Kiss of the Basilisk - Verführerisches Gift - Lindsay Straube - E-Book

Kiss of the Basilisk - Verführerisches Gift E-Book

Lindsay Straube

0,0
10,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Ganz ehrlich: Je weniger du über dieses Buch vor dem Lesen weißt, desto mehr Spaß wirst du haben.

Du wirst das Buch lieben, wenn du folgende Dinge magst: einen »The Bachelor«-artigen Wettbewerb um die Hand eines Prinzen, heiße Typen mit Daddy Issues, witzige Wortgefechte, goldene Fangzähne, flinke Finger – und ganz viel Spice!

Achtung (falls dich ganz BookTok noch nicht vorgewarnt hat): Stelle sicher, dass dir niemand beim Lesen über die Schulter schaut!

Books that make you – blush.
Du suchst Liebesgeschichten mit reichlich Spice, mitreißenden Tropes oder morally grey book boyfriends? Dann entdecke weitere Bücher von Blush!
Enthaltene Tropes: Forbidden Love/Romance, Morally grey, Secret Identity, Why Choose, Love Triangle
Spice-Level: 5 von 5

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 1059

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Im Wettbewerb um die Hand des Prinzen müssen die heiratswilligen Frauen des Königreiches all ihre Verführungskünste einsetzen, doch die junge Farmerin Tem ist darin vollkommen unerfahren. Zu ihrem Glück stehen den Teilnehmerinnen die Basilisken – gut aussehende Schlangenmenschen – als Lehrer zur Seite, um sie in der Kunst der Liebe zu unterweisen. Zwischen Tem und Basilisk Caspen entwickeln sich während gemeinsamer Stunden Gefühle, die nicht sein dürfen. Jedoch lässt auch der Charme von Prinz Leo sie nicht ganz kalt. Unterdessen werden die Spannungen zwischen Menschen und Basilisken immer größer, und bald steht mehr als nur Tems Herz auf dem Spiel …

Autorin

Lindsay Straube lebt in Oregon, USA. Wenn sie nicht gerade im Kino ist oder Tequila mit Zitrone genießt, geht sie ihrer Leidenschaft nach: dem Schreiben von Romanen, die so spicy sind, dass man sie besser nicht in der Öffentlichkeit lesen sollte. Kiss of the Basilisk ist Lindsay Straubes Debüt, der Roman begeisterte Tausende Leser*innen und wurde zu einem viralen TikTok-Hype.

Lindsay Straube

Kiss of the Basilisk

Verführerisches Gift

Roman

Deutsch von Bernd Stratthaus

Die Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »Kiss of the Basilisk« bei Bloom Books, Naperville.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright der Originalausgabe © 2024, 2025 by Lindsay Straube

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by blush. Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung und -motiv: © bürosüd nach einer Vorlage von Antoaneta Georgieva/Sourcebooks unter Verwendung von Bildmaterial von iStock / benedek, angelinast, powerofforever, Arcangel / Verity Corvo, Alamy /incamerastock, The Picture Art Collection, gettyimages / Sepia Times, Paul Taylor

Vignetten: © Adobe Stock/Illustratoren Nataliya, lenok5

AR · Herstellung: DiMo

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-34291-3V001

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Lindsay Straube und der Blanvalet Verlag

Dieses Buch ist für alle, die irgendwann einmal mehr wollten.

Über dieses Buch

Mir wurde gesagt, es sei am besten, dieses Buch ohne jegliches Wissen über seinen Inhalt zu beginnen. Daher findet ihr hier auch weder einen Kurztext noch eine Zusammenfassung. Stattdessen gebe ich euch einige ernst gemeinte Ratschläge: Macht euch auf was gefasst. Die Basilisk-Saga ähnelt nichts, was ihr je zuvor gelesen habt, und vielleicht werdet ihr auch nie mehr so etwas lesen.

Verabschiedet euch von dem Menschen, der ihr vor diesem Buch wart. Und wenn ihr es ausgelesen habt, gebt es einem Freund oder einer Freundin, damit die es auch lesen können.

Erster Teil

1. Kapitel

»Du errätst nie, was mir gestern Abend passiert ist«, flüsterte Vera.

Tem seufzte. Sie hatte der Bäckerei Eier liefern wollen, stattdessen aber Tratsch bekommen. So lief es immer bei Vera.

»Was ist denn passiert?«, fragte sie also.

Vera lehnte sich über den Tresen, sodass nur Tem sie hören konnte. »Jonathan hat mich unter die Brücke mitgenommen.«

Tem fiel die Kinnlade herunter. Alle wussten, was passierte, wenn ein Junge einen unter die Brücke mitnahm. »Ist das dein Ernst?«

»Ja.« Vera grinste. »Ich hab seinen« – sie warf einen Blick über die Schulter, dann wandte sie sich wieder Tem zu – »Schwanz gesehen.«

Tem lief bei dem Wort rot an.

»Hast du noch nie einen gesehen?«, kicherte Vera und warf sich mit hochmütiger Zufriedenheit die blonden Locken über die Schulter.

»Nein«, murmelte Tem. Vera wusste sehr genau, dass sie noch nie einen gesehen hatte, wenigstens nicht am lebendigen Objekt. Natürlich gab es viele Darstellungen davon an den Marmorstatuen, die die Treppe zur Kirche hinauf säumten, aber die waren nicht sehr beeindruckend. Sie ähnelten jungen Möhren. »Wie hat er ausgesehen?«

Vera beugte sich noch etwas weiter zu ihr und schürzte die Lippen zu einem verschwörerischen Dreieck. »Er war hart«, flüsterte sie. »Wie eine Gurke. Aber warm, und er hat perfekt in meine Hand gepasst.«

»Du hast ihn angefasst?«

Vera lachte.

Tem widerstand dem Drang, ein Ei nach ihr zu werfen.

»Du fasst ihn nicht einfach nur an. Du spielst damit. Du reibst ihn hoch und runter.« Vera demonstrierte die entsprechende Handbewegung, die Tem sich umgehend merkte. »Bis er fertig ist.«

Vera kicherte grausam, als sie Tems Gesichtsausdruck sah. »Ach, Tem«, jammerte sie, und ihr herablassender Ton war unerträglich. »Mach dir keine Sorgen. Das lernst du morgen Abend. Dafür gibt es ja die Basilisken.«

Alle wussten, wofür es die Basilisken gab.

»Natürlich«, fuhr Vera fort, »schadet es nichts, einen Vorsprung zu haben. Schließlich wählt der Prinz das geschickteste Mädchen aus. Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, so viel Übung wie möglich zu bekommen.«

Nur Tem kannte die schmerzliche Wahrheit, dass es nämlich niemanden gab, mit dem sie üben konnte. Die Jungs in ihrem Alter redeten nicht mit ihr, und falls doch, ging es immer nur darum, ob die Farm ihrer Mutter irgendwelche Hähne entbehren konnte. Gabriel war ihr einziger Freund, doch er interessierte sich überhaupt nicht für Mädchen. Aber das spielte sowieso keine Rolle. Tem hatte schon immer gewusst, dass sie beim Prinzen keine Chance haben würde, ganz egal, was der Basilisk ihr beibrachte. Viel wahrscheinlicher war, dass der Prinz ein erfahrenes Mädchen wie Vera zur Frau nahm.

Es war, als könnte Vera Tems Gedanken lesen, denn sie sagte: »Du könntest immer noch zu Hause üben.«

Tem blickte auf. »Wie denn?«

»Fass dich an. Wenn du weißt, wie das geht, verstehst du auch besser, wie man jemand anderen berührt.«

Ausnahmsweise verspürte Tem eine kleine Welle des Triumphs.

Allein in ihrem Zimmer, hatte sie sich selbst schon oft angefasst. Das tat sie schon, solange sie denken konnte, und sie wusste genau, wie sie sich selbst Lust verschaffte. Diese einsamen Momente waren wichtig für sie. Sie gaben ihr das Gefühl, ein sexuelles, lebendiges Wesen zu sein. Sie liebte das euphorische Gefühl der Schwäche nach einem Orgasmus und fragte sich, ob Männer beim Höhepunkt etwas Ähnliches spürten.

»Das versuche ich heute Abend«, antwortete Tem, behielt ihr Geheimnis aber für sich.

Ihr Überlegenheitsgefühl verflüchtigte sich bei Veras nächsten Worten: »Natürlich war es so befriedigend, als Jonathan den Gefallen erwidert hat.«

Tems Kinnlade senkte sich noch ein bisschen weiter. »Er hat dich auch angefasst?«

Vera lächelte breit, es gefiel ihr sichtlich, ihrem Publikum eine Vorstellung zu liefern. »Nicht nur angefasst. Er hat mich auch geschmeckt.«

Tem runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«

Vera lachte, das Geräusch kam Tem vor wie ein Stich ins tiefste Innere. »Nein, das kannst du auch nicht, nicht wahr? Du bist ja noch nie geküsst worden.«

Tems Verlegenheit verstärkte sich noch. Wenn Vera nicht vom Küssen sprach, musste sie den anderen, intimeren Akt meinen – den Tem sich immer nur vorgestellt und von dem sie nie erwartet hatte, ihn selbst zu erleben. Ihre Wangen röteten sich erneut und passten perfekt zu ihrer Scham.

»Wie war es?«, fragte Tem unwillkürlich. Sie hasste es, Vera eine Bühne zu bereiten, wollte aber verzweifelt die Antwort wissen.

