorenzo und Piero. Aber am meisten hat Katharina unter ihm zu leiden, sie quält er seelisch.«

»Seelisch, wie meinen Sie das?«

»Nun, er versteckt nicht nur ihre Spielsachen oder stellt ihr ein Bein, dass sie hinfällt. Er droht, dass er sie eines Tages im Tiber ersaufen wird wie eine Katze, und vor einigen Tagen hörte ich, wie er zu ihr sagte: ›Du bist eine garstige kleine Hexe. Weißt du, was man mit Hexen macht? Sie werden gefoltert und bei lebendigem Leib verbrannt.‹ Tante Clarissa versucht zwar, ihn zur Räson zu bringen, schimpft ihn aus und züchtigt ihn, sie schickt ihn ohne Abendessen ins Bett und bestraft ihn mit Hausarrest, aber es nützt nichts. Onkel Filippo redet auch hin und wieder ein ernstes Wort mit ihm, aber er hat natürlich zu wenig Zeit, sich um häusliche Probleme zu kümmern.«

»Gütiger Himmel, was für ein kleiner Teufel! Im Unterricht ist Alessandro doch ein braver, fleißiger Junge.«

»Natürlich, er weiß genau, dass Onkel Clemens, wenn wir ihn besuchen, sich mit uns eine halbe Stunde auf Lateinisch und eine halbe Stunde auf Griechisch unterhält, und da möchte er natürlich glänzen.«

»Was sagt der Heilige Vater denn zu den Ungezogenheiten?«

»Er behauptet, dass Tante Clarissa übertreibe und Alessandro zu negativ beurteile.«

»Die arme, kleine Duchessina! Wie reagiert sie? Sie kann sich wahrscheinlich gar nicht wehren.«

Ippolito lachte. »Oh, Katharina versteht es, sich zu behaupten. Einerseits hat sie Angst vor Alessandro, andererseits hasst sie ihn aus tiefster Seele, und ihr Hass siegt oft über die Angst. Sie wird nie handgreiflich, sie wehrt sich subtiler: Alessandro ekelt sich vor Spinnen, Ratten, Mäusen, Kröten, Fröschen, Eidechsen. Vor ein paar Tagen hat sie einen Feuersalamander in sein Zimmer geschmuggelt. Als er das Tier sah, schrie er laut um Hilfe. Er hat natürlich erfahren, wer ihm den Streich gespielt hat; wahrscheinlich brütet er jetzt darüber nach, wie er sich rächen kann. Hin und wieder schreit sie ihn auch an, sagt ihm, dass sie ihn hasst, verabscheut, verachtet.«

Rosso Ridolfi sah Ippolito erstaunt an. »Die Duchessina ist doch so ein freundliches, liebenswürdiges Kind! Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie schreit.«

»Bei Alessandro geht eben der Zorn mit ihr durch. Es wäre besser, wenn sie sich beherrschen würde. Ich bin überzeugt, dass er sich bei Onkel Clemens über sie beklagt. Mingo, Tante Clarissa und auch ich haben ihr schon etliche Male gesagt, sie solle sich zusammennehmen, es sei in ihrem eigenen Interesse. Bis jetzt haben die Ermahnungen nicht viel genützt. Aber wir reden und reden, die Zeit vergeht, ich muss noch etwas besorgen. Entschuldigen Sie mich, Signor Ridolfi.«

Während er über den Innenhof und den sich anschließenden Wirtschaftshof zum Garten eilte, ging der Lehrer nachdenklich hinauf in den ersten Stock zu Clarissa Strozzi.

***

Im Gewächshaus lief Ippolito zu den Lilienbeeten und blieb enttäuscht stehen: Nur eine rote Lilie war übrig geblieben. Er dachte nach, ging kurz entschlossen zu den weißen Lilien und schnitt mit dem Taschenmesser vorsichtig sieben Blütenstängel ab.

