Kings of Retribution MC: Blind Deception - Crystal Daniels - E-Book
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Kings of Retribution MC: Blind Deception E-Book

Crystal Daniels

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Beschreibung

Austin Blackstone lebt und atmet für seinen Club - seine Familie. Mit siebzehn Jahren brachte eine Tragödie Austin und seine Schwester nach Polson, Montana, zu einem Großvater, den sie noch nie zuvor gesehen hatten. Dieser lebensverändernde Umzug führte Austin auch zum Kings of Retribution MC, der für Familie und Brüderlichkeit steht. Immer wieder bewies Austin als Prospect seine Loyalität, und heute, Jahre später, trägt Austin voller Stolz das Abzeichen seines Clubs. In New Orleans trifft er auf Lelani. Sie wird von seinem Club gerettet und Austin will sie beschützen - sie als sein Eigentum beanspruchen. Der Moment, in dem Austin sie küsst, wird ihm zum Verhängnis. Im Alter von dreizehn Jahren gerät Lelani Mancinis Welt aus den Fugen, als sie bei einem tragischen Unfall nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihr Augenlicht verliert. Lelanis Bruder gibt ihr für alles die Schuld. Der Tod ihrer Eltern hinterlässt eine klaffende Lücke in der Familie Mancini. Lelani fühlt sich verloren und hat damit zu kämpfen, sich an ein Leben in der Dunkelheit zu gewöhnen. Trotz ihrer Angst vor dem Unbekannten findet sie die Kraft und den Mut, weiterzumachen. Jahre später kommt Lelani einem Geheimnis auf die Spur und erfährt, dass sie ihr Vertrauen in die falschen Hände gelegt hat. Die Menschen, die sie beschützen sollen, sind diejenigen, die Lelanis Tod wünschen. Alles, was ihr vertraut war, ist über Nacht verschwunden. Die Dunkelheit, in der Lelani lebt, ist erstickend. Bis sie das Licht in einem überfürsorglichen, tätowierten Mitglied des Kings of Retribution MC findet. Austin zu lieben ist gefährlich. Um ihr neues Leben zu schützen, ist Lelani nun diejenige, die ein Geheimnis hüten muss. Tauche ein in die düstere Welt des Kings of Retribution MC aus der Feder der USA Today-Bestsellerautorinnen Crystal Daniels und Sandy Alvarez und begleite die Mitglieder des Clubs auf ihrer gefährlichen Reise durch Intrigen, Verrat und Rache.

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Crystal Daniels & Sandy Alvarez

Kings of Retribution MC Teil 9: Blind Deception

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Svenja Ohlsen

© 2021 by Crystal Daniels & Sandy Alvarez unter dem Originaltitel „Bind Deception (Kings of Retribution MC Book 8)“

© 2024 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-674-4

ISBN eBook: 978-3-86495-675-1

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch oder Ausschnitte davon dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden, außer für kurze Zitate in einer Buchbesprechung.

Dieses Werk ist frei erfunden. Die Personen, Orte und Handlungen in diesem Buch sind fiktiv und entspringen der Fantasie des Autors. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Autorinnen

Prolog

Lelani

Der Blumengarten auf dem Anwesen meines Onkels ist mein Lieblingsort, um ungestört zu sein. Ich kann hier stundenlang auf der Bank sitzen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, während ich einem meiner Lieblingshörbücher lausche. Als Kind habe ich gerne noch gelesen. Ich erinnere mich an den Tag, an dem meine Mutter mir Harry Potter ans Herz gelegt hat. Da war ich acht Jahre alt. In den letzten drei Jahren hat sich mein Literaturgeschmack jedoch verändert. Mit neunzehn Jahren trat ich einem Online-Buchclub bei, ohne zu wissen, dass es sich um einen Verein für romantische Bücher handelte. Der angepriesene Titel klang nicht nach dem, was ich als Liebesroman bezeichnen würde. Wie überrascht war ich, als Trevor im fünften Kapitel seinen Schwanz in der Hand hielt und ihn streichelte, während er Lexi erzählte, wie gerne er ihre Lippen darauf spüren würde. Ich errötete vor Verlegenheit über das, was ich da hörte, und drückte auf die Pausetaste des Audios.

Ein paar Minuten später überkam mich die Neugierde. Es versteht sich von selbst, dass ich die ganze Nacht aufgeblieben bin, um mir das Buch anzuhören. Als es zu Ende war, habe ich mir schnell den nächsten Band der Reihe gekauft.

Das war der Beginn meiner Leidenschaft für Erwachsenenromane. BDSM, vom Feind zum Geliebten, Cowboys, zweite Chance, Kleinstadtromantik – was immer es auch war, ich habe es mir angehört.

Mein aktuelles Hörbuch ist ein historischer Highlander-Roman und wird heute Abend in meinem Buchclub besprochen.

Da ich persönlich keinerlei Privatleben habe, bleiben mir nur fiktive Erzählungen voller Leidenschaft und Romantik. Diese Bücher leisten mir Gesellschaft. Die Figuren in den Geschichten sind wie alte Freunde und in gewisser Weise geben sie mir die Hoffnung, dass auch ich eines Tages die Liebe finden werde, die ich täglich im Ohr habe. Die Geschichten wecken in mir die Sehnsucht, selbst eines Tages aus diesem Gefängnis, das ich mein Zuhause nenne, zu entkommen.

Seufzend schließe ich meine Augen und konzentriere mich auf die Worte, die durch meine Kopfhörer dringen. Gerade als ich beim letzten Kapitel angelangt bin, tippt mir jemand leicht auf die rechte Schulter. Ich nehme die Stöpsel raus und lehne meinen Kopf zurück.

„Hey, Lelani“, wendet sich Carla an mich. „Entschuldige die Störung. Dein Onkel möchte dich sehen.“ Ich bewundere Carla. Seit Jahren arbeitet sie schon für meinen Onkel. Neben dem Kochen und Putzen kümmert sie sich auch um meine Belange. Das tut sie, seit ich vierzehn Jahre alt bin und zu meinem Onkel zog. Carla ist meine einzige Freundin.

Ich lächle. „Kein Problem. Ist er in seinem Zimmer?“ Ich stehe auf.

„Ja. Er wartet auf dich. Soll ich dich hinbringen?“

„Ich komme schon klar. Danke, Carla.“

„Soll ich den eReader in dein Zimmer bringen?“

„Ja, bitte. Danke.“ Ich halte ihr das Gerät vor die Nase, damit sie es entgegennehmen kann.

Nachdem ich vom Garten zum Haus gegangen bin, schlüpfe ich durch die Hintertür in die Küche und laufe dann den Flur entlang zum Büro meines Onkels, wo ich an die geschlossene Tür klopfe und warte, bis er antwortet.