»Ach, Tem«, kicherte Vera erneut. »Das findest du schon noch heraus.« Sie hielt inne und verzog grausam den Mund. »Oder vielleicht auch nicht. Wer will schon ein Mädchen, das nach Hühnerkacke schmeckt?«

Die Beleidigung war zu heftig, um sie zu ertragen. Sie traf Tem mitten in ihrer Unsicherheit, bestätigte jeden furchtbaren, finsteren Gedanken, den sie je über sich gedacht hatte – dass sie nichts weiter war als ein Bauernmädchen, schmutzig und nicht wert, geliebt zu werden, dass kein Mann sie jemals anschauen würde, wie sie es sich so sehnlich wünschte. Es erforderte gewaltige Anstrengungen, diese Gedanken im Zaum zu halten, und immer dann, wenn ihr das einigermaßen gelungen war, kamen Mädchen wie Vera und verstärkten sie wieder.

Tem hatte genug von diesem dummen Gespräch. »Willst du die jetzt oder nicht?« Sie schwenkte den Eierkarton vor sich.

»Ja«, seufzte Vera, ganz offensichtlich enttäuscht, dass sie nicht mehr über sie sprachen. »Moment.« Sie schnappte sich die Eier und stolzierte davon.

Tem nutzte die Zeit, um die Fassung wiederzugewinnen. Sie kam sich jedes Mal lächerlich und armselig vor, wenn sie Vera erlaubte, sie so vorzuführen. Aber es war unmöglich, sich nicht minderwertig zu fühlen, wenn sie noch nicht einmal einen Jungen geküsst hatte. Sie wäre nie wie Vera mit ihren samtrosa Schleifen, die sie auf dem Markt aufreizend vor der Nase sämtlicher Jungs flattern ließ. Sie würde immer das Mädchen bleiben, das nach Hühnerkacke schmeckt.

Als Vera dann mit Tems Geld zurückkam, spottete sie noch ein letztes Mal: »Ruh dich aus, Tem, du wirst es brauchen.«

Auf dem Heimweg ließ Tem ihren Tränen freien Lauf.

Sie nahm den Umweg durch den Wald, damit niemand sie weinen sah, ging an der Begrenzungsmauer entlang, die das gesamte Dorf umgab. Dreieinhalb Meter hoch und aus Holz, wirkte die Palisade von innen betrachtet wenig spektakulär. Aber von außen war sie mit Spiegeln verkleidet.

Vor Hunderten von Jahren, als die Menschen in diesem Teil der Welt ankamen, wussten sie nicht, dass die Basilisken bereits hier waren. Zunächst waren diese Monster auch kein Problem; in Menschengestalt waren sie von Menschen nicht zu unterscheiden – von attraktiven Menschen. Ihre sexuelle Anziehung war unbestreitbar und der Hauptgrund dafür, warum die Dorfbewohner so lange in der Lage gewesen waren, mit ihnen zusammenzuleben.

Wenn sie allerdings ihre wahre Gestalt zeigten – wenn sie sich also in riesige, skrupellose Schlangen verwandelten – , wurden sie zu einer Bedrohung. Der daraus resultierende Krieg war blutig. Die Basilisken verfügten über Magie, gegen die die Dorfbewohner sich nicht verteidigen konnten. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie herausfanden, dass auch Basilisken Schwächen hatten: das Krähen eines Hahns, der Geruch eines Wiesels. Doch erst als eine Schlange tot zusammenbrach, nachdem sie sich in einer Pfütze betrachtet hatte, wurde den Dorfbewohnern klar, dass sie auch für sich selbst eine Gefahr darstellten. Den Krieg hatten sie mit Spiegelschilden gewonnen. Im Austausch gegen das Gebiet außerhalb der Grenzmauer erklärten sich die Basilisken bereit, ihre verführerischen Talente einzusetzen, um die zukünftige Frau des Prinzen zu unterweisen und sicherzustellen, dass sie ihm einen Erben gebar. Ein vorläufiger Waffenstillstand wurde verhandelt, und die beiden Gruppen lebten fortan in relativem Frieden miteinander.

Die kleine Hütte, die Tem sich mit ihrer Mutter teilte, schmiegte sich direkt an den Waldrand, und Tem überkam bei ihrem Anblick ein heimeliges Gefühl. Sie war schon immer ihr Zuhause gewesen, ganz egal, was außerhalb ihrer Wände auf sie wartete.

Ihre Mutter sah vom Küchentisch auf, als sie hereinkam. »Wie ist es in der Bäckerei gelaufen, Liebes?«

»Schrecklich«, entgegnete Tem.

»Mit den Eiern oder mit Vera?«

»Mit Vera.«

»Ich hab dir doch gesagt, du sollst das Mädchen ignorieren.«

»Sie ist wie eine Mücke. Und Mücken kann man auch schwer ignorieren.«

Tems Mutter seufzte und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Du musst lernen, den Lärm auszublenden, Tem.«

»So wie du?«

Das war ein Tiefschlag, und Tem wusste das. Ihre Mutter war der einzige Mensch, der vom Dorftratsch schlimmer betroffen war als sie selbst. Ein Kind allein in einem Dorf großzuziehen, das Vaterschaft über alles verehrte und männliche Erben idealisierte, war nicht leicht gewesen. Dazu kam noch ihr Beruf als Hühnerfarmerin. Tems Mutter war eine Ausgestoßene. Was Tem zur Tochter einer Ausgestoßenen machte.

»Tut mir leid, Mutter«, sagte Tem vorbeugend.

Ihre Mutter schürzte die Lippen und musste ganz offenbar ihre Verletztheit unterdrücken. »Mach dir keine Gedanken, Liebes. Ich weiß, dass du wegen morgen nervös bist.«

Nervös beschrieb nicht einmal annähernd das Ausmaß ihrer Panik.

Bevor sie wieder ins Fettnäpfchen treten konnte, ging Tem in ihr Zimmer. Es war in mehr als einer Hinsicht ihre Zuflucht: Jedes Mal, wenn ihr die Welt zu groß vorkam, wusste sie, dass sie am Ende des Tages allein in ihrem Bett liegen würde.

Tem hängte den Mantel in ihren Schrank, dann legte sie sich hin und starrte mit leerem Blick an die Decke. Sie fühlte sich unendlich müde, als ob das Gewicht der gesamten Welt auf ihren Schultern lastete. Und das war möglicherweise auch der Fall. Wenn sie morgen nicht gut abschnitt, würde sie ihre Mutter enttäuschen. Sie waren bescheidene Bauersleute, und Menschen wie Vera blickten auf sie herab. Sie hatten nichts. Sollte es Tem gelingen, den Prinzen zu heiraten, konnte sich ihr gesamter Ruf verändern.

Tem wünschte sich nichts sehnlicher, als ihre Mutter stolz zu machen, und das erforderte, dass sie im Auswahlprozess so weit wie möglich kam. Auf den Sieg hatte sie keine Chance, aber wenn sie wenigstens die erste Ausscheidungsrunde überstand – vielleicht sogar die zweite, so Kora wollte – , würde ihr ihre Mutter vielleicht verzeihen, wenn der Prinz sich nicht für sie entschied. Sie konnte dann einen Grafen oder irgendeinen anderen Adligen heiraten. Aber selbst wenn sie den Prinzen beeindrucken könnte – was vollkommen unmöglich war – , hätte sie keine echte Chance bei ihm, wenn sie nicht unter die letzten drei Bewerberinnen kam. Diese drei würden eine Nacht mit dem Prinzen verbringen und dabei alles zeigen, was sie während ihrer Ausbildung gelernt hatten. Danach würde der Prinz sich seine Ehefrau wählen.

Mit einem Seufzer rollte sich Tem auf die Seite. Sie betrachtete ihre mit Sommersprossen übersäten Handflächen. Die winzigen Pigmentflecken zogen sich über beide Hände und formten auf ihrer Haut ein Muster, das einem Sternbild nicht unähnlich war.

»Du hältst die Sterne in deinen Händen«, hatte ihre Mutter immer gesagt und Tems Finger zwischen ihren eigenen gerieben. »Genau wie dein Vater.«

Aber als Tem nachgefragt hatte, war ihre Mutter still geworden, und Tem hatte rasch begriffen, dass nachzubohren nichts nutzte. Sie wusste, dass ihr Vater ein heikles Thema war. Ihre Mutter hatte ihn noch vor ihrer Geburt verlassen, das war alles, was sie wusste. Tem hatte sich oft gefragt, was er getan haben konnte, um ihre Mutter von sich wegzutreiben, vor allem angesichts der Schwierigkeit, einen Bauernhof zu bewirtschaften, ohne dass ein Mann wenigstens einen Teil der Last trug. Aber es war sinnlos, sich diese Fragen zu stellen, und Tem interessierten die Antworten auch nicht. Es würde nichts an der Art ändern, wie die Dorfbewohner über sie tuschelten oder Vera sie ansah: als wäre sie irgendein ekliges Insekt, das sie zerquetschen musste. Das Leben würde für sie nie fair sein, das hatte Tem schon vor langer Zeit akzeptiert.

Das einzig Bedeutsame war, was morgen in den Höhlen passieren würde.

Erneut hörte sie Veras Worte in ihrem Kopf: Ruh dich aus, Tem, du wirst es brauchen. Tem schloss die Augen. Als sie wieder aufwachte, war Zeit zum Abendessen.

