Fallen Ravens MC: Baja - Crystal Daniels - E-Book

Fallen Ravens MC: Baja E-Book

Crystal Daniels

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Beschreibung

Ich bin ein Sammler von Seelen. Der Söldner des Todesengels. Sergeant at Arms des Fallen Ravens MC. Mein Leben war klar: leben und sterben für den Club. Bis ich Alice treffe. Sie ist die Versuchung, der ich nicht widerstehen konnte – die Frau, die mich mit einer einzigen Berührung zu Fall brachte. Älter als ich, mit einer Ausstrahlung, die mich vom ersten Moment an gefesselt hat. Jetzt will ich mehr. Doch Alice trägt Narben, tiefer als ich mir vorstellen kann. Ein Schatten aus ihrer Vergangenheit macht es ihr unmöglich, ihr Herz jemandem zu öffnen. Aber ich weiche vor keiner Herausforderung zurück. Ich werde jede ihrer Mauern einreißen und ihr beweisen, dass ich der Mann bin, dem sie vertrauen kann – egal, was uns trennt. Gerade, als Alice beginnt, mich in ihr Leben zu lassen, zieht die Dunkelheit über unsere Stadt. Ein gnadenloser Feind hat es auf uns abgesehen – und er wird nicht eher ruhen, bis er alles zerstört hat, was mir heilig ist. Auch Alice. Der Club steht unter Belagerung, Blut färbt die Straßen – und ich bin bereit, mein Leben zu opfern, um meine Familie zu schützen. Der Tod klopft an unsere Tür. Doch diesmal bin ich es, der die Abrechnung bringt. Wenn der Teufel nach seiner nächsten Seele greift, wird er mich finden – wartend. Die USA Today-Bestsellerautorinnen entführen dich ein drittes Mal in die ebenso düstere wie sinnliche Welt des Fallen Ravens MC.

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Seitenzahl: 339

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Crystal Daniels & Sandy Alvarez

Fallen Ravens MC Teil 3 Baja

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Jazz Winter

© 2025 by Crystal Daniels & Sandy Alvarez unter dem Originaltitel „Baja: Fallen Ravens MC”

© 2025 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, Im Großfeld 18, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-801-4

ISBN eBook: 978-3-86495-802-1

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch oder Ausschnitte davon dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden, außer für kurze Zitate in einer Buchbesprechung.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Autorinnen

Kapitel 1

Alice

Nachdem ich zum gefühlt hundertsten Mal auf die Uhr geschaut habe, überkommt mich ein Anflug von Angst, denn es sind erst fünf Minuten vergangen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Für meine Tochter würde ich alles tun, also sitze ich im Clubhaus der Fallen Ravens, denke nur an sie und daran, was ich als Nächstes tun könnte.

Meine Tochter Sukie ist mit Harlem, dem Enforcer des MCs, zusammen, und heute herrscht geschäftiges Treiben im Clubhaus wegen seiner Geburtstagsfeier. Ihre Beziehung ist inzwischen so ernst geworden, dass sie vor Kurzem sogar zu ihm gezogen ist.

Anfangs hat Sukie gezögert, freute sich auf ein neues Kapitel in ihrem Leben und fühlte sich dennoch zerrissen aufgrund der Schuldgefühle, mich zurückzulassen.

„Ich will nur nicht, dass du dich einsam fühlst“, meinte sie mit Sorge und brüchiger Stimme. Es hat mir das Herz gebrochen, zuschauen zu müssen, wie sie sich zurückgehalten hat, aus Angst, ihr Glück zu genießen.

Sie jedoch mit Harlem zusammen zusehen, die Art, wie er sie anschaut und wie sie in seiner Gegenwart strahlt, erfüllt mich mit unermesslichem Stolz. Sie hat endlich eine Liebe gefunden, die sie zum Strahlen bringt, und niemand hat es mehr verdient als Sukie. Nach all dem, was sie durchmachen musste, all dem Schmerz, den das Leben ihr bereitet hat, würde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihr die Existenz zu ermöglichen, von der sie immer geträumt hat.

„Hey.“ Eine Hand auf meiner Schulter reißt mich aus meinen Gedanken. Ich betrachte Ophelia, die mich mit einem warmen Lächeln ansieht. „Alles okay bei dir?“

Ich winke ab und schwindele ihr etwas vor. „Natürlich. Ich bin bloß ein wenig müde.“ Die Wahrheit ist: Es fällt mir fast jeden Tag schwer, das Haus überhaupt zu verlassen. Allerdings weigere ich mich, es irgendjemandem zu zeigen.

Ophelia grinst. „Ich bin da ganz deiner Meinung. Ich kann auch nicht mehr so wie früher noch so spät herumhängen wie die Jungen.“

In den letzten Monaten hat Ophelia mich unter ihre Fittiche genommen, und inzwischen sind wir enge Freundinnen geworden. Mindestens zweimal die Woche schleift sie mich zum Mittagessen aus dem Haus und überredet mich öfter dazu, ins Clubhaus zu kommen, wenn der MC eine Party feiert oder ein Familienessen stattfindet.

Familie … genau das ist der Club geworden.

Es ist Jahre her, seit dieses Wort eine Bedeutung für mich hatte, und ich mich akzeptiert gefühlt habe.

Ophelia stupst mich mit der Schulter an. „Bleib wenigstens noch für einen Drink. Wie wäre es mit einem weiteren Bier?“

Ich lächele. „Gerne, aber für mich nur ein Wasser. Ich fahre selbst nach Hause.“

„Alles klar.“ Sie steht auf. „Bin gleich wieder da.“

Ein Kribbeln überkommt mich, als ich zusehe, wie Ophelia auf die Bar zugeht. Es ist dasselbe Gefühl, das ich den ganzen Abend ignoriert habe. Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass er mich beobachtet. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, egal, wie sehr ich dagegen ankämpfe. Ich bin wie eine Motte, die das Licht sucht. Ich schaue lässig über meine Schulter, wo mein Blick auf ein Paar intensive, bernsteinfarbene Augen trifft. Die Art, wie Baja mich ansieht, fesselt mich und presst mir gleichzeitig die Luft aus der Lunge. Ich ringe förmlich um den nächsten Atemzug, während ich sein attraktives Gesicht mustere.

