Kings of Retribution MC: The Darkest of Light - Sandy Alvarez - E-Book
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Kings of Retribution MC: The Darkest of Light E-Book

Sandy Alvarez

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Beschreibung

Als kleiner Junge verlor Gabriel Martinez nicht nur seine Familie – sein ganzes Leben wurde ihm entrissen. Wut und seine Rachegelüste halten ihn am Leben. Einige Jahre später führt ihn eine Reihe von Ereignissen zu seiner neuen Familie, dem Kings of Retribution MC, wo er die ebenso schüchterne wie unschuldige Alba Jameson kennenlernt. Alba verliebt sich in Gabriel, doch dann stößt dieser sie mit brutalen Worten unerwartet von sich. Tief enttäuscht von Gabriels kaltem Verhalten wählt Alba das Leben, für das ihre Schwester so hart gearbeitet hat, indem sie aufs College geht. Während sie versucht, ihre Gefühle für Gabriel zu begraben, sucht sie Kraft und Mut, um sich ein neues Leben aufzubauen. Das gelingt ihr jedoch nicht - allein, weil sie herausfindet, dass es etwas gibt, was sie für immer an Gabriel binden wird. Doch dann sieht sie sich mit unerklärlichen und bedrohlichen Vorgängen konfrontiert. Die gesichtslose Bedrohung zwingt sie, nach Hause zu ihrer Schwester zurückzukehren - und zurück zu Gabriel, der unweigerlich Albas gut gehütetes Geheimnis lüften wird ... Teil 2 der Reihe rund um den Kings of Retribution Motorcycle Club der USA Today-Bestsellerautorinnen Sandy Alvarez und Crystal Daniels.

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Seitenzahl: 398

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Sandy Alvarez & Crystal Daniels

Kings of Retribution MC Teil 2: The Darkest of Light

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Sandra Martin

© 2018 by Sandy Alvarez & Crystal Daniels unter dem Originaltitel „The Darkest of Light (Kings of Retribution MC Book 2)“

© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-578-5

ISBN eBook: 978-3-86495-579-2

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch oder Ausschnitte davon dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers nicht vervielfältigt oder in irgendeiner Weise verwendet werden, außer für kurze Zitate in einer Buchbesprechung.

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Autorinnen

Prolog

Bella

Ich starre durch das Wohnzimmerfenster auf den zugefrorenen See und die schneebedeckte Landschaft und muss lächeln. Bald ist Weihnachten, die schönste Zeit des Jahres. Und um mein Glück abzurunden, kommt meine Schwester in drei Tagen nach Hause.

Alba besucht seit August das College. Ich vermisse sie schrecklich, doch ich bin auch sehr stolz auf sie, denn sie hat ein Vollstipendium an der Montana State University in Bozeman erhalten. Seit sie dort studiert, war sie nur ein einziges Mal zu Hause und erfindet immer neue Ausreden, weshalb sie nicht zu Besuch kommen kann. Ich sorge mich um sie, allerdings zerstreut Alba meine Zweifel sofort wieder, indem sie mir versichert, sie habe nur so wenig Zeit, weil ihr Studium sie voll in Anspruch nimmt.

Sofia hat sich gut entwickelt. Seit Ende August besucht sie das Juniorjahr der Highschool und hat bereits viele Freunde gefunden. Die Jungs des Clubs haben es sich zur Aufgabe gemacht, sie zu beschützen. Sie kann nicht einmal mit ihren Freunden ins Kino gehen, ohne mindestens einen der Prospects im Schlepptau zu haben. Ich glaube allerdings nicht, dass es ihr etwas ausmacht. Wahrscheinlich gibt es ihr sogar ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ein Dutzend großer Brüder auf sie aufpassen.

Ich war fleißig mit dem Schmücken des Hauses beschäftigt. Vor einigen Tagen sind Logan und ich losgefahren, um einen Weihnachtsbaum zu besorgen, allerdings sind wir stattdessen mit einer Wagenladung an Dekorationen wieder nach Hause gekommen. Ihm war nicht bewusst, wie ernst es mir mit Weihnachten ist. Während wir in der Schlange an der Kasse standen, hat er mich gefragt: „Baby, brauchst du wirklich all diesen Scheiß?“

Ich habe mich nur zu ihm umgedreht und ihm einen dieser Machst-du-Witze-Blicke zugeworfen. Als er gesehen hat, wie ich Kisten voller Weihnachtsschmuck ins Clubhaus schleppen wollte, hat er mir Einhalt geboten.

„Verdammt, nein, Bella. Ich liebe dich, Baby, aber die Brüder würden mir diesen Scheiß nie verzeihen.“

Am nächsten Abend beschlossen Logan und ich, ins Clubhaus zu gehen, um mit den Jungs ein paar Drinks zu nehmen. Ich sitze jetzt also auf Logans Schoß und höre mir ihre endlosen Frotzeleien an, als die Tür aufgestoßen wird. Ich werfe einen Blick zum Eingang und bin schockiert, als ich meine Schwester dort stehen sehe. Eigentlich sollte sie erst in zwei Tagen eintreffen.

„Alba!“, rufe ich entgeistert und springe mit einem wenig anmutigen Satz von Logans Schoß. Ihm entfährt daraufhin ein Stöhnen, das ich jedoch ignoriere.

Ich schwanke leicht, als ich auf sie zugehe, dann bemerke ich ihr gerötetes, tränenüberströmtes Gesicht.

„Alba, was ist los?“, will ich wissen und laufe zu ihr. Sobald sie in Reichweite ist, packe ich sie mir und ziehe sie an mich.

Ihr zitternder Körper versetzt mich sofort in höchste Alarmbereitschaft. Ich trete einen Schritt zurück, nachdem ich meine Hände auf ihre Schultern gelegt habe. „Sag mir, was los ist. Geht es dir gut?“, frage ich sie.

Im nächsten Moment spüre ich, dass jemand hinter mir steht. Ich werfe einen Blick über die Schulter und sehe Gabriels hochgewachsene Gestalt.

„Cariño, Schätzchen?“, bedenkt er Alba mit sanfter Stimme.

Meine Schwester wird ganz blass und zieht ihren schweren Wintermantel enger um ihren Körper Irgendetwas stimmt nicht, aber ich habe keine Ahnung, was sie bedrückt. Ich mustere sie von Kopf bis Fuß und suche vergeblich nach einem Hinweis darauf, wo das Problem liegen könnte.

Nach ein paar Sekunden sehe ich, was sich verändert hat.

Im nächsten Moment schnappe ich nach Luft und schlage mir die Hand vor den Mund.

Kapitel 1

Alba

Sieben Monate zuvor

Die Party, die meine Schwester anlässlich meines Schulabschlusses veranstaltet hat, ist schon vor einigen Stunden zu Ende gegangen. Wir haben beschlossen, hier im Clubhaus zu übernachten, statt zurück nach Hause zu fahren. Seit einer Stunde liege ich nun schon im Bett und starre auf die Uhr auf dem Nachttisch. Ich habe alles versucht, um mich zu entspannen und endlich einschlafen zu können: lesen, fernsehen, sogar ein langes Bad habe ich genommen, doch nichts hat funktioniert.

