Keeva McCullen 7 - Bluthunger - Nathan R. Corwyn - E-Book

Keeva McCullen 7 - Bluthunger E-Book

Nathan R. Corwyn

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Beschreibung

Erschöpft kehren Keeva und Shane aus dem Norden Englands nach London zurück und hoffen, nun eine Weile Ruhe zu finden. Gerade Keeva benötigt dringend Zeit, um sich mit der schrecklichen Wahrheit über ihren Bruder Gabriel auseinandersetzen zu können. Doch den beiden jungen Dämonenjägern ist keine Pause vergönnt, denn durch Zufall gelingt es ihnen, einen schrecklichen Plan aufzudecken. Einen Plan, der nicht nur Keevas Familie in größte Gefahr bringt, sondern auch für den Rest der Menschheit eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Gelingt es Keeva und ihren Freunden auch in diesem vorerst letzten Teil der Serie, London vor den Dämonen der Hölle zu schützen? Denn die Zeit ist knapp - und der Erzdämon und seine Schergen sind ihnen einen wichtigen Schritt voraus ...

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Seitenzahl: 139

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Nathan R. Corwyn

Keeva McCullen 7 - Bluthunger

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Hauptpersonen

Im Zug nach London

Informationen zur Romanreihe

Impressum neobooks

Hauptpersonen

Keeva McCullen

Tochter von Liam McCullen, Enkelin von Robert Paddock

Ist von ihrem Großvater heimlich - gegen den Willen ihres Vaters - zur Dämonenjägerin ausgebildet worden. Hat jetzt erst erfahren, dass ihr totgeglaubter Zwillingsbruder noch lebt - als Geisel des Erzdämons.

Shane Truax

Vierteldämon, Enkel von Theobald Truax

Freischaffender Dämonenjäger, mit Keeva befreundet.

Theobald Truax

Abtrünniger Dämon, Großvater von Shane

Hat vor über fünfzig Jahren der Dämonenwelt den Rücken gekehrt.

Liam McCullen

Vater von Keeva, Schwiegersohn von Robert Paddock

Ehemals sehr erfolgreicher Dämonenjäger; hat vor zehn Jahren seine Frau Rachel bei einem Kampf gegen den Erzdämon verloren; sein Sohn Gabriel - Keevas Zwillingsbruder - wurde dabei entführt und befindet sich seither in der Gewalt des Oberdämons.

Robert Paddock

Keevas Großvater und heimlicher Lehrmeister

Dämonenjäger in Rente; hat sein Wissen vor vielen Jahren an Liam McCullen weitergegeben, seinem späteren Schwiegersohn; nach dem Tod seiner Tochter hat Robert seine Einstellung zur Ausbildung von Frauen geändert und Keeva von ihrem zehnten Lebensjahr an trainiert.

Edward Skeffington

Kriminalbeamter bei New Scotland Yard

Seit vielen Jahren mit Liam McCullen befreundet; hat zu Liams aktiver Zeit häufig hinter ihm „aufgeräumt“, d.h. Indizien, die auf dämonische Aktivität hinweisen, möglichst diskret behandelt; wendet sich an seinen Freund, wenn er Fragen zu übersinnlichen Themen hat.

Liekk-Baoth

Gestaltwandler und rechte Hand des Erzdämons

Im Zug nach London

Liekk-Baoth, mächtiger Gestaltwandler und rechte Hand des Londoner Erzdämons, saß in Menschengestalt in einem Zugabteil und blickte müde aus dem Fenster auf die vorbeihuschende Landschaft. Der Ausblick war genauso trübe wie seine Stimmung.

Wenigstens schützte ihn der muffige Geruch seiner Kleidung vor der Gesellschaft anderer Menschen. Bisher hatte es auf dieser Reise jedenfalls noch niemand allzu lange in seiner Nähe ausgehalten. Die Wenigen, die in sein Abteil getreten waren und nicht sogleich wieder auf dem Absatz kehrt gemacht hatten, waren spätestens nach einer Viertelstunde aufgestanden und hatten sich woanders einen Platz gesucht - manche mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede auf den Lippen, die anderen stumm und mit misstrauischem Blick.

Selbst der Schaffner war seit der Fahrkartenkontrolle zu Beginn der Fahrt nicht mehr hereingekommen. Nach jedem Bahnhofsstopp hatte der uniformierte Mann einen kurzen Blick in das Abteil geworfen, hatte mit offensichtlicher Erleichterung festgestellt, dass sich kein neuer Passagier dazugesellt hatte und war mit schnellen Schritten weiter geeilt.