„Herein.“

Langsam stoße ich die Tür auf und betrete sein Büro. Der starke Duft von Eau de Cologne, der nicht von meinem Onkel stammt, ist das Erste, was mich auf die Anwesenheit eines anderen Menschen im Raum aufmerksam macht.

Nervosität macht sich in meinem Bauch breit. Normalerweise ruft mich mein Onkel nur dann zu sich, wenn er die Stadt verlassen will.

Ansonsten beschäftigt er sich nur am Rande mit mir. „Du wolltest mich sehen?“

„Ja. Ich möchte dir Cillian De Burca vorstellen.“

Plötzlich scheint der ganze Sauerstoff aus dem Raum gesaugt zu werden. Ich habe schon viele Gerüchte über diesen Namen gehört. Meine Mutter war eine Fitzpatrick und sollte einen De Burca heiraten, bis sie sich gegen den Willen ihrer Familie entschied und stattdessen meinen Vater ehelichte. Die Mancinis und die De Burcas befanden sich jahrelang im Krieg wegen der gescheiterten Verbindung zwischen meiner Mutter und De Burca. Vor einigen Jahren hörte ich hier und da munkeln, die Familie De Burca sei vom Erdboden verschwunden und ihr Imperium sei untergegangen, weil Ronan De Burca sich mit den falschen Leuten angelegt habe.

Ich vernehme, wie sich jemand zu meiner Rechten bewegt. Da ich weiß, dass Unhöflichkeit in der Gegenwart meines Onkels nicht geduldet wird, reiche ich dem Mann die Hand. „Hallo“, grüße ich unseren Gast, erhalte jedoch keine Reaktion darauf. Daher lasse ich meine Hand fallen.

„Du hast Glück, dass sie schön ist, Mancini. Dafür werde ich über ihren bedauernswerten Makel hinwegsehen.“

Ein schockiertes Keuchen verlässt meinen Mund bei Cillians harschen Worten. „Ich bin nicht bedauernswert, Mr. De Burca.“ Entrüstet über seine Unverschämtheit verziehe ich das Gesicht.

Ich begreife schnell, dass mein Handeln ein schwerer Fehler war, denn plötzlich bekomme ich eine schallende Ohrfeige verpasst. Der Schlag ist so heftig, dass ich rückwärts taumele, über den Tisch hinter mir stolpere und auf den Boden falle. Ich schreie vor Schmerz auf und fahre mir mit der Hand ins Gesicht, wo ich die feuchte Stelle auf meiner Haut spüre, an der Cillians Ring die Haut an meiner Wange aufgeschlitzt hat.

„Mit der werde ich noch eine Menge Ärger haben“, spuckt Cillian. „Ihr Mangel an Respekt widert mich an.“

Geschockt und verwirrt von dem, was gerade passiert ist, stehe ich auf und warte darauf, dass mein Onkel etwas tut oder sagt, aber er kommt mir nicht zu Hilfe. Noch nie hat jemand Hand an mich gelegt. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll.

Endlich spricht mein Onkel. „Ich bin sicher, dass du Lelanis Verhalten mit der Zeit verfeinern kannst.“

„In der Tat“, antwortet Cillian und fährt fort, „unsere Verlobung wird nur von kurzer Dauer sein. Ich habe vor der Hochzeit noch einige Geschäfte außerhalb der Staaten zu erledigen.“

„Natürlich. Ich werde dafür sorgen, dass die Details erledigt sind, bis Sie zurückkommen.“

Verlobung?

Hochzeit?

Ich werde aus meiner Verwirrung gerissen, als eine Fingerspitze über meine geschwollene Wange streicht. „Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu besitzen.“ Cillians Aussage jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken.

„Wovon sprichst du?“ Ich drehe mich um und blicke meinen Onkel an. „Onkel Arturo, wovon redet er? Was ist hier los?“

„Du wirst Cillian heiraten. Du wirst deine Pflicht gegenüber dieser Familie erfüllen, Lelani. Es ist an der Zeit, das Unrecht der Vergangenheit wiedergutzumachen. Dass Cillian dich heiratet, ist Teil unserer Abmachung.“

„Was ist mit mir? Ich habe überhaupt nicht zugestimmt!“ Ich erhebe meine Stimme, um dagegen zu protestieren, mit einem Mann verheiratet zuwerden, den ich nicht kenne und nicht liebe.

„Du solltest wissen, wem du verpflichtet bist, Lelani“, mahnt er. „Es ist an der Zeit, dass du endlich einmal in deinem Leben etwas zu dieser Familie beiträgst. Du wirst Cillian heiraten. Unsere beiden Familien werden eins werden. So entstehen Allianzen. Das weißt du.“

„Mama und Papa würden das nicht für mich wollen!“, rufe ich aus.

„Deine Eltern sind tot!“ Onkel Arturo knallt seine Faust auf den Schreibtisch, sodass ich zusammenzucke. „Ich bin das Oberhaupt dieser Familie, Lelani, und du wirst tun, was ich sage.“

Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb und die kalte Erkenntnis, dass mein Leben in den Händen von Cillian De Burca liegt, einem Mann, den ich gerade erst kennengelernt habe, den ich aber bereits fürchte, lässt meine Seele vor Verzweiflung erbeben.

„Tony“, ruft mein Onkel einen seiner Männer. „Bring Lelani auf ihr Zimmer, während Mr. De Burca und ich unsere Pläne für die Zukunft besiegeln.“

„Gehen wir.“ Tony legt seine fleischige Hand um meinen Oberarm und begleitet mich wortlos aus dem Raum. In meinem Zimmer angekommen, lasse ich mich auf das Bett fallen und Tränen, gegen die ich vorher angekämpft habe, strömen nun über mein Gesicht.

Kapitel 1

Lelani

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich das Knarren der Dielen höre. Ich halte den Atem an. Eine unheilvolle Vorahnung überkommt mich, als ich höre, wie sich jemand meiner Zimmertür nähert. „Bist du bereit?“, fragt Derrick.

Ich atme tief durch und nicke auf die Frage meines Bruders. „Ich bin bereit.“

„Komm schon. Wir haben nicht viel Zeit.“ Ein Hauch von Zigarettenrauch weht mir entgegen, als Derrick mir den Koffer aus der Hand nimmt.

„Wo ist Tony?“, frage ich, bevor ich im Stillen die Schritte zähle, die ich von meinem Zimmer bis zur ersten Stufe der Treppe brauche. Tony ist einer der Männer meines Onkels und normalerweise derjenige, der auf mich aufpassen soll.

