Klar Schiff! - Carl Busse - E-Book

Klar Schiff! E-Book

Carl Busse

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Beschreibung

Todesangst, Verzweiflung, Hoffnung. Die Facetten menschlicher Empfindungen im Angesicht des Grauens, der schmerzlichen Gewissheit den Unbilden des Krieges ausgesetzt zu sein. Der verbissene Kampf der Panzerkreuzer bis zum schließlichen Untergang der Schlachtschiffe. Das zähe Funktionieren, Aushalten, Leiden und den Tod vieler Matrosen im Inneren der Schiffsleiber. Was bleibt, ist der letzte Satz des Kommandanten — "Jungens — es geht zu Ende mit uns".

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Klar Schiff!

Seekriegsnovellen 1914/15

 

von

Carl Busse

___________

Erstmals erschienen bei

Eugen Salzer, Heilbronn, 1915

_______

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2017 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-075-5.

www.klarweltverlag.de

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Wie Jan der Heizer starb - Von Kurt Küchler (Hamburg)

Was die Schweigenden sagen - Eine Erzählung von Ida Boy-Ed

Des Kreuzers letzte Not - Von Hermann Horn

Die deutsche Pflicht

Ein Gesang aus dem Heldenepos von der „Emden“ - Von Hans von Hülsen

Kluten - Von Wilhelm Scharrelmann (Bremen)

Die Unterseeboote des Kapitäns Sirius Von Conan Doyle (Deutsche Bearbeitung von Th. Glahn)

Wie Jan der Heizer starb - Von Kurt Küchler (Hamburg)

ls das deutsche Geschwader den Hafen verließ, mitten in der Nacht, stand Jan der Heizer ganz vorn an der Reling des großen Kreuzers, und wie ein lebendiges Wesen umsprang ihn der harsche Wind.

Er sollte eigentlich in der Koje liegen und sich die Müdigkeit wegschlafen, die aus der prasselnden Weißglut der Feuerlöcher wie Blei in die Glieder schlug. Aber Spannung und Aufregung ließen ihn nicht schlafen. Es ging an den Feind! Wo der Feind mit seinen Schlachtschiffen lag, wusste keiner. . irgendwo hinter den schweren, schwarzen Faltenvorhängen der Nacht . . irgendwo unter den dick zusammengeballten Wolken, die schwer und düster unterm Himmel der Nordsee trieben. Das Meer schwankte und rauschte unter dem entschlossenen Vorwärtsdringen der ehernen deutschen Schiffe, und das Rauschen von Meer und Wind war wie der geheimnisvoll ergreifende, dumpftönige Orgelgesang der unendlichen Sphären und das Stampfen der Maschinen und das Vibrieren des Schiffes war in seiner Einförmigkeit wie das unablässige murmelnde Beten einer frommen Gemeinde . . .

Feierlich wurde Jan dem Heizer zumute.

Er kam aus der beißenden, prasselnden, schreienden Glutatmosphäre, die lodernd aus den Höllenrachen der Feuerkessel nach den nackten Menschen schlug. Ehern strafften sich die Muskeln der Männer unter der schwarzberußten, von Schweißbächen durchirrten Haut, wenn sie Schaufel um Schaufel dem gefräßigen Ungeheuer die schwarzen Kohlen ins glühende Maul warfen. Nun lehnte Jan vorn am Bug, und eine Andacht fuhr über ihn hin, als stände er mitten in einem mächtigen, von einer unendlichen, tiefschwarzen Kuppel gewaltig überwölbten Kirchenraum. Die gleichmäßigen Schritte der Wachen verhallten in der feierlichen Schweigsamkeit der Nacht. Kein anderes Schiff des Geschwaders war zu sehen, denn man fuhr mit abgedeckten Lichtern. Nur ab und zu glühten rot und blau aufzuckende Funken wie spähende Raubtieraugen durch die Nacht, oder gelbe Sprühblitze knisterten aus den Antennen der Funkspruchstationen. . Signale, die bedeutsam zwischen den Schiffen hin und her glitten.

Unaufhaltsam brachen die stählernen Kolosse des Geschwaders durch Meer und Nacht. . vor dem messerscharfen Bug sprudelte das Wasser und sprang mit weiß aufleuchtenden Schaumkronen bis zum Wellenbrecher hinauf.

Jan der Heizer drehte den Kopf und schaute zur Brücke hinüber, wo Kapitänleutnant Johannsen stand und mit allen Nerven und Sinnen in die Dunkelheit hineinspähte. Wie ein Schatten lehnte die Gestalt über dem Geländer der Brücke. Jan spürte, dieser Mann war mit dem letzten seiner Gedanken vorauf beim Feind.. hinter dieser jungen Stirn war die heilige Wut und die springende Kampfgier, die sie alle bis zum letzten Mann glühend beherrschte, gebändigt zu der eisernen Ruhe der Beobachtung. Auf allen Schiffen, auf allen Brücken und im Ausguck hoch an den Masten standen Männer wie Kapitänleutnant Johannsen. . überall brannten und sehnten sich die heißen, schmerzhaft zur Ruhe gezwungenen Augen dem Feind ins Herz.