In diesem Augenblick betrat der weißhaarige Gärtner Carlo das Gewächshaus und beobachtete entsetzt, wie der junge Mann die Blumen ordnete.

»Signor Ippolito, wenn die Signora sieht, dass die Blumen ohne ihre Erlaubnis abgeschnitten wurden, bekomme ich weniger Lohn!«

»Sei unbesorgt, Carlo, wenn meine Tante etwas merkt, nehme ich die Schuld auf mich. Die Lilien sind für Katharina, sie hat heute Geburtstag.«

»Aber, Signor Ippolito, weiße Blumen sind Todesblumen, Ihr Strauß muss farbiger werden, warten Sie einen Augenblick …« Er schnitt die rote Lilie ab, sah sich suchend um, ging zu einem der Rosenbeete, wo er eine voll erblühte, dunkelrote Rose abschnitt und sorgfältig die Dornen entfernte. Dann arrangierte er beide gefällig zwischen die weißen Blumen und gab Ippolito den Strauß.

***

Nachdem eine Dienerin unter Mingos Aufsicht Katharina gebadet, angekleidet und frisiert hatte, lief das Kind vor den hohen Standspiegel im Ankleidezimmer und betrachtete sich kritisch: Sie sah ein kleines, mageres Mädchen in einem blutroten Seidenkleid, das mit Goldborten gesäumt und mit weißer Spitze besetzt war. Die etwas vorstehenden dunklen Augen wanderten vom Kleid zu dem runden Kindergesicht, verweilten einen Augenblick auf der bräunlich-gelben, makellosen Haut und den brünetten, leicht gelockten Haaren, die zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt und mit Perlenschnüren zusammengehalten wurden. Dann presste Katharina die schmale Oberlippe fest auf die volle Unterlippe und senkte den Kopf.

»Nun, Hoheit«, sagte Mingo, die das Kind beobachtet hatte, »gefallen Sie sich?«

»Nein«, erwiderte sie leise, »ich gefalle mir überhaupt nicht.«

»Sie wollten doch das neue rote Kleid heute anziehen.«

»Ja …« Katharina sah Mingo an, und dabei fiel ihr zum ersten Mal auf, dass ihre Amme stets schwarze Kleider trug – es musste einen Grund dafür geben.

»Das Kleid gefällt mir, aber warum habe ich nicht blonde Haare, blaue Augen und eine weiße Haut? Blonde Mädchen sind viel hübscher.« Mingo seufzte unhörbar; diese Frage stellte Katharina mindestens einmal wöchentlich und sie antwortete ihr jedes Mal, dass es der Wille Gottes sei.

»Hoheit, der liebe Gott hat seinerzeit entschieden, dass Sie nicht blond und blauäugig, sondern brünett und dunkeläugig sind. Überdies ist äußere Schönheit nicht wichtig. Benehmen Sie sich immer bescheiden und liebenswürdig, lächeln Sie die Menschen an, vermeiden Sie Streit, dann wird man Sie um Ihrer selbst willen lieben und Ihre Haar-, Augen- oder Hautfarbe gar nicht mehr beachten. Ein blondes Mädchen, das kühl, hochmütig und stolz auftritt, wird auf die Umgebung bald hässlich wirken. Ein dunkelhaariges Mädchen, das freundlich lächelt und sich demütig und bescheiden gibt, wird sich Sympathie und Zuneigung erwerben.« Katharina hörte aufmerksam zu, prägte sich die Worte ein und betrachtete eine Weile nachdenklich ihr Spiegelbild. »Ich glaube, du hast Recht, Mingo.«

In diesem Augenblick wurde Ippolito gemeldet, und Katharina eilte freudestrahlend zu ihm. Sie wollte sich wie gewöhnlich in seine Arme werfen, als sie die Blumen sah und überrascht stehen blieb.

»Guten Morgen, Katharina«, sagte er lächelnd, »herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.« Er überreichte ihr den Strauß.

Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich von der Überraschung erholt hatte. »So viele Lilien … danke, Ippolito, vielen, vielen Dank!« Sie lächelte ihn glücklich an.

»Eine reizende Idee«, sagte Mingo. Wahrscheinlich hat er die Blumen im Gewächshaus stibitzt, dachte sie im Stillen, trotzdem, er ist ein guter Junge …

»Sie dürfen der Signora nichts von den Blumen sagen«, sagte sie dann zu Katharina.

»Ja, Mingo.«

»Nun, Katharina«, begann Ippolito, »die sieben weißen Lilien sind von mir, weil heute dein siebtes Lebensjahr beginnt. Kennst du die Bedeutung der weißen Lilie?«

»Natürlich, die weiße Lilie ist die Blume meiner Familie, der Medicis, und die rote Lilie ist die Blume der Stadt Florenz.«

In diesem Moment eilte ein Diener herbei. »Endlich finde ich Sie, Signor Ippolito, Sie sollen sofort zur Signora kommen!« Während er in den ersten Stock hinunterlief, begab Mingo sich in ihr Zimmer, um eine Vase und das Geburtstagsgeschenk, ein kostbares Federmesser, für Katharina zu holen.

Allein geblieben, ging Katharina zum Spiegel, betrachtete sich und die Blumen, ordnete sie, beugte ihr Gesicht über die Lilien und atmete den Blütenduft ein.

Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben mit Blumen beschenkt worden, fühlte sich glücklich und beschloss darauf zu achten, dass sie gut gepflegt wurden und täglich frisches Wasser bekamen.

Sie war so beschäftigt mit den Lilien und der Rose, dass sie die leisen Schritte nicht hörte, die sich langsam der Zimmertür näherten; als sie den Kopf hob und in den Spiegel sah, erstarrte sie. Auf der Türschwelle stand ein ungefähr vierzehnjähriger, untersetzter, stämmiger, dunkelhäutiger Junge mit schwarzen, wolligen Haaren und wulstigen Lippen, die ein bösartiges Lächeln umspielte, während seine kleinen, dunklen Augen sie mit einem giftigen Blick beobachteten.

Der Maure, dachte sie erschrocken, presste die Blumen fester an sich und versuchte, sich nichts von ihrer Angst anmerken zu lassen.

»Guten Morgen, Alessandro, was möchtest du?«

Er trat einen Schritt näher.

»Guten Morgen, Katharina, ich möchte dir zum Geburtstag gratulieren, wie es sich ziemt.«

»Danke, das ist nett von dir.« Ihre Hände begannen leicht zu zittern, weil sie instinktiv spürte, dass seine ungewohnte Freundlichkeit falsch war.

»Was für hübsche Blumen«, sagte er und trat noch einen Schritt näher, »hat Mingo sie dir geschenkt?«

»Nein, Ippolito.«

»Ippolito, sieh an, der schöne Ippolito.«

Er schwieg, und Katharina merkte, dass er sich an ihrer Angst weidete. Sie sah hinüber zum Baderaum, dessen Tür halb offen stand, aber die Dienerin eilte geschäftig hin und her und tat, als bemerke sie Alessandro nicht. Wo bleibt Mingo, dachte Katharina verzweifelt, er führt bestimmt etwas im Schilde. Ich bin allein mit ihm, bin ihm ausgeliefert.

Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, drehte sich um und sah ihn fest an. »Alessandro, ich habe mich über deinen Glückwunsch gefreut, aber du solltest jetzt wieder gehen. Mingo kann jeden Augenblick kommen, du weißt, sie mag es nicht, wenn einer von euch Jungen im Ankleidezimmer ist.«

Alessandro grinste, ging einen Schritt auf Katharina zu, und sie wich vor ihm zitternd zur Seite aus.