„Er ist draußen am Poolhaus und lässt sich von Carmen einen blasen.“

Ich ignoriere die widerwärtige Information, die Derrick von sich gibt.

„Wir haben nicht viel Zeit. Ich will vor dem Morgen zurück sein. Wenn jemand herausfindet, dass ich dir helfe, bin ich geliefert.“

Die Alarmanlage piept, während Derrick den Code eingibt, und ein Schwall warmer Las-Vegas-Luft schlägt mir ins Gesicht, als sich die Tür öffnet. Mein Herz beginnt wild zu klopfen, als ich hinter meinem Bruder zu seinem Auto laufe. Er packt mich genau in dem Moment am Oberarm, als ich höre, wie sich die Autotür öffnet. Ohne ein Wort zu sagen, klettere ich auf den Beifahrersitz. Meine Handflächen beginnen zu schwitzen, als der Motor anspringt und das Auto vorwärts schlingert. Ich warte darauf, dass uns jemand anhält oder dass mein Bruder seine Meinung ändert. Er hat nicht gelogen, als er sagte, dass er Ärger bekommen würde, wenn die Familie ihn dabei erwischt, wie er mir zur Flucht verhilft.

Vor ein paar Monaten habe ich meinen Bruder gebeten, mir dabei zu helfen, Las Vegas zu verlassen und dem Leben zu entkommen, das mein Onkel für mich vorgesehen hat. Ein Leben, das ich nicht will. Mein Onkel bestimmte bisher über mein Schicksal. Seine Entscheidung, mich ohne meine Zustimmung zu verheiraten, hat mich letztlich in meine jetzige Situation gebracht.

Ich bin mein ganzes Leben lang behütet worden und weiß nicht viel über die Welt da draußen, aber ich bin bereit, dazuzulernen, wenn ich dadurch die Freiheit erlange, so zu leben, wie ich es will. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, aber ich bin entschlossen, stark zu bleiben und es herauszufinden. „Nochmals vielen Dank, dass du mir geholfen hast. Das bedeutet mir sehr viel.“ Ich warte auf eine Antwort, aber alles, was ich höre, ist das Geräusch, mit dem er einen Zug von seiner Zigarette nimmt. „Ich werde dich vermissen. Versprichst du trotzdem, mich in ein paar Tagen anzurufen und mir zu sagen, wie es dir geht? Ich will sicherstellen, dass niemand herausfindet, dass du mir geholfen hast und dass es dir gut geht.“ Derrick hat mir von einigen Freunden in Arizona erzählt, die sich bereit erklärt haben, mich bei sich wohnen zu lassen, bis sich der Wirbel gelegt hat. Der Plan ist, seine Freunde eine Stunde außerhalb der Stadt zu treffen. Als das Auto kurz vor der Ankunft stehen bleibt, frage ich: „Warum halten wir an?“ Noch bevor er antworten kann, öffnet sich die Beifahrertür, und ich schrecke zusammen. Mein erster Gedanke ist, dass Tony oder einer der Männer meines Onkels uns erwischt haben, aber es ist nicht Tonys Stimme, die ich vernehme.

„Du bist spät dran, Derrick.“

„Halt die Klappe, Bobby. Ich bin doch hier, oder nicht? Jetzt lass uns das hinter uns bringen.“

„Derrick?“ Ich bin verwirrt. „Derrick, wer ist Bobby? Du hast mir gesagt, dein Freund heißt Scott und er würde mich mit seiner Frau Melinda abholen.“

„Steig einfach aus dem verdammten Auto aus, Lelani.“ Die grimmige Stimme meines Bruders lässt mich hochfahren und ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Magengrube breit. Ich spüre, wie jemand in der geöffneten Autotür auftaucht. Ich habe gelernt, meinem Bauchgefühl zu vertrauen. Ich bin zwar blind, aber mein Instinkt sagt mir, dass etwas nicht stimmt.

„Ich habe es mir anders überlegt, Derrick. Bring mich nach Hause.“ Ich bleibe wie angewurzelt auf dem Beifahrersitz sitzen und weigere mich, mich zu bewegen.

„Zu spät.“ Eine Hand umklammert meinen Arm und zerrt mich aus dem Wagen meines Bruders. Da ich keine Zeit habe, mein Gleichgewicht wiederzufinden, falle ich zu Boden und lande auf den Knien. Der Kies knirscht unter meinen Handflächen und zerfetzt meine Haut, sodass ich aufschreie. „Lasst mich los! Was machst du da?“ Ich versuche, mich zu befreien und wegzukriechen, aber meine Füße verfangen sich in dem Stoff meines knöchellangen Rocks.

„Verdammter Mist“, spuckt mein Bruder und schlägt mir ins Gesicht. „Du warst immer eine einzige Nervensäge. Ich bin froh, dass ich dich jetzt endlich los bin.“

„Mich los bist? Was?“ Tränen laufen mir über die Wangen, als ich von Angst und Panik übermannt werde. „Was ist los?“

„Du machst alles kaputt, Lelani. Glaubst du, ich lasse mir von dir nehmen, was mir rechtmäßig gehört?“

„Ich will überhaupt nichts, Derrick.“

„Halt die Klappe, Lelani. Ich habe diese Unschuldsmasche so was von satt. Wenn du nicht wärst, würden unsere Eltern noch leben, und ich hätte alles, was mir zusteht.“

Ich erschaudere bei den Worten meines Bruders. So hat er noch nie mit mir gesprochen. „Das meinst du nicht ernst. Woher kommt das alles?“

„Blind und dumm bist du, Schwesterherz. Eine gottverdammte Platzverschwendung und eine Belastung für die Familie“, faucht mein Bruder, als wäre ich nichts weiter als Dreck unter seinen Schuhen.

„Derrick, bitte“, flehe ich. „Ich weiß nicht, was los ist, aber lass mich gehen. Ich verspreche, dass ich verschwinde und nie mehr zurückkomme.“ Ich strecke die Hand vor mir aus und greife nach seinem Hemd, während mir unkontrolliert Tränen übers Gesicht laufen.

„Oh, du wirst tatsächlich verschwinden.“ Er schlägt meine Hand weg und die Steine knirschen unter seinen Füßen. „Und ich werde dafür sorgen, dass dich niemand jemals findet.“

Das sind die letzten Worte, die ich meinen Bruder sprechen höre, bevor mich etwas Scharfes in den Nacken sticht.