Dieser Mann muss mindestens eins neunzig groß sein. Sein langes, dunkelblondes Haar hat er zu einem dieser Männerknoten hochgebunden, die ich eigentlich an Kerlen nicht besonders attraktiv finde. Bei Baja jedoch ist es so sexy, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.

Sobald mir das Wort sexy durch den Kopf schießt, werde ich verlegen und schaue weg.

Ich nehme einen tiefen Atemzug, schließe die Augen und schimpfe gedanklich mit mir selbst.

Dieser Mann ist praktisch im gleichen Alter wie deine Tochter, Alice. Reiß dich zusammen.

Ich lege mir die Hand auf die Wange und spüre, wie heiß meine Haut geworden ist.

„Hier bitte.“ Ophelia kommt mit meinem Wasser zurück.

Ich murmele ein Dankeschön, drehe den Deckel ab und leere die Flasche bis zur Hälfte.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, will Ophelia ein weiteres Mal von mir wissen. „Dein Gesicht ist richtig gerötet.“

Beim Trinken halte ich inne und verschlucke mich fast. „Mit geht es gut“, erwidere ich hustend. „Es ist nur ein bisschen warm hier drin.“ Aus dem Augenwinkel heraus bemerke ich, dass Ophelia mich nachdenklich mustert.

Ich fühle mich plötzlich ertappt, als könne sie jeden Gedanken lesen, der mir durch den Kopf rast. Der Drang wegzurennen ist überwältigend. Abrupt stehe ich auf. „Ich muss auf Toilette“, murmele ich, ehe ich mich auf den Weg mache.

Als ich spüre, wie vertraute Augen meinen Bewegungen folgen, zwinge ich mich jedoch dieses Mal dazu, nicht hinzusehen. Ich sehne mich verzweifelt nach einem Ausweg und einem Ort, an dem ich meine Gedanken sortieren kann. Zum Glück hält mich niemand auf dem Weg zum Waschraum auf, und Erleichterung überkommt mich, sobald ich durch die Tür trete.

Rasch schließe ich sie hinter mir und stütze mich auf dem Waschbecken ab, während ich darum kämpfe, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit ist es keine Panikattacke, die meinen Körper durchflutet.

Es liegt an ihm.

Wie er mich ansieht.

Wie er meine Aufmerksamkeit fesselt, ohne ein einziges Wort von sich zu geben.

Wie mein Körper auf seine Anwesenheit reagiert.

Und wie er mich förmlich mit seinen bernsteinbraunen Augen auszieht, mich blank macht, als könnte er jeden Gedanken in meinem Kopf hören.

Ebenso liegt es daran, wie er mich fühlen lässt, etwas, was ich nie zuvor erlebt habe.

Inzwischen ist es Jahre her, dass ich mich auch nur ansatzweise zu einem Mann hingezogen gefühlt habe. Und hier bin ich nun, begehre einen Mann, über den ich eigentlich nicht einmal nachdenken sollte. Trotzdem frage ich mich unweigerlich, was er denkt und was er sieht, wenn er mich betrachtet.

Ist es Anziehung? Oder Neugier? Ich schüttele den Gedanken ab.

Ein Typ, der so aussieht wie Baja, könnte sich niemals für mich interessieren. Ich bin zu alt. Zu sehr durch den Wind. Und obendrein bin ich eine vorbestrafte Schwerverbrecherin. Es ist nicht so, dass Baja oder irgendjemand aus dem MC mich dafür verurteilt, allerdings bin ich garantiert nicht die erste Wahl für einen Mann wie Baja, der tagtäglich von jungen, schönen Frauen umgeben ist. Wahrscheinlich empfindet er eher Mitleid mit mir und meinem einsamen Dasein.

Aber warum enttäuscht mich der Gedanken, dass Baja mich so sieht?

Ich hebe den Kopf, starre mich im Spiegel an, mustere mich und frage mich, wer diese Fremde ist, die mir entgegenblickt.

Über die Jahre habe ich so viel von mir selbst verloren, dass ich die Frau im Spiegelbild nicht mehr wiedererkenne. Doch irgendwo in ihr ist die wahre Alice noch existent. Ich weiß, dass es so ist. Und sie sehnt sich verzweifelt nach Freiheit. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich sie befreien soll.

Mit einem tiefen Atemzug drehe ich den Wasserhahn auf, fülle meine Handflächen mit Wasser, bevor ich mir ein wenig davon ins Gesicht spritze. Ich wiederhole es mehrmals, bis ich meine Emotionen besser im Griff habe. Da ich nicht möchte, dass Ophelia denkt, etwas sei nicht in Ordnung, und nach mir sucht, tupfe ich mein Gesicht rasch mit einem Handtuch trocken. Nachdem ich ein letztes Mal in den Spiegel geblickt habe, öffne ich die Tür und halte abrupt inne.

Mir gegenüber, lässig an die Wand gelehnt, steht Baja. Hitze strahlt aus seinen Augen. In seinem Blick liegt etwas, dass ich nicht recht deuten kann. Es ist ein Versprechen, vermischt mit etwas anderem, und dieses Etwas verursacht ein Kribbeln in mir. Nervös fahre ich mir mit der Zunge über die Unterlippe und beobachte, wie sich Bajas Nasenflügel blähen und sich seine Pupillen weiten.

Kapitel 2

Baja

Alice steht regungslos in der Badezimmertür, und ich verschlinge sie regelrecht mit meinen Augen, gebe meinem Verlangen nach ihr freien Lauf. Langsam lasse ich meinen Blick über ihre zierliche Figur und ihr lockiges Haar, dass locker um ihr herzförmiges Gesicht fällt, wandern. Diese Frau ist so verdammt schön. Mein Schwanz ist hart, seit sie heute Abend das Clubhaus betreten hat.

Die gesamte Party über haben wir leidenschaftliche Blicke durch den Raum ausgetauscht, und das hat ein Feuer in mir entfacht, dass nur sie zu löschen vermag. So wie sie mich gerade ansieht, kann ich erkennen, dass auch sie diese magische Anziehung zwischen uns spürt.

„Komm her“, sage ich mit leiser, belegter Stimme, und mein Verlangen nach ihr nagt an mir wie ein eingesperrtes Tier.

Sie schaut den Flur entlang, dann wieder zu mir. Ich kann ihr den Fluchtinstinkt regelrecht ansehen.