Frustriert stoße ich den Atem aus und stehe schließlich auf. Ich trotte durch das Zimmer und bleibe vor der Tür stehen. Einen Moment überlege ich, ob ich es wirklich tun soll, doch mir ist klar, dass ich andernfalls keinen Schlaf finden werde, denn ich weiß genau, was ich brauche. Ich brauche ihn. Gabriel. Seit meiner Entführung ist er der Einzige, der mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Ich kann immer noch die Stimmen dieser Männer in meinem Kopf hören, die mir all die abscheulichen Dinge einbläuen, die sie mir antun wollen. Aber wenn ich mit Gabriel zusammen bin, verschwinden die Stimmen, und mittlerweile kann ich nicht mehr in den Schlaf finden, wenn er nicht neben mir liegt.

Die Nächte, die ich zu Hause verbringe, sind die schlimmsten. Es wird immer schwieriger, Ausreden zu finden, mit denen ich meiner Schwester erklären kann, warum ich manchmal lieber hier übernachte. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass Bella es weiß. Was mich betrifft, ist meine Schwester ziemlich scharfsinnig. Das ist nicht verwunderlich, denn sie hat mich praktisch großgezogen und war mehr eine Mutter für mich als unsere Leibliche. Seit ich denken kann, hat meine Schwester mich beschützt. Als Kind hat sie mich vor unserem Vater abgeschirmt und später vor dem letzten Ehemann unserer Mutter, Lee. Ich erinnere mich nicht an unseren Dad, und Bella spricht nie von ihm, aber ich weiß, dass er kein guter Mensch war. Mir ist bewusst, dass Bella Schuldgefühle hegt, weil sie nicht verhindern konnte, was mit Lee geschehen ist. Was ich durchgemacht habe, war nichts im Vergleich zu den schrecklichen Erfahrungen, die Bella machen musste. Sie sollte sich meinetwegen auf keinen Fall schlecht fühlen. Doch die große Schwester in ihr lässt ihr keine Wahl, daher gilt ihre Hauptsorge stets mir. Ich bin überrascht, dass sie mich noch nicht auf Gabriel angesprochen hat, denn ich weiß, dass sie etwas ahnt. Für gewöhnlich scheut sie sich nicht, ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken. Allerdings macht es mir nichts aus, denn Bella ist meine beste Freundin.

Ich bin eine Stubenhockerin und ein introvertierter Mensch. Mir ist es schon immer schwergefallen, Freunde zu finden. In der Schule gab es zwar ein oder zwei Leute, die mir nahestanden, aber darüber hinaus pflegte ich nicht viele soziale Kontakte. So bin ich nun einmal, ich bin gern allein. Ich weiß, dass manche Leute mich mit Skepsis betrachten und nicht verstehen, dass ich es vorziehe, erfundene Geschichten zu lesen, anstatt selbst etwas zu erleben. Möglicherweise bin ich langweilig und gehe zu sehr auf Nummer sicher. Aber im Großen und Ganzen bin ich damit zufrieden, wie die Dinge sind. Bis auf die Tatsache, dass ich von dem Kubaner am Ende des Flurs besessen bin. Ich wünschte, ich hätte den Mut, ihm meine Gefühle zu gestehen. Ich bin mir fast sicher, dass meine Schwester weiß, was ich für ihn empfinde, aber solange sie nicht weiter nachbohrt, warum ich mich bevorzugt im Clubhaus aufhalte, werde ich ihr auch nichts davon erzählen. Nach der Schule bin ich meistens direkt hierhergekommen, da Bella entweder hier oder auf der Arbeit war. Hin und wieder habe ich Kopfschmerzen vorgetäuscht, um hierbleiben zu können.

In jener Nacht, in der die Clubmitglieder mich vor den Los Demonios gerettet haben, nahm Gabriel mich mit in sein Zimmer und wich eine Woche lang nicht mehr von meiner Seite. Er überließ mir sein Bett, während er in einem Stuhl neben mir schlief. Ich habe nie verstanden, warum er das Bedürfnis verspürte, den Beschützer zu spielen und über mich zu wachen. Er ließ niemanden außer Bennett oder Lisa ins Zimmer, als hätte er geahnt, dass ich niemanden sehen wollte. Nach einer Woche bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich seine Privatsphäre beanspruchte. Also beschloss ich schweren Herzens, zurück in mein eigenes Zimmer zu ziehen.

Allerdings war Gabriel mit meiner Entscheidung nicht einverstanden und versuchte, mich - wie es für einen verschlossenen Mann wie ihn nicht anders zu erwarten war - mit einem schlichten „Nein“ davon abzuhalten. Schließlich zog ich dennoch aus. Ich bedauerte meinen Entschluss jedoch umgehend, denn in jener Nacht lag ich wach und konnte beim besten Willen nicht einschlafen. Dementsprechend dauert es nicht lange, bis ich mich jeden Abend in sein Zimmer zurückschlich, sobald er schlief.

Im Nachhinein weiß ich, wie naiv das war, schließlich hätte er sich gerade mit einer Frau vergnügen können. Wenn man bedenkt, wie vernarrt ich in den Mann bin, hätte ich den Anblick kaum verkraftet und wäre am Boden zerstört gewesen. Gabriel war aber, Gott sei Dank, stets allein. Sobald ich glaubte, dass er eingeschlafen war, ging ich in sein Zimmer und schlüpfte leise unter die Bettdecke, wobei ich immer darauf achtete, ihn nicht zu berühren. Ich musste ihm nur nahe genug sein, um mich sicher zu fühlen. Beim ersten Mal wachte ich am nächsten Morgen in einem leeren Bett auf und geriet in Panik. Ich fragte mich, ob er wütend war, weil ich mich ohne zu fragen in sein Bett gelegt hatte. War er sauer auf mich, weil ich mich zu ihm geschlichen hatte? Eine Stunde später, nachdem ich den Mut aufgebracht hatte, zum Frühstück nach unten zu gehen, traf ich Gabriel in der Küche. Er stand mit dem Rücken zu mir an der Anrichte und machte sich gerade eine Tasse Kaffee.

„Morgen Cariño“, begrüßte er mich. Er drehte sich nicht einmal um, um nachzuschauen, wer hinter ihm stand. Woher konnte er wissen, dass ich es war?

„Guten Morgen, Gabriel“, erwiderte ich leise, während mir das Herz bis zum Hals schlug. Gabriel schnappte sich seine Tasse und verließ ohne ein weiteres Wort die Küche. Und so ging es Tag für Tag weiter. Gabriel war jedes Mal bereits aufgestanden, bevor ich aufwachte, und brachte kein einziges Mal meine Schlafgewohnheiten zur Sprache.