Dem schlecht gelaunten Dämon war das nur recht.

Er konnte die Menschen nicht ausstehen und hatte nur noch eines im Sinn: so schnell wie nur möglich nach London zurückzugelangen und dort durch das versteckte Portal in die Höllenwelt zu wechseln, wo er seinem Meister, dem Erzdämon, endlich den magischen Stein in die Hand drücken konnte, den er gerade in seiner Jackentasche trug. Damit wäre dann auch der zweite Teil seines Auftrages, der ihn in die unangenehme Welt der Menschen geführt hatte, abgeschlossen.

Leider hatte er dafür deutlich länger gebraucht als geplant - weshalb er nun von der Sorge geplagt wurde, sein schärfster Konkurrent um die Gunst des Erzdämons könnte seine lange Abwesenheit dazu ausgenutzt haben, ihm seine Stellung innerhalb der Höllenhierarchie streitig zu machen …

Während der Dämon aus dem Fenster starrte und diesen Gedanken nachhing, erschien unerwartet ein gänzlich anderes Bild vor seinem geistigen Auge, begleitet von einem Schwall negativer Gefühle: Verschwommene Gleise, unüberwindbare Verzweiflung und der endgültige Wille, diesem traurigen Leben ein Ende zu bereiten ...

Liekk-Baoth grunzte unwillig vor sich hin. Was er spürte, waren die Gedanken irgendeines Menschen in nicht allzu großer Entfernung. Eines weiblichen Menschen, denn Männer waren gegen die Kontrolle und das Lesen ihrer Gedanken deutlich widerstandsfähiger als Frauen. Er wollte diese ungebetene Einmischung in seine Grübeleien gerade beiseite schieben, als ihm klar wurde, was die aufgefangenen Gefühle zu bedeuten hatten: diese Frau war kurz davor, Selbstmord zu begehen, indem sie sich auf die Schienen stürzte!

Alarmiert setzte er sich aufrecht hin und beugte sich näher zum Fenster. Der Zug hatte - ohne dass er es bisher bewusst wahrgenommen hätte - seine Fahrgeschwindigkeit deutlich verringert und war gerade im Begriff, in einen kleinen Bahnhof einzufahren. Die Person, deren Empfindungen seinen Geist heimsuchten, konnte sich also nur dort vorne auf dem Bahnsteig aufhalten und jeden Augenblick zum Sprung ansetzen. Das musste er mit aller Macht verhindern!

Nicht, dass es ihm dabei um das Leben dieser Frau gegangen wäre - deren jämmerliche Existenz war ihm völlig gleichgültig -, aber die Verzögerung, die so ein Unglücksfall mit sich bringen würde, konnte er jetzt auf keinen Fall gebrauchen. Er war auch so schon viel zu spät dran für seinen Geschmack.

So intensiv wie möglich konzentrierte er sich daher auf die Quelle dieser Verzweiflung. Er hatte keinerlei Interesse daran, allzu tief in die Psyche der Frau einzudringen, stattdessen beschränkte er sich auf eine äußerst oberflächliche Kontrolle ihres Geistes. Keine Sekunde zu früh, wie er bemerkte, als er unmittelbar darauf durch die Augen der Frau sehen konnte. Sie stand tatsächlich sprungbereit neben den Schienen und wartete auf den gerade einfahrenden Zug - seinem Zug ...

Er zwang die Frau, sich umzudrehen, ein paar Schritte zurückzugehen und sich auf eine der Holzbänke zu setzen, die sich in der Mitte des Bahnsteiges befanden. Er spürte die Verwirrung, die sich ihrer bemächtigte, doch für ihn war lediglich das Bild des Zuges wichtig, der vor ihren Augen langsam in den Bahnhof einfuhr und schließlich mit lautem Zischen zum Stehen kam.

Erleichtert lehnte Liekk-Baoth sich zurück und löste den Griff um den Geist der fremden Frau. Vor diesen Zug würde sie sich nun definitiv nicht mehr werfen können. Und was nach ihm kam, war ihm herzlich egal ...

*

Liam bemerkte erst, wie dunkel es im Zimmer bereits geworden war, als sein Schwiegervater Robert Paddock hereinkam und das Licht der Flurlampe durch die nun geöffnete Tür in den Raum flutete. Er blinzelte kurz mit den Augen, blickte jedoch nicht auf.