Ich stoße mich von der Wand ab, mein Herzschlag beschleunigt sich und ich überwinde die Distanz zwischen uns. Der Flur liegt fast im Dunkeln, doch selbst in dieser spärlichen Beleuchtung erkenne ich jede Nuance ihres Gesichts. Die Rötung ihrer Wangen und dieser intensive Blick, mit dem sie mich anschaut, schüren noch das Verlangen, das ich verspüre.

Mit der Hand um ihre Taille ziehe ich sie zu mir. Wärme strahlt von ihrem Körper aus wie ein wohliges Feuer. Ich blicke auf sie herab und suche in ihrem Gesicht nach einem Anflug von Zweifel. „Sag mir, dass du das nicht willst …“, fordere ich sie leise und heiser auf, „…und ich gehe.“

In ihrem Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass sie einen Kampf mit sich führt, während sie mich unverwandt anschaut. Alice schließt die Augen, bevor sie antwortet: „Ich … ich weiß es nicht.“

Sie belügt sich selbst.

Ich weiß es.

Und sie ebenfalls.

Dennoch muss ich die Worte von ihr hören.

„Sieh mich an.“ Ich ziehe sie noch näher zu mir, lasse meine Hand in ihr Haar gleiten und vergrabe meine Finger in ihren seidigen Strähnen. Ich neige ihren Kopf zurück, bis sich unsere Lippen fast berühren, und ich ihren Atem auf meinem Mund spüren kann. „Es ist wichtig. Sag mir, was du willst, und lass es mich dir geben.“ Der Drang, sie unbedingt schmecken zu wollen, ist groß, doch ich werde ihm nicht nachgeben, bis sie es mir gestattet.

Alice sieht sich erneut um, aus Angst, jemand könnte uns beobachten. „Jetzt sofort?“

„Jetzt. Sofort. Was willst du?“ Ich bemerke, wie ich an jedem ihrer Atemzüge hänge.

„Ich …“ Sie hält inne, offensichtlich kämpft sie noch immer mit sich. „Ich will, dass du mich küsst“, gibt sie zu, und ihre Stimme ist nicht lauter als ein Flüstern.

Kaum hat sie die Worte ausgesprochen, prallt mein Mund auf ihren. Ich lasse ihr keine Zeit, ihre Gefühle zu hinterfragen oder sich einzureden, dass das eine schlechte Idee ist. Die Mauern, die sie um sich errichtet hat, sind vorerst gefallen, und ich werde Alice gleich zeigen, wie schön es sein kann, sich einfach gehen zu lassen.

Und Fuck, ich weiß, wie großartig es sein wird, wenn sie es tut.

Der Kuss ist elektrisierend, angetrieben von der aufgestauten Spannung zwischen uns.

Ich lege meine Arme um sie, ziehe sie noch enger an mich. Die Musik im Hintergrund verklingt. Das Gemurmel der Gespräche verschwindet im Nichts. In diesem Augenblick zählt nur sie.

Sie ist der Mittelpunkt von allem, und nichts ist wichtiger als sie.

Alice erwidert den Kuss leidenschaftlich, mit einem Verlangen, das meinem eigenen entspricht. Sie lässt ihre Finger unter den Saum meines Shirts gleiten, ihre warmen Handflächen streichen über meinen Bauch und reizen jeden Nerv in meinem Körper. Sie stöhnt, und ich vertiefe den Kuss, verliere mich, während sie sich an mich schmiegt.

Diese Frau ist berauschend, wie eine starke Droge, die durch meine Adern schießt, ein euphorisches High, von dem ich nie wieder herunterkommen möchte.

Der Kuss wird intensiver.

Ohne unsere Verbindung zu unterbrechen, hebe ich Alice vom Boden hoch. Sie schlingt ihre Beine um meine Hüften, während ich sie in die Geborgenheit meines Zimmers am Ende des Flurs trage. Als sich die Tür hinter uns schließt, drücke ich sie dagegen und spüre die Hitze ihrer Pussy durch meine Jeans hindurch. Ihr leises Stöhnen treibt mich dazu, die Reibung zwischen uns zu verstärken, und ich küsse sie immer noch.

„Baja, bitte“, fleht sie.

„Brauchst du mehr, Baby?“ Ich gleite mit den Lippen an ihrem Hals entlang.

„So viel mehr.“

Sanft setze ich Alice ab und spüre dabei jeden Zentimeter ihres Körpers an meinem, ehe ihre Füße den Parkettboden berühren. Mein Herz rast, pocht wie eine Trommel gegen meine Rippen, und jeder Schlag spiegelt die knisternde Energie zwischen uns wider. Fasziniert von ihrem Anblick, weil das silberne Mondlicht durch das Fenster sie in einen sanften Schein hüllt, trete ich von ihr zurück. Die Luft ist gefüllt von unausgesprochener Begierde, jede Sekunde dehnt sich ins Unendliche, aufgeladen von einer rohen, intensiven Emotion, die uns beide zu überwältigen droht. Ich spüre ihre leichtgeöffneten Lippen. Sie sind von unserem leidenschaftlichen Kuss ganz geschwollen.

Alice greift zwischen uns, ihre Finger spielen mit dem Bund meiner Jeans. Mein Schwanz pocht, sie reibt ihn und bringt mich zum Zischen. „Fuck!“ Meine Stimme klingt heiser und erfüllt von einer instinktiven Gier, sie für mich zu beanspruchen. So sehr ich auch zusehen möchte, wie ich heute Abend in ihre süße Pussy gleite, halte ich mich zurück, denn dieser Moment muss sich ganz um sie drehen. „Keine Sorge, Baby. Ich gebe dir mehr.“

Langsam streiche ich mit einer Handfläche ihren Oberschenkel hinauf und beobachte, wie sich ihre Lider schließen. „Sieh mich an, Alice“, fordere ich, während meine Hand unter den Saum ihres Kleides gleitet. Sie reißt die Augen wieder auf, und ich erwidere ihren Blick, sobald ich meine Fingerspitzen in ihr Höschen schiebe. „Verflucht nass“, flüstere ich und bin kurz davor die Fassung zu verlieren, als ich ihre Pussy feucht vor Erregung vorfinde.

„Oh Gott.“ Alice drückt ihren Hinterkopf gegen das Türblatt und lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Sie ist bloß noch einen Herzschlag davon entfernt zu kommen, dabei habe ich sie kaum berührt.

„So empfänglich.“ Ich dringe mit einem Finger in sie ein und drücke meinen Handballen gegen ihren Kitzler. Ihre Hüften beginnen sich zu bewegen.