»Ich verlasse das Zimmer nur, wenn du mir die Blumen schenkst.« Mingo, komm, lass mich nicht allein mit ihm, dachte sie verzweifelt … Sie musste irgendwie Zeit gewinnen …

»Nun, Katharina, ich warte.«

»Ich soll dir also die Blumen schenken? Lass mich nachdenken … Was gibst du mir dafür?«

Er sah sie erstaunt an, ihre Reaktion überraschte ihn, er hatte fest damit gerechnet, dass sie zu weinen anfing und ihm die Blumen verweigerte.

»Was ich dir dafür gebe?! Nichts, was soll ich dir geben?«

»Süßigkeiten zum Beispiel.«

Er war sprachlos … Dieses unverschämte Frauenzimmer, dachte er, und plötzlich überkam ihn eine Zerstörungswut wie noch nie zuvor, er musste dieses Gefühl ausleben.

»Gib die Blumen her!«

Sie trat einen Schritt zurück, presste den Strauß noch fester an sich, wusste gleichzeitig, dass er ihr die Blumen mit Gewalt nehmen würde, und war fest entschlossen, sie zu verteidigen … Vielleicht kommt Mingo, ehe es zu spät ist, dachte sie verzweifelt.

»Du bekommst die Blumen nicht. Ippolito und Carlo haben sie mir geschenkt, und ich werde sie nie hergeben.«

»Du gottverdammte kleine Hexe«, zischte er, »her mit den Blumen!«

»Nein!«, schrie Katharina, »nein, nein, nein!«

»Na, warte …« Im nächsten Augenblick war er bei ihr, zog die rote Lilie aus dem Strauß, riss die Blüten ab, warf sie auf den Boden und trampelte auf ihnen herum.

Katharina beobachtete ihn entsetzt, und es dauerte einige Sekunden, bis sie sich gefasst hatte. »Hör auf.« Ihre Stimme zitterte vor Angst. »Was machst du?«

»Du wirst nie über Florenz herrschen, nie!«

Fast im gleichen Augenblick war er wieder bei ihr, nahm die Rose, warf sie auf den Boden und zertrat sie.

Katharina rannte zur offenen Tür, aber er versperrte den Weg, zog sein Taschenmesser, und während er sie mit dem Messer bedrohte, musste sie hilflos zusehen, wie er eine weiße Lilie nach der anderen nahm, auf den Boden warf und zertrat.

Als nur noch zwei Lilien übrig waren, begann sie zu weinen. »Alessandro, lass mir diese beiden, bitte.«

Da kam er zur Besinnung und steckte das Messer wieder ein. »Meinetwegen. Du sagst zu Tante Clarissa kein Wort, sonst verprügele ich dich bei nächster Gelegenheit, dass dir Hören und Sehen vergeht.« Er eilte hinaus, und dabei ging ihm durch den Kopf, dass Ippolito die Blumen wahrscheinlich aus einem der Gewächshäuser geholt hatte. Wenn Tante Clarissa von seiner Schandtat erfuhr, kam auch Ippolitos Diebstahl heraus und er wurde ebenfalls bestraft… Der Gedanke befriedigte ihn, und er begann leise vor sich hin zu pfeifen.

Katharina presste die beiden Lilien an sich und weinte leise.

Da kam Mingo zurück und blieb entsetzt auf der Türschwelle stehen, als sie die zertretenen Blumen und das weinende Kind sah.

»Hoheit, mein Gott, was ist passiert?«

Sie stellte die Vase auf den Tisch, legte ein Päckchen daneben, ging zu dem Kind und trocknete die Tränen.

Katharina schluchzte noch einige Augenblicke und erzählte dann, was vorgefallen war.

»Unglaublich!«, rief Mingo, »unerhört!« Sie ging in den Baderaum und herrschte die Dienerin an. »Du hast doch den Streit gehört, warum hast du der Duchessina nicht geholfen?«

»Verzeihung, Signora, aber … ich habe Angst vor Signor Alessandro.«

»Angst?! Dummes Ding, los, räume die Blumen weg und säubere den Boden.« Der gottverdammte Bastard, dachte sie, als sie nun die Vase mit Wasser füllte und die zwei Lilien hineinstellte; dann ging sie mit Katharina in den Baderaum und wusch ihr das Gesicht mit kaltem Wasser.