Ihre Mutter stand am Herd und rührte in einem Eintopf. Tem nahm einen Laib Brot aus dem Schrank und hatte gerade damit begonnen, ihn aufzuschneiden, als es an der Tür klopfte. Am Geräusch – vier kurze, scharfe Schläge – erkannte Tem, dass es Gabriel sein musste.

Ihre Mutter sah vom Topf auf. »Lass diesen Höllenjungen bloß nicht rein.«

Tem rollte mit den Augen. Das letzte Mal, als Gabriel die Hütte betreten hatte, hatte er den Geschirrständer umgeworfen und dabei mehrere der großen Lieblingsteller ihrer Mutter zerbrochen. Tem hatte stundenlang versucht, die Keramik wieder zusammenzukleben, aber vergeblich. Gabriel konnte nicht anders; seine Glieder hatten so etwas wie einen eigenen Willen und absolut keinen Respekt vor unbelebten Objekten – oder auch Menschen.

»Mach ich nicht«, versprach Tem und zog sich bereits ihren Mantel über. Sie hatte vergessen, dass Gabriel heute Abend trinken wollte, doch jetzt, da es ihr wieder einfiel, hörte es sich wie die beste Sache auf der ganzen Welt an.

»Und bleib nicht zu lang weg«, ermahnte sie ihre Mutter.

»Mach ich nicht.«

»Und …«

»Mach ich nicht.« Tem legte ihrer Mutter die Hände auf die Schultern.

Ihre Mutter blickte zu ihr auf. »Morgen ist ein wichtiger Tag, Tem. Ich will nur, dass du …«

»Dass ich Eindruck mache. Ich weiß. Und das werde ich auch.«

»Ich will, dass du einen guten Eindruck machst.«

»Das werde ich.«

Ihre Mutter schien das nicht zu überzeugen. Tem war selbst nicht richtig überzeugt.

Klopf, klopf, klopf, klopf.

Tem schielte zur Tür. »Ich muss los. Ich bin beizeiten wieder zurück, versprochen.«

Sie drückte ihrer Mutter einen raschen Kuss auf die Stirn, bevor sie sich den Mantel überwarf und die Tür öffnete. Vor ihr stand Gabriel mit seinen sechs chaotischen Füßen. Er trug eine lange Lederjacke, sein karamellfarbenes Haar war vom Weg hier herüber leicht zerzaust.

»Leder?«, fragte Tem. »Ernsthaft? Du hast doch gesagt, du wolltest heute mal nicht versuchen, jemanden abzuschleppen.«

»Ich versuche immer, jemanden abzuschleppen.« Gabriel streckte den Kopf durch den Türspalt und winkte Tems Mutter fröhlich zu. »Hallo, Mrs. Verus. Sie sehen heute ganz bezaubernd aus.«

Tems Mutter bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick.

Gabriel blieb davon unbeeindruckt. »Was kochen Sie da? Riecht köstlich«, gurrte er.

»Wir sind bald wieder zurück«, sagte Tem eilig und schob Gabriel auf die Veranda hinaus.

Er legte ihr den Arm um die Schultern, als sie in den Garten gingen. »Deine Mutter scheint mich nicht mehr zu mögen.«

»Du hast ihre Servierteller in Angst und Schrecken versetzt. Diese Frau vergisst nicht so leicht.«

»Pah.« Gabriel schnippte mit den Fingern, als ob ihn das nicht interessierte. »Gib mir eine Woche, dann stehe ich wieder hoch bei ihr im Kurs.«

Wie Tem Gabriel kannte, stimmte das wahrscheinlich sogar.

»Aber genug von mir.« Seine Umarmung wurde noch etwas fester. »Riechst du das, Tem?«

»Was denn?«

Er schnupperte übertrieben in die Luft. »Es ist der Geruch deiner Jungfräulichkeit, die sich in Luft auflöst.«

Sie schubste ihn, so hart sie konnte, was kaum einen Effekt hatte.

»Bist du sicher, dass wir nicht versuchen sollten, dir für heute Abend einen Liebhaber zu besorgen?« Und ohne Pause sprach er weiter: »Es könnte doch nicht schaden, wenn du vor morgen noch ein bisschen Übung bekommst.«

»Mit wem denn?«, fragte Tem bitter.

»Bestimmt finden wir einen flotten Bartender, den deine Gesellschaft mehr als nur freuen würde.«

»Der einzige Bartender im Horseman ist der alte Steve. Willst du vielleicht, dass ich es mit dem alten Steve treibe?«

»Nein, aber ich bin sicher, dass es dem alten Steve nichts ausmachen würde, ein hübsches junges Ding wie dich zu …«

Sie knuffte ihn gegen den Arm. »Warum treibst du es denn nicht mit dem alten Steve?«

Gabriel keuchte empört auf. »Also bitte, Tem, ich habe Standards.«

»Davon hab ich noch nichts gemerkt.«

»Heute bist du wohl ein bisschen auf Krawall gebürstet, was?«

Sie boxte ihn erneut, und diesmal hob er die Hände als Zeichen seiner Aufgabe.

»In Ordnung, keiner von uns treibt es mit dem alten Steve. Sein Pech. Ich hingegen« – er griff sich das Revers seiner Lederjacke und zog es adrett gegen seine Schultern – »bin auf einer Mission, den Stallburschen auf mich aufmerksam zu machen.«

Tem runzelte die Stirn. »Wenn ich das gestern Abend richtig gesehen habe, hat Henry dich schon bemerkt.«

»Nicht Henry. Peter.«

»Was stimmt denn nicht mit Henry?«

»Gar nichts. Er ist nur die nächsten beiden Wochen unterwegs. Hat einen Auftrag.«

»Was für einen Auftrag?«

»Er hilft dabei, Leute für die Ausscheidungswettbewerbe herzubringen.«

Es war üblich, dass sich die erweiterte Verwandtschaft des Prinzen für die Dauer des Trainings versammelte. Die Ranghöchsten unter ihnen würden im Schloss unterkommen, während der Rest in den Gasthöfen im Dorf wohnte. Es war allgemein bekannt, dass die Wirtschaft im Dorf florierte. Selbst die einfachsten Pensionen würden von der großen Anzahl reicher Gäste profitieren.

»Du kannst wirklich nicht mal zwei Wochen überstehen, ohne einen Stallburschen zu küssen?«, fragte Tem.

Gabriel musste lachen. »Können schon. Aber warum sollte ich das wollen?«

Darauf wusste sie nichts zu entgegnen.

Bis sie schließlich beim Horseman ankamen, hatte Tem einen Drink wirklich nötig. In der Bar war mehr los als gewöhnlich, was keine Überraschung war. Das ganze Dorf war in Erwartung der Ereignisse der nächsten paar Wochen aufgeregt.

»Bier?«, fragte Gabriel.

»Du gibst eins aus.«

»Für dich doch immer, meine Liebste.«

Tem setzte sich an ihren Stammplatz und sah sich im Raum um. Vera saß abgeschieden mit Jonathan in einer Ecke. Sie war aufdringlich nah an ihn herangerückt, saß praktisch schon auf seinem Schoß und hatte ihren Busen zusammengedrückt. Zwei Tische weiter saß eine Gruppe Mädchen, die sich aufgekratzt miteinander unterhielten. Tem kannte sie, sie würden das Training mit ihr zusammen durchlaufen. Sie fragte sich, ob sie ebenso nervös waren wie sie. Wenn die Art zu lachen ein Indiz dafür war, bezweifelte sie es.

Als Gabriel endlich mit dem Bier zurückkam, hatte sich Tems Magen schon zu einem nervösen Knoten zusammengezogen.

»Auf Kora«, sagte Gabriel und prostete ihr zu. Es war der übliche Trinkspruch.

»Auf Kora.« Tem stürzte das halbe Glas auf ex hinunter.

Gabriel zog eine Augenbraue hoch. »Durstig?«

»Sehr.«

Er folgte ihrem Blick zu Jonathan und Vera, die sich küssten, als wäre es der letzte Abend ihres Lebens. Er zog eine Augenbraue hoch. »Wissen die denn nicht, dass sie hier in der Öffentlichkeit sind?«

»Wahre Liebe schert sich um niemanden«, erwiderte Tem bitter.

Gabriel schnaubte verächtlich. »Das ist keine wahre Liebe. Das ist eine kurz bevorstehende ungewollte Schwangerschaft.«

Darüber musste Tem lachen. Sie bezweifelte, dass Vera dumm genug war, nicht das Unfruchtbarkeitskraut zu nehmen, wenn man bedachte, wie viel Sex sie pro Woche hatte. Alle Mädchen nahmen es, inklusive Tem, obwohl das während des Trainings keine Rolle mehr spielen würde – von einem Basilisken konnte man nicht schwanger werden. Wenigstens behaupteten das alle. Gleichzeitig kursierten im Dorf seit Jahren Gerüchte, dass es in außerordentlich seltenen Fällen doch möglich wäre. Und sollte das passieren, wäre das Kind eine Abscheulichkeit: halb Mensch, halb Basilisk, ewig gefangen zwischen den beiden Spezies, niemals ganz zu einer der beiden gehörig. Aber das war Unsinn. Niemand, den Tem kannte, war je einer solchen Kreatur begegnet, also gab es keinen Grund, den Geschichten Glauben zu schenken.