Einige Zeit später wache ich auf, orientierungslos, mir ist übel, und sobald ich mich aufsetze, rebelliert mein Magen. Ich drehe mich um und beginne zu husten. Nachdem ich mein flaues Gefühl im Magen durch ein paar tiefe Atemzüge unter Kontrolle gebracht habe, beginnt die Erinnerung daran, wie ich hierhergekommen bin, meinen Körper mit Angst zu durchfluten, und ich gerate in Panik. Ich stehe auf, strecke die Hände vor mir aus und mache einen zögerlichen Schritt, während ich versuche, nicht zu hyperventilieren. „Hallo?“, rufe ich und mache einen weiteren Schritt auf wackeligen Beinen. Die Übelkeit kommt in Wellen und mein Körper fühlt sich nicht wie mein eigener an. Gerade als ich noch weiter nach vorne trete, berühren meine Hände eine kühle Metallwand. Ich taste umher und versuche, meine Umgebung zu erspüren, aber alles, was ich ertaste, sind Stahlwände, die mich umgeben und mich gefangen halten. Bald überkommt mich Panik und meine Atmung wird unregelmäßig. Ich gebe mein Bestes, um mich zu beherrschen, und schlucke die Galle hinunter, die mir im Hals aufzusteigen droht. „Hilfe!“ Ich balle meine Hände zu Fäusten und hämmere an die Wand. „Ist da jemand? Helft mir bitte!“ Doch mein Flehen bleibt unbeantwortet. Das Einzige, was ich höre, ist mein schweres Atmen und meine Schreie, die an den Gefängniswänden widerhallen.

Ich drehe mich, lasse mich auf den Hintern fallen, ziehe die Beine an die Brust und umklammere meinen Körper. Mit der Zeit bekomme ich meine Angst unter Kontrolle. Meine Ohren registrieren, eine Art Musik. Da ich nicht bereit bin, aufzugeben, stehe ich auf und versuche erneut herauszufinden, wo oder in was ich mich befinde.

In den nächsten Minuten zähle ich acht Schritte von Wand zu Wand. Ich bin nicht in einem Haus. Dafür ist es zu klein.  Vielleicht ist es eine Art Lagerraum?

Als Nächstes höre ich zwei gedämpfte Männerstimmen, gefolgt von dem Geräusch von Metall, das gegen Metall schabt, dann ein plötzlicher Luftzug. Ich bleibe wie erstarrt stehen, als ein Mann spricht. „Sieh mal, wer aufgestanden ist.“

„Wo bin ich?“, frage ich.

„Fragen zu stellen, bringt dich nicht weiter, Mädchen. Genauso wenig wie all das verdammte Geklopfe, das du veranstaltest.“

„Bitte, das können Sie nicht tun. Lassen Sie mich frei.“ Ich stürme in die Richtung, aus der die Stimme des Mannes ertönt. Ich komme nicht weit, bevor eine Hand gegen meine Brust drückt und mich nach hinten schiebt, sodass ich auf meinen Hintern falle.

„Du gehst nirgendwo hin, Schlampe.“ Ein anderer Mann ist nun ganz nah bei mir. Sein ranziger Atem strömt mir ins Gesicht, als er mich an den Haaren packt und meinen Kopf nach hinten reißt. „Wenn du Dummheiten machst, bist du tot.“ Seine Warnung lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und schweige. Zufrieden über meine ausbleibende Reaktion, lässt der Typ los. Als er sich zurückzieht, atme ich erleichtert auf.

„Verladet sie.“

Ich lausche auf das Scharren der Füße, gefolgt vom Zuschlagen einer Tür. Um mich herum herrscht Stille. „Hallo? Ist da jemand?“ Ich bekomme keine Antwort, aber ich weiß, dass ich nicht mehr allein bin. Ich spüre eine Präsenz. Auf Händen und Knien krabbele ich nach links und zucke zusammen, als ich einen Schuh berühre. Wieder strecke ich meine Hand aus und taste mich an einem Bein und dem Rücken der Person hinauf, bis ich eine Menge langer Haare erreiche. Ich atme scharf ein und schüttle die Frau. „Hey. Können Sie mich hören?“ Sie antwortet nicht, aber ein Stöhnen erklingt direkt neben ihr. Als ich nach ihr greife, ertaste ich einen weiteren Körper. Nach eingehender Untersuchung stelle ich fest, dass es eine zweite Frau ist. Beide sind lebendig. „Oh, Gott. Was soll ich tun?“ Ich stoße einen Schluchzer aus und fühle mich hilflos. Ich möchte schreien, verzweifelt um meine Freilassung flehen, doch dann fällt mir die Warnung des Mannes von eben wieder ein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als hier zu sitzen und zu warten, bis die beiden Frauen aufwachen.

Ich kann nicht glauben, dass ich hier bin. Wie konnte mein Bruder mir das antun?

Sicher, wir stehen uns nicht so nahe, wie es ein Bruder und eine Schwester tun sollten, aber er war immer für mich da. Nicht ein einziges Mal hat er mir einen solchen Hass entgegengeschleudert wie heute Abend. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich gedacht, dass er mich verabscheut. Ich kann mir nicht vorstellen, warum mein Bruder mich hierhergebracht hat. Und was noch schlimmer ist, ich habe keine Ahnung, was diese Männer mit mir vorhaben.

Schweres Atmen reißt mich aus meinen Gedanken. Eine der Frauen ist erwacht. Sie wird panisch. „Hey“, flüstere ich in einem ruhigen Ton. „Du musst dich beruhigen, bevor du ohnmächtig wirst.“

„Wer bist du? Wo bin ich? Wo ist Jia?“, schreit sie und ich nehme an, dass Jia die andere Frau ist.

„Mein Name ist Lelani, und wenn deine Freundin die andere Frau ist, die mit dir hereingebracht wurde, dann liegt sie direkt neben dir. Diese Männer haben euch wahrscheinlich etwas gegeben.“

„Jia“, ruft die Frau mehrmals den Namen ihrer Freundin und versucht, sie zu wecken.

„Piper“, stöhnt die andere Frau. „Piper, ich fühle mich nicht so gut. Wo sind wir hier? Ich kann dich nicht sehen.“

Ich höre, wie Jias Stimme alarmiert anschwillt und die andere Frau, Piper, versucht, sie zu beruhigen. Einen Moment später übergibt sich eine der Frauen.

„Deine Freundin wird sich jetzt wahrscheinlich besser fühlen, nachdem sie das, was in ihrem Körper war, ausgekotzt hat“, sage ich ihr.

„Weißt du, wo wir sind, Lelani?“, fragt mich Piper.