Nun stehe ich wieder hier und starre auf seine Tür. Es ist einige Wochen her, seit ich das letzte Mal im Clubhaus übernachtet habe, und schon verfalle ich wieder in alte Muster. Ich gehe den mir nur allzu vertrauten Flur entlang und bleibe vor der Tür des Mannes stehen, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Regungslos stehe ich da und hadere mit mir selbst. Es ist nicht gesund, dass ich derart abhängig von ihm bin, und ich sollte etwas dagegen tun. Schon bald werde ich das College besuchen, und was dann? Mit einem Kopfschütteln drehe ich mich um und will in mein Zimmer zurückkehren, als eine tiefe Stimme mich innehalten lässt und mir einen Schauer über den Rücken jagt.

„Komm ruhig rein, Cariño“, ruft Gabriel.

Woher zum Teufel weiß er, dass ich hier stehe?

„Ich kann deinen Schatten unter der Tür sehen.“

Nun, das beantwortet meine unausgesprochene Frage.

Ich atme tief durch und öffne langsam die Tür. Im Zimmer ist es dunkel, die einzige Lichtquelle ist eine kleine Lampe auf dem Tisch in der Ecke des Raumes. Gabriel sitzt mit nacktem Oberkörper auf dem Bett, sein Rücken lehnt gegen das Kopfteil. In den Händen hält er einen Skizzenblock und einen Bleistift. Er ist immer noch genauso umwerfend wie an dem Tag, an dem ich ihn zum ersten Mal sah. Mit seinen eins achtzig, dem Vollbart und den breiten Schultern wirkt er wie ein Biest. Von der Taille aufwärts ist fast jeder Zentimeter seiner Haut mit Tätowierungen bedeckt. Ich habe mich oft gefragt, inwieweit auch die untere Hälfte von Tinte verziert ist. Sein schwarzes Haar ist an den Seiten kurz geschnitten und oben ein paar Zentimeter länger. Er hat tiefbraune Augen, die die meisten Menschen als ablehnend empfinden würden, in denen meiner Meinung nach aber ein gütiger Ausdruck liegt. Seine Miene mag abweisend wirken, doch seine Augen sprechen die Wahrheit. Man muss nur genauer hinsehen.

Ich stehe in seinem Zimmer und lehne mit dem Rücken gegen die Tür, während wir einander anstarren. Ich spüre, wie er mich mit seinen dunklen Augen von Kopf bis Fuß mustert. Mich überkommt eine leichte Unsicherheit und ich zupfe nervös an meinem übergroßen Schlafshirt. Mein Körper ist fast komplett verhüllt, denn das Shirt reicht mir bis zu den Knien, aber vielleicht hätte ich dennoch eine Jogginghose anziehen sollen.

Gabriel deutet mit einem Nicken auf den freien Platz neben ihm und gibt mir damit das Zeichen, auf das ich gehofft hatte. Ich verschwende keine Zeit, gehe zum Bett, hebe die Bettdecke an und schlüpfe darunter. Sobald mein Kopf das Kissen berührt, schließe ich die Augen, lasse mich von seinem Duft umhüllen und entspanne mich augenblicklich. Das letzte, woran ich mich vor dem Einschlafen erinnere, ist das sanfte Grollen seiner Stimme: „Schlaf, Cariño.“

Mitten in der Nacht wache ich auf, weil mir viel zu warm ist. Ich brauche einen Moment, um die Hitzequelle auszumachen. Ich liege auf der Seite, Gabriel hat sich an meinen Rücken geschmiegt. Er hat einen Arm unter meinen Hals geschoben und den anderen um meine Taille geschlungen. Irgendwann, während der Nacht, muss mein Shirt hochgerutscht sein, denn ich spüre, dass sein Arm meine nackte Haut berührt. Mein Puls beschleunigt sich sofort. Das ist mir neu. Er hat mich noch nie zuvor berührt, während wir zusammen im Bett lagen, denn wir haben beide stets darauf geachtet, einen gewissen Abstand zueinander einzuhalten.

Ich habe immer von diesem Moment geträumt und nicht erwartet, ihn je erleben zu dürfen. Gabriel ist mir so nah und ich kann seine harte Länge spüren. Wahrscheinlich träumt er, denn es ist völlig ausgeschlossen, dass er meinetwegen erregt ist. Ich genieße das Gefühl dennoch, verlagere die Position, damit ich mich mit dem Rücken noch dichter an ihn schmiegen kann. Plötzlich festigt er seinen Griff um meine Taille und ich spüre seinen Atem an meinem Hals., „Alba.“ Leise spricht er meinen Namen aus.

Kaum hörbar schnappe ich nach Luft, denn mir wird klar, dass er wach ist. Und offensichtlich habe ich ihn erregt. Ich nehme all meinen Mut zusammen und tue das, was ich schon seit Monaten tun will. Also strecke ich einen Arm nach hinten aus und fahre ihm mit zitternden Fingern durchs Haar, während ich meinen Hintern dichter gegen seine erregte Männlichkeit presse. Ich bin unglaublich nervös, habe aber keine Angst davor, meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Vielmehr fürchte ich, dass er mich zurückweisen könnte. Nie habe ich mir etwas sehnlicher gewünscht, als mich diesem Mann hinzugeben.

„Bist du sicher?“, will er mit heiserer Stimme wissen, woraufhin ich meinen Kopf zurückneige.

„Ja“, flüstere ich mit bebender Stimme zurück.

Kaum, dass ich das Wort ausgesprochen habe, nimmt Gabriel seine Hand von meiner Taille und wandert mit ihr tiefer. Ich spüre, wie er sie in mein Höschen schiebt und spreize die Schenkel ein wenig. Mir entfährt ein Stöhnen, als er seinen langen Finger durch meine Spalte gleiten lässt. „So verdammt feucht“, wispert er.

Ich drehe mich zu ihm um und ziehe ihn an den Haaren zu mir heran, denn ich will, dass er mich küsst. Es wird mein erster Kuss sein. Offenbar weiß er, wonach ich mich sehne, denn er presst seinen Mund auf meine Lippen. Er schmeckt so gut, nach Zimt und Whiskey. Im nächsten Moment schiebt er seine Zunge in meinen Mund, während er mit einem Finger in mich eindringt. Mir stockt der Atem. Sie füllen mich voll aus, doch schon bald weicht das Unbehagen und ich stehe kurz vor dem Höhepunkt. Ich bebe am ganzen Körper.

Ich beende unseren Kuss. „Ich will dich in mir spüren.“ Es ist die Wahrheit. Ich sehne mich nach mehr. Ich sehe, wie er zögert, denn er weiß, dass ich noch Jungfrau bin. Er war mit Bennett im Raum, als dieser mich nach meiner Entführung untersucht hat. Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht vergewaltigt wurde. Bennett wollte mir ein Schlafmittel geben, doch er musste zuvor wissen, ob ich noch andere Medikamente einnehme. Also habe ich zugegeben, dass ich täglich die Antibabypille schlucke. Als ich gesehen habe, wie Gabriel sich bei meinen Worten verkrampfte, habe ich sofort erklärt, dass sie nur dazu dient, meine Periode zu regulieren. Die ganze Situation war einfach nur peinlich.