Gabriels Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Wer gewinnt, was denkst du?«

Tem sah ihn an. »Was denn?«

»Die Hand des Prinzen natürlich. Wer wird die Glückliche sein?«

Tem fand es bezeichnend, dass er nicht automatisch davon ausging, dass sie es sein würde. Selbst ihr bester Freund hatte kein Vertrauen zu ihren Fähigkeiten. Sie konnte also nur wahrheitsgemäß antworten. »Vera. Sie braucht nicht mal das Training.«

»Hm«, erwiderte Gabriel nachdenklich und nahm einen Schluck Bier. »Sie ist zu leicht zu haben. Männer mögen das nicht.«

Tem zog nun ihrerseits eine Augenbraue hoch und sah zu Jonathan, der die Hände schamlos unter das Oberteil von Veras Kleid geschoben hatte. »Diese Art Mann anscheinend schon.«

»Das ist kein Mann, Tem, sondern ein Junge.«

Tem fiel es schwer, den Unterschied zu erkennen. »Wer wird denn deiner Meinung nach gewinnen?«

Gabriel zuckte mit den Achseln. »Du natürlich.«

Tem blinzelte. Vielleicht glaubte er letztendlich doch an sie. »Du machst Witze.«

»Überhaupt nicht. Warum sollte sich der Prinz denn nicht für dich entscheiden?«

»Da fallen mir hundert Gründe ein.«

»Nenn mir einen.«

Tem hätte sie alle aufzählen können, aber sie entschied sich für den offensichtlichsten: »Ich habe keine Erfahrung.«

»Dafür gibt es die Basilisken.«

Die Unterhaltung aus der Bäckerei schien sich noch einmal zu wiederholen.

Tem verlor die Geduld. »Ich weiß schon, wozu Basilisken da sind. Aber selbst wenn ich alles lerne, was es zu lernen gibt, werde ich niemals so aussehen.« Sie deutete mit dem Kopf auf Vera, die nun kaum noch von Jonathan zu unterscheiden war.

Gabriel lachte spöttisch. »Wenn du irgendwann so aussiehst, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.«

Sie starrte ihn böse an. »Jetzt mal im Ernst, Gabriel.«

»Das meine ich ernst, Tem. Du gehst zu hart mit dir ins Gericht. Du bist ein echter Fang.«

»Es zählt nicht, wenn du das sagst.«

»Zählt es, wenn der alte Steve es sagt? Ich bin mir nämlich sicher, dass er das täte, wenn wir ihn fragen würden.«

Tem widerstand dem Drang, ihm ihr Bier in den Schoß zu gießen. »Der Prinz muss finden, dass ich ein guter Fang bin. Und ich kann dir versichern, dass das nicht der Fall sein wird.«

Gabriel tippte ihr zweimal auf die Nase. »Mit der Einstellung kriegst du nie einen Mann.«

»Der Prinz ist kaum ein richtiger Mann«, brummte sie und schlug seine Hand beiseite.

Der Prinz war zwanzig Jahre alt, genau wie Tem. Nur junge Frauen, die im selben Jahr wie er geboren waren, kamen für das Training infrage. Sie hatte den Prinzen noch nie aus der Nähe gesehen, aber wenn sie Veras Lügengeschichte darüber glaubte, dass sie ihm auf dem Marktplatz begegnet war, hatte er grüne Augen. Tem glaubte die Geschichte aber nicht. Es war ihr jedenfalls vollkommen egal, welche Farbe seine Augen hatten.

»Es könnte schlimmer sein, weißt du«, sagte Gabriel.

»Was denn?«

»Das Training. Wenigstens trifft der Prinz seine Entscheidung auf der Grundlage, wer am besten im Bett ist. Wenn es um irgendwelche anderen Fähigkeiten ginge, hättest du überhaupt keine Chance.«

Tem runzelte die Stirn. »Was denn für andere Fähigkeiten?«

»Ach, weiß nicht, Kochen zum Beispiel.«

»Kochen?«

»Ich hab schon deinen Shepherd’s Pie gekostet, Tem.« Er rümpfte die Nase. »Hat verdorben geschmeckt.«

Zum Glück kam in diesem Moment Peter durch die Tür.

Gabriel sprang auf, zog seine Jacke gerade und fuhr sich durchs Haar. »Die Pflicht ruft«, sagte er, bevor er in direkter Linie auf den Stallburschen zusteuerte.

Danach gab es für Tem nichts mehr weiter zu tun, als Vera und Jonathan beim Austesten dessen zuzusehen, was in der Öffentlichkeit noch als akzeptabel durchging. Zwei Bier später war Tem bereit zum Aufbruch.

Genau wie sie versprochen hatte, kam sie nicht spät nach Hause. Die Hütte lag bei ihrer Ankunft trotzdem schon still da, ihre Mutter war bereits in ihrem Zimmer, wahrscheinlich schlief sie sogar schon, denn als Bäuerin musste sie früh raus. Tem wusch sich im Bad das Gesicht und kroch dann in ihr Bett, wo sie wieder einmal an die Decke starrte. Normalerweise hätte sie sich, bevor sie einschlief, noch selbst befriedigt, aber der Gedanke daran, morgen den Basilisken zu treffen, war derart einschüchternd, dass sie noch nicht einmal dazu in der Lage war. Sie wälzte sich hin und her und fand keine Ruhe.

Als sie schließlich doch noch einschlief, träumte sie von Feuer.

Es verbrannte sie allerdings nicht, sondern wärmte sie sanft von den Zehenspitzen bis hinauf in ihren Nacken. Das Feuer fühlte sich irgendwie vertraut an, als ob jemand es geschickt hätte, den sie schon vor langer Zeit kennengelernt hatte. Flammen leckten über ihre Finger, Handflächen und Arme. Ein einzelner Atemzug strich über ihre Wange. Dann war es vorbei.

Der nächste Morgen brach an wie jeder andere. Tem erledigte ihre Aufgaben, lieferte ihre Eier ab und half ihrer Mutter in der Küche wie immer. Aber im Hinterkopf hatte sie dabei immer die Gewissheit, dass sie in weniger als zwölf Stunden einem Basilisken von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde.

Als dann der Abend dämmerte, ließ sie ihre Nervosität an den Kartoffeln aus.

»Vorsicht, Tem«, ermahnte sie ihre Mutter. »Sonst schneidest du dich noch.«

Ein Schnitt war gerade das geringste von Tems Problemen. Völlig entnervt warf sie das Messer hin. »Ich bin noch nicht bereit, Mutter«, rief sie. »Woher soll ich denn wissen, was ich tun muss?«

Ihre Mutter seufzte und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.

»Du lernst, was zu tun ist. Der Basilisk bringt es dir bei.«

»Was, wenn ich den Ansprüchen nicht genüge?«

»Keines der Mädchen genügt den Ansprüchen, wenn sie die Höhlen betreten.«

»Das gilt nicht für alle«, murmelte Tem und dachte an Vera und Jonathan.

»Vertrau mir, Liebes. Du wirst das schon gut machen.«

Tem seufzte. Es hatte keinen Zweck – ihre Mutter verstand es einfach nicht. Tem hatte absolut alles zu befürchten. Die Angst, nicht den Ansprüchen zu genügen, war nur ein winziger Teil ihrer Unsicherheit. Tem konnte sich kein furchterregenderes Szenario als das vorstellen, das ihr in Kürze bevorstand.

Und dennoch ging ihr der Traum nicht aus dem Kopf.

Wenn das, was sie in den Höhlen erwartete, auch nur annähernd dem ähnelte, was in ihrem Traum passiert war, wusste sie, dass sie keinen Grund zum Fürchten hatte.

»Die Nacht bricht bald an. Warum machst du dich nicht fertig?«

Tem nickte. Alles war besser, als Kartoffeln zu schneiden.

Sie zog sich ins Bad zurück, ließ sich eine Wanne ein, wusch sich rasch und versuchte, nicht über jeden Quadratzentimeter ihres nackten Körpers nachzudenken. Als sie dann in die Küche zurückkehrte, deutete ihre Mutter auf die Bank.

»Setz dich.«

Tem setzte sich hin.

Ihre Mutter klopfte ihr auf die Knie. »Zieh deinen Rock hoch, Liebes.«

»Warum?«

Ihre Mutter hielt zwei bernsteinfarbene Glasgefäße hoch. »Wir müssen deine Oberschenkel ölen.«

Tem sah sie skeptisch an. Sie wollte die Höhlen nicht mit öligen Schenkeln betreten. »Wofür das denn?«

»Ylang-Ylang stärkt die Tapferkeit. Sandelholz die Hitze. Sie verleihen dir Mut und ziehen den Blick des Basilisken auf dich.«

»Hoffentlich meinst du das nicht wörtlich«, murmelte Tem und zog ihren Rock hoch.

»Natürlich nicht, meine Liebe. Du weißt, was ich meine.«

Tem seufzte und sah zu, wie ihre Mutter die Stopfen aus den Phiolen zog und das Öl auf ihren Beinen verteilte. Sie verrieb es mit warmen Fingern, sodass die Haut danach hell glänzte. Die reichhaltige, holzige Weichheit des Sandelholzes verband sich angenehm mit der blumigen Tiefe des Ylang-Ylang. Tem konnte sich vorstellen, dass dieser Duft einen Mann verführen würde.

Aber war der, den sie verführen sollte, wirklich ein Mann?

