Kindern mit FASD ein Zuhause geben - Reinhold Feldmann - E-Book

Kindern mit FASD ein Zuhause geben E-Book

Reinhold Feldmann

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Beschreibung

(Pflege-)Eltern und Angehörige von Kindern mit Fetalen Alkoholspektrumstörungen sehen sich auf dem gemeinsamen Weg fast täglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Immer wieder sind sie in all ihrer Geduld und Flexibilität gefordert und erleben ihren Alltag oft als sehr anstrengend und kraftraubend. Was hilft? Dieser Ratgeber ist eine Fundgrube an kompaktem, gut verständlichem Fachwissen, hilfreichen Alltagstipps und vielfältigen Anregungen. Dabei reicht die Themenpalette vom ersten Verdacht auf FASD bis hin zur Frage nach möglichen Zukunftsperspektiven von betroffenen Jugendlichen. Erfahrungsberichte von Pflegeeltern und Fachkräften runden das Buch ab.

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Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Reinhold Feldmann, Psycholog. Psychotherapeut, Münster, arbeitet in der FAS-Ambulanz Walstedde. Vom Autor außerdem im Ernst Reinhardt Verlag erhältlich: „FAS(D) perfekt! Ein Bilderbuch zum FAS(D) – Fetales Alkoholsyndrom bzw. Fetale Alkoholspektrumstörung“ (mit Anke Noppenberger; ISBN 978-3-497-02873-3, 2019).

Dipl.-Päd. Martina Kampe, Elterntrainerin, und Dipl.-Psych. Erwin Graf, Kinder- u. Jugendlichenpsychotherapeut, sind an der Erziehungs-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Neustadt an der Aisch tätig.

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-02935-8 (Print)

ISBN 978-3-497-61341-0 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61342-7 (EPUB)

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Covermotiv: © Martina und Stefan Kampe

Satz: Sabine Ufer, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Zum Geleit

Vorwort

1 FASD – Was ist das eigentlich?

Diagnosekriterien

Hirnorganische Schädigungen bei FASD

Begleiterkrankungen bei FASD

FASD im Alltag – charakteristische Auffälligkeiten, Schwierigkeiten und Probleme

2 Diagnostik

Verdacht auf FASD – was tun?

Diagnose FASD – und nun?

3 Leben mit einem FASD-betroffenen Kind – Alltag und Erziehung

Alltags-Tipps

Geschwisterverhältnis

Freizeit und Sozialkontakte

Motorische Unruhe

Körperpflege

Mediennutzung

Lügen und Stehlen

Aggressivität, Selbst- und Fremdgefährdung

Sexualität

Selbstfürsorge der Pflegeeltern

Und jetzt? Tatsächlich alles nur negativ?

4 FASD und Schule

Hilfestellungen für den schulischen Alltag

Wahl der geeigneten Schulform

5 Therapiemöglichkeiten

Pädagogisch-psychologische Interventionen

Medikation

6 Zukunftsperspektiven

Emotionale und soziale Entwicklung

Berufsausbildung

Selbständigkeit

Loslassen

Vorzeitiger Abbruch des Pflegeverhältnisses

7 Was hilft Familien mit FASD-betroffenen Kindern und Jugendlichen?

Ein Modellprojekt zur Unterstützung von Pflegefamilien

Allgemeine Empfehlungen

Anhang

Literaturtipps

Internetadressen

Fragebogen „Fetal Alcohol Syndrome Questionnaire“ (FASQ)

Literatur

Register

Zum Geleit

Liebe Eltern, liebe Fachkräfte, liebe an FASD Interessierte,

wir von PfAd NEA e. V. wünschen Ihnen eine interessante Lektüre, die Ihnen in Ihrem anspruchsvollen Familienalltag weiterhilft!