„Nein, aber die Wände und die Tür sind aus Metall, also bin ich mir fast sicher, dass wir nicht in einem Haus sind. Und du hast gesagt, es sei dunkel und du könntest nichts sehen. Als du mit deiner Freundin gebracht wurdest, hörte sich die Tür außerdem schwer an. Ich vermute, dass wir uns in einem Metallschuppen oder einer Art Lagercontainer befinden.“

Gerade als ich Piper meine Theorie erläutert habe, öffnet sich die Tür erneut und eine Frau kreischt: „Lasst mich los!“ Gefolgt von dem unverkennbaren Geräusch von Schlägen.

„Halt’s Maul, du Schlampe“, bellt ein Mann und ich erkenne ihn als den Typen, der mich vorhin geschubst hat. Kurz darauf stoßen mehrere schluchzende Frauen zu uns.

„Zeit zum Aufbruch“, kommentiert ein Mann. „Was machen wir mit der blinden Schlampe?“ Bei seiner Frage dreht sich mir der Magen um.

„Dieses Arschloch Derrick hat gesagt, er würde uns eine Belohnung bringen.“

Sie reden über meinen Bruder.

„Er hat nicht erwähnt, dass das Mädchen blind ist. Wir werden den Boss entscheiden lassen, was er mit ihr machen will. In der Zwischenzeit möchte ich, dass du Derrick verpfeifst. Wenn der Wichser denkt, dass wir damit quitt sind, sollte er noch mal scharf nachdenken. Eine einzige Frau tilgt seine Schuld nicht.“

Es kostet mich alles, den Mund zu halten, während diese Männer über mich reden. Ihre beiläufige Konversation lässt mich vermuten, dass das Entführen von Frauen für sie zum Tagesgeschäft gehört.

Wie aus dem Nichts ergreift Piper das Wort. „Du hast keine Ahnung, was du getan hast.“ In ihrer strengen Stimme schwingt eine Warnung mit.

„Ach ja,“ sagt ein Mann in einem herablassenden Ton. „Und was willst du schon unternehmen?“

„Ich werde gar nichts unternehmen müssen, Arschloch“, fährt Piper fort.

„Was zum Teufel soll das heißen, du Miststück?“

Ich fange an, mir Sorgen um Piper zu machen, als sie sich weiter mit diesen Männern anlegt.

„Das wirst du noch früh genug herausfinden.“

Die Luft um mich herum wirkt erdrückend. Ich halte den Atem an und warte darauf, was als Nächstes passiert.

„Lass es gut sein, Boz. Die Alte will uns bloß provozieren. Wir müssen uns auf den Weg machen.“

Es vergehen einige Sekunden, bis die Tür erneut zuschlägt. „Piper?“, krächzt Jia.

„Ja?“

„Was glaubst du, was mit uns passieren wird?“

Jias Frage erzeugt einen Knoten in meiner Magengrube und die anderen Frauen wimmern.

„Meine Familie wird mich holen kommen“, sagt Piper mit Überzeugung. Die Art und Weise, wie sie das sagt, veranlasst mich, zu überlegen, wer ihre Familie wohl sein mag und wie sie uns finden könnte. Gerade als mir diese Gedanken durch den Kopf gehen, heult ein Lkw-Motor auf und die Stahlböden unter mir beginnen zu vibrieren. Wir ruckeln vorwärts. In diesem Moment wird mir klar, dass wir uns in Bewegung gesetzt haben.

Ich weiß nicht, wie lange wir schon unterwegs sind, aber es kommt mir wie Stunden vor. Meine Blase protestiert und in unserem Gefängnis ist es so heiß und schwül, dass meine Kleidung durchgeschwitzt ist. Gerade als mir die Stille zu viel wird, ertönt Pipers Stimme. „Lelani?“

„Ja?“, krächze ich.

„Der Typ, von dem die Männer gesprochen haben, Derrick. Wer ist er?“

„Derrick ist mein Bruder.“

„Dein Bruder hat dir das angetan?“, fragt Piper und ich kann die Traurigkeit in ihrer Stimme spüren.

„Ja“, murmele ich. Ich möchte glauben, dass das alles ein Irrtum ist und mein Bruder so etwas nicht mit mir machen würde. Aber egal, wie sehr ich es mir wünsche, die Wahrheit ist, dass er es getan hat.

„Mach dir keine Sorgen, Lelani. Wir werden bald hier rauskommen.“

„Warum bist du dir da so sicher?“, fragt eine der anderen Frauen.

Jia, Pipers Freundin, ist diejenige, die antwortet. „Weil Pipers knallharte Bikerfamilie uns finden wird. Stimmt’s, Piper?“

„Das werden sie. Ich weiß, dass sie es werden“, beruhigt Piper ihre Freundin. „Woher sollen sie wissen, wo sie euch finden können?“, schalte ich mich ein.

„Das werden sie einfach. Vertrau mir.“

„Ich bete, dass du Recht hast“, sage ich und meine Stimme klingt leise. Wenn es stimmt, was Piper sagt, dass ihre Familie sie irgendwie finden wird, ist das vielleicht unsere einzige Hoffnung, hier rauszukommen. Außerdem bin ich neugierig, wer diese Biker sind.

Ich bin mir nicht sicher, wann ich es geschafft habe, einzuschlafen, aber das nächste, was ich weiß, ist, dass der Truck mit einem lauten Knall zum Stehen kommt und uns aufschrecken lässt. Eine Minute später schwingt die Tür auf. Ich atme die frische Brise ein, die hereinströmt.

„Ihr habt fünf Minuten Zeit“, sagt ein Mann, gefolgt von einem krachenden Aufprall neben meinen Füßen. Ich lehne mich weiter an die Wand, ohne zu wissen, was los ist.

„Für was?“, zischt Piper.

„Um zu pissen“, entgegnet das Arschloch.

Wovon redet er eigentlich?

„Wir pinkeln nicht in einen Eimer“, knurrt Piper.

Hat dieser Mann uns einen Eimer zugeworfen, damit wir uns darin erleichtern?

„Wie du willst“, antwortet er. „Was ist mit dir?“ Eine Sekunde später spüre ich eine Hand auf meinem Oberschenkel. „Da du nichts sehen kannst, wäre ich bereit, für dich eine Ausnahme zu machen und dir zu helfen.“ Ich erschaudere bei den Worten des Widerlings und schlage seine Hand weg. Blitzschnell gibt es eine Bewegung zu meiner Linken.

„Lass deine ekligen Hände von ihr.“ Piper kommt zu meiner Verteidigung.

„Hör mal zu, du kleine Hure!“

„Ich bin keine Hure!“, schreit Piper.