»Mutter«, sagte Tem zögernd, als ihre Mutter die Phiolen wieder verschloss. »Was wird passieren?«

Sie hatte ihre Mutter noch nie über ihre eigene Zeit in den Höhlen befragt. Dabei war ihre Mutter genau wie Tem im selben Jahr wie ein Prinz geboren worden, sodass sie dasselbe Training durchlaufen hatte. Zwar hatte der jetzige König Tems Mutter nicht als Frau ausgewählt, aber Tem fragte sich oft, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn er es getan hätte.

Ihre Mutter seufzte tief, und zum ersten Mal an diesem Abend wurde ihr Gesichtsausdruck milde. Sie sah aus, als ob sie sich an etwas Bedeutsames erinnerte.

»Es wird dich … verändern. Du machst den ersten Schritt auf dem Weg zur Frau.«

»Ich dachte, ich bin schon eine.«

»Nicht mal annähernd, meine Liebe. Du hast dein Leben doch kaum erst begonnen. Du kannst dir unmöglich die Reise vorstellen, zu der du gerade aufbrichst.« Ihre Mutter zog Tems Kleid herunter, trat einen Schritt zurück und begutachtete sie von Kopf bis Fuß. »Und jetzt vergiss nicht, dass heute die erste von vielen Nächten ist. Beleidige ihn nicht, sonst erlaubt er dir möglicherweise nicht, zurückzukehren.«

»Wie könnte ich ihn denn beleidigen?«

»So Kora will, wirst du das nicht tun. Aber wie ich dich kenne, findest du einen Weg.«

Tem seufzte. Ihre Mutter hatte nicht ganz unrecht.

»Denk unbedingt daran, höflich zu sein«, fuhr ihre Mutter fort. »Und dich ihm vollkommen zu fügen. Du bist die Schülerin, und er ist der Lehrer. Das ist nicht der Moment für deinen unvernünftigen Sturkopf. Du musst tun, was er sagt, und versuchen, etwas zu lernen.«

Tem nickte, obwohl sich ihr Magen zu einem unentwirrbaren Knoten zusammengezogen hatte. Sie war nicht wirklich gut darin, Anweisungen zu befolgen – das war sie noch nie gewesen. Warum sollte sie ausgerechnet bei dieser wichtigen, grundlegenden Sache damit anfangen?

»Ich bin ein hoffnungsloser Fall, Mutter«, flüsterte sie und senkte den Blick.

»Nein, meine Liebe«, erwiderte ihre Mutter freundlich und legte die Hände auf Tems Schultern. »Kein Mädchen ist ein hoffnungsloser Fall.«

Ihre Worte spendeten Tem keinen Trost. Von ihrer Mutter sehnte sie sich nach klaren Ansagen – sie wollte hören, dass gerade sie nicht hoffnungslos war. Aber das erwartete sie nicht, und es war auch nicht, was ihre Mutter ihr anbot. Es gab keine klaren Ansagen, kein In-Watte-Packen für Tem, weder heute noch in sonst einer Nacht. Es gab nur die bevorstehende Aufgabe und ihre Bereitwilligkeit, sie zu erfüllen.

»Es ist jetzt bald so weit«, sagte ihre Mutter. »Komm mit.«

Tem nickte und folgte ihrer Mutter zur Eingangstür hinaus über den gepflasterten Gartenpfad bis zur Straße. Sie konnte Vera vor sich erkennen, die ihrer eigenen Mutter aus ihrer Hütte folgte. Als sie den Waldrand erreichten, war Tem die Letzte in der Reihe von vierzehn jungen Frauen und ihren Müttern.

Sie gingen weiter wie in Trance, und niemand sprach ein Wort, als sie über den langen Weg in den Wald hineingingen. Die Nacht war kühl – eine der ersten Herbstnächte. Tem versuchte sich zu beruhigen, aber es war zwecklos. Ihre Schenkel waren ölig, und ihr war schwindelig. Sie hatte den Eindruck, dass ihr bald schlecht würde. Sie zog ernsthaft in Betracht, umzudrehen und nach Hause zu laufen, als sich plötzlich der Grenzwall drohend vor ihnen erhob.

Tem war noch nie dahinter gewesen. Sie wusste, dass es an verschiedenen Stellen Türen gab, war aber noch nie durch eine getreten. Dabei waren sie nicht einmal verriegelt – Schlösser waren unnötig, wenn die spiegelnde Außenseite Schutz genug bot. Aber der Gedanke, auf einen Basilisken in seiner wahren Gestalt zu treffen – und zu riskieren, durch seinen tödlichen Blick zu Stein zu erstarren – , war Grund genug, sich immer innerhalb der Begrenzung aufzuhalten.

Als sie durch die Tür nach draußen traten, betete Tem still zu Kora.

Sobald sie hinter dem Wall standen, erkannte Tem, dass sie sich am Fuß des Bergs befanden. Die jungen Frauen hielten vor einer langen Reihe von Höhlen an, jeder Eingang wirkte im Mondlicht wie ein gähnender Schlund. Für einen langen Moment geschah gar nichts. Doch dann tauchte durch den Dunst der Abenddämmerung eine Gestalt aus den Schatten auf.

Tem schlug das Herz bis zum Hals. Sie war zwar zu weit weg, um deutlich etwas erkennen zu können, aber doch nah genug, um zu wissen, dass er, wie erwartet, Menschengestalt angenommen hatte. Das war ein Teil der Abmachung: Keins der Mädchen, die um die Hand des Prinzen wetteiferten, würde in den Höhlen sterben. Das hätte den Waffenstillstand gebrochen. Natürlich fiel es Tem schwer, einer Abmachung zu vertrauen, die vor Hunderten von Jahren getroffen worden war. Aber sie hatte keine Wahl.

Neben ihr ergriff ihre Mutter ihr Handgelenk. »Sei tapfer, mein Kind.«

Tem musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sie fort war. Auch sämtliche anderen Mütter brachen wieder auf, küssten und umarmten ihre Töchter und verschwanden dann über den Weg, den sie gekommen waren, bis nur noch die Mädchen allein in der Kälte standen.

Niemand sprach ein Wort.

Obwohl ihr beinahe jeden Tag ihres bisherigen Lebens von der Ausbildung erzählt worden war, wurde Tem nun bewusst, dass sie absolut keine Ahnung hatte, was als Nächstes geschehen würde. Woher sollte sie wissen, welchem der Basilisken sie zugewiesen wurde? Sollte sie selbst auswählen, oder würden sie das tun?

Bevor sie noch das Mädchen neben sich fragen konnte, trat der Basilisk vor.

»Ihr seid hergekommen, um zu lernen«, sagte er, und seine Stimme hallte an den steinernen Wänden wider. »Am Ende der Ausbildung erwählt der Prinz eine von euch zu seiner Frau.«

Stille.

Das war keine wirklich neue Information, und doch war es seltsam, es ausgerechnet jetzt zu hören, wenige Augenblicke, bevor es losging.

»Es ist unsere Aufgabe, euch auf diese Ehre vorzubereiten.« Sein Blick huschte über die versammelten jungen Frauen, und Tem zuckte zusammen, als er auf ihr landete. »Geht zu eurer Höhle.«

Niemand bewegte sich.

Woher sollten sie wissen, welche Höhle ihre war? Sie warteten auf weitere Anweisungen, aber der Basilisk blieb stumm. Zu Tems Zufriedenheit sah nun sogar Vera nervös aus.

Auf einmal schrie die junge Frau vor ihr kurz auf, dann drehte sie sich um und rannte zurück zur Wand. Einen Moment später verschwand sie durch die Tür.

Eine war weg, dreizehn noch übrig.

Irgendwie verlieh die Deserteurin Tem Kraft. Sie war kein Feigling, sie würde nicht weglaufen. Sie war hergekommen, um ihre Mutter und – noch wichtiger – sich selbst stolz zu machen. Vielleicht scherte sie sich nicht um den Prinzen, aber um ein Leben abseits des Hühnerhauses scherte sie sich schon. Sie war es sich selbst schuldig, dieses Leben wenigstens anzustreben.

Bevor sie sich noch davon abhalten konnte, trat Tem nach vorn.

Alle sahen sie an, aber sie ignorierte sie. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Höhlen, starrte nacheinander auf jede von ihnen. Vierzehn Höhlen. Vierzehn Basilisken. Es war zwecklos. Sie schloss die Augen, und in dieser Sekunde überkam sie unaufgefordert ein Gefühl. Es war wie ein Licht in der Dunkelheit, das sie zu sich rief. Sie setzte sich in Bewegung, um ihm zu folgen, ging zu der hintersten der Höhlen, spürte einen schwachen Abglanz von dem, was sie in ihrem Traum gefühlt hatte – eine besänftigende Wärme, die sie anzog. Irgendwoher wusste sie, dass sie in der richtigen Richtung unterwegs war.

Sie sah nicht mehr, ob die anderen Mädchen sich ein Beispiel an ihr nahmen. Stattdessen kletterte sie über die Felsen zum Höhleneingang und schlüpfte dann in die vollständige Finsternis. Es war warm, beinahe schon unangenehm. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen, aber dann sah sie in der Ferne einen schwachen Schein. Sie ging darauf zu und betrat schließlich einen Raum, der von einem Feuer erhellt wurde.

Und vor ihr stand der Basilisk.

2. Kapitel

Er war überhaupt nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte.