Vor über drei Jahren haben wir mit den ersten Überlegungen für ein FASD-Projekt im Landkreis Neustadt / Aisch – Bad Windsheim begonnen. Nach einem erfolglosen Versuch, das Projekt alleine zu stemmen, war klar: Wir brauchen Hilfe. Dieses Gefühl kannten wir aus unserem Alltag mit FASD-betroffenen Pflege- und Adoptivkindern sehr gut. Daher griffen auch die üblichen Unterstützungssysteme: Wir fragten beim Jugendamt und bei der Erziehungs- und Lebensberatungsstelle an.

Dank unserer beiden Projektpartner, die schnell von der Idee angesteckt waren, konnten wir unseren Projektentwurf weiterentwickeln. Bald war klar, die Hilfe soll bei den Betroffenen direkt im Alltag ankommen und andere sollen von den Erkenntnissen profitieren.

Die von uns gewünschte wissenschaftliche Tiefe brachte der FASD-erfahrene Herr Dr. Feldmann ein. Bei Fortbildungsveranstaltungen und Supervisionen erhielten die Pflegeeltern neben fachlichem Input die Gelegenheit, individuelle Herausforderungen zu besprechen. Der Satz von Herrn Dr. Feldmann (so in etwa) „Dann lassen Sie Ihr FASD-betroffenes Kind halt einmal länger als pädagogisch sinnvoll am PC oder vor dem Fernseher sitzen, wenn es zur Entspannung der familiären Situation beiträgt“ allein hat das Projekt gerechtfertigt. Man hörte Zentnerlasten von den Gewissen der Anwesenden plumpsen. Herzlichen Dank Herrn Dr. Feldmann für die theoretischen Hintergründe, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und vor allem für die praktischen Tipps.

Es freut uns sehr, dass dieses Projekt die Arbeit mit FASD-betroffenen Kindern und ihren Familien weitergebracht hat. Dass unser Projekt die Initialzündung für dieses Taschenbuch und ein tolles Kinderbuch – FAS(D) perfekt! – ist, finden wir prima. Dadurch finden Betroffene und ihre Familien anschaulich Unterstützung.

Alles Gute, wir hoffen, Sie finden die Schätze in diesem Buch!

Ihr PfAd NEA e. V. Christina Müller, 1. Vorsitzende

Vorwort

Die Erstbeschreibung vorgeburtlicher Schäden am Kind durch den Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft geht auf eine Studie des französischen Arztes Paul Lemoine im Jahr 1968 zurück. Einige Jahre später bekam das Krankheitsbild den Namen „Fetales Alkoholsyndrom (FAS)“.

Das FAS ist demnach seit etwa 50 Jahren bekannt. Dennoch werden bis heute Klagen laut, die Versorgung von Kindern mit FAS und ihren Familien sei noch immer unzureichend. Man kann einwenden, dass 50 Jahre in der Medizingeschichte keine lange Zeit sind. Auch andere Erkrankungen bekamen nur langsam die ihnen angemessene Aufmerksamkeit, FAS ist da keine Ausnahme.

Allerdings trifft zu, dass die „Geschichte“ des FAS nicht eben geradlinig verlief. Unmittelbar nach der ersten medizinischen Beschreibung der vorgeburtlichen Alkoholschäden am Kind nahmen die Medien das Thema zwar vielfältig zur Kenntnis, FAS war in den 1970er Jahren sozusagen in aller Munde. Es blieb allerdings bei einem medialen Strohfeuer. In den 1980er und 1990er Jahren wurde die FAS-Forschung durchaus weitergeführt, eine flächendeckende fachliche Versorgung der betroffenen Kinder und ihrer Familien etablierte sich aber nicht.

Das änderte sich in den Nullerjahren unseres Jahrhunderts. Ursächlich zu nennen ist besonders das Engagement des Selbsthilfevereins FAS-World, heute FASD-Deutschland e. V. Der Verein wandte sich mit Eifer an die Medien, veranstaltet auch jährlich eine gut besuchte Tagung. An der Universitäts-Kinderklinik in Münster entstand eine Fachambulanz für Kinder und Jugendliche mit FAS. Sie ist heute in Walstedde angesiedelt und versorgt inzwischen mehr als 1500 betroffene Patienten und ihre Familien pro Jahr. Eine innermedizinische Aufwertung der FAS-Diagnose gelang, als im Mai 2010 die damalige Drogenbeauftragte in Zusammenarbeit mit der Münsteraner FAS-Ambulanz den Entschluss fasste, für das FAS eine diagnostische Leitlinie erstellen zu lassen. In der Folgezeit konnte die FAS-Leitlinie auf das gesamte Spektrum der Störung, nun FASD (Fetale Alkohol-Spektrumstörung) genannt, ausgeweitet werden.