„Du wirst eine sein. Vielleicht bin ich sogar derjenige, der dich einweiht.“ Ich schnappe nach Luft bei der plumpen Drohung, die aus dem Mund des Mannes kommt. „Nur über meine Leiche, Arschloch“, sagt Piper mit Überzeugung, und plötzlich brüllt der Mann, der sie verhöhnt hat. „Ahh! Du verdammte Schlampe!“ Der Mann hört sich an, als hätte er Schmerzen und ich habe Mühe, bei dem ganzen Trubel den Überblick zu behalten, bis ein Körper in meinem Schoß landet. Ich weiß sofort, dass es Piper ist. Ich schlinge meine Arme um sie und tue mein Bestes, um sie zu schützen.

„Das nächste Mal, wenn du so eine Nummer abziehst, bringe ich deine Freundin um.“ Piper, die ich immer noch festhalte, erstarrt in meinen Armen angesichts der Morddrohung gegen eine von uns Gefangenen. Mit diesen Worten fällt die Tür wieder zu.

„Was ist gerade passiert?“

„Ich habe dem Mistkerl, der dich angefasst hat, eine verpasst“, antwortet Piper.

***

Eine lange Zeit vergeht und dann hält der Lastwagen an. Ich warte mit angehaltenem Atem darauf, dass sich die Tür wieder öffnet, aber das tut sie nicht. Wir Frauen sind alle still, während wir dem Zuschlagen der Türen und den Gesprächen der Männer lauschen. „Glaubst du immer noch, dass deine Familie uns finden wird?“, frage ich Piper und meine Hoffnung schwindet mit jeder Sekunde, die verstreicht.

„Ich weiß, dass sie kommen.“ Piper ergreift meine Hand und drückt sie. „Man legt sich nicht mit den Kings of Retribution an. Diese Arschlöcher werden ein böses Erwachen erleben. Ich wette, sie sind schon hier. Ich kann es spüren.“ In diesem Moment bricht die Hölle los und hinter den Stahlwänden, die uns gefangen halten, ertönen Schüsse.

Kapitel 2

Austin

Die Nacht ist hereingebrochen, während wir uns zu acht auf den Weg nach Süden machen, zu unserem Ziel. Cowboy, Riggs’ Partner aus Texas, hat sich vor mehr als einer Stunde gemeldet. Die Männer, die Piper festhalten, sind etwa seit drei Stunden unterwegs, was uns ein kleines Zeitfenster verschafft, in dem wir uns hoffentlich vor ihrer Ankunft auf dem Gelände verstecken und sie in einen Hinterhalt locken können. Mein Motorrad dröhnt, als ich mein Tempo erhöhe. Schon bald lenken uns Riggs und seine Männer auf Nebenstraßen, damit wir nicht die Aufmerksamkeit auf uns ziehen, wenn mehrere MC-Mitglieder wie wild durch die Gegend rasen. Adrenalin fließt durch meine Adern. Es ist schon eine Weile her, dass wir Montana-Männer in Aktion waren. Als wir in ländlichere Gegenden kommen, leuchten die Straßenlaternen in größeren Abständen.

Nach der Anzahl der Häuser zu urteilen, an denen wir vorbeigefahren sind, leben nicht viele Menschen in dieser Umgebung. Schließlich verschluckt uns die Dunkelheit vollständig. Die Luft ist feucht und klebt auf meiner Haut, ein schweres, quälendes Gefühl macht sich in meinen Knochen breit, als ob der Tod selbst hinter mir her wäre.

Heute Nacht wird hier Blut fließen. Die Männer, die einen von uns getötet haben, werden ihre gerechte Strafe von den Kings of Retribution erhalten. Vor ein paar Tagen ist mein Club von Montana nach Louisiana gereist, um unserem New Orleans Chapter zu helfen, die Eröffnung eines zweiten Kings Custom zu feiern. An dem Tag, an dem wir die Heimreise antreten wollten, erreichte uns die Nachricht, dass Novas Tochter Piper und ihre Freundin während eines Ausflugs nach Vegas entführt worden waren, weshalb wir nun hier sind.

Vor uns fahren Riggs und Jake langsamer und biegen rechts auf eine unbefestigte Straße ab, die auf beiden Seiten mit hohem Gras bewachsen ist. Nach weniger als zehn Kilometern kommen wir zum Stehen. Der Geruch von verrottender Vegetation und Kuhmist steigt mir in die Nase, zusammen mit dem unverkennbaren Gestank von fauligem Sumpfwasser. Riggs stellt sein Motorrad ab und geht die Reihe der Harleys entlang. „Wir lassen die Maschinen hier stehen“, befiehlt er. Hinter uns kommt Cowboy mit dem Transporter an. Er klettert heraus und gesellt sich zu uns. „Das Zielgelände liegt am Ende der nächsten Straße, eingebettet in die Flussmündung. Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter.“

Alle Männer überprüfen synchron ihre Waffen. Ich stecke meine Handfeuerwaffe zurück ins Holster, dann hole ich die abgesägte Schrotflinte, die an der Seite meines Motorrads befestigt ist. Habe immer eine Reserve dabei. Das hat mir mein Großvater, ein ehemaliger Soldat, stets eingebläut. Er hat mir beigebracht, wie man eine Waffe bedient. Bevor ich mich jedoch in Erinnerungen verliere, schiebe ich meine Gedanken beiseite und reihe mich hinter Gabriel und Logan ein. Wir beginnen, uns einen Weg durch das hohe Gras zu bahnen und stapfen durch den Schlamm, in den unsere Stiefel einsinken.

Vor uns tauchen schummrige Lichter auf, als wir einen kleinen Hügel erklimmen. Riggs hält seine Faust in die Luft und bedeutet uns anzuhalten. Von hier aus kann ich die Container am anderen Ende des Geländes erkennen und ein paar bewaffnete Männer, die sich auf dem Hof herumtreiben.

Das Rumpeln eines herannahenden Fahrzeugs veranlasst die meisten von uns, den Kopf zu drehen. Die Bremsen des Trucks zischen, als er langsam zum Stillstand kommt. Männer klettern aus dem Führerhaus und schlendern auf zwei Kerle zu, die in ihre Richtung laufen. Sie halten einen Moment inne, unterhalten sich kurz und gehen dann zum hinteren Ende des Anhängers.

Ich höre meinen Herzschlag in meinen Ohren pochen, während wir uns im hohen Gras versteckt halten. Mit gezogenen Waffen befehlen sie den Frauen, den Container zu verlassen. Zu meiner Rechten verkrampft sich Kiwi, als sein Blick auf Piper fällt, die als Letzte auf den Boden springt. Ein Mann schubst sie hart, sodass Piper den Halt verliert. Kiwi macht eine Bewegung, aber Logan packt ihn am Arm und hält ihn zurück. Sobald sie wieder auf den Beinen ist, umklammert Piper zwei andere Frauen, aber es ist so dunkel, dass ich keine Einzelheiten ausmachen kann.