»Sie werden der Signora nichts von Signor Alessandro erzählen.«

»Warum nicht? Er hat nicht nur die Blumen zertreten, er hat mich auch mit dem Messer bedroht!«

»Gewiss, aber er hätte Ihnen nichts getan aus Angst vor dem Papst; er weiß, dass Sie für den Heiligen Vater wertvoll sind; wenn die Signora von den Blumen erfährt, wird herauskommen, dass Ippolito sie wahrscheinlich aus dem Gewächshaus geholt hat, und dann wird er dafür bestraft. Wollen Sie das?«

»Nein, Mingo, aber es ist ungerecht, dass Alessandro nicht bestraft wird.«

»Seien Sie unbesorgt, eines Tages wird er für seine Untaten büßen müssen, und was Sie betrifft, so werden Sie nachher die Signora lächelnd begrüßen und sich nichts anmerken lassen.«

»Das kann ich nicht, Mingo.«

»Sie müssen lernen zu heucheln. Was glauben Sie, wie oft Sie sich noch im Laufe Ihres Lebens werden verstellen müssen. Manchmal überlebt man nur, wenn man heuchelt, also lächeln und freuen Sie sich über das Geschenk, das die Signora hat anfertigen lassen. Sie werden überrascht sein. Ach mein Gott, ich habe ja auch etwas für Sie.« Sie gab Katharina das Päckchen.

»Danke, Mingo.« Sie packte das Geschenk behutsam aus und betrachtete fasziniert das goldene Federmesser, dessen Griff aus Ebenholz mit kleinen Perlen besetzt war, in den Griff war aus Gold ihr Name eingraviert: Katharina von Medici.

»Es ist wunderschön, Mingo, ich danke dir, vielen Dank.« Sie schlang die Arme um die Taille der Amme.

»Ich habe es bei einem Florentiner Goldschmied anfertigen lassen, bei Signor Leonardo auf dem Ponte Vecchio. Sie werden künftig viele Federn schneiden müssen.«

Katharina betrachtete das Messer und vergaß dabei allmählich den Streit mit Alessandro und die zertretenen Blumen.

Während Ippolito in den ersten Stock hinunterging, überlegte er, warum die Signora ihn rufen ließ.

Gewöhnlich sprach sie nur unter vier Augen mit ihm, wenn sie seine Lernfortschritte kontrollierte. Dieses Gespräch fand einmal im Monat statt und lag erst wenige Tage zurück.

Hatte die Signora vielleicht von seinem Ausflug zu den Gewächshäusern erfahren?

Als er das Zimmer betrat, waren zu seiner Überraschung auch der Lehrer und Filippo Strozzi anwesend.

»Guten Morgen«, sagte Ippolito, blieb unschlüssig an der Tür stehen und beobachtete verunsichert seine Tante, deren strenger Gesichtsausdruck ihn stets von neuem einschüchterte.

Clarissa Strozzi war eine mittelgroße, hagere Frau, die ihrem Großvater Lorenzo dem Prächtigen ähnlich sah. Ihr Gesicht war blass, die Nase lang und platt, und ihre Stimme klang schrill wie bei Lorenzo. Die dunklen Haare waren straff zurückgekämmt und wurden von einem Perlennetz zusammengehalten. Sie trug ein olivgrünes Samtkleid, das üppig mit Goldborten besetzt war, und sie funkelte von Edelsteinen am Hals, am Ausschnitt und an den Fingern. Sogar der kleine Spiegel, das Stundenbuch und der Fächer, die sie am Gürtel trug, waren mit Edelsteinen besetzt.