Damit er weiß, wie ernst es mir ist, greife ich hinter mich und packe seinen langen, dicken Schwanz, dann drücke ich zu. Ich habe keine Ahnung, was ich tue, doch es scheint ihm zu gefallen, denn ich sehe, wie seine Nasenflügel sich aufblähen und er die Augen schließt, während er ein Knurren ausstößt. Im nächsten Moment entledigt er sich auch schon seiner Boxershorts und zieht mir in einer flinken Bewegung das Höschen aus. Er wirft beide Kleidungsstücke auf den Boden, bevor er nach dem Saum meines Schlafshirts greift und es mir über den Kopf zieht. Dann packt er meinen Oberschenkel und legt sich mein Bein über seine Hüfte.

„Küss mich“, fordert er.

Ich drehe den Kopf und erfülle ihm seinen Wunsch. Im nächsten Augenblick spüre ich, wie er die Spitze seines Schwanzes an mein Geschlecht presst. Er lässt sich Zeit und dringt Zentimeter um Zentimeter in mich ein, bis er auf einen Widerstand stößt. Ich kralle meine Finger in sein weiches, dunkles Haar und wappne mich für das, was kommen wird. Dann drückt er mich fest an sich und gleitet bis zum Anschlag in mich hinein. Er dämpft meinen Schrei mit seinem Mund und beruhigt mich, indem er mit seiner Zunge sanft die meine liebkost. Sobald ich mich entspannt habe, und mich diesem neuartigen Gefühl hingebe, derart ausgefüllt zu sein, beginnt Gabriel sich in mir zu bewegen. Der Schmerz weicht der Lust und ich beginne damit, mich ihm entgegen zu wölben. Er legt eine Hand auf meine Brust und zwickt mir zärtlich in die Brustwarze. Ich schnappe nach Luft, während ich jedoch die Laute nicht unterdrücken kann, die meiner Kehle entweichen.

„Ich komme gleich“, keuche ich und spüre, wie ich dem Orgasmus immer näher komme. Kaum sind mir die Worte über die Lippen gekommen, zieht Gabriel seinen Schwanz aus mir heraus. Als ich zu protestieren beginne, dreht er mich auf den Rücken und kniet sich vor mich, um sogleich sein Becken abermals zwischen meine Schenkel zu schieben.

„Ich will dein Gesicht sehen, wenn du kommst“, sagt er. In dieser Position habe ich zum ersten Mal einen ungehinderten Blick auf den umwerfenden Körper dieses Mannes. Die Tätowierungen, über die ich mir schon so oft den Kopf zerbrochen habe, reichen tatsächlich nur bis zu seiner Taille. Außerdem bin ich nun in der Lage, seinen perfekten Schwanz in seiner vollen Pracht zu begutachten. Ich starre wie gebannt darauf, doch Gabriel reißt mich aus meiner Trance, als er seine großen Hände unter meinen Hintern schiebt und mein Becken anhebt, sodass meine untere Körperhälfte nun auf seinen Oberschenkeln ruht. Ich schlinge die Beine um seine Hüfte und sehe ihm dabei zu, wie er seinen Schwanz packt und ihn ein paarmal streichelt, ehe er ihn durch meine Spalte gleiten lässt. Das Gefühl ist so überwältigend, dass ich mit den Lidern flattere und mich im Bettlaken festkralle. Der verschmitzte Ausdruck auf Gabriels Gesicht verrät mir, dass er es genießt, mich zu reizen.

„Gabriel, bitte“, flehe ich ihn an und diesmal erfüllt er mir meinen Wunsch. Er packt meine Hüften mit beiden Händen und dringt bis zum Anschlag in mich ein. Dabei kommen ihm einige Worte auf Spanisch über die Lippen, doch ich habe keinen blassen Schimmer, was sie bedeuten. Ich ergreife seine Unterarme und halte mich daran fest, während er weiterhin meine Hüfte fest im Griff hat und immer wieder in mich eindringt.

Schon nach kurzer Zeit spüre ich, wie ich erneut dem Höhepunkt entgegentreibe. Den hervortretenden Adern an seinem Hals nach zu urteilen, steht er selbst kurz davor, von einer Welle der Ekstase mitgerissen zu werden. Gabriel beugt sich vor, schlingt seine Arme um mich und zieht mich zu sich, sodass ich rittlings auf seinen Schenkeln zu sitzen komme und unsere Oberkörper sich berühren. Ich passe mich den Bewegungen seiner Hüften an und verfalle mit ihm in einen leidenschaftlichen Rhythmus.

Irgendwann zieht er den Kopf leicht zurück. „Jeder Teil deines Seins gehört mir“, flüstert er mir ins Ohr, wobei er seine Arme fest um meinen Körper schlingt und unsere Lippen erneut miteinander verschmelzen. Im nächsten Moment komme ich zum Höhepunkt und stoße einen Schrei aus, den er jedoch mit seinem Mund verschluckt. Er stößt noch einmal tief in mich hinein und stöhnt auf, als auch er kommt. Mit schweißnasser Haut verharren wir für eine Weile in dieser Position, während er mich festhält und wir beide versuchen, zu Atem zu kommen. Schon bald habe ich mich beruhigt und entspanne sämtliche Muskeln wieder. Ich fühle mich durch und durch befriedigt. Gabriel beugt sich vor und legt mich behutsam mit dem Rücken auf der Matratze ab. Sobald mein Kopf das Kissen berührt, fallen mir die Augen zu und ich schlafe ein. Ich erinnere mich nur noch an das raue Gefühl seines Barts, als er mich zärtlich küsst und dann sagt: „Schlaf, Cariño.“

Als ich am nächsten Morgen aufwache, schläft Gabriel noch neben mir. Ich setze mich auf und komme nicht umhin, ihn einige Minuten lang zu beobachten. Als würde er meinen Blick spüren, öffnet er die Augen.

„Guten Morgen“, sage ich schüchtern und schäme mich etwas, weil er mich dabei erwischt hat, wie ich ihn anstarre.

„Morgen, Baby“, erwiderte er mit einem Grinsen. Er richtet sich auf und lehnt sich mit dem Rücken gegen das Kopfteil des Bettes, woraufhin ich ihn von Kopf bis Fuß mustere. Ich lasse meinen Blick über seinen buschigen Bart schweifen, den ich so sehr liebe, begutachte seine tätowierte Brust und dann seinen Schwanz in voller Pracht. Gabriel ist nicht verklemmt, was seinen Körper betrifft, wohingegen ich das Laken fest umklammere, um mich zu bedecken.

„Baby?“, fragt Gabriel.

„Ja?“, entgegne ich.

„Ich habe dir eine Frage gestellt, Cariño“, sagt er und lacht leise.

„Oh. Was für eine Frage?“

„Ich wollte wissen, was du heute vorhast.“

„Nun, Bella und ich wollten zu Hause meine Sachen durchgucken, um zu sehen, was ich mitnehmen will, wenn ich in ein paar Wochen abreise.“

Ich beobachte, wie Gabriels Körper sich anspannt. Dann schwingt er die Beine über die Bettkannte und hebt seine Jeans vom Boden auf.

„Das ist gut“, sagt er mit ausdrucksloser Stimme, wobei er aufsteht und sich die Hose anzieht.