„Genau so, Baby“, ermutige ich sie, sich zu nehmen, was sie braucht.

Und das tut sie auch.

„Baja“, stöhnt sie.

Eine weitere Aufforderung benötige ich nicht. Lust durchströmt mich wie ein wildes Tier, das ich nicht zähmen kann. Die Hitze ihrer Haut entflammt jede Zelle in mir, während ich ihrem Verlangen nachgebe. Ich will ihr mehr geben und falle vor ihr auf die Knie.

Alice wimmert über den Verlust meiner Finger. „Bitte hör nicht auf.“

„Keine Chance.“ Ich lege eins ihrer Beine über meine Schulter und vergrabe mein Gesicht zwischen ihren Schenkeln. Bei jedem Lecken meiner Zunge über ihre Klitoris keucht sie. Alice greift in mein Haar, vergräbt ihre Finger darin und biegt sich mir entgegen. Leises Stöhnen, eine Symphonie aus Lauten und Klängen, entweicht ihren Lippen. Ich verliere mich in ihrer Lust. Der Geschmack ihrer Pussy ist wie eine Droge. Zusätzlich schiebe ich eine Hand zwischen ihre Beine und dringe mit zwei Fingern in sie ein. Ihr Keuchen zieht mich noch tiefer in die Hitze des Momentes hinein. Ein nagender Hunger kratzt an meinem Inneren, als wäre ein Tier in mir erwacht, dass seine Befriedigung verlangt. Diese Bestie in mir brüllt und klingt wie ein Gewitter, ein tiefes, ursprüngliches Grollen steigt in mir auf und drängt mich dazu, das wilde Tier mit allem zu füttern, was seinen unersättlichen Hunger stillen könnte.

„Ich bin nah dran“, keucht Alice und zittert am ganzen Leib vor Verlangen endlich zu kommen.

Ich weiß, sie steht kurz davor, und ich kann nicht genug davon bekommen, von ihrem Geschmack, ihrem Duft und der Art, wie sie meinen Namen stöhnt.

Plötzlich, wie Benzin, das Feuer fängt, explodiert Alice auf meiner Zunge, und wie ausgehungert, nehme ich begierig auf, was sie mir gibt. Erst als ihr letztes Beben nachlässt und ihr Körper ganz schlaff wird, lasse ich von ihr ab. Langsam erhebe ich mich und streiche ihr über die Wange. Die Luft zwischen uns ist stickig, jeder Atemzug fällt schwer, ihre Brust hebt und senkt sich im Takt mit meiner, während ich meine Lippen abermals auf ihre drücke, doch dieses Mal ist der Kuss zärtlich und gemächlich.

Ich ziehe mich zurück, lege meine Hand um ihren Nacken und lehne meine Stirn gegen ihre. Sanft streichle ich über ihre Haut und atme ihren Duft ein. In diesem Moment gibt es nur uns beide, die Stille zwischen uns ist wie elektrisch aufgeladen. Ich senke meine Stimme. „Komm mit mir nach Hause.“ Es ist eher eine Bitte als ein Befehl.

Ihr Gesichtsausdruck zeigt Zögern, ehe sie es vor mir verbergen kann. Es handelt sich um denselben zurückhaltenden Blick, den ich schon einmal an ihr bemerkt habe.

Ehe ich mich versehe, sind ihre Mauern wieder hochzogen.

Alice zieht sich einen Zentimeter zurück, aber es fühlt sich wie ein Kilometer an. Der Kampf tobt in ihr, und ich kann spüren, wie sich ihr Körper anspannt. Sie öffnet ihre Lippen, und für eine Sekunde denke ich, dass sie zustimmen wird.

Stattdessen dreht sie mir den Rücken zu, greift nach der Türklinke, reißt die Tür auf und rennt davon, ohne sich noch einmal umzublicken.

Ich kämpfe gegen den Drang an, ihr zu folgen, doch ich werde sie nicht zum Bleiben zwingen.

Also verharre ich hier, starre auf den leeren Platz, den sie hinterlassen hat und spüre, wie die Dunkelheit des Zimmers sich um mich schließt. Ein schwerer Druck lastet auf meiner Brust und presst sie zusammen, denn ich weiß, dass sie Angst hat, mir zu vertrauen. Vielleicht hat sie ebenso Angst, sich selbst zu vertrauen. So sehr ich es verstehen kann, zerreißt es mich auch innerlich.

Sie ist weg, und alles, was mir bleibt, ist ihr Geschmack auf meinen Lippen und dieser verdammt leere Raum.

Kapitel 3

Alice

Mein Herz pumpt so schnell, dass ich mich fast an meinem nächsten Atemzug verschlucke. Ich brauche dringend frische Luft, und ich muss so rasch wie möglich hier weg. Während ich mich immer weiter von Bajas Schlafzimmer entferne, wage ich es nicht, zurückzublicken. Das Klingeln in meinen Ohren ist laut, und mein gesamter Körper wirkt wie betäubt.

Ich fühle mich … lebendig und gleichzeitig verängstigt.

Es ist alles zu viel.

Ich muss irgendwohin, wo ich erst einmal verarbeiten kann, was ich gerade getan habe.

Oh Gott, Alice, was hast du bloß angestellt?

Auf meinem Weg durch das Clubhaus halte ich Ausschau nach Ophelia, entdecke sie jedoch nicht. Ich mache mir allerdings auch nicht die Mühe, mich gezielt nach ihr umzusehen, ebenso wenig nach Sukie, um ihr mitzuteilen, dass ich gehe.

Sobald ich durch die Tür des Clubhauses trete, streicht mir die Nachtluft über die Haut. Ich atme zitternd ein, als mir ein Schauer über den ganzen Körper läuft, während ich noch in der offenen Tür stehe. Plötzlich kehrt dieses Kribbeln zurück, und weil dieser Mann mich auf eigenartige Weise fesselt, schaue ich über meine Schulter. Wieder einmal halten mich bernsteinfarbene Augen gefangen. Baja steht am Eingang des Flurs, durch den ich eben geflohen bin. Er hat die Arme vor seiner Brust verschränkt, sein Haar, in das ich zuvor noch meine Finger vergraben hatte, ist noch strubbelig, und sein Gesichtsausdruck ist leicht zu deuten. Sein Blick sagt, dass er noch lange nicht mit mir fertig ist. In diesem Moment will ich das auch nicht. Und genau das jagt mir eine Heidenangst ein.