Filippo Strozzi war ungefähr Anfang vierzig, groß und schlank, mit angenehmen Gesichtszügen. Das Bankhaus Strozzi war sein Lebensinhalt. »Gestern Abend«, begann Clarissa, »erhielt ich einen Brief vom Papst mit der Bitte, alles für eure Abreise aus Rom vorzubereiten. Er wünscht, dass du mit Katharina und Alessandro nach Florenz zurückkehrst, und zwar so rasch wie möglich – Ende April oder Anfang Mai. Eure Anwesenheit in Florenz soll die Herrschaft der Familie Medici festigen.« Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: »Die plötzliche Abreise bringt meine Unterrichtspläne für Katharina völlig durcheinander, aber dieses Problem ist inzwischen gelöst. Signor Ridolfi wird euch begleiten und weiterhin unterrichten.«

Sie schwieg und glättete die Falten ihres Kleides. Dann legte sie ihre rechte Hand auf Ippolitos Arm.

»Du bist ein kluger und verständiger Junge, und ich möchte dich um etwas bitten: Ihr werdet zusammen mit dem Kardinal Passerini und der Dienerschaft allein im Palazzo leben. Der Kardinal ist vollauf mit städtischen Angelegenheiten beschäftigt, so dass ihr ihn wahrscheinlich nur bei den Mahlzeiten und während der Messe sehen werdet. Der Tag ist für euch zwar ausgefüllt mit Unterricht und Katharina wird sich zusätzlich jeden Tag eine Stunde lang mit Musik, Malerei, Nähen, Sticken, Tanzen oder Bogenschießen beschäftigen, und am Sonntag wird sie nach der Messe eine Stunde lang religiös unterwiesen. Aber es bleibt immer noch viel freie Zeit – die tägliche Siesta, die Sonn- und Feiertage, wo ihr ohne Aufsicht seid … Und nun meine Bitte. Versuche mit allen Mitteln zu verhindern, dass Katharina und Alessandro sich streiten. Überzeuge Katharina davon, dass sie sich auf keinen Zank mit Alessandro einlassen soll. Du weißt, dass es in ihrem eigenen Interesse ist.«

»Ja, Tante Clarissa, ich werde versuchen, Ihren Wunsch zu erfüllen.«

»Gut, dann besuchen wir jetzt das Geburtstagskind.« Sie wandte sich zu dem Diener, der in der Ecke stand. »Meine Söhne und Alessandro können jetzt kommen.«

Gütiger Himmel, dachte Ippolito, was erwartet sie von mir? Alessandro lässt sich doch von mir nichts sagen, er wird machen, was er will. Und Katharina ist ein Kind, man kann doch von ihr nicht erwarten, dass sie souverän über den Dingen steht …

In diesem Augenblick kamen Alessandro und die Söhne des Hauses, die alle älter als Katharina, aber jünger als ihre Vettern waren. Abgesehen von dem siebenjährigen Piero wussten seine drei älteren Brüder bereits, welche Berufe sie erlernen würden. Der dreizehnjährige Leo wollte Soldat werden, unter dem französischen König dienen und es bis zum Konnetabel von Frankreich bringen. Seine Eltern bestärkten ihn in seinem Plan, weil sie fanden, dass Ehrgeiz wichtig war, wenn man vorankommen wollte. Der elfjährige Roberto sollte Bankier werden wie sein Vater, der neunjährige Lorenzo war für den geistlichen Stand bestimmt. Man erwartete, dass er es bis zum Bischof oder Erzbischof bringen würde, und Clarissa träumte insgeheim von einem Kardinalshut für ihren Sohn.

Sie stand auf, nahm Piero an die Hand und verließ in Begleitung der übrigen das Zimmer.

Filippo Strozzi hatte während des Gespräches zwischen seiner Frau und Ippolito keine Miene verzogen. Auf der Galerie verlangsamte er seinen Schritt und sagte leise zu Ridolfi, der neben ihm ging: »Ich bitte Sie, sorgen Sie dafür, dass die beiden jungen Herren so viel lernen müssen, dass ihnen keine freie Minute mehr bleibt.«

Der Lehrer sah den Bankier erstaunt an.