„Äh … ich habe darüber nachgedacht, vielleicht in Polson zu bleiben. Ich könnte auf die Volkshochschule gehen.“

„Warum zum Teufel solltest du das tun?“, blafft er mich an, woraufhin ich ihn schockiert anstarre. Das ist nicht derselbe Mann, der mich noch vor zwei Minuten angelächelt hat.

„Ich dachte nur, dass wir …“, beginne ich mich zu erklären, aber er fällt mir ins Wort.

„Was dachtest du, Alba? Glaubst du, weil wir letzte Nacht gefickt haben, wäre das Grund genug für dich zu bleiben? Du solltest deine Pläne nicht meinetwegen ändern.“ „Hör zu“, fährt er mit einem Seufzen fort. „Ich hatte letzte Nacht echt viel Spaß, aber es war nur Sex, Alba. Du solltest dir keine Hoffnungen machen. Es ist nicht so wie in einem deiner Liebesromane, die du so gern liest. Das hier ist das wahre Leben“, sagt er und starrt mich mit seinen dunklen Augen an, ohne zu blinzeln, während sich in seinem Gesicht keinerlei Emotionen widerspiegeln.

Ich bin nicht dazu fähig, die Tränen zurückzuhalten, die mir ungehindert über das Gesicht strömen. Der Mann, der vor mir steht, ist nicht mein Gabriel, mein Beschützer. Nein, dieser Mann ist der Gabriel, für den alle anderen ihn halten. Hätte ich gewusst, dass ich für ihn nur ein Abenteuer bin, hätte ich nie mit ihm geschlafen. Nein, das stimmt nicht. Die letzte Nacht mit Gabriel war die beste meines Lebens. Es bricht mir das Herz, zu wissen, dass er meine Gefühle nicht erwidert.

Ich steige aus dem Bett und lasse die Bettdecke fallen. Ich fühle mich gedemütigt, weil ich überhaupt den Vorschlag gemacht habe, hierzubleiben. Ich war so naiv zu glauben, dass die letzte Nacht etwas bedeutet hat. Ich ziehe mir mein Schlafshirt über den Kopf und würdige ihn dabei keines Blickes. Als ich die Zimmertür öffne, ruft er mir nach: „Cariño.“

Ohne mich zu ihm umzudrehen, antworte ich mit zittriger Stimme: „Ich bin nicht dein Cariño“, und verlasse sein Zimmer. Ich ignoriere sein Brüllen und das Geräusch von zerschmetterndem Glas, das gegen die Wand prallt.

Drei Wochen später hocken meine Schwester und ich in meinem Zimmer und packen die letzten Sachen für die Uni. Ich habe Bella nie erzählt, was an jenem Morgen passiert ist, nachdem ich mit Gabriel geschlafen habe. Als ich an ihre und Logans Tür geklopft habe, um sie zu bitten, mich nach Hause zu bringen, hat sie mich angefleht, es ihr zu erzählen. Ich will jedoch niemals darüber sprechen und ich habe ihn seit jenem Morgen nicht mehr gesehen. Ich weigere mich, je wieder ins Clubhaus zu gehen. Bella ahnt zweifellos, dass diese Weigerung etwas mit einem gewissen kubanischen Arschloch zu tun hat, aber sie weiß, dass ich es ihr erst sagen werde, sobald ich bereit dazu bin.

„Alba, brauchst du wirklich all diese Bücher? Warum lässt du sie nicht hier?“

„Ich brauche meine Bücher, Bella“, erwidere ich mit einem Schnauben. Sie kann nicht verstehen, wie groß meine Liebe zur Literatur ist.

Bella lacht leise. „Also schön, du hast gewonnen, Schwesterherz.“

„Seid ihr soweit? Wir sollten uns langsam auf den Weg machen“, meint Logan, der in der Tür zu meinem Zimmer steht.

„Ja, das sind die letzten beiden Kartons“, lasse ich ihn wissen.

Etwa vier Stunden später erreichen wir Bozeman, wo ich an der Montana State University Grafikdesign studieren werde.

Meine Schwester ist mit mir in meinem neuen Truck mitgefahren, während Logan uns gefolgt ist. Bella wollte noch so viel Zeit wie möglich mit mir verbringen, und was gibt es Schöneres, als vier Stunden lang gemeinsam unsere Lieblingslieder aus den Achtzigern und Neunzigern zu hören?

Nachdem Logan die Kisten in mein Zimmer im Wohnheim geschleppt hat, verabschiede ich mich von meiner Schwester. Dabei fließen eine Menge Tränen und Logan musste uns irgendwann auseinanderreißen. Nun, vielleicht ist das ein wenig übertrieben, aber es hat nicht viel gefehlt. Bella und ich waren noch nie voneinander getrennt und sind einander immer eine Stütze gewesen. Doch es ist Zeit für mich, erwachsen zu werden. Sie wird bald heiraten, und ich muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Kapitel 2

Gabriel

Ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Verdammte Schlaflosigkeit. Aus diesem Grund sitze ich um drei Uhr morgens auf dem Dach des Clubhauses und rauche einen Joint. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal sechs Stunden am Stück geschlafen habe. Scheiße, das ist nicht wahr. Ich will nicht schlafen, denn wenn ich es tue, muss ich an sie denken. Das Dach ist mein Lieblingsplatz und jeder weiß, dass es besser ist, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich hier oben bin. Der Anblick des Sternenhimmels ruft in mir Erinnerungen an die Heimat wach. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich fast vor mir, wie der orangefarbene und violette Himmel sich verdunkelt und die Sterne die Straßen erleuchten, auf denen meine Schwester und ich gespielt haben. Wenn in Kuba die Nacht hereinbricht, schicken die Erwachsenen ihre Kinder nicht ins Bett, sondern lassen sie draußen spielen, während die Nachbarn musizieren und sich den neuesten Klatsch und Tratsch erzählen. Es waren unbeschwerte Zeiten.

Wenn heute die Sonne untergeht und der Mond ihren Platz einnimmt, herrscht nichts weiter als Dunkelheit. Ich mag die Finsternis, denn sie verbirgt all meine Makel. In der Nacht kommen meine Dämonen zum Vorschein, doch in letzter Zeit sind die Stimmen leiser geworden. Sie sind nie ganz verschwunden, sondern verstecken sich im Schatten und gewähren mir nur ein paar kurze Momente der Ruhe. Jetzt, da sie weg ist, werden sie wiederkommen. Sie erinnern mich daran, wer ich bin und rufen mir meine Vergangenheit in Erinnerung.

Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem mein Vater und ich Kuba verließen. Ich war zehn Jahre alt. Mein Vater kam in das Zimmer, das ich mir mit meiner Schwester teilte, und rüttelte mich wach. Es kam zwar häufiger vor, dass er mich früh weckte und mich mit zum Angeln nahm, doch an jenem Morgen war es anders. Statt der Angelruten hatte er lediglich einen kleinen Koffer bei sich. Als wir einen abgelegenen Strand erreichten, trafen wir auf fünf weitere Männer, und als ich das behelfsmäßige Floß sah, wusste ich sofort, was los war. Das ist der kubanische Weg, in ein besseres Leben zu starten. Es ist beängstigend und gefährlich, aber die Verzweiflung treibt einen Menschen dazu, das Undenkbare zu tun. Tja. Und mein Vater und ich waren im Begriff, uns diesen verzweifelten Leuten anzuschließen. Damals konnte ich den Grund dafür nicht verstehen und flehte ihn an, mich zurück nach Hause zu bringen. Warum sollten wir so etwas tun? Warum sollten wir das Land zurücklassen, das wir liebten? Warum sollten wir meine Mutter und meine Schwester verlassen?