So sehr ich bleiben und mich in Bajas stummem Versprechen verlieren möchte, ich kann nicht. Was heute Nacht passiert ist, war ein Fehler.

Enttäuschung huscht über Bajas Gesichtszüge, als ob er meine Gedanken lesen könnte.

Obwohl mich die Vorstellung, ihn vor den Kopf zu stoßen, mit Grauen erfüllt, siegt meine Angst, und ich gehe. Mit jedem Schritt, den ich auf meinen Pick-up zusteuere, bricht mir das Herz ein wenig mehr, aber auch das ist ein Gefühl, das ich nicht wahrhaben möchte.

Als ich meinen Wagen erreiche, steige ich ein. Ich stecke den Schlüssel in das Zündschloss und erhasche einen flüchtigen Blick auf mein eigenes Gesicht im Rückspiegel. Was ich dort sehe, lässt mich erstarren. Mein Haar ist zerzaust, als hätte ich gerade Sex gehabt. Meine Augen sind feucht, strahlen jedoch. Mein Gesicht ist gerötet, ein Hauch von Rosa färbt meine Wangen, und meine Lippen wirken voll und frisch geküsst.

Ich sehe … wunderschön aus. Ich kann nicht anders, als mich noch ein paar Sekunden lang selbst anzustarren.

Wann habe ich mich das letzte Mal im Spiegel angeschaut und mich … schön gefühlt?

Erschrocken lache ich auf und blicke aus dem Fenster. Die beiden Frauen, die vorhin noch getanzt haben, kommen in ihren kurzen Röcken und bauchfreien Tops aus dem Clubhaus. Mir fällt auf, wie umwerfend die beiden aussehen und wie selbstbewusst sie sind.

Genauso stelle ich mir eine Frau vor, die Baja haben würde. Warum also ich?

Ich schüttele den Gedanken ab, starte den Motor des Pick-ups und lasse ihn aufheulen. Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigt an, dass es drei Uhr siebenunddreißig ist. Nachdem ich mein Handy aus meiner Handtasche auf dem Beifahrersitz herausgekramt habe, schreibe ich Sukie eine Nachricht, dass ich auf dem Weg nach Hause bin und mich melde, sobald ich angekommen bin. Ich warte nicht auf ihre Erwiderung. Alles, woran ich noch denken kann, ist, hier wegzukommen, ehe ich etwas Dummes tue, wie zum Beispiel, wieder hineinzugehen und Baja zu suchen.

Aber wem will ich hier etwas vormachen? Wahrscheinlich hat er mich bereits vergessen und vergnügt sich anderweitig, nachdem ich aus seinem Zimmer gerannt bin, als wäre der Teufel hinter mir her gewesen, sobald er mich zum Höhepunkt gebracht hatte.

Ich fühle mich schuldig, dass ich ihn so habe stehen lassen. Ich meine, ich kann nicht leugnen, wie erregt er gewesen war. Schließlich habe ich jeden Zentimeter seiner Härte an meiner Haut gespürt. Andererseits hat sich Bajas Bemühung nur um mich gedreht. Das hat er sehr deutlich gemacht. So etwas bin ich nicht gewohnt. Baja hat sein eigenes Verlangen ignoriert und sich ausschließlich um meine Bedürfnisse gekümmert. Das Konzept ist mir regelrecht fremd.

Meinem Ehemann ging es stets nur um sich selbst. Er hatte die Angewohnheit, mir das Gefühl zu geben, dass meine Lust unwichtig sei, als wäre ich bloß ein Körper auf den man klettern und den man benutzen konnte. Sex mit meinem Mann wurde zu einer lästigen Pflicht für mich, und ich empfand keinen Spaß daran.

Zu Beginn unserer Beziehung redete er mir ein, ich sei das Problem. Doch als ich anfing, mich um mich selbst zu kümmern, wurde mir klar, dass das nicht stimmte. Die eigentliche Problematik war, dass ich einen egoistischen Arsch geheiratet hatte, der nicht einmal mit Taschenlampe und Karte den G-Punkt finden konnte. Am Schlimmsten war jedoch, wenn mein Mann nachts betrunken nach Hause kam, in unser Bett stieg, nach Alkohol und billigem Parfüm roch und die Dreistigkeit besaß, zu glauben, ich hätte Lust auf Sex.

Als es das erste Mal passierte, schubste ich ihn von mir und sagte ihm, ich sei nicht in Stimmung. Doch dann wurde er wütend und warf mir ein paar fiese Beleidigungen um die Ohren. Später in unserer Ehe, als die verbalen Beschimpfungen in körperliche Misshandlungen umschlugen, gab ich nach. Mich ihm zu verweigern hätte dann nur noch schlimmere Konsequenzen gehabt.

Der albtraumhafte Film, der sich wie eine Endlosschleife in meinem Kopf abspielt, wird unterbrochen, als ich hinter mir rotblaue Lichter aufflackern sehe. Mein Herz rast nun aus einem ganz anderen Grund, und mir bricht kalter Schweiß aus. Andere Erinnerungen blitzen auf und versetzen mich in Panik.

Mit zitternder Hand betätige ich den Blinker und will anhalten, doch bevor ich zum Stehen komme, rast der Streifenwagen an mir vorbei. Ich lasse die Schultern erleichtert fallen und spüre, wie die Anspannung, die ich eben noch verspürt habe, sich wieder löst. „Alles gut, Alice. Der Polizist ist nicht wegen dir da. Er ist auf dem Weg zu einem Notfall. Atme tief durch“, wiederhole ich für mich selbst ein paar Kilometer lang, bis endlich mein Zuhause in Sicht kommt, und ich meine Einfahrt erreicht habe. Sobald ich vor der Veranda parke, gehen die Sicherheitslichter an und erhellen den gesamten Garten.

Das Sicherheitssystem hatte Harlem bereits installiert, als Sukie noch zuhause wohnte, und ich bin noch nie so dankbar dafür gewesen wie jetzt. Ich freue mich für meine Tochter, dass sie endlich ihre Flügel gespreizt und das Nest verlassen hat. Mitten in der Nacht nach Hause zu kommen und allein zu sein, ist allerdings schon etwas beängstigend. Besonders, da ich nicht in der Stadt wohne.