In den Nullerjahren wurden auch Behinderten- und Jugendhilfe aktiv, es entstanden erste Wohngruppen für betroffene Erwachsene, bald auch Wohngruppen für betroffene Kinder und Jugendliche. Besonders früh engagierten sich Elternverbände, Jugendämter und Einrichtungen der Jugendhilfe in Franken in der Versorgung der Kinder mit FASD und ihrer Familien.

In diesem Umfeld hat die Erziehungs- und Lebensberatungsstelle in Neustadt an der Aisch ein ganz besonderes Projekt für betroffene Familien gestaltet. Wir schreiben dazu in Kapitel 7: „FASD (spielt) eine sehr große, teilweise entscheidende Rolle bei den Verhaltensauffälligkeiten und damit einhergehenden Erziehungsschwierigkeiten vieler Pflegekinder […]. Jahrelang gab es jedoch nur geringe Kenntnisse zu der für viele Familien ganz wesentlichen Frage ‚Was hilft?‘ – ‚Welche Unterstützungsmöglichkeiten und Fördermaßnahmen greifen?‘, ‚Was brauchen FASD-betroffene Kinder und Jugendliche?‘, ‚Was brauchen ihre Familien?‘.“

So entstand das „FASDKJ-Projekt NEA“ zur Unterstützung von Pflegefamilien, die FASD-betroffenen Kindern und Jugendlichen ein Zuhause geben sowie zur Unterstützung betroffener Jugendlicher. Für die teilnehmenden Familien erwies sich das Neustädter Eltern-Coaching als großer Gewinn. Die Pflegeeltern erlebten sich selbst als gestärkt und entlastet zugleich.

Damit hätte das Projekt in seiner eigentlichen Ausrichtung und Wirkung enden können. Wir, Erwin Graf und Martina Kampe, hatten allerdings auch an eine Handreichung für die teilnehmenden Familien gedacht und während der Coachingsitzungen alle Themen, die von den Eltern eingebracht wurden und alle Antworten, die wir gemeinsam mit Dr. Feldmann geben konnten, protokolliert, geordnet und verschriftlicht.

Die Bandbreite an Themen war stattlich, angefangen bei Störungen im Kleinkindalter über Fragen nach dem konkreten Umgang mit Aggressionen, Lügen oder Stehlen bis hin zur schulischen und beruflichen Ausbildung sowie der rechtlichen Betreuung ab der Volljährigkeit. So entstand, beinahe nebenbei, ein Ratgeber für alle Pflege- und Adoptivfamilien, in denen ein Kind mit FASD aufwächst.

Der Ratgeber kann den Familien im Alltag mit dem betroffenen Kind, aber auch im Kontakt mit Behörden, Ärzten, Schulen und Ausbildungsstätten professionelle Hilfe bieten. Neben Pflege- und Adoptiveltern als Adressaten kann dieses Buch allen Beratenden und Betreuenden in der Erziehungshilfe empfohlen werden, die Sorge für ein Kind oder einen Jugendlichen mit FASD tragen.

All jenen, die mit ihren Ideen und Erfahrungen, ihren Texten und Bildern zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben, danken wir ganz herzlich, ebenso Ulrike Landersdorfer vom Ernst Reinhardt Verlag, die unsere gemeinsame Arbeit mit Begeisterung für das Thema und professionellem Engagement begleitet hat.