Robert Paddock durchquerte das Zimmer mit wenigen, für sein Alter noch recht kraftvollen Schritten, setzte sich neben ihn auf das Bett - auf Gabriels Bett - und schaltete die Nachttischlampe ein.

Liam blinzelte erneut.

„Du solltest wieder nach unten kommen, zu Emma und mir“, meinte sein Schwiegervater freundlich. „Du hast dieses Zimmer den ganzen Tag noch nicht verlassen. Es tut dir nicht gut, hier stundenlang alleine zu sitzen und düsteren Gedanken nachzuhängen. Du kannst an der Situation nichts mehr ändern - so schwer es auch sein mag, das zu akzeptieren.“

Liam atmete tief ein. Sein Schwiegervater hatte recht mit seinen Behauptungen. Damit, dass Liam nichts mehr ändern konnte - und damit, dass es ihm gleichzeitig noch nicht möglich war, diese Tatsache zu akzeptieren. Seit über zehn Jahren hatte er geglaubt, sein Sohn Gabriel würde, gefangen als Geisel des Erzdämons, Höllenqualen leiden. Aber wie es schien war der einzige, der wirklich diese ganze Zeit über Höllenqualen gelitten hatte, er selbst, Liam McCullen, gewesen. Sein geliebter Sohn hingegen war zu einem Werkzeug des Bösen geworden …

„Komm zu uns, Emma hat etwas vom Abendessen für dich warmgehalten“, versuchte sein Schwiegervater es erneut.

Emma war die Haushälterin der Familie und machte sich bestimmt große Sorgen, weil Liam den ganzen Tag nicht zum Essen erschienen war. Liam hatte es trotzdem vorgezogen, hier oben, in Gabriels ehemaligem Kinderzimmer, die Information zu verarbeiten, dass sein Sohn aller Wahrscheinlichkeit nach die Seiten gewechselt hatte. Schließlich hatte er erst gestern davon erfahren, und der Schock war noch immer frisch.

Im Vergleich dazu war die Tatsache, dass seine Tochter Keeva ausgerechnet mit dem Enkel eines abtrünnigen Dämons eng befreundet war, fast schon nebensächlich. Liam hatte Shane, den Vierteldämon, bisher zwar nur einmal kurz gesehen, trotzdem jedoch nicht das Gefühl, dass der junge Mann seiner Tochter Böses wollte. Und Robert Paddock wiederum hatte versichert, dass dessen Großvater Theobald Truax ebenfalls absolut vertrauenswürdig sein. Dieser hatte mit dämonischem Namen Therak-Baoth geheißen und war einstmals, vor über fünfzig Jahren, die rechte Hand des Erzdämons gewesen, ehe er sich für die Seite der Menschen und das zurückgezogene Leben eines Abtrünnigen entschieden hatte. Liam schätzte sowohl das Urteilsvermögen seines Schwiegervaters, als auch das seiner Tochter hoch ein - und somit vertraute er auch Shane und Theobald Truax. Es gab also keinen Grund, sich diesbezüglich noch zusätzlich Sorgen zu machen.

Die Gram um seinen Sohn wog schon schwer genug ...

Liam konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob er nicht vielleicht bei Gabriels Erziehung versagt hatte. Wie sonst sollte es möglich sein, dass dieser sich so einfach dem Feind angeschlossen hatte? Schließlich stammte der Junge aus einer Familie, in der schon seit unzähligen Generationen gegen das Böse aus der Hölle gekämpft worden war. Und da Gabriel Liams einziger Sohn war, hatte es immer als selbstverständlich gegolten, dass der Junge einmal die Nachfolge seines Vaters antreten würde … nur dafür war er erzogen worden.

Warum also dieser Sinneswandel? War dabei schwarze Magie im Spiel? Oder hatte der Erzdämon eine Art Gehirnwäsche durchgeführt?

Vielleicht war die Erklärung jedoch viel einfacher: Gabriel McCullen war erst acht Jahre alt gewesen, als der Erzdämon ihn in seine Gewalt gebracht hatte. Jetzt war der Junge achtzehn - hatte also inzwischen mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in der Höllenwelt verbracht. Kinder neigten dazu, das Gegebene zu akzeptieren, sich an neue Umgebungen anzupassen und Vergangenes zu verdrängen. Das war purer Überlebensinstinkt. Wahrscheinlich hatte der Junge einfach irgendwann das völlig natürliche Bedürfnis gehabt, sich eine neue Familie, einen neuen Vater zu suchen. Und es war ja nicht Gabriels Schuld, dass die Auswahl in seiner dämonischen Umgebung diesbezüglich nicht allzu groß war …

Ein Funken Hoffnung keimte in Liam auf. Wenn es so gewesen sein sollte, dann war es vielleicht auch möglich, diesen Anpassungsprozess wieder rückgängig zu machen. Ja, warum nicht, dachte er.