Bevor ich aus dem Wagen steige, lasse ich meinen Blick instinktiv über das Gelände schweifen. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, sobald ich den flauschigen orangefarbenen Fellball auf dem Verandageländer entdecke. Vor ein paar Wochen habe ich den getigerten Kater im Gewächshaus gefunden. Er sah ein wenig mitgenommen aus und war untergewichtig. Jetzt allerdings nicht mehr. Seit ich ihn füttere, hat er gut zugelegt.

Der Kater miaut, als ich mich nähere, also kraule ich ihn unter dem Kinn. „Es ist noch ein wenig früh für Frühstück. Du musst noch etwas warten.“ Der Kater miaut noch einmal protestierend, aber ich weiß, dass er um sechs erneut hier sein und auf sein Futter warten wird.

Nachdem ich das Haus betreten habe, stelle ich den Alarm wieder ein und gehe anschließend den Flur zu meinem Schlafzimmer entlang. Eigentlich bin ich viel zu aufgedreht, um zu schlafen, also beschließe ich eine lange, heiße Dusche zu nehmen. Ehe ich jedoch im Bad verschwinde, schaue ich auf meinem Handy nach, ob Sukie mir geantwortet hat.

Sukie:Alles okay, Mom? Soll ich vorbeikommen? Ruf mich an, sobald du zuhause bist.

Ich antworte ihr rasch.

Ich:Mir geht es gut, Sweetheart. Ich war bloß müde und bin deshalb nach Hause gefahren. Tut mir leid. Ich hätte es dir selbst gesagt, doch ich wusste nicht, wohin Harlem und du verschwunden seid, und ich wollte euch nicht stören. Ich rufe dich morgen an. Ich gehe gleich duschen und anschließend ins Bett. Hab’ dich lieb.

Ihre Erwiderung kommt schnell.

Sukie:Okay. Wir sprechen uns morgen. Hab’ dich auch lieb.

Ich lege das Handy auf der Kommode ab, ziehe mich aus und werfe die Klamotten in den Wäschekorb. Anschließend gehe ich zur Dusche, drehe das Wasser auf und warte, bis es heiß wird, derweil wasche ich mir am Waschbecken das Gesicht und putze mir die Zähne. Dann steige ich in die Duschwanne und stelle mich unter den dampfenden Wasserstrahl. Ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und seufze tief, während meine Gedanken zurück in Bajas Schlafzimmer abschweifen. Die Erinnerung an seine Hände auf meinem Körper lässt mich innerlich zusammenzucken. Sobald Bajas hübsches Gesicht vor meinem geistigen Auge auftaucht, schnappe ich nach Luft.

Sein hungriger Blick scheint erneut auf mir zu liegen.

Mit den Fingern gleite ich über meine Brustwarzen und genieße das schwere Gefühl meiner Brüste. In meiner Vorstellung sind es seine Handflächen auf mir, nicht meine eigenen. Mit einer Hand wandere ich an mir hinab, über meinen Bauch, bis ich meine Mitte erreiche. Ein Stöhnen dringt über meine leicht geöffneten Lippen, und ich bin schockiert, wie nah ich einem Höhepunkt bin, als ich meinen Finger über meine Klitoris gleiten lasse. Mehr braucht es nicht, und ich explodiere.

Noch nie in meinem Leben bin ich so schnell gekommen. Lag es vielleicht allein an dem Mann, der mich in Gedanken so sehr erregt hat? Verdammt, ich habe mich schon seit Jahren nicht mehr selbst berührt, weil ich nicht das Verlangen danach verspürt habe. In einer Nacht hat Baja im Alleingang eine Flamme in mir neu entfacht, die ich für immer erloschen glaubte. Er hat etwas in mir wieder zum Leben erweckt.

Allein dieser Gedanke jagt mir eine Heidenangst ein.

Später am Morgen liege ich im Bett und versuche, ein wenig Schlaf zu bekommen. Ich drehe mich um und schaue auf die Uhr, die auf dem Nachttisch steht. Es ist fast sieben. Da ich weiß, dass ich sowieso keinen Schlaf mehr finde, beschließe ich, Frühstück zu machen und zeitig in den Tag zu starten.

Nachdem ich aufgestanden bin, schlüpfe ich in meine Hausschuhe und schnappe mir den Bademantel, der über dem Stuhl am Fenster hängt. Ich schiebe die Vorhänge beiseite und schaue auf das taubedeckte Gras. Die Sonne lugt durch die Bäume und es verspricht, ein schöner Tag zu werden.

Tage wie heute sind perfekt für die Arbeit im Gewächshaus.

Mit der Zeit ist es zu meinem Zufluchtsort geworden. Nachdem ich vor sechs Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte ich enorme Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Die Menschen in Salem waren nicht besonders nachsichtig und keiner von ihnen war sofort bereit, mir eine Stelle anzubieten.

Während ich fort war, eröffnete Sukie das Belladonna’s. Sie hatte Mühe, ihre Zeit im Geschäft mit der Arbeit im Gewächshaus und der Herstellung der Produkte, die sie verkauft, unter einen Hut zu bekommen. Es erschien also ganz natürlich, dass ich einsprang und half. Ehrlich gesagt, glaube ich, es gibt nichts auf der Welt, was ich lieber tun würde. Ich kann besser mit Pflanzen als mit Menschen umgehen.

Von zu Hause aus zu arbeiten war sicherer. Es bewahrte mich vor den verurteilenden Blicken und hinterhältigen Kommentaren, die hinter meinem Rücken geflüstert wurden.

Meine Tochter hingegen hatte nicht so viel Glück. Mir wird ganz flau im Magen, wenn ich an all die Jahre des Mobbings denke, die sie meinetwegen hat ertragen müssen. Ich erinnere mich ebenso daran, wie sie sich bemüht hat, das alles von mir fernzuhalten und es vor mir zu verbergen. Das hat sie verdammt gut hinbekommen. Nur wenn die Leute die Frechheit besaßen, es direkt vor unserem Haus zu tun, konnte sie die Schikane nicht verstecken.

Es ist unbeschreiblich, wie Eltern leiden, wenn sie ihre Kinder nicht beschützen können.

Diese Zeiten sind jedoch vorbei, dank Harlem und dem Club.

Weil Sukie nun durchatmen kann und mit Respekt behandelt wird, werde ich den Fallen Ravens auf ewig zu Dank verpflichtet sein.