Gemeinsam mit den fünf Männern verbrachten mein Vater und ich sieben Tage auf hoher See, während uns die Sonne im Nacken brannte. Die Nächte waren so dunkel, dass man hin und wieder das Glühen der Lebewesen unter der Meeresoberfläche sehen konnte. Es wäre eine Untertreibung, wenn ich sagen würde, dass ich mich zu Tode gefürchtet hatte. Kilometerweit war nichts als Wasser zu sehen. Ich werde den Moment nie vergessen, an dem ich zum ersten Mal amerikanischen Boden betrat. Es war der Beginn eines neuen Lebens. Ich wollte dieses Leben zwar nicht, aber mein Vater hatte es dennoch für mich gewählt. Während die anderen Männer die Freiheit feierten, konnte ich nur daran denken, wie sehr ich mich nach meiner Heimat sehnte. Als kleiner Junge verstand ich nicht, wie mein Vater so etwas tun konnte. Warum hat er mich mitgenommen und unser Zuhause verlassen? Was sollten meine Mutter und meine Schwester ohne uns tun? Meine Schwester Leyna ist vier Jahre jünger als ich. Es oblag immer mir, auf sie aufzupassen. Wer sollte diese Aufgabe jetzt übernehmen?

Erst einige Wochen später nannte mein Vater mir den Grund für unsere Abreise. Er war in Schwierigkeiten geraten. Bei der Arbeit war er dabei erwischt worden, wie er Geld unterschlagen hatte. Ihm drohten fünfzig Jahre Gefängnis, denn in Kuba herrschen viel strengere Gesetze als in den Vereinigten Staaten. Er erklärte mir, dass er keine andere Wahl gehabt hatte, als in die USA zu fliehen. Zumindest wäre er auf diese Weise in der Lage, einen Job zu finden und könnte meiner Mutter und meiner Schwester Geld schicken.

Ich war so wütend auf ihn und wollte wissen, warum er diesen Diebstahl begangen hatte. Hätte er das Geld nicht veruntreut, hätten wir Kuba nicht verlassen müssen. Als ich älter wurde, wurde mir klar, dass mein Vater nur getan hatte, was er tun musste, um für seine Familie zu sorgen. Er hatte nicht stehlen wollen, aber er wollte uns ein gutes Leben ermöglichen und dafür sorgen, dass wir etwas zu essen auf dem Tisch hatten. Ich wusste, dass wir arm waren, aber ich mutmaßte nicht, wie schwer meine Eltern damals zu kämpfen hatten. Welches Kind kann so etwas schon ahnen?

Wir ließen uns in Miami bei einem Cousin meines Vaters nieder. Etwa ein Jahr mit zwei Jobs gleichzeitig, änderten sich die Dinge. Anfänglich mussten wir jeden Cent zweimal umdrehen, nur um uns Brot und Milch kaufen zu können, und häufig wurde uns der Strom abgestellt. Doch dann, eines Tages, bestellten wir immer häufiger Essen, und mein Vater kaufte ein neues Auto. Kurz darauf kündigte er beide Jobs. Das Geld floss in Strömen und er schickte einen Großteil davon an meine Mutter und meine Schwester in Kuba. Bei diesen Summen fehlte es ihnen sicher an nichts.

Dann zogen wir in ein Haus in einer nobleren Gegend. Ich besuchte eine neue und bessere Schule und fand dort Freunde. Im Großen und Ganzen lebte ich mich gut ein, doch ich machte mir Sorgen darüber, wie mein Vater sein Geld verdiente. Ich war zwar noch ein Kind, aber ich war nicht dumm. In was auch immer mein Vater verwickelt war, es war definitiv nicht legal. Wir hatten unsere Familie und unser Zuhause in Kuba wegen seiner illegalen Machenschaften verlassen müssen und nun verstieß er auch in den USA gegen das Gesetz. Offenbar hatte er seine Lektion nicht gelernt. Er achtete darauf, dass ich so wenig wie möglich von seinen Geschäften mitbekam, doch als ich sechzehn Jahre alt war, holten ihn seine Vergehen ein - sie holten uns ein.

Eines Abends kam mein Vater in einer ungewöhnlichen Stimmung nach Hause. Als ich ihn fragte, was los sei, hätte ich nie erwartet, was ich zu hören bekam.

„Ich habe Scheiße gebaut, mein Sohn“, gestand er mir. Er erklärte mir, dass einige Männer hinter ihm her wären, die bald hier sein würden. Ich schlug vor, zu fliehen, die Stadt zu verlassen, doch er erwiderte nur, dass es nicht so einfach wäre.

„Vor diesen Leuten kann man nicht weglaufen. Die haben ihre Augen überall“, entgegnete er. Kaum, dass er die Worte ausgesprochen hatte, betraten drei Männer unser Haus. Mein Vater hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Tür zu verschließen. Er wusste, dass es keinen Sinn machte. Einer der Männer trug einen Anzug. Er war schlank, hochgewachsen, hatte schwarzes Haar und gab sich überaus selbstbewusst. Die anderen beiden Männer waren groß und stämmig und trugen gewöhnliche Straßenkleidung.

„Martinez“, sagte der Mann im Anzug. Er sprach meinen Vater mit dem Nachnamen an, während er sich ihm gegenüber an unseren Küchentisch setzte. „Du weißt, warum ich hier bin.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

In jener Nacht sah ich meinen Vater sterben. Der Mann im Anzug, von dem ich später erfuhr, dass er Santino hieß, gab einem der anderen Kerle ein Zeichen, der daraufhin meinem Vater in die Brust schoss. Ich eilte zu ihm und fing seinen schlaffen Körper auf, bevor wir beide zu Boden sanken.

„Lo siento, es tut mir leid“, keuchte mein Vater mir noch zu, bevor er seinen letzten Atemzug tat.

Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich auf dem Boden saß und meinen Vater in den Armen hielt. Minuten? Stunden? Ich weiß nur, dass Santino und seine Männer schon weg waren, als ich aus meiner Benommenheit erwachte. Der Scheißkerl war einfach abgehauen, als wäre es nichts Besonderes, jemanden zu töten, als hätte er nicht gerade das Leben eines jungen Mannes zerstört. Insgeheim verstand ich, warum er es getan hatte, denn mein Vater hatte ihn bestohlen. Wenn man sich mit den falschen Leuten einlässt, um sie dann zu betrügen, endet man zwangsläufig mit einer Kugel im Kopf. Dennoch habe ich meinen Vater mit all seinen Fehlern geliebt.