Unser Dank gilt auch unseren Projekt-Kooperationspartnern: PfAd NEA e. V., hier Frau Christina Müller und Herrn Peter Able, ohne deren Impulse und Rückhalt das Projekt nicht hätte auf den Weg gebracht werden können, und dem Kreisjugendamt, hier Jugendamtsleiter Herrn Roland Schmidt und Leiterin des Pflegekinderfachdienstes Frau Sigrid Mosé, von deren fachlichem Know-how, ihrem Netzwerk und ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz wir immer wieder profitieren durften. Dank auch an das Diakonische Werk Neustadt / Aisch für den ideellen wie finanziellen Rückhalt.

Ganz besonders aber danken wir „unseren“ Pflegeeltern für die enorme Offenheit, die sie uns entgegengebracht, und die tiefen Einblicke in ihr Familienleben, die sie uns ermöglicht haben. Im Projektverlauf haben wir viele Kommentare und Bemerkungen betroffener Eltern gesammelt. Zusätzlich finden Sie im Buch einige Erfahrungsberichte von Pflegeeltern FASD-betroffener Kinder und Jugendlicher und von Fachkräften. Letztlich sind es doch häufig die Betroffenen selbst, die die Dinge auf den Punkt bringen. Herzlichen Dank dafür!

März 2020

Dr. Reinhold Feldmann Martina Kampe Erwin Graf

1 FASD – Was ist das eigentlich?

DEFINITION

Trinkt die werdende Mutter während ihrer Schwangerschaft Alkohol, kann das für die betroffenen Kinder schwerwiegende Folgen haben. All diese vielfältigen Folgen werden unter dem Begriff Fetale Alkohol-Spektrumstörung (Fetal Alcohol Spectrum Disorder), kurz FASD, zusammengefasst.

Der Begriff FASD umfasst dabei drei verschiedene mögliche Diagnosen:

1   das Fetale Alkoholsyndrom, das Vollbild der Störung, kurz FAS

2   das partielle Fetale Alkoholsyndrom, kurz PFAS

3   alkoholbedingte neurologische Entwicklungsstörungen, kurz ARND (Alcohol-Related Neurodevelopment Disorder).

Diagnosekriterien

Die folgenden Tabellen geben einen Überblick über die Diagnosekriterien der verschiedenen Störungsbilder (Landgraf / Heinen, Pocketguide FASD). Deutlich wird dabei, dass es sich um eine Vielzahl unterschiedlichster Symptome handelt und FASD erst in der Zusammenschau dieser Symptome erkennbar und diagnostizierbar wird. Nach wie vor gibt es deshalb nur wenige Fachleute, die FASD zweifelsfrei diagnostizieren können.

Auf den ersten Blick sieht FASD häufig aus wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung), eine Bindungsstörung oder Autismus. Allerdings gibt es stets Symptome oder Symptombereiche, die sich zu FASD deutlich unterscheiden. Auch ist die Symptomatik beispielsweise bei ADHS oder einer Bindungsstörung therapeutisch in der Regel besser beeinflussbar.

Tabelle 1: Diagnose FAS

Tabelle 2: Diagnose PFAS

Tabelle 3: Diagnose ARND

Hirnorganische Schädigungen bei FASD

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Das Gehirn des ungeborenen Kindes entwickelt sich – anders als andere Organe – im gesamten Schwangerschaftsverlauf. Deshalb sind die Auswirkungen von FASD auf das Gehirn am stärksten und dort bei allen von FASD betroffenen Kindern vorhanden.

Alkohol behindert die Zellkernteilung und damit das Wachstum der Organe. Allerdings können die Membranen der Zellkerne durchlässiger oder undurchlässiger sein. Abhängig davon kann Alkohol die Zellkerne mehr oder weniger schädigen. So ist es erklärbar, dass manche Mütter während der Schwangerschaft zwar Alkohol trinken, dies aber keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes hat.

■  Von FASD betroffene Kinder haben ein kleineres Gehirn. Da Alkohol die Zellteilung behindert, entstehen weniger Gehirnzellen, das Gehirn der betroffenen Kinder bleibt kleiner. Häufig haben die Kinder auch einen geringeren Kopfumfang.