Riggs blickt in die Runde und erteilt Kommandos. „Logan und Reid, ihr haltet euch bedeckt und geht zum Nordende des Lagers. Dort habt ihr den besten Aussichtspunkt, um eure Scharfschützengewehre einzusetzen.“ Riggs blickt nach links und befiehlt Nova und Fender, sich am südlichen Rand des Lagers zu positionieren. Nachdem er seine Anweisungen an die übrigen Brüder gegeben hat, wendet sich Riggs an mich. „Bleib bei Jake und mir.“ Er sieht sich um, bevor sich alle entfernen. „Sie sind uns zahlenmäßig überlegen. Timing ist alles. Wenn ihr mein Signal hört, geht ihr rein. Dieser Überfall muss schnell gehen. Wir lassen nicht eher ab, bis alle tot sind und Piper in Sicherheit ist.“

Jake, Riggs und ich machen uns auf den Weg zur Mitte des Geländes, in Richtung eines Wohnwagens, der an der Ostseite des Grundstücks steht, isoliert von den Containern. Das Gemurmel anderer Männer, die sich in der Nähe unserer Position unterhalten, lässt uns innehalten.

Das Gras in diesem Gebiet ist spärlich. Wir drücken uns auf den nassen Boden und kriechen auf dem Bauch ein paar Meter weiter, um so nah wie möglich an den Rand des offenen Hofes zu gelangen. Jake, Riggs und ich beobachten, wie sich Männer auf dem Gelände bewegen. Dieselben Typen, die die Frauen geliefert haben, schlendern über das Areal in Richtung des Wohnwagens. Die Tür öffnet sich und ein Mann im Anzug tritt heraus. Er zündet sich eine Zigarre an und bläst eine Rauchwolke aus, während er spricht. „Macht die Boote für den Transport der Frauen bereit.“ Ein paar Meter entfernt, mit geschulterten Waffen, laufen zwei Männer in Richtung der Südseite des Grundstücks in der Nähe des Wassers. Der Mann im Anzug schlendert zu einer dunkelgrauen Limousine mit verdunkelten Scheiben, die in der Nähe geparkt ist. Kurz darauf schwingt die Tür des Wohnwagens wieder auf und ein zweiter Mann steigt heraus. Ganz in Schwarz gekleidet und schwer bewaffnet geht der Kerl auf das Auto zu. Er öffnet die Hintertür für den Anzugträger. Mit dem Erscheinen des Mannes nimmt die Aktivität auf dem Hof zu.

Riggs hält seinen Blick nach vorne gerichtet und flüstert: „Jake, zwei Uhr.“ Prez hebt seine Langstreckenpistole und zielt auf die Person, die am Kofferraum des Wagens steht. „Austin, schalte den Leibwächter aus“, befiehlt Riggs dann mir, ich lege die Schrotflinte an meine Seite und ziehe meine Pistole aus dem Holster in meiner Kutte.

Ein Adrenalinstoß schießt durch meine Adern, als ich den großen Mistkerl im Fadenkreuz habe. Ein paar Meter entfernt steht ein bewaffneter Mann und pisst. Riggs zielt auf ihn, dann drückt er ab. Die Kugel durchschlägt den Kopf des Wichsers und sein schlaffer Körper fällt zu Boden. Gleichzeitig schießen Prez und ich auf unsere Ziele. Die Kugel von Jake trifft den Mann im Anzug. Er greift sich an den Hals und versucht, auf den Rücksitz des Autos zu gelangen. Mein Schuss trifft den Leibwächter in die Brust. Er geht hinter der Limousine zu Boden. Unsere Schüsse lösen eine Kettenreaktion aus und um uns herum bricht ein Höllensturm von Kugeln los.

Ich schnappe mir meine Schrotflinte, wir drei tauchen aus dem Gras auf und stürmen das Gelände. Geschosse schwirren an meinem Kopf vorbei, als ich auf die Schießerei zulaufe. Ich ziele und strecke einen weiteren Mann nieder, der auf uns zustürmt.

„Durchsucht den Wohnwagen!“, brüllt Jake über das Chaos hinweg.

Ich drücke mich mit dem Rücken an die Seite des Bauwagens, um nicht von Kugeln getroffen zu werden. Dann klettere ich die wackelige Holztreppe hinauf. Die Schreie der Männer und die Schüsse treten in den Hintergrund, als ich die Tür des Wohnwagens eintrete und inständig bete, dass ich nicht direkt in den Lauf einer Waffe stolpere. Der Geruch von Gras und Alkohol schlägt mir entgegen, als ich den Raum betrete und mich umschaue. Der Wohnbereich gleicht einem Crackhaus. Gebrauchte Nadeln liegen offen auf dem Couchtisch herum. Ich durchsuche den Wohnwagen. Leere Whiskeyflaschen stehen auf der Küchentheke und ich gehe weiter in Richtung Rückseite. Eine Kugel durchschlägt das Fenster über der Küchenspüle und Glassplitter streifen mein Hosenbein. Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, als ich den dunklen Durchgang betrete, der zum hinteren Schlafzimmer führt. Ich trete die Tür auf. „Scheiße.“ In der Mitte des kleinen Raums liegt eine bewusstlose Frau auf einer schmutzigen Matratze. Mit erhobener Pistole überprüfe ich den Raum, bevor ich mich hinknie. Bei dem schwachen Licht kann ich nicht erkennen, ob sie atmet. Also drücke ich meine Finger an ihren Hals und fühle ihren Puls. Er ist schwach, aber sie lebt. Der erbärmliche Scheißkerl hat sie zum Sterben zurückgelassen. Da ich weiß, dass ich ihr Leben und mein eigenes riskiere, wenn ich sie mitten in einer Schießerei hinaus trage, lasse ich die junge Frau zurück. Sie ist sicherer auf der Matratze, bis das alles vorbei ist. Bevor ich den Wohnwagen verlasse, verstummt der Schusswechsel draußen.

Die Stille verstärkt meine Wachsamkeit noch mehr. Vorsichtig trete ich hinaus und biege um die Ecke des Wagens. Wie aus dem Nichts schleudert mich eine gewaltige Wucht auf den Boden. Die Flinte wird mir aus der Hand geschleudert. Ich liege mit dem Gesicht im Dreck und auch meine Handfeuerwaffe ist unter mir eingeklemmt. Ein Schlag auf meinen Hinterkopf lässt meine Sicht verschwimmen. Weitere Hiebe folgen auf meine Nierengegend und der Schmerz strahlt über meinen unteren Rücken.