Ich stand vom Boden auf, der mit dem Blut meines Vaters beschmiert war, und eilte direkt in mein Zimmer, um eine Tasche mit dem Nötigsten zu packen. Danach ging ich in das Zimmer meines Vaters und auf direktem Weg zu dem Schrank, von dem ich wusste, dass er darin Geld versteckt hatte. Ich war sechzehn und ab da auf mich allein gestellt. Ich wollte auf keinen Fall in die staatliche Obhut, daher schmiedete ich den Plan, die Polizei erst zu rufen, nachdem ich das Haus verlassen hatte. Mit meiner Tasche über der Schulter hängend und ungefähr zweitausend Dollar im Gepäck, zog ich also los.

Danach lebte ich drei Jahre lang auf der Straße und zog von einem beschissenen Motel zum nächsten. Viele Nächte schlief ich auch in Parks oder am Strand. Ich musste lernen, mich zu verteidigen, andernfalls hätte ich nicht überlebt. Als ich das erste Mal im Park nächtigte, wurde ich niedergestochen - und das alles für die lausigen drei Dollar, die ich damals in der Tasche hatte. Zum Glück benutzte das Arschloch nur ein kleines Taschenmesser, sodass er mich nicht ernsthaft verletzte. Zumindest war die Wunde nicht tief genug, um damit ins Krankenhaus zu gehen.

Die meisten Leute kannten keine Skrupel und nahmen sich einfach, was sie wollten. Wenn man also nicht zum Opfer werden wollte, musste man genauso rücksichtslos sein wie die übelsten Burschen. Wie sich herausstellte, war ich sehr talentiert im Kämpfen und ziemlich flink auf den Beinen. Außerdem half es, dass ich verbittert und wütend auf die ganze Welt war, weil sie mir derart übel mitgespielt hatte. Als ich achtzehn war, war ich bereits eins achtzig groß und es berauschte mich, jemanden zum Bluten zu bringen. Es wurde zu einer Sucht, was dazu führte, dass ich an illegalen Untergrundkämpfen teilnahm. Ich verdiente damit gutes Geld, doch die Bezahlung war für mich bloß nebensächlich.

Bei einem der Kämpfe erfuhr ich Santinos Namen. Ich erinnere mich, dass ich außerhalb des provisorischen Rings stand und mit einem anderen Kerl herumalberte. Ein Mann in der ersten Reihe zog meine Aufmerksamkeit auf sich, und ich erkannte ihn sofort wieder.

„Das ist Santino. Er setzt immer eine Menge Geld auf die Kämpfe. Sein Mann, der sich gerade auf den nächsten Fight vorbereitet, ist ebenfalls noch ungeschlagen“, informierte mich mein Gegenüber.

Als ich einen Blick in den Ring warf und den Kerl sah, der seinen Gegner zu Brei schlug, erkannte ich ihn als den Mörder meines Vaters. Santino hatte ihm zwar den Befehl erteilt, doch dies war der Mann, der den Abzug gedrückt hatte. An jenem Tag fasste ich einen Entschluss. Je mehr Kämpfe ich gewinnen würde, desto höher würde ich in der Rangliste nach oben klettern. Das Geld war mir dabei scheißegal und ich gab jeden Cent für Partys, Alkohol und Frauen aus.

Nachdem ich mich weitere drei Monate im Ring geschlagen hatte, war meine Zeit gekommen. Ich sollte gegen das Stück Scheiße antreten, das meinem Vater das Leben genommen hatte. Der Mann war mir zehn Jahre und mindestens zwanzig Pfund an Muskeln voraus, während ich ihn um gut fünf Zentimeter überragte. Als die Glocke läutete, sah ich nur noch den blutgetränkten Körper meines Vaters auf dem Küchenboden vor mir. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben, und alles bewegte sich in Zeitlupe. Die Menge brüllte und heizte damit meine Wut noch mehr an. Ich schlug zu, bis meine Arme sich wie Blei anfühlten. Bald bemerkte ich, dass es totenstill um mich herum geworden war. Ich hörte nur noch das Klingeln in meinen Ohren, als ich von dem blutigen, zerschundenen Körper des Mannes aufsah, der als solcher nicht wiederzuerkennen war. Alle Augen waren auf mich gerichtet, während ich keuchend im Ring stand und um Atem rang.

Dann wandte ich mich Santino zu. Ich starrte ihn mit einem kalten, toten Ausdruck in den Augen an und er erwiderte meinen Blick. Ich suchte in einem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass er mich wiedererkannte. Wusste er, wer ich war? Als er kaum merklich das Kinn hob, wurde mir klar, dass es ihm bewusst war. Warum er danach nie versucht hatte, mich zu finden, werde ich wohl nie erfahren. Vielleicht glaubte er, dass meine Rache gerechtfertigt war. Ich wusste nur, dass jene Nacht die drittwichtigste meines Lebens werden würde. Die erste war die Nacht, in der ich meine Heimat und damit das Land, das ich liebte, verließ. Die zweite war die, in der mein Vater ermordet wurde. Und die dritte war jene, in der ich zum ersten Mal jemanden tötete. Es war außerdem mein letzter Kampf, aber nicht mein letzter Mord.

Sechs Monate später lernte ich einen Fremden kennen. Er klopfte wenige Minuten, nachdem ich eine Tankstelle ausgeraubt hatte, an meine Zimmertür. Nachdem ich nicht länger im Untergrund kämpfte, war das Geld knapp und ich verzweifelt. Ich war nie besorgt darüber, dass man nach meinem letzten Kampf die Polizei rufen würde, denn so funktionierten die Dinge auf der Straße eben nicht. Doch ein Überfall auf eine Tankstelle war etwas anderes. Mit gezogener Waffe öffnete ich die Tür einen Spalt breit.

„Das wird nicht nötig sein, Junge“, sagte der Mann. Dieser Kerl war Jake und er veränderte mein Leben.

***

Sieben Jahre später bin ich nun der Enforcer für die Kings of Retribution. Der Club und diese Männer sind mein Leben. Sie sind meine Familie. Ich vermisse meine kleine Schwester immer noch schrecklich und schicke ihr jeden Monat Geld, um ihr ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Nach dem Tod unserer Mutter vor vier Jahren ist sie entschlossen, in die USA zu kommen, und ich bin gerade dabei, alles Nötige in die Wege zu leiten.

Das Klingeln eines Mobiltelefons reißt mich aus meinen Gedanken. Als ich den Blick über den Hof des Geländes schweifen lasse, bemerke ich, wie der neue Anwärter des Clubs, Daniel, gerade ein Gespräch entgegennimmt. Der kleine Scheißer sollte eigentlich das Eingangstor bewachen, statt zu telefonieren. Prez hat den Neuen vor ein paar Wochen angeschleppt. Er macht sich ganz gut, doch ich habe das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Ich kann zwar nicht genau sagen, woran es liegt, aber meine Intuition rät mir, ihn genau im Auge zu behalten, bis er sich als würdig erweist. Ich sehe, wie der Anwärter einen Blick in meine Richtung wirft und sofort das Gespräch beendet.