Aus irgendeinem Grund hatte er in ihrer Fantasie nie ein Gesicht gehabt. Tems Version des Basilisken war stets geheimnisvoll gewesen – ein gesichtsloses Wesen ohne jedes wiedererkennbare Merkmal, eine leere Leinwand, die keine auch nur annähernd menschlichen Eigenschaften besaß. Aber das echte Geschöpf war ganz anders. Das echte Geschöpf sah aus wie der allerattraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Er besaß sämtliche Attribute, die sie jemals anziehend gefunden hatte – in einem Ausmaß, dass Tem sich kurz fragte, ob das Absicht war. Basilisken waren schließlich für ihre Verführungskunst bekannt. Hatte er sich also vielleicht absichtlich genau die Gestalt gegeben, die ihr gefallen würde?

Er war groß gewachsen – viel größer als sie – , hatte breite, hervorstehende Schultern und eine aufrechte Haltung. Der Feuerschein tanzte über sein Gesicht und brachte so seine Züge zur Geltung, eine hypnotische Komposition aus scharfen, unerbittlichen Kanten, die ihn wie aus Marmor gehauen aussehen ließen. Sein dunkles Haar trug er länger, als es zurzeit Mode war, aber irgendwie stand es ihm. Er trug ein leichtes Leinenhemd und eine Hose, die beide in keiner Weise die harten Konturen seines Körpers verbargen. Wärme. Sonst fühlte sie nichts.

Als der Basilisk einen Schritt vortrat, konnte Tem keinen klaren Gedanken mehr fassen.

»Wie heißt du?«, fragte er sie in einem tiefen, glühenden Murmeln.

Tems Stimme schien ihr nicht mehr zu gehorchen. »Temperance«, presste sie schließlich hervor. »Aber man nennt mich Tem.«

In einer der Steinwände gab es einen Kamin, dessen Flammen sich in seinen goldenen Augen spiegelten. Augen, die sie getötet hätten, wenn er seine wahre Gestalt angenommen hätte, das wusste sie. Der Basilisk legte den Kopf schräg und taxierte sie. Sein Blick gab ihr ein Gefühl vollkommener Blöße.

»Ich heiße Caspenon, aber man nennt mich Caspen.«

»Caspen«, wiederholte sie, sein Name steckte ihr wie ein Stein in der Kehle.

Darauf folgte ein langes Schweigen, während dem er sie eingehend betrachtete. Tem hatte plötzlich die Befürchtung, dass er sie auf der Stelle zurückweisen würde. War es möglich, vom Training ausgeschlossen zu werden, bevor es überhaupt begonnen hatte? Von so etwas hatte sie zwar noch nie gehört, aber es hätte sie nicht gewundert, wenn ihr das passiert wäre. Bevor sie noch richtig in Panik geraten konnte, ergriff er erneut das Wort.

»Du hast Angst«, stellte er fest.

Tem nickte, denn natürlich war das die Wahrheit. Er trat einen Schritt näher, und ihr schnürte sich vollständig die Kehle zusammen.

»Es gibt keinen Grund, sich vor mir zu fürchten.«

»Ich habe auch keine Angst vor dir.«

Er neigte den Kopf zur anderen Seite. »Wovor dann?«

Tem wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. Also erwiderte sie einfach: »Davor, zu versagen.«

Der Basilisk runzelte die Stirn. »Wobei?«

»Bei …«, fing sie an, wusste aber nicht, wie sie den Satz beenden sollte.

»Beim Sex«, übernahm er es für sie.

Tem war an dieses Wort nicht gewöhnt – ihre Mutter sprach es jedenfalls nie laut aus, und Vera nannte es immer Liebe machen, was objektiv entsetzlich klang. Tem selbst hatte es noch nie aus dem Mund eines Mannes gehört. Wann auch immer in der Schule das Training thematisiert worden war, hatten sie Unterricht bei einer Frau. Aber diese Stunden lagen nun schon Jahre zurück, und Tem wünschte sich nun, dass sie damals besser aufgepasst hätte.

»Kann schon sein«, flüsterte sie.

»Denkst du denn, ich wäre kein guter Lehrer?«, fragte der Basilisk.

»Ich weiß doch gar nichts über dich.«

Caspen musste bei diesen Worten ein wenig lächeln. Etwas in ihr löste sich.

»Die Prinzen haben sich seit Generationen stets für meine Schülerinnen entschieden. Du kannst also sicher sein, dass ich dir nicht erlauben werde, zu versagen.«

Bei dieser Enthüllung fiel Tem die Kinnlade herunter. Falls er die Wahrheit sagte, bedeutete das, dass Caspen der Schlangenkönig war: der Basilisk, dessen Kräfte die aller anderen bei Weitem überstiegen. Sein Ruf im Dorf war legendär, die Leute sprachen von ihm, als wäre er ein Gott. Tem hatte den begehrtesten aller Lehrer.

Doch statt sie zu beruhigen, bewirkte diese Information das glatte Gegenteil. Jetzt fühlte sie sogar einen noch größeren Druck als zuvor. Sollte es ihr nicht gelingen, die Hand des Prinzen zu erobern, obwohl sie vom Schlangenkönig ausgebildet worden war, wäre das mehr als nur erniedrigend. Ihre Mutter würde ihr das niemals verzeihen.

Caspen musterte sie noch immer. »Du scheinst dich nicht gerade verzweifelt danach zu sehnen, hier zu sein«, sagte er.

Die Formulierung war eigenartig. Verzweifelt?

Tem sah ihn skeptisch an. »Sollte ich das denn?«

Caspen zuckte mit den Schultern. »Die meisten Frauen sind das. Schließlich ist es eine Ehre, vom Prinzen ausgewählt zu werden. Und sogar eine noch größere, irgendwann zur Königin gekrönt zu werden. Wünschst du dir das denn nicht?«

Tem dachte über die Frage nach. Ihre Mutter wünschte es sich gewiss. Es war der Gipfel gesellschaftlichen Erfolgs und der beste Weg, ihr einfaches Bauernleben hinter sich zu lassen. Sie wusste, wie viel ihrer Mutter an ihrem Erfolg lag – wie sehr sie ihren Erfolg brauchte. Aber in Wahrheit war es eben nicht Tems Wunsch. Sie hatte beim Prinzen keine Chance. Die Rüpel auf dem Schulhof hatten ihr das jeden Tag eingebläut, seit sie alt genug war, ihren Platz in der Hierarchie des Dorfs zu begreifen. Also war sie vielleicht tatsächlich aus Verzweiflung hier?

Tem kam zu dem Schluss, dass das der Fall war.

Vielleicht war sie nicht auf dieselbe Weise verzweifelt wie die anderen Mädchen – vielleicht sehnte sie sich nicht so sehr nach der Krone wie Vera – , aber auf ihre eigene Weise war sie eben doch verzweifelt. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als zu erfahren, worum all dieses Tamtam gemacht wurde – einen Mann zu berühren und sich von ihm berühren zu lassen, zu begehren und begehrt zu werden. Die Stimme des Basilisken riss sie aus ihren Gedanken.

»Du kannst jederzeit gehen.«

Tem schnaubte spöttisch und bereute es sofort.

Caspen schien ihre Reaktion allerdings zu amüsieren. »Glaubst du mir etwa nicht?«

»Ich bin nicht wirklich in der Lage, zu gehen.«

Er legte den Kopf schräg. »Es ist unmöglich, eine Schülerin effektiv zu unterweisen, die nichts lernen will.«

Da musste Tem ihm zustimmen.

»Hat denn irgendwer schon mal das Training abgebrochen?«, fragte sie.

»Einmal«, entgegnete Caspen. Aus irgendeinem Grund schien ihn diese Aussage zu schmerzen. Doch eine Sekunde später war das Unbehagen schon wieder verschwunden. »Sie war allerdings nicht meine Schülerin.«

Tem dachte darüber nach. Wenn das der Wahrheit entsprach, war es unerhört. Das Training wurde als eine Ehre für jede junge Frau begriffen, die im selben Jahr wie der Prinz geboren worden war. Tem fragte sich, warum ausgerechnet diese Information nicht Gegenstand ihres Unterrichts gewesen war. Dann musste sie an das Mädchen denken, das hinter den Wall zurückgelaufen war, und fragte sich, ob sie es eines Tages bereuen würde.

»Nun«, sagte Tem und schob trotzig die Lippe vor. »Ich gehe jedenfalls nicht.«

Wieder zuckte Caspens Mund belustigt. Er trat näher an sie heran, und jede Zelle ihres Körpers schien Feuer zu fangen.

»Verrat mir, Tem. Bist du schon mal geküsst worden?«

Tem wurde rot. Sie war einem Kuss bisher nicht mal nahegekommen. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie Gabriel hätte bitten können, sie zu küssen. Immerhin war er ihr bester Freund – bestimmt hätte er sie geküsst, vor allem, wenn das ihre Nerven beruhigt hätte. Aber dafür war es nun zu spät. Jetzt stand sie vor Caspen, dem Schlangenkönig, und er erwartete von ihr so viel mehr, als sie war.

»Nein«, flüsterte sie, und das Wort fiel wie ein Kiesel in einen Teich.

Caspen lächelte sie breit an und entblößte dabei seine Zähne. »Gut«, sagte er. »Es bedeutet, dass ich dir keine schlechten Angewohnheiten austreiben muss.«

Tem nickte, obwohl sie ihm nicht wirklich glaubte. Sie konnte nicht glauben, dass es besser war, gar keine Erfahrung zu haben. Und doch konnten Basilisken nicht lügen – sie waren grundsätzlich nicht fähig dazu. Wenigstens behaupteten das sämtliche Legenden. Also musste er die Wahrheit sagen, und wenn das der Fall war, hieß es, dass Tem besser dran war als Vera. Dieser Gedanke munterte sie unheimlich auf.