Nach meiner ersten Tasse Kaffee am Morgen und nachdem ich einen ganzen Berg Muffins gebacken habe, schlüpfe ich in meine Shorts, ein altes, langärmliges Flanellhemd und ziehe mir die Gummistiefel über die Strümpfe. Auf dem Weg nach draußen schnappe ich mir die Tüte Katzenfutter, die neben der Haustür steht. Mein neuer Freund begrüßt mich freudig und streicht mir um die Beine. „Siehst du, ich habe dich nicht vergessen.“ Ich lächele, als der Kater zu seinem Fressnapf rennt und ihn umkreist. „Na bitte.“ Ich schütte eine ordentliche Menge in seinen Napf.

Mit meiner zweiten Tasse Kaffee in der Hand mache ich mich auf den Weg zum Gewächshaus. Als ich die Tür öffne, strömt mir der Duft von feuchter Erde und Lavendel entgegen. Als Erstes sehe ich nach, was ich brauche, denn morgen muss ich wie jede Woche zur Gärtnerei. Anschließend widme ich mich der Vorbereitung der Topferde für die Zitronenmelisse.

„Hey, Mom.“

Ich halte inne und drehe mich zu Sukie um, die hereinkommt. Ich lächele. „Hey, Sweetheart.“ Aus meiner Gesäßtasche nehme ich einen Lappen und wische mir die Hände ab. „Ich hatte nicht erwartet, dass du so früh vorbeikommst.“ Als sie in Reichweite ist, ziehe ich sie an mich und umarme sie.

„Ich weiß, aber ich wollte nach dir sehen und sicherstellen, dass es dir gut geht.“

Ich bemerke, dass Sukie mich seltsam ansieht. Ihren Gesichtsausdruck kann ich nicht recht deuten. Also ignoriere ich ihn und schenke ihr mein strahlendstes Lächeln. „Mir geht es gut, Sweetheart. Du kennst mich ja, ich bin es nicht gewohnt, bis spät in die Nacht hinein zu feiern.“ Ich gebe ein Lachen von mir. „Deine Momma ist zu alt für so etwas.“

Sukie schüttelt den Kopf und grinst. „Du bist nicht alt, Mom. Du bist es nur nicht gewohnt zu leben.“

Ich kann nicht anders, als einen Anflug von Traurigkeit über ihren Kommentar zu verspüren. Offensichtlich ist es mir ins Gesicht geschrieben, denn Sukie macht sich sofort Vorwürfe.

„Tut mir leid, Mom. So habe ich das nicht gemeint.“

Ich strecke die Hand aus und berühre ihre Schulter. „Schon okay, Schatz. Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast. Doch das heißt nicht, dass es nicht wahr ist. Ich arbeite daran. Versprochen.“

Erneut öffnet Sukie ihren Mund, als wolle sie etwas sagen, schließt ihn aber wieder.

„Was ist los?“, will ich wissen.

Sukie beißt sich auf die Unterlippe. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie etwas verbirgt. „Wenn etwas mit dir passiert wäre, würdest du es mir doch sagen, oder?“

Ihre Frage lässt mich innehalten, und ich überlege, ob sie gestern Nacht etwas mitbekommen hat. Allerdings ist das unmöglich, denn sie war nirgendwo zu sehen gewesen, als ich das Clubhaus verlassen habe. Ich schiebe diesen Gedanken beiseite. „Natürlich, Sweetheart, aber es gibt nichts zu berichten.“ Ich lüge, weil mir das, was letzte Nacht geschehen ist, peinlich ist. Gott weiß, was meine Tochter über mich denken würde, wenn sie herausfände, dass ich mit einem von Harlems Brüdern rumgemacht habe.

In den vergangenen Monaten habe ich daran gearbeitet, geselliger zu sein und mich in Sukies neuem Freundeskreis zu integrieren. Ich möchte für meine Tochter da sein, aber alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Die letzten sechs Jahre habe ich damit verbracht, mich von der Welt zurückzuziehen, daher wird es dauern, bis ich mich bei großen, geselligen Anlässen wohlfühle. Ich hatte ganz sicher nicht vor, meinen Horizont zu erweitern, indem ich mich von einem Mann in seinen Zwanzigern verführen lasse.

Verzweifelt bemühe ich mich, nicht an meine missliche Lage zu denken, und wechsele das Thema. „Hey, ich habe heute Morgen ein paar Muffins gebacken, falls du welche für Harlem mitnehmen möchtest.“

Sukies Gesicht hellt sich auf. „Blaubeere mit weißen Schokoladenstückchen?“, fragt sie hoffnungsvoll.

Ich lege einen Arm um ihre Schulter. „Yep. Deine Lieblingsmuffins.“

„Reichen die für Luca? Letztes Mal, als du welche gebacken hast, musste ich mich mit ihm darum streiten, überhaupt einen abzubekommen.“

Ich werfe den Kopf in den Nacken und lache. „Keine Sorge, ich habe extra viel gemacht.“ Wir gehen zum Haus. „Komm, ich packe dir welche zum Mitnehmen ein, damit du nicht zu spät ins Geschäft kommst.“

„Du bist die Beste, Mom“, stößt sie aus.

Kapitel 4

Baja

Etwas Schweres legt sich auf mich, gefolgt von einem rhythmischen Vibrieren auf meiner Brust, dass mich aus dem Schlaf holt. „Morgen, Ozzy.“ Ich öffne die Augen und blicke in das Gesicht eines zufriedenen, sechs Kilo schweren Main-Coon-Katers. Ich streichele ihm über den Kopf und kraule ihn anschließend hinter dem Ohr, was ihn nur noch lauter schnurren lässt. Nach seinem erfolgreichen Weckruf springt Ozzy auf den Boden, sieht mich an und miaut. Also werfe ich meine Decke zur Seite und stehe auf. „Ich komme.“

Ozzy läuft voran, und ich folge ihm in die Küche. Ich stelle eine Tasse in den Automaten, lege eine Kaffeekapsel ein und drücke den Knopf. Dann hole ich Ozzys Lieblingsfutter aus dem Schrank, öffne die Dose und fülle seine Schüssel. Ich nehme meine gefüllte Kaffeetasse, gieße etwas Kaffeesahne hinein und gehe zum Küchentisch, wo ich Ozzys Napf auf den Boden stelle und das Fenster öffne. Die frische Luft füllt meine Lunge und ich atme tief ein, bevor ich meinen ersten Schluck Kaffee zu mir nehme. Gerade ist die Sonne über Salem aufgegangen und taucht diesen frühen Morgen in ein gedämpftes Grau, das zu den Kopfsteinpflasterstraßen hier passt.