»Mit Verlaub, Signor Strozzi, ich bezweifle, ob dies richtig ist. Jeder Mensch benötigt eine gewisse Zeit der Muße und Erholung, um sich dann wieder voll auf seine Pflichten konzentrieren zu können.«

»Gewiss, indes … es ist so, Signor Ridolfi: Die jungen Herren interessieren sich für Mädchen, das ist völlig normal in diesem Alter. Aber während Ippolitos Interesse sich im üblichen Rahmen bewegt – er ist zurückhaltend, würde nie ein Mädchen aus einer Laune heraus verführen oder gar vergewaltigen –, während Ippolito sich benimmt, wie es sich ziemt, liegen die Dinge bei Alessandro völlig anders. Er neigt zu Ausschweifung, zu Verschwendung und Gewalttätigkeit. Hier, in Rom, kann er keine Dummheiten machen, weil er ständig unter Aufsicht ist. In Florenz hingegen wird er bestimmt ein liederliches Leben führen, und niemand kann ihn daran hindern. Passerini wird sich hüten, ihm Vorschriften zu machen oder ihn zu tadeln. Ein liederliches Leben indes wird dem Ansehen der Familie Medici den Todesstoß versetzen. Dies möchte ich verhindern, im Interesse der Duchessina.«

»Ich verstehe Ihre Sorge, ich kann versuchen, auf Alessandro einzuwirken, aber ich fürchte, meine Ermahnungen werden nicht viel fruchten. Andererseits glaube ich nicht, dass jugendlicher Übermut das Ansehen der Familie Medici zerstört.«

»Es ist bereits zerstört«, erwiderte der Bankier zögernd. »Der Papst hat zwar von 1519 bis 1523 die Stadt zur Zufriedenheit der Bürger regiert, Passerini indes hat sich während der kurzen Zeit seines Wirkens völlig unbeliebt gemacht. Seit seinem Amtsantritt sind jeden Monat neue Hiobsbotschaften über seine Misswirtschaft und die Empörung der Florentiner im Vatikan eingetroffen. Der Heilige Vater sieht nur noch eine Möglichkeit, die Situation zu retten, nämlich die Anwesenheit der jungen Medicis. Er hofft, dass sie die Zuneigung der Florentiner gewinnen.

Er möchte den Medicis wenigstens Florenz erhalten, nachdem Hadrian VI. Urbino wieder an den rechtmäßigen Herzog gegeben hat. Die Duchessina besitzt nur noch den Titel, aber kein Land mehr.«

Ridolfi überlegte. »Ich wusste nicht, dass Kardinal Passerini so unbeliebt ist. Wäre es unter diesen Umständen nicht besser, noch einmal mit dem Heiligen Vater zu sprechen und ihn zu bitten, dass Alessandro in Rom bleibt?«

»Nein, das ist leider nicht möglich, der Papst wünscht Alessandros Anwesenheit in Florenz.«

Unterdessen waren sie bei Katharinas Zimmer angekommen, und nachdem Clarissa das Kind begrüßt und im Namen der Familie zum Geburtstag gratuliert hatte, nahm sie die Kleine an die Hand und ging mit ihr, gefolgt von Mingo und den anderen, in den Garten, um ihr das Geschenk zu zeigen.

Unterwegs betrachtete Katharina hin und wieder bewundernd die mit Edelsteinen besetzten Accessoires der Tante und die parfümierten Handschuhe, die sie trug.

