Kindheit – Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete - Peggy Parnass - E-Book

Kindheit – Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete E-Book

Peggy Parnass

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Beschreibung

GEGEN DAS VERGESSEN!In diesem besonderen Buch für Jugendliche und Erwachsene erzählt Peggy Parnass die bewegende Geschichte ihrer Kindheit im Dritten Reich. Die brasilianische Künstlerin Tita do Rêgo Silva hat großartige farbenprächtige Holzschnitte dafür geschaffen.Die Schauspielerin, Kolumnistin, Gerichtsreporterin und Autorin Peggy Parnass erzählt in diesem bewegenden Memoire ihre Kindheitsgeschichte: 1939 wurde sie mit ihrem vierjährigen Bruder mit einem Kindertransport nach Stockholm geschickt. Ihre Eltern sah sie nie wieder. Sie wurden in Treblinka von den Nazis ermordet.Die leuchtenden Farbholzschnitte der brasilianischen Künstlerin Tita do Rêgo Silva stehen im Kontrast zum Inhalt und verleihen ihm damit eine noch größere Intensität.Neugausgabe im kleineren Format – die großformatige Originalausgabe erschien 2012 in limitierter Auflage in einem Hamburger Kunstverlag und wurde von der Stiftung Buchkunst als eines der »schönsten Bücher« 2013 ausgezeichnet.

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Seitenzahl: 42

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Peggy Parnass

Kindheit

Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungNatürlich hab ich gleich [...]Sie war klein. [...]Ihr Lachen und ihre [...]Am nächsten Tag beim [...]Mutti hatte immer ganz [...]Im Sommer war jeder [...]Pudl versprach mir immer [...]Dann war der erste [...]Ich hab ganz lange [...]Genauso ging es mir [...]Nachwort der AutorinNachwort der IllustratorinPeggy ParnassTita do Rêgo SilvaZum Entstehen der Erstausgabe in der Edition Die Holzschnittbücher

Für Gady, Kim und Luis

 

 

Natürlich hab ich gleich ja gesagt,

als es um Kindheitserlebnisse ging. So wie ich immer viel zu schnell ja sag, wenn ein Thema mich reizt. Erst hinterher fiel mir ein, dass ich nie Kind war. Vielleicht jetzt inzwischen bin ich’s. Gelegentlich.

Also bleibt mir nur zu überlegen, bis wann man offiziell Kind ist.

Solange die Mutter lebt? Bis man zur Schule kommt?

Bis man das erste Mal mit jemandem schläft?

Bis man die Verantwortung für sich selbst und andere trägt?

 

 

Seitdem ich vierzehn bin

hab ich mich selbst ernährt. Damals zum Teil auch meinen Bruder mit. Sagen wir mal, dass ich bis dahin Kind war, obwohl das natürlich Quatsch ist. Meine Erinnerungen wechseln von Tag zu Tag, ganz nach Verfassung. Entweder nur eine Aneinanderreihung von Albträumen. Oder so, dass es mir vor Sehnsucht und Verlangen das Herz zerquetscht und mir Tränen in die Augen treibt. Egal wie, jede Erinnerung hängt mit Mutti zusammen. Mit ihrer Anwesenheit oder Abwesenheit. Daran hat sich leider nichts geändert.

Komisch – einerseits nie Kind, andererseits nie erwachsen.

 

 

Sie war klein.

Mit wuschelig krausem, schwarzem Haar. Sehr viel Haar. Meistens ein Knoten, um erwachsener und ordentlicher auszusehen. Riesige graue Augen. ’ne große Nase. Und jede Menge Mund. Sie hat eine ganz duftende Haut gehabt, weil sie sich immer wusch. Wir waren sehr arm, so dass sie sich an so einem eiskalten Handstein in der Küche waschen musste. Steinfliesen. Da stand sie jeden Tag und wusch sich von Kopf bis Fuß.

 

 

Und obwohl sie so abgearbeitet war,

hatte sie Hände wie Lilien, weil sie sich immer mit Vaseline einschmierte. Nicht ein Riss an den Fingern, obwohl sie auch als Putzfrau arbeitete.

Ihre ganze Haut war weich, der ganze Körper. Auch die Brüste, weil da Fleisch dran war. Ganz rund. Wenn ich besonders brav war, durfte ich bei ihr schlafen, mich zwischen ihren schönen duftenden Brüsten verstecken. An eine andere Geborgenheit kann ich mich nicht erinnern.

Mutti dachte immer, sie ist nicht hübsch. Dabei ist sie wunderschön.

Das sagt jeder, der sie kennt. Nur auf Fotos sieht man das nicht so.

Weil man sie nicht hört und nicht riecht dabei. Sie sagte: »Ich hab Beine wie Ofenrohre.« Und sie fand ihre Nase zu groß. Ich sollte hübscher werden. Mutti sagte: »Drück die Nase nach oben, damit sie nicht krumm wird.« Hab ich gemacht, hat aber auch nichts geholfen.

Und meine Hühnerbrust, wegen Rachitis, kriegte sie auch nicht weg.

 

 

Ihr Lachen und ihre Stimme.

Wir wohnten Parterre. Schon von weitem konnte man unser Fenstersims erkennen. Das einzige in der Straße, das hell geschrubbt war. Von wegen dreckige Juden. Und ihr Lachen war bis auf die Straße zu hören. Wie ansteckendes Leben. So wie aus anderen Wohnungen oft Musik dringt. Wenn ich ihr Lachen draußen hörte, wusste ich, wie sie aussah. Mit dem Mund ganz groß von Ohr zu Ohr und die großen Augen klein. So laut, wie sie gelacht hat, hat sie auch geweint. Nur nicht so oft. Vielleicht hab ich auch bloß die Male mitgekriegt, wo es so laut war. Sie wollte kein Mitleid.

Wenn Pudl nicht nach Hause kam, sagte sie immer, er kommt gleich. Und am nächsten Morgen, dass er ganz früh aufstehen musste und schon wieder weg wäre. Obwohl er gar nicht erst zu Hause gewesen war.

 

 

Sie war so weich und nachgiebig.

Nur einmal, als er gleich drei Tage und Nächte wegblieb, um zu spielen, kriegte sie einen Nervenzusammenbruch. Lag stundenlang auf dem Bauch auf der Couch schreiweinend und schlug mit Füßen und Fäusten auf das Polster ein. Ich wusste, dass ich ihr nicht helfen konnte, weil sie ihn wollte. Seitdem habe ich ihn gehasst, für das, was er ihr antat. Als sie ihn endlich irgendwo erwischte, war ich dabei. Er schämte sich wie immer, und ich sagte: »Pudl, du bist ein Schwein.« Das tut mir heut noch leid. Auch weil ich dadurch ihre Liebe beleidigt hab.

 

 

Pudl war Zocker.

Poker war seine Hauptleidenschaft. Einmal gewann er eine große Gans und brachte sie strahlend nach Hause. Das war ein Fest! Nur das machte seine Verluste natürlich nicht wett. Er ruinierte mühelos sich selbst und alle, die er kannte. Wie jeder Spieler.

 

 

Pudl war Pole.