Meine Gedanken schweifen zurück zu Alice und wie sie durch meine Berührungen so rasch gekommen ist. Diese Frau fesselt mich. Noch einmal spiele ich unsere Begegnung von letzter Nacht in meinem Kopf durch, genieße unsere kurze Verbindung und werde erneut von dem Anblick gequält, als Bedauern und Unsicherheit in ihren Augen aufgeblitzt waren. Das allein sollte mich schon von diesem überwältigenden Verlangen nach mehr von ihr abhalten, doch ich fühle genau das Gegenteil. Wie eine Motte zum Licht strebt, so zieht es mich zu Alice.

Ich nippe an meinem Kaffee, seine Wärme erdet mich für einen Moment, während die Erinnerungen an letzte Nacht durch meine Gedanken wirbeln. Unweigerlich frage ich mich, ob Alice ebenso in diesem Augenblick gefangen ist und ob er sie genauso verfolgt wie mich.

Das Chaos in meinem Kopf verblasst, doch die Fragen über Alice bleiben.

***

In der Wohnung über dem Ravens Ink Tattoo Shop zu leben, hat seine Vorteile, wie zum Beispiel der kurze Weg zur Arbeit. Als ich den Lichtschalter betätige, erhellt sich mit einem leisen Summen der gesamte Laden und gibt den Blick auf die in tiefem Mitternachtsblau gestrichenen Wände frei. Gerahmte Vintage-Fotografien mit kunstvollen Tattoo-Designs hängen dort in edlen Goldrahmen und schmücken den Innenraum.

Eine Stunde nach dem Öffnen schwingt die Tür auf, und Grace, eine junge Frau, die ich letzte Woche bei ihrer Beratung kennengelernt habe, kommt herein.

In ihrem Gesichtsausdruck lese ich eine Mischung aus Besorgnis und Entschlossenheit. Während sie näher kommt, kann ich die Last ihrer Vergangenheit förmlich spüren.

Sie will ein Andenken an ihre Mutter haben, die tapfer gegen den Krebs angekämpft, aber den Kampf vor wenigen Monaten verloren hat. Wenn sie meinen Stuhl verlässt, möchte ich sicherstellen, dass sie eine in Kunst verwandelte Erinnerung an die Liebe mitnimmt, etwas, das sie für immer in Ehren halten kann.

„Morgen.“ Ich schenke ihr ein für mich typisches, vereinnahmendes Lächeln, und sie errötet, was mich normalerweise zum Weiterflirten animieren würde, aber daran hege ich kein Interesse. Stattdessen denke ich schon wieder an Alice.

„Wo willst du mich haben?“, fragt Grace und ihr Blick verweilt noch ein wenig länger auf mir, ein verspieltes Funkeln in ihren Augen.

Schon wieder.

Ich spüre nichts bei ihrem aufblitzenden Interesse an mir.

Was ist bloß los mit mir?

Ich zeige auf den Tisch an meinem Platz. „Da drüben.“ Mein Tonfall klingt kurz angebunden, doch mein Stimmungswechsel hat nichts mit ihr zu tun, sondern mit der Frau, die mich gestern Nacht stehen gelassen hat.

Während die Kundin sich auf dem Tisch niederlässt, drucke ich die Tattoo-Schablone.

Sie möchte ein florales Kunstwerk, filigran und kompliziert, was nicht so mein Ding ist. Ich mag eher kräftige Linien, tiefes Schwarz und etwas Körnigkeit in dem Motiv. Trotzdem bin ich gut in dem, was ich tue, und sie wird zufrieden nach Hause gehen.

Mein Onkel Jax, eine Art einsamer Wolf, hat mir alles übers Tätowieren beigebracht. Er ist der Typ, der unangemeldet mitten in der Nacht auftaucht, und genauso schnell wieder verschwindet. Er bleibt nirgendwo lang genug, um sich niederzulassen. Doch er hat mich tief geprägt, als er mich seinerzeit mit siebzehn in diesen Stuhl gesetzt und mir eine Tattoo-Maschine in die Hand gedrückt hat. Er schenkte mir damals mein erstes Bike und führte mich in den MC-Lifestyle ein, wodurch ich eine ganz andere Welt und das Leben am Rande der Gesellschaft kennenlernte. Ich war schon immer ein Außenseiter, stürzte mich kopfüber ins Leben, lebte jeden Moment, als sei er mein Letzter und verschwendete nicht einen Atemzug.

Ich lebe mein Leben mutig und ohne Reue.

Ich halte kurz inne, betrachte mich im Spiegel und starre auf das Batman-Symbol, das sich über meine Brust erstreckt und teilweise von meiner Kutte bedeckt wird. Ich lebe nicht nur für mich, sondern auch für meinen kleinen Bruder, der nie erwachsen werden konnte, weil ihm der Krebs das Leben genommen hat. Krebs ist ein Arschloch.

Ich verdränge die Erinnerungen an die Vergangenheit, stelle das Gerät auf und betrachte die Schablone, bevor ich sie auf Grace’ Oberschenkelaußenseite auftrage.

„Bereit?“, frage ich, ziehe mir Handschuhe über und bin bereit loszulegen.

„Nervös, aber ich freue mich auch darauf.“ Sie hält ihr Handy hoch und macht ein Selfie, ehe die Nadel ihre Haut berührt. Sie zuckt zusammen, als die Tätowiernadel eindringt und ein winziger Blutstropfen unter der Tinte aufsteigt.

Manche Menschen können den Schmerz beim Tätowieren besser ertragen als andere. Und nach meiner Erfahrung haben Frauen eine viel höhere Toleranzgrenze als Männer. Der Schmerz beim Stechen kann schnell süchtig machen, denn die Erleichterung und Klarheit, die einsetzt, wenn man durchhält, ist enorm.

„Machst du das schon lange?“, will sie von mir wissen und starrt weiterhin auf ihren Handybildschirm.

„Seit ich siebzehn bin.“

„Und wie alt bist du jetzt?“

Ich spüre ihren Blick auf mir, aber meine Aufmerksamkeit bleibt auf ihren Oberschenkel gerichtet. „Dreißig.“