In einigen Jahren würde auch sie einen kleinen Handspiegel, Fächer, Handschuhe und ein Stundenbuch besitzen und vor allem Masken … Hin und wieder, wenn Clarissa ausging, bedeckte sie die obere Gesichtshälfte mit einer schwarzen Maske, und als Katharina sie nach dem Grund fragte, hatte die Tante geantwortet: »Ich möchte mein Gesicht vor dem Straßenstaub schützen, und außerdem finde ich es manchmal angenehm, wenn man mich nicht erkennt. Dann muss ich nicht dauernd Grüße erwidern oder stehen bleiben und mir dummes Geschwätz anhören.«

Sie verschwieg dem Kind, dass sie sich als junges Mädchen, das Gesicht unter einer Maske versteckt, heimlich mit ihren Verehrern getroffen hatte. Solche Tricks würde die Nichte noch früh genug lernen … Katharina merkte sich, dass man unter einer Maske nicht erkannt wurde und beschloss, wenn sie erwachsen war, sich viele Masken zu kaufen und jeden Tag eine andre aufzusetzen. So zeigte sie ihrer Umgebung jeden Tag ein neues Gesicht, und man würde sie nie erkennen.

Sie gingen in den hinteren Teil des Gartens. Dort sah Katharina eine halbrunde, hohe Steinmauer, und als sie durch das geöffnete Tor trat, befand sie sich inmitten einer Stadt, einer Spielzeugstadt, denn die Häuser reichten ihr nur bis zur Taille.

Sie blieb überwältigt stehen, ging dann zaghaft eine Straße entlang und weiter, bis sie zu einer großen Kirche kam, blieb erneut stehen, drehte sich um und sah ihre Tante fragend an.

Clarissa lächelte und ging zu dem Kind.

»Nun, Katharina, was du siehst, ist eine Nachbildung deiner Vaterstadt Florenz. Dort drüben ist der Ponte Vecchio, wo die Handwerker arbeiten und die Händler ihre Ware anbieten, und wir stehen jetzt vor dem Dom Santa Maria del Fiore. Nun komm!« Sie führte das Kind einige Straßen weiter und blieb vor einem Gebäude stehen, das einer Festung ähnlich sah.

»Jetzt sind wir in der Via Larga. Dies ist dein Vaterhaus, der Palazzo Medici, hier wurdest du geboren, hier starben deine Eltern kurz nach deiner Geburt.«

Sie schwieg und blieb mit Katharina noch einige Minuten dort stehen, damit das Kind in aller Ruhe Florenz auf sich wirken lassen konnte. »Nun, gefällt dir deine Heimat?«

»Ja, Tante Clarissa. Darf ich jeden Tag hierher kommen?«

»Natürlich, ich erwarte, dass du allmählich eine innere Beziehung zu Florenz entwickelst. Du musst anfangen, diese Stadt zu lieben, das ist der Grund, warum ich sie hier nachbauen ließ.«

Sie gingen zurück zum Tor, wo die Familie und Mingo in stummer Bewunderung das Kunstwerk betrachteten.

»Katharina«, begann Clarissa und sprach absichtlich so laut, dass alle es hören konnten. Alessandro vor allem sollte hören, was sie sagte. »Als ich die Nachbildung von Florenz bauen ließ, dachte ich, dass du noch einige Jahre in meinem Haus leben würdest. Dein Onkel, der Papst, wünscht aber, dass du noch im April nach Florenz zurückkehrst. Mingo wird dich natürlich begleiten, ebenso Signor Ridolfi, Ippolito und Alessandro.« Katharina sah Clarissa überrascht an.

»Gehen Sie auch nach Florenz, Tante Clarissa?«

»Nein, Kind, ich muss hier bleiben, wegen meiner Familie. Aber ich besuche euch hin und wieder. Ansonsten wird Kardinal Passerini, der jetzt im Palazzo lebt, euch beaufsichtigen.«

»Werden Sie Piero mitbringen, wenn sie uns besuchen?« Von Clarissas Söhnen mochte sie den kleinen, zartgliedrigen Piero am liebsten. »Gewiss, aber du willst doch nicht nur Piero sehen, sondern auch seine Brüder?«

»Ja …« Sie zögerte etwas, und dann kam jene Frage, die Clarissa erwartet hatte.

»Warum sollen Ippolito, Alessandro und ich nach Florenz zurückkehren?«