„Estúpido, Dummkopf“, murmele ich. Was die anderen Anwärter Blake und Austin betrifft, so hat Prez beschlossen, sie in den Club aufzunehmen. Nachdem sie uns eine große Hilfe gewesen waren, als Logans Freundin Bella entführt worden war, haben sie sich ihren Platz im Club mehr als verdient. Die Brüder werden ihre Aufnahme noch in dieser Woche mit einer Party feiern.

Nachdem ich mich soweit entspannt habe und hoffe, zumindest ein paar Stunden Schlaf finden zu können, klettere ich vom Dach und gehe zurück ins Clubhaus. Als ich durch den Hauptraum und dann den Flur entlang gehe, sehe ich, wie Liz aus ihrem Zimmer kommt und vermutlich ihr bestes verführerisches Grinsen aufsetzt. „Hey, Gabriel.“

„Verpiss dich“, blaffe ich sie an, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie ist eine weitere Person, der ich nicht vertraue. Nach allem, was mit Cassie passiert ist, haben Logan, Quinn, Reid und ich dafür gestimmt, sie aus dem Club auszuschließen, doch die meisten älteren Mitglieder wollten, das sie bleibt. Und die Mehrheit gewinnt nun einmal. Ich will nicht mit der Schlampe sprechen und noch weniger will ich mit ihr vögeln. Liz ist momentan die einzige Frau im Club und einige der Brüder haben sich über den Mangel an Frischfleisch beschwert. Ich für meinen Teil schere mich einen Dreck darum und ziehe es vor, mich außerhalb des Clubs zu vergnügen. Außerdem war Prez nicht sonderlich scharf auf neue Leute im Club, nachdem Cassie uns verraten hat.

Ich entledige mich meiner Klamotten und lege mich ins Bett, in dem mir sofort der liebliche Duft von Jasmin in die Nase steigt. Scheiße, offenbar werde ich heute Nacht kein Auge zu tun.

Ich setze mich auf und fahre mit der Hand über mein Gesicht und durch meinen Bart. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem ich Alba zum ersten Mal sah. Als Prez mich beauftragte, Bellas kleine Schwester von zu Hause abzuholen, dachte ich mir nicht viel dabei. Ich hatte gehört, wie Bella ihre Schwester als ein schüchternes, süßes Kind beschrieben hat, das seine Nase immer in einem Buch vergraben hat. Als ich jedoch in ihre Einfahrt fuhr, hatte ich nicht mit der blonden Schönheit gerechnet, die aus der Haustür trat. „Verdammte Scheiße“, murmelte ich an mich selbst gerichtet.

Sie war gut eins siebzig groß und hatte langes, glattes blondes Haar, das ihr bis zum Hintern reichte, der nebenbei der schönste Po war, den ich je gesehen hatte. Sie gewährte mir einen ungehinderten Blick auf ihre Kurven, als sie sich umdrehte, um die Haustür abzuschließen. Sie war etwa drei Meter von mir entfernt, als sie endlich von ihrem Handy aufblickte. Ich sah, wie sie ins Stocken geriet und schließlich stehenblieb. Im nächsten Moment blickte ich in ein paar wunderschöne Augen, die mich an den Ozean am Strand von Cayo Levisa in Kuba erinnerten. Dann ließ Alba ihren Blick an mir auf und abschweifen, um mich zu mustern.

„Gabriel?“, fragte sie mit sanfter Stimme und riss mich so aus meiner Benommenheit. Plötzlich verabscheute ich mich selbst dafür, dass ich ein achtzehnjähriges Mädchen derart unverhohlen angestarrt hatte. Sie war zwar volljährig, doch sie besuchte immer noch die Schule.

Ich streckte ihr meinen Helm entgegen. „Steig auf, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, blaffte ich. Als sie meinen schroffen Tonfall hörte, zuckte sie zusammen und nahm mir den Helm ab. Ich fühlte mich sofort schuldig, als ich sah, wie sie mit zitternden Händen versuchte, den Riemen zu schließen. Ich bot ihr meine Hilfe an und sagte mit sanfterer Stimme: „Lass mich das machen.“

Die zehnminütige Motorradfahrt zurück zum Clubhaus mit Alba hinter mir, während sie die Arme um meine Taille geschlungen hatte, waren die gefühlt längsten zehn Minuten meines Lebens. In jenem Moment wusste ich, dass ich am Arsch war.

Kapitel 3

Alba

Man hat mir sowohl bei der Anmeldung als auch bei der Einführung mitgeteilt, dass ich eine Zimmergenossin haben würde, doch bisher ist noch niemand aufgetaucht. Ich habe mich schon darauf gefreut, die erste Nacht im Wohnheim nicht allein sein zu müssen. Den Nachmittag habe ich hauptsächlich damit verbracht, mich häuslich einzurichten und meine Seite des Zimmers mit den dekorativen Gegenständen zu versehen, die Bella mir unbedingt besorgen wollte. Sie hat darauf bestanden, dass ich es mir gemütlich mache, doch hier zu sein, bereitet mir Unbehagen.

Ich gehe zum Fenster und werfe einen Blick auf die Studenten, die auf dem Gelände herumlaufen. Als ich einige der umliegenden Gebäude genauer betrachte, entdecke ich die Bibliothek. Ich verziehe die Lippen zu einem zaghaften Lächeln, denn ich weiß jetzt schon, dass sie während des Studiums eine Art Rückzugsort für mich sein wird.

Mit einem Seufzer gehe ich zu dem kleinen schwarzen Kühlschrank, den Logan für mich gekauft und aufgefüllt hat, um mir eine Flasche Wasser zu holen. Als ich die Tür öffne, sticht mir eine große Tüte mit Erdnussbuttertörtchen ins Auge, an der ein kleiner Zettel klebt.

Ich weiß sofort, wer ihn dort angebracht hat.

Ich schnappe mir die Tüte und eine Flasche Wasser und schließe den Kühlschrank. Auf dem Weg zum Bett ziehe ich den Zettel ab und setzte mich, um die Nachricht zu lesen.

Liebe Alba,

ich vermisse dich jetzt schon. Ich weiß, es war ein langer Tag, deshalb habe ich mir die Zeit genommen, Dirty Dancing und die ganze Fast and Furious-Reihe herunterzuladen, nur für den Fall, dass du in der ersten Nacht nicht schlafen kannst. Viel Spaß mit den Filmen und lass dir die Snacks schmecken. Ich bin so stolz auf dich.

In Liebe, Bella

Ich wische mir eine Träne aus dem Auge. Warum bin ich wegen einer Tüte Süßigkeiten nur so rührselig? Es sollte mir egal sein. Meine Schwester wusste, dass ich eine Aufmunterung brauchen würde, und sie hatte recht. Immerhin habe ich mein Zuhause zum ersten Mal verlassen und schlage ein neues Kapitel in meinem Leben auf. Es ist ein erdrückendes Gefühl und im Grunde sträube ich mich dagegen. Doch fürs Erste wird mir der Abstand wahrscheinlich guttun.

Morgen werde ich den Campus erkunden. Die Sonne geht bereits langsam unter, und allem Anschein nach werde ich die erste Nacht allein verbringen.