Liams bedrückende Gedankengänge und das Gefühl der Hilflosigkeit begannen, sich aufzulösen, ein neuer Plan nahm Gestalt an. Mit genügend liebevollem Einfühlungsvermögen und Geduld sollte es doch kein Problem sein, Gabriel wieder zu einem Menschen werden zu lassen, der wusste, dass die Hölle sein Feind war. Wichtig war doch vielmehr, jetzt zweifelsfrei zu wissen, dass sein Sohn noch am Leben war. Alles andere würde sich mit der Zeit von alleine ergeben - sie mussten den jungen Mann nur wieder in die Welt der Menschen zurückholen!

Liam straffte sich und sah seinem Schwiegervater, der in den vergangenen Minuten geduldig neben ihm gesessen und auf eine Antwort gewartet hatte, direkt ins Gesicht.

„Ich werde gleich nach unten kommen“, versprach er. „Du könntest Emma schon einmal mitteilen, dass sie das Essen aufwärmen kann. Ich habe tatsächlich etwas Hunger.“

Letzteres stimmte zwar nicht - aber Liam konnte am erleichterten Aufleuchten in den Augen seines Schwiegervaters erkennen, dass er damit genau den richtigen Ton getroffen hatte.

*

Shanes Magen knurrte. Seit dem frühen Nachmittag hatten sie nichts mehr gegessen - und jetzt begann es bereits, dunkel zu werden. Sobald sie im Londoner Bahnhof eintreffen würden, würde er sich erst einmal ein großes Sandwich organisieren. Oder zwei ...

Besorgt blickte er auf Keeva, die ihm gegenüber stumm aus dem Zugfenster blickte. Nachdem er ihr heute morgen davon erzählt hatte, dass ihr Bruder noch am Leben war und sich seit nunmehr zehn Jahren in der Hand des Erzdämons befand, war sie in dumpfes Brüten verfallen und hatte nur noch die nötigsten Worte mit ihm gewechselt.

Er würde sie gerne aus ihren Grübeleien herausholen - doch er befürchtete, dass sie ihm dann womöglich weitere Fragen stellen würde. Fragen, die ihn dazu zwingen würden, ihr auch noch die zweite Hälfte der Geschichte zu erzählen - nämlich dass ihr Bruder möglicherweise nicht mehr auf der Seite der Menschen stand. Diesen Teil hatte er bisher, auf Anraten seines Großvaters, für sich behalten. Allerdings nur mit schlechtem Gewissen, denn er fand, dass er es Keeva einfach schuldig war, ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Schließlich waren sie beide inzwischen ein Liebespaar - da gehörte es sich nicht, wenn ein Partner dem anderen solche wichtigen Informationen vorenthielt.

Trotzdem zögerte er diesen Moment immer weiter hinaus. Er würde es ihr ganz bestimmt vor ihrer Ankunft in London sagen, das hatte er sich fest vorgenommen, aber er wartete noch auf einen günstigen Augenblick. Es war schwer genug, ihr zum zweiten Mal innerhalb eines Tages so eine erschütternde Wahrheit mitzuteilen, da wollte er es möglichst sanft tun. Er verfluchte sich innerlich dafür, dass er auf seinen Großvater gehört und das nicht gleich heute morgen getan, ihr nicht gleich alles auf einmal erzählt hatte. Jetzt kam er sich so vor, als würde er den Dolch, den er in Keevas Vorstellung von der Wirklichkeit gerammt hatte, erneut in sie hineinstoßen - gerade nachdem sie es geschafft hatte, ihn ein klein wenig wieder herauszuziehen …

Shane seufzte. Vielleicht sollte er nicht mehr länger zögern, sondern einfach …

Der Zug bremste abrupt ab und warf ihn fast aus seinem Sitz. Auch Keeva zuckte hoch und sah ihn mit einem erschrockenen Stirnrunzeln an. Er konnte nur hilflos mit den Schultern zucken.

„Keine Ahnung, was da los ist“, sagte er.

Er sah zu den Passagieren auf der anderen Seite des Ganges hinüber, doch die wirkten genauso verwirrt wie sie. Keeva stand auf, zog mit einem kräftigen Ruck das Fenster auf und beugte sich hinaus in die dunkle Nacht.