Parallel dazu findet ein gegenläufiger Prozess statt und es sterben mehr Gehirnzellen als bei gesunden Kindern ab. Im Verlauf der Gehirnentwicklung sterben auch bei gesunden Kindern mindestens 5 % der Gehirnzellen ab. Bei Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erhöht sich diese Quote auf bis zu 30 % der Gehirnzellen (Apoptose).

Das Gehirn eines von FASD betroffenen Kindes hat somit weniger Zellen, weil durch die behinderte Zellteilung weniger Zellen entstehen und die Zellen, die entstanden sind, häufiger absterben.

■  Von FASD betroffene Kinder brauchen zum Denken mehr Gehirnzellen als gesunde Kinder. Um kognitive Aufgaben bewältigen zu können, beispielsweise Buchstaben zu verarbeiten oder Rechenaufgaben zu lösen, benötigen von FASD betroffene Kinder größere Gehirnareale als gesunde Kinder. Durch diese Inanspruchnahme größerer Gehirnareale sind an den Denkprozessen im Vergleich quantitativ mehr Gehirnzellen beteiligt.

Dies führt dazu, dass Denken die betroffenen Kinder mehr Energie kostet, weshalb sie häufig auch mehr Zucker benötigen als gesunde Gleichaltrige.

Außerdem sind durch die Inanspruchnahme größerer Gehirnareale mehr Gehirnzellen durch einzelne Denkprozesse gebunden. Diese stehen dem Kind für andere kognitive Prozesse in dem Moment nicht mehr zur Verfügung.

Denken ist für von FASD betroffene Kinder damit deutlich anstrengender als für gesunde Kinder. Dies bleibt auch später im Beruf so. Ein Acht-Stunden-Arbeitstag ist für viele FASD-Betroffene zu lang, selbst dann wenn es sich um Routinearbeiten handelt, da FASD-Betroffene auch über diese immer wieder neu nachdenken, diese immer wieder neu verarbeiten müssen.

Wichtig sind deshalb viele, regelmäßige Pausen – sowohl später im Berufsleben als auch beispielsweise bei den Hausaufgaben.

■  Auch Hirnareale, die für soziale und emotionale Aufgaben und Problemlösungen zuständig sind, sind bei von FASD betroffenen Kindern beschädigt. Beispiele für betroffene Hirnareale und daraus resultierende Auswirkungen:

– Hippocampus: zuständig für Gedächtnisfunktionen, Lernen, Wiedererkennen.

Von FASD betroffene Kinder vergessen Vieles nach kürzester Zeit, brauchen sehr viele Wiederholungen, bis Gelerntes zuverlässig abgespeichert ist.

Darüber hinaus spielt die Hippocampusformation auch eine wichtige Rolle in Bezug auf Emotionen: Der Hippocampus ist ein älterer Bereich des Gehirns, älter als das Sprachzentrum, daher werden Reize dort schneller und auch aggressiver gedeutet – man fühlt sich schneller angegriffen oder „angeschlagen“.

– Frontallappen: zuständig für Exekutivfunktionen, Impulse und Urteilsvermögen, sowie für das Erfassen beziehungsweise Nicht-Erfassen von Grenzen und Risiken. Von FASD betroffene Kinder haben Beeinträchtigungen in den Bereichen Selbstkontrolle, Planung, Motivation, Zeitwahrnehmung, Emotionsregulation etc.

– Corpus Callosum:verbindet rechte und linke Gehirnhälfte. Bei von FASD betroffenen Kindern ist dieser Balken oft kleiner und räumlich versetzt, was z. B. insgesamt schlechtere Lernergebnisse mitverursacht.

– Gyrus Cinguli: zuständig für das Vorhersehen von Konsequenzen und Risiken. Von FASD betroffene Kinder sind beeinträchtigt in ihrer Risikovorhersage und Emotionsregulierung. Sie machen den gleichen Fehler immer wieder, Diskussionen und Erklärungen greifen nicht („Wenn du den großen, starken Jungen angreifst …“).

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