Ich habe Mühe, unter dem Gewicht des Mannes, der mich festhält, die Kontrolle zu behalten, aber schließlich kann ich meinen Körper so weit bewegen, dass ich das Jagdmesser an meiner Hüfte erreiche. Ich stoße nach hinten und spüre den anfänglichen Widerstand, bevor sich meine Klinge in sein Fleisch bohrt und der Mann vor Schmerz aufstöhnt. Ich rolle mich auf den Rücken und schaue zu dem Kerl auf, der über mir steht. Es ist der verdammte bullige Leibwächter.

„Hat dir niemand beigebracht, dass du dafür sorgen solltest, dass die Toten auch wirklich tot bleiben?“ Er packt mich mit seinen massiven Händen an der Kehle, meine Klinge steckt noch immer in seiner Seite. „Jetzt wirst du derjenige sein, der stirbt.“ Er drückt zu und schneidet mir die Luftzufuhr ab. Geblendet von seiner Mordlust sieht er nicht, wie ich nach meiner Waffe greife, die ich in meiner Kutte versteckt halte. Ich presse das Ende des Laufs unter sein Kinn und drücke den Abzug. Der Mann sackt gegen mich und seine Hände werden schlaff. Sauerstoff strömt in meine Lungen zurück, als ich röchelnd einatme. Ein Schwall seines warmen Blutes tropft auf mein Gesicht. Ich schiebe seinen leblosen Körper zur Seite, stehe auf, orientiere mich und blicke auf seine leeren Augen hinunter, die in den Nachthimmel starren. „Wer ist jetzt tot, du Arschloch?“ Noch immer atme ich schwer von dem Kampf, der zwischen uns stattgefunden hat. Ich hebe den Saum meines Hemdes an und wische mir sein Blut aus dem Gesicht. Dann greife ich nach unten, ziehe mein Messer aus seiner Seite und wische das Blut an meiner Jeans ab. Ich entdecke meine Schrotflinte zwei Meter entfernt und hole sie aus dem Schlamm, in dem sie liegt.

Von dort aus laufe ich zu den anderen Kings, die auf die beiden Frachtcontainer mit den Frauen zusteuern. Logan blickt in meine Richtung und betrachtet mein geschundenes Äußeres. „Ist das dein Blut?“

„Nein“, erwidere ich. „Im Wohnwagen ist eine junge Frau, die kaum noch lebt“, erwähne ich, während wir darauf warten, dass Kiwi das Schloss des Containers aufbricht.

In dem Moment, in dem die schweren Metalltüren aufschwingen, stürmen meine Brüder und ich hinein. Die Luft ist heiß und es riecht nach Moschus und Schweiß. Ich habe keine Zeit zum Nachdenken oder um die vielen Gesichter zu betrachten, die uns wild anstarren und sich zu fragen scheinen, was wohl als Nächstes mit ihnen geschehen wird, und so knie ich nieder und greife nach einem der Opfer, um zu helfen.

„Wer sind Sie? Fassen Sie mich nicht an!“, schreit die junge Frau und entzieht sich meiner Berührung so heftig, dass ihr Hinterkopf gegen die Metallwand schlägt.

„Ich bin nicht hier, um dir wehzutun.“ Meine Worte klingen ein wenig schärfer als beabsichtigt und die Frau zuckt zusammen. Im Inneren des Containers scheint nicht viel Licht, aber es reicht aus, um die blaue Farbe ihres Kleides und das lockige, feuerrote Haar zu erkennen, das ihr bedrücktes Gesicht verdeckt.

Piper erscheint zu meiner Linken und lässt sich neben der verängstigten Frau nieder. „Pst. Ist ja gut. Diese Männer sind meine Familie und sie sind hier, um zu helfen“, tröstet Piper sie, dann sieht sie mich an.

„Ihr Name ist Lelani. Sie ist blind.“

Verdammt. Es ergibt Sinn, dass sie ganz anders reagiert als die anderen Frauen, die die Männer an die frische Nachtluft begleiten. Ich werfe Piper einen Blick zu, um ihr zu versichern, dass ich alles im Griff habe. „Lelani, mein Name ist Austin“, sage ich, in der Hoffnung, dass eine kurze Vorstellung ihr die Situation erleichtern wird. Sie hebt den Kopf, wendet sich meiner Stimme zu und ein Lichtschimmer fällt auf ihr Gesicht. Auf ihrer Wange ist ein großer Bluterguss zu sehen und Tränenspuren zieren ihre Porzellanhaut. Mein Blick trifft ihren. Für den Bruchteil einer Sekunde vergesse ich, dass sie mich nicht sehen kann. Ich verscheuche den Nebel aus meinem Kopf. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von ihrer Schönheit beeindrucken zu lassen. „Ich werde dich jetzt berühren“, warne ich sie, bevor ich meine Hände unter sie schiebe. Sie wiegt nicht mehr als ein kleines Kind und ist federleicht in meinen Armen, als ich sie anhebe und aufrichte, dann drücke ich ihre zierliche Gestalt an meine Brust. Lelani zittert am ganzen Körper, während sie sich an meinen Arm klammert. „Bei mir bist du sicher“, sage ich ihr und verspüre ein überwältigendes Bedürfnis, sie zu beschützen. Ihr Atem ist warm an meinem Hals, als sie ihren Kopf an meine Schulter legt.

Lelani ist die letzte Frau, die den Container verlässt, als ich sie hinaustrage. Niemand hält mich auf, als ich an ihnen vorbeigehe. Ich halte Lelani weiter fest, bis Cowboy kurze Zeit später mit dem Transporter eintrifft. Logan kommt heran, nachdem er die junge Frau aus dem Anhänger geholt hat, und trägt sie in den Kleinbus. Die übrigen Brüder beeilen sich, die verbleibenden Frauen einzuladen. „Sie kommt mit uns zurück, zusammen mit Pipers Freundin Jia“, informiert mich Logan, bevor ich Lelani zusammen mit den anderen in den Transporter trage, während er eine letzte Zählung vornimmt.

Die Clubmitglieder beeilen sich und helfen Piper, Lelani und Jia in ein anderes Fahrzeug, das uns zurück zu unseren Motorrädern bringt. Wir haben weniger als zwanzig Minuten, um unsere Ärsche die Straße hinunterzubewegen, bevor der Sprengstoff, den Cowboy in mehreren Gebäuden deponiert hat, hochgeht. „Lasst uns abhauen“, bellt Jake und klopft an die Seitentür des Transporters, bevor er in das Fahrerhaus klettert. Während die Frauen sich aneinanderdrängen, schlingert das Fahrzeug vorwärts und wir lassen das Gelände und die Leichen hinter uns.

Einen Moment später steigen wir vom Wagen auf unsere Bikes um.