„Da vorne steht noch ein anderer Zug“, stellte sie gleich darauf fest, „und noch weiter vorne scheint eine Stadt oder so etwas zu sein.“

Sie sah noch ein paar Sekunden aus dem Fenster, als sich daraus jedoch keine weiteren Erkenntnisse ergaben, zog sie ihren Kopf wieder herein, schob die Scheibe hoch und ließ sich mit einem tiefen Atemzug zurück auf ihren Sitz fallen. Sie war blass und ihr Gesicht wirkte angespannt. Aus einem spontanen Impuls heraus nahm Shane ihre Hände und streichelte sie liebevoll. Sie erwiderte die Zärtlichkeit und lächelte ihn kläglich an.

„Ich bin heute kein besonders guter Reisebegleiter, ich weiß“, meinte sie und presste die Lippen zusammen.

Shane beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.

„Ist schon gut“, sagte er. „Du hast eben viel, worüber du jetzt nachdenken musst.“

Jetzt oder nie, dachte er, und gab sich einen Ruck.

„Da ist noch etwas ...“, begann er zögernd, als plötzlich mit einem lauten Knacksen die Lautsprecheranlage im Abteil zum Leben erwachte.

„Meine Damen und Herren“, sagte eine männliche Stimme. „Leider hat sich auf unserer Strecke soeben ein Unfall mit Todesfolge ereignet. Es wird wohl eine Weile dauern, bis die Gleise wieder freigegeben werden, und wir unsere Fahrt fortsetzen können. Wir bitten Sie, diese Unannehmlichkeit zu entschuldigen. Wir werden Sie so schnell wie möglich informieren, sobald wir die genaue Verzögerungszeit kennen. Falls Sie es besonders eilig haben, so kontaktieren Sie bitte einen unserer Schaffner. Wir werden dann gegebenenfalls versuchen, für Sie einen Shuttle-Bus zum nächsten Bahnhof zu organisieren.“

Keeva sah ihn fragend an.

„Was meinst du, was das bedeutet?“, fragte sie.

„Ich vermute mal, dass sich jemand auf die Schienen geworfen hat“, antwortete er.

Keeva verzog entsetzt das Gesicht.

„Das ist ja grässlich“, erwiderte sie fassungslos. „Wer macht denn so etwas.“

„Vielleicht war es ja auch ein Unfall“, erwiderte er. „Auf jeden Fall bedeutet das, dass wir erst sehr viel später in London ankommen werden. Sollen wir uns für den Shuttle-Bus anmelden?“

Keeva schüttelte nur stumm den Kopf. Sie hatte es offensichtlich nicht besonders eilig, in den Schoß ihrer Familie zurückzukehren.

Und für ihn bedeutete das, dass er noch eine ganze Weile Zeit hatte, ehe er Keeva den Rest der Geschichte erzählen musste, dachte Shane … und fühlte sich fast ein wenig erleichtert.

*

Keeva merkte schon die ganze Zeit, dass Shane etwas auf dem Herzen hatte. Sie vermutete, dass es ihm leid tat, weil ausgerechnet er derjenige gewesen war, der ihr die Wahrheit über ihren Bruder Gabriel hatte beibringen müssen. Doch er brauchte sich deswegen keine Gedanken zu machen. Schließlich konnte er ja nichts dafür, dass ihr eigener Vater die Familie diesbezüglich zehn Jahre lang angelogen hatte.

Shane griff erneut nach ihrer Hand und drückte sie sanft. Sie erwiderte den Druck und war froh, dass er sie nicht zu einem Gespräch drängte. Welch ein Glück für sie, solch einen Partner gefunden zu haben. Einen, der sie so gut verstand und mit dem sie noch dazu unglaublich viel gemeinsam hatte. Die Dämonenjägerei zum Beispiel ...

Sofort holten die düsteren Gedanken sie wieder ein.

Über die Hälfte ihres Lebens hatte sie geglaubt, sie wäre das einzige überlebende Kind der Familie McCullen. Nun musste sie erst einmal realisieren, dass ihr Bruder ebenfalls noch am Leben war - und sich über damit verbundenen Konsequenzen im Klaren werden. Erleichterung oder Freude über diese Nachricht wollten sich noch nicht so recht einstellen. Selbstverständlich war sie unglaublich froh darüber, dass Gabriel noch lebte, keine Frage. Aber alle positiven Empfindungen in diesem Zusammenhang wurden in den Hintergrund gedrängt von einer einzigen übermächtigen Gefühlsregung: Enttäuschung.