»Ist es das, was wir heute Nacht tun?«, fragte sie mit plötzlichem Mut. »Küssen?«

»Nein.« Caspen schüttelte den Kopf. »Heute berühre ich dich.«

»Oh.«

Er schien ihre Überraschung zu spüren, denn er fuhr fort. »Aber bevor ich dich berühre, muss ich dich sehen.«

Sie blickte ihn skeptisch an. »Du siehst mich doch schon.«

Er lächelte. »Nicht alles von dir.«

In ihrem Magen ballte sich eine Vorahnung zusammen. Sie erinnerte sich wieder an den Traum, an die warme Dunkelheit, die sie umgab. Sie erinnerte sich an den Atem auf ihrer nackten Haut. Sie fragte sich, ob sie irgendwie Caspens Atem gespürt hatte, ob der Traum ein Vorbote des jetzigen Augenblicks war.

Er trat einen Schritt zurück und streckte die Arme mit den Handflächen nach oben aus. »Bitte. Wann immer du so weit bist.«

Tems Herz machte einen Satz. Sie musste daran denken, dass Basilisken Furcht riechen konnten, und wollte nicht, dass Caspen sie für ängstlich hielt. Und dennoch zögerte sie. Sie hatte sich noch nie vor irgendwem ausgezogen, und ganz bestimmt nicht vor einem Mann. Nur zu Hause war sie nackt, wenn sie badete oder sich selbst befriedigte. Und selbst dann vermied sie es, in den Spiegel zu schauen. Nichts an dieser Situation war natürlich für sie – sie wusste nicht, wie sie sich jemand anderem zeigen sollte. Nicht mal der Traum hatte sie darauf vorbereiten können.

Als er ihr Zögern bemerkte, faltete Caspen die Hände.

»Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, Tem.«

Sie rührte sich noch immer nicht. Die Stimme ihrer Mutter hallte in ihrem Kopf wider: Du musst tun, was er sagt, und versuchen, etwas zu lernen.

Aber Tem war es nicht gewohnt, Befehle zu befolgen. Jeder Instinkt in ihrem Körper wehrte sich dagegen – es verletzte alles, was sie ausmachte. Sie konnte ihm nicht einfach blind gehorchen, denn so war sie nicht gestrickt. Das war nie anders gewesen. Also sagte sie: »Du zuerst.«

Caspen hob die Brauen, dann zog er sie sofort zusammen. Bei seiner Reaktion fühlte Tem einen scharfen Stich der Angst in der Brust.

Beleidige ihn nicht, sonst erlaubt er dir möglicherweise nicht, zurückzukehren.

Ihr rutschte das Herz in die Hose. Was, wenn sie ihn gerade beleidigt hatte? Was, wenn er ihr wehtat? Oder noch schlimmer – was, wenn er seine wahre Gestalt annahm, ihr direkt in die Augen blickte und sie tötete? Sie würde sich entschuldigen. Sie würde auf die Knie fallen und um Vergebung flehen. Sie würde sich ausziehen und ihn sie anschauen lassen, solange er wollte.

Doch bevor sie noch irgendetwas von alledem in die Tat umsetzen konnte, entgegnete Caspen: »Wie du willst.«

Nun war Tem überrascht. Sie hatte keine Ahnung, ob das irgendwer vorher schon einmal von ihm verlangt hatte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr, und sie wollte es sowieso nicht zurücknehmen.

Caspen trat wieder näher, hielt erst wenige Schritte von ihr entfernt an. Er war so viel größer als sie; sie musste den Hals recken, um ihm in die Augen zu sehen.

Er blickte ruhig auf sie herab, als ob dieser ganze Prozess ihm nichts ausmachte. Und sie vermutete, dass es auch genauso war. Er hatte vor ihr schon Dutzende junge Frauen gesehen, und es kämen noch Hunderte nach ihr. Das hier war für ihn eine Pflichtaufgabe – nichts weiter.

Für Tem hingegen bedeutete es alles.

Caspen zog langsam das Hemd herauf, packte es am unteren Saum und zog es sich in einer unfassbar geschmeidigen Bewegung über den Kopf. Er war zwar noch halb angezogen, aber Tem konnte kaum mit dem umgehen, was sie jetzt schon sah. Sein Körper war unwahrscheinlich trainiert. Über seine Brust liefen harte Muskelstränge. Seine Hose saß tief auf den Hüften, sodass die scharfen Kanten seiner unteren Bauchmuskeln enthüllt wurden, die wie zwei Pfeile abwärts zeigten. Tem fühlte, wie ihr ganzes Gesicht bei diesem Anblick rot anlief, begleitet von einem wilden Drang, ihm selbst die Hose herunterzuziehen. Aber Caspens Hände banden sie bereits auf, und bevor Tem noch einmal Luft holen konnte, fiel sie schon zu Boden.

Caspens Schwanz sah überhaupt nicht aus wie die an den Marmorstatuen an der Kirchentreppe.

Er war unfassbar lang und pfeilgerade. Dabei war er noch nicht einmal hart, und Tem fragte sich schon, wie zum Teufel er damit in sie eindringen sollte. Sie hatte noch nie etwas so Großes in sich eingeführt, war sich nicht mal sicher, ob das möglich war. Dabei war das Glied die perfekte Fortsetzung von ihm – genauso prächtig und wunderschön wie er selbst. Tem starrte es voller Ehrfurcht an.

Unvermittelt verstand sie seinen Ruf als Schlangenkönig. Alles, was sie jemals über Caspen gehört hatte, ergab jetzt Sinn, als sie endlich auch noch das letzte Stück von ihm sah. Die Art, wie die Dorfbewohner leise über ihn wisperten, dass seine Schülerinnen immer vom Prinzen ausgewählt wurden – all das wurde durch das gerechtfertigt, was er zwischen den Beinen hatte. Warum sollte er sich irgendwem unterwerfen, wenn er auf diese grundlegendste Art überlegen war? Warum sollte er seine Macht abgeben, wenn seine so viel größer war?

Tem war von seinem Anblick überwältigt. Sie wollte ihn in sich spüren und fragte sich, ob er das auch wollte. Sofort verbannte sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf. Sie war nicht das erste Mädchen, das ihn in seiner Höhle besuchte. Und dennoch wirkte es irgendwie so, als wäre das hier nur für Tem.

Caspen ließ sie schauen, beobachtete ihre Reaktion mit einer winzigen Spur berechtigter Arroganz im Gesicht. Irgendwann raunte er: »Jetzt du.«

Das war nur fair.

Aus irgendeinem Grund hatten sich ihre Nerven jetzt, da er nackt war, beruhigt. Caspen so verletzlich zu sehen, machte Tem mutig, und sie wusste, dass sie zum nächsten Schritt bereit war. Mit ruhiger Hand schnürte sie sich das Kleid auf und ließ es zu Boden fallen, sodass sie in Unterwäsche vor ihm stand.

Caspen löste den Blick nicht von ihrem, als er sagte: »Den Rest auch.«

Tem zog ihre Unterwäsche aus.

Die warme Luft in der Höhle strich ihr über die Haut und umschloss sie in einer Welle der Atemlosigkeit. Es war unmöglich, nicht daran zu denken, dass sie nackt war. Aber bevor sie sich noch damit aufhalten konnte, ging Caspen wortlos um sie herum und musterte sie von Kopf bis Fuß. Auch sie betrachtete ihn, bemerkte seine Art, unbestreitbar kontrolliert zu gehen, geschmeidige Schritte auf dem rauen Höhlenboden. Sie sah, wie er sie mit Blicken sezierte, aber ohne jede Gefühlsregung. Tem wurde bewusst, dass diese Situation zwar ganz neu für sie, aber absolut nichts Neues für ihn war. Er hatte es viele Male zuvor getan. Sie war für ihn nur eine Zahl – er betrachtete nichts, was er nicht schon gesehen hatte.

Endlich blieb Caspen vor ihr stehen. Er sah ihr forschend in die Augen, musterte ihre Wangen, ihr Haar. Irgendwann glitt sein Blick ihren Hals hinab zu ihrem Schlüsselbein, wanderte über ihre Brüste und landete auf ihrem Bauch. Er streckte die Hand aus, seine Fingerspitzen waren nur noch Zentimeter von ihrer Haut entfernt. Aber er berührte sie nicht. Stattdessen fühlte sie eine plötzliche Wärme unter ihrem Nabel, und der Feuerschein wurde abrupt schwächer.

»Was machst du da?«, fragte sie.

»Ich prüfe, ob du fruchtbar bist«, sagte er, ohne ihrem Blick zu begegnen.

»Und? Bin ich es?«

Caspen hob den Kopf und sah ihr in die Augen. »Geduld ist eine Tugend, Tem.« Es klang wie ein Vorwurf.

Tem seufzte. »Das habe ich früher schon mal gehört.«

Sein Blick kehrte zu ihrem Bauch zurück. Tem widerstand dem Drang, beim geduldigen Warten auf das Ergebnis der Untersuchung mit dem Fuß aufzutippen. Sie hätte etwas in dieser Art erwarten sollen. Sex und Fruchtbarkeit waren mit dem Einfluss des Basilisken verbunden. Man sagte, dass sie ihre Macht daher bezogen – dass ihre Fähigkeit, Menschen zu verführen, Teil ihrer Natur war. Es war der Grund, warum sie mit dem Training der zukünftigen Ehefrau des Prinzen beauftragt wurden: Sie waren die einzigen Wesen, denen vertraut werden konnte, Mädchen zu Frauen zu formen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte Caspen: »Du bist fruchtbar.«

Tem wusste nicht, was sie mit dieser Aussage anfangen sollte. Ein Teil von ihr wünschte, sie wäre es nicht – das hätte nämlich bedeutet, dass sie aus dem Rennen um die Hand des Prinzen ausgeschieden wäre. Doch wäre das der Fall gewesen, könnte Tem auch nicht das erreichen, warum sie hergekommen war. Sie würde nie geküsst und nie gefickt werden. Und das war wirklich inakzeptabel.

»Du musst zunehmen«, entschied Caspen. »Der Prinz verlangt eine kurvigere Frau.«

»Kann ich nicht«, entgegnete Tem, ohne zu überlegen.

Caspen verengte die Augen zu Schlitzen. »Und warum nicht?«

Sie ließ den Kopf hängen. »Wir … haben zu Hause nicht so viel. Ich kann nicht mehr essen.«

Bei ihnen gab es keinen Mangel an Eiern, aber anderes Essen war knapp, und ihre gesellschaftliche Stellung als Hühnerfarmerinnen hatte sie schon seit Langem von der Zuwendung ihrer Nachbarn entfernt.

»Dann isst du eben, wenn du hier bist«, erwiderte Caspen. »Ab morgen gebe ich dir nach unseren Stunden etwas.«

Tem nickte und starrte noch immer zu Boden.

»Und schneid dir nicht die Haare«, fuhr er fort. »Der Prinz mag es lang.«

Tems Haar reichte ihr bis jetzt nur bis knapp über die Schultern, aber es war länger, wenn es feucht war und bevor es sich lockte.

»Heb das Kinn«, befahl Caspen.

Sie gehorchte.

»Setz dich hin.« Er deutete auf einen Felsensims hinter ihr. »Und spreiz die Beine.«

Sie gehorchte.

Als ihre Knie sich voneinander lösten, spannten sich seine Kiefermuskeln an. Bis jetzt war sein Blick gleichgültig gewesen, beinahe gefühllos. Jetzt leuchteten seine Augen hell, roh und intensiv. Abrupt kniete er sich vor sie hin, beugte sich vor und schloss die Augen. Wie versprochen, berührte er sie noch immer nicht, atmete aber tief ein. Sie sah, wie seine Nasenflügel bebten, was seine scharfkantigen Gesichtszüge unterstrich.

»Ylang-Ylang«, sagte er leise, »und Sandelholz.« Er öffnete die Augen. »Wer hat dir gesagt, dass du das tun sollst?«

»Meine Mutter«, antwortete Tem und versuchte sich auf etwas anderes als die Tatsache zu konzentrieren, dass er zwischen ihren vollkommen nackten Beinen kniete. »Sie hat gesagt, es gibt mir Mut.«

Caspen starrte sie einen Moment lang an. »Und, hat es funktioniert?«, fragte er dann.

Tem zuckte knapp mit den Schultern. »Ich bin nicht sicher.«

Noch immer kniete er und hielt Blickkontakt. Doch nun kehrte der Blick zu ihrer Körpermitte zurück, und er äußerte einen weiteren Befehl: »Öffne dich.«

Tems Bauch verkrampfte. »Ich verstehe nicht«, flüsterte sie.

»Benutz deine Finger«, erklärte Caspen langsam. »Und lass mich in dich hineinsehen.«

Er war jetzt nur noch wenige Zentimeter entfernt. Tem konnte nicht fassen, dass sie diesen Teil von sich enthüllen sollte, aber gleichzeitig wusste sie, dass sie es wollte. Also öffnete sie sich selbst mit ihren Fingern, zeigte ihm, was sie noch nie jemandem gezeigt hatte. Sobald sie das tat, weiteten sich Caspens Pupillen inmitten seiner goldenen Iriden, und dasselbe geschah bei ihr. Er betrachtete sie lange, so lange, dass es ihr Schwierigkeiten bereitete, sich selbst offen zu halten, denn allmählich wurde sie unter seinem Blick feucht. Was tat er da unten? Prägte er sich ihre Anatomie ein? Entschied er, wie er sie unterrichten würde? Warum auch immer er es tat, es war erregend, sich vor ihm zu entblößen. Sie wollte seine Zustimmung und fragte sich, ob er sie ihr geben würde.

Tem war allerdings nicht die Einzige, die von diesem Vorgang beeinträchtigt wurde.

Zum ersten Mal erfuhr sie, wie es sich anfühlte, eine Wirkung auf einen Mann zu haben. Caspens Erregung war unbestreitbar – je länger er sie anschaute, desto härter wurde er, und sie fühlte Stolz in sich aufwallen, weil sie der Grund dafür war. Dazu empfand sie eine intensive Neugier, die sie kaum im Zaum zu halten vermochte. Sie wollte ihn berühren – ihre Wirkung auf seinen Körper spüren. Sie wollte das tun, womit Vera ihr gegenüber geprahlt hatte – sie wollte ihn in die Hand nehmen und ihn reiben, bis er zum Höhepunkt kam. Dieser Gedanke erregte sie so sehr, dass ihre Finger in der Feuchtigkeit abrutschten. Die Bewegung fühlte sich gut an, und ohne nachzudenken, wiederholte sie sie direkt unter Caspens Blick.

Sie dachte, er würde sie vielleicht tadeln, aber das tat er nicht. Stattdessen hörte sie ein leises Zischen und wurde sich bewusst, dass es von ihm stammte. Das Zischen hallte in der Höhle wider, prallte von den Wänden ab und umgab sie mit seiner Vibration. Tem war sich nicht sicher, ob sie sich vor diesem Geräusch fürchten sollte.

»Gefalle ich dir?«, fragte sie.

Das Zischen stoppte abrupt, und Caspen sah sie scharf an. »Ob du mir gefällst, ist irrelevant«, sagte er streng. »Dem Prinzen zu gefallen, solltest du anstreben.«

Tem fühlte sich plötzlich sehr gehemmt. Sie unterdrückte die schmerzhafte Welle des Begehrens und war böse auf sich selbst, so dreist gewesen zu sein. Caspen war ein Basilisk – und sie war eine Idiotin, wenn sie dachte, irgendeine Wirkung auf ihn ausüben zu können.

Sie zog ihre Hand weg und schämte sich für ihre Anmaßung.

»Ich habe nicht gesagt, dass du aufhören sollst«, sagte Caspen.

Tem starrte ihn an. Seine Pupillen hatten sich noch stärker geweitet, es war kaum noch etwas von seinen goldenen Iriden zu sehen. Es war, als ob sie in die Tiefe der Finsternis selbst blicken würde, nichts als unendliche Schwärze. Tem wusste instinktiv, dass sie sich auf unerforschtes Gelände vorwagten.

Vorsichtig legte sie ihre Hand wieder an die vorherige Stelle.

Zuerst waren ihre Bewegungen langsam, ein stetiges, regelmäßiges Hin und Her mit zwei Fingern, und sie beobachtete Caspen dabei, wie er sie beobachtete. Dann wurde sie schneller, streichelte über Stellen ihres Körpers, über die er bald verfügen würde, brachte sich an einen Punkt, an dem sie nicht mehr aufhören konnte. Sie zeigte ihm, wie es ihr gefiel – tat, was sie tat, wenn sie allein in ihrem Zimmer war, nachdem ihre Mutter zu Bett gegangen war. Wenn die Welt dunkel und ihre Hütte still dalag, wenn sie die Augen schloss und so tat, als ob jemand ihr zuschauen würde. Sie wollte, dass Caspen sie wirklich sah, auf die Weise, wie sie schon immer hatte gesehen werden wollen: wie jemand, der der Berührung eines Mannes würdig ist.

Irgendwann kehrte das Zischen zurück.

Caspens Blick flackerte nicht. Das Feuer reflektierte auf seiner glänzenden Haut, und Tem hätte schwören können, dass sie die Schatten von Schuppen auf seiner Brust sah.

Sie war schon feucht, aber sein Anblick machte sie noch feuchter.

Er war jetzt vollkommen hart, sein Schwanz stand aufrecht wie ein Soldat, der Kern seiner Natur wurde von dem bestimmt, was zwischen seinen Beinen vor sich ging. Sie wollte, dass er nachgab. Sie wollte, dass er sie packte, mit ungeduldiger Notwendigkeit zustieß, in sie hineinfiel wie ein kollabierender Stern.

Aber Tem wusste, dass das heute Nacht nicht geschehen würde. So viel hatte Caspen ihr mitgeteilt, und Tem respektierte es. Die Schülerin würde sich nicht über den Lehrer hinwegsetzen. Das bedeutete trotzdem nicht, dass sie diesen Moment nicht miteinander teilen konnten, dass er seine Hingabe nicht irgendwie anders demonstrieren und in einem Akt der Erwiderung beweisen konnte. Sie hoffte, dass er an ihrer Erfahrung teilnehmen würde. Und zu ihrer außerordentlichen Freude tat er genau das.

Wortlos bewegte Caspens Hand sich zwischen seine Beine.