— — — — — — — — — — — — — — — — —

Grau und tot stieg der Morgen aus den schwankenden Tälern und Hügeln der See, und im ersten schwachen Dämmerlicht erkannte Jan die Ordnung des vorsichtig, wie tastend fahrenden Geschwaders. Er wusste, das war Schlachtordnung. Sah man ganz vorn, wo die vier kleinen Kreuzer schwammen, wo die flinken, schwarzen Torpedoboote schwärmten, sah man dort schon den Feind?

Hastig drehte Jan den Kopf zur Brücke und sah, wie Kapitänleutnant Johannsen den Kopf weit vorstreckte, wie seine Augen Signale von dem vordersten der kleinen Kreuzer empfingen, wie er dann selber mit seinem Glas den Horizont gierig absuchte. Dann sah Jan plötzlich die wuchtige Gestalt des Kommandanten neben dem Kapitänleutnant auf der Brücke, er spürte das Wetterleuchten auf ihren Gesichtern und hörte das klare und wie aus endlich erlöster Seele fast jauchzend aufsteigende Wort des Kommandanten: „Klar Schiff!“

Klar Schiff!

Helle Glocken schlugen tönend an, der Wirbel jagte über alle Decks, durch alle Kammern, in alle Panzertürme, es sprang wie Funken von Mann zu Mann.

Zum letzten Mal spähte Jan der Heizer über die Reling. Er sah ganz weit fünf, sechs Schiffskörper aus dem diesigen Horizont auftauchen, ganz schattenhaft und fast noch in der wesenlosen Dämmerung verschwimmend, wie dunkle Planken im Wasser treibend. Er nahm mit letztem Blick auf, wie fern im Osten, links von den kleinen Kreuzern, ein stilles, liebliches Morgenrot zaghaft erblühte. Dann hörte er einen Schuss, der sich von dem vordersten Kreuzer löste und langhin über die See rollte. Und während die weiße Rauchwolke über dem Schiff verschwebte, stieg Jan die schmale Eisentreppe hinunter in den Bauch des Schiffes, stieg in die glühende, prasselnde, von wilden Flammen durchlohte Herzkammer des gepanzerten Kreuzers. Hochgemut, den Kopf im Nacken, ein Lied auf den Lippen, ganz beherrscht, ohne Furcht, noch den hallenden Donner des ersten Schusses im Ohr, betrat er den Feuerraum und dachte nur das eine: wo werde ich in zwei, drei Stunden sein? Steige ich wieder zum Licht empor und sehe den Sieg? Oder lieg ich dann mit stillem Blut auf dem Grunde der See?

Als Jan die erste Schaufel Kohlen ins Feuerloch warf und der Widerschein der roten Flammen über seinen nackten Oberkörper lohte, schütterten die stählernen Wände des Panzerkreuzers vom ersten Schuss auf den Feind. Durch den metallnen Riesenkörper ging ein Ächzen und Knirschen, aber Jan und seine Kameraden hörten nichts davon, das Brausen der Hölle hinter den Feuerlöchern übertönte alles.

— — — — — — — — — — — — — — — — — —

Jan liebte das wühlende Feuer. Er war eines Bauern Sohn und fühlte sich seltsam angekettet an alles, was ursprünglich war. Als Kind hatte er die schwarze, dampfende Erde geliebt, die der blanke Pflug des Vaters umwarf, die wunderbare Erde, die den Samen aufnahm und auf geheimnisvolle Weise die Kraft in Halme und Ähren trieb. Dann sah er das Meer und das herrliche, aus Trotz und Kraft geborene Beben seiner Wellen, und seine Seele sang. Und als er Matrose war und als Heizer tief in den Bauch des Schiffes geschickt wurde, liebte er das rote, lohende Feuer.

Jan war kein Mann von weitem Verstande; er sah nur das Einfache, das Große, das Urtümliche, er sah die Dinge, die im Anfang waren. So war ihm das Feuer, das er im Schweiße seines Angesichts schürte, ein Anfang, von dem aus seine geraden Gedanken die Welt bauten. Im Feuer wurde die Kraft geboren, die durch das Metall der Kessel drang, aus dem Röhrenwerk der Kessel in die Maschinen jagte, die schweren Kolben wie im Kinderspiel hin und her warf, die mächtige Stahlwelle rollte, die Schrauben wirbeln machte und den gewaltigen Schiffskoloss herrlich durch die Meere trieb. Und da Jan selber es war, der das Feuer immer aufs neue nährte, aufpeitschte und unter die Kessel jagte, so fühlte er sich innig verbunden mit diesem Anfang der Kraft, und er liebte das Feuer wie einen Bruder. Er liebte das wilde Spiel des lohenden Lichts auf den nackten, rußgeschwärzten, feucht glänzenden Körpern der Heizer, er liebte das wahnsinnige Toben und Brausen des gefesselten Dampfes in den Röhren und den Ventilen, er liebte den Schweiß, den die Glut seiner Haut entpresste, und er liebte den bohrenden Schmerz, den die beißenden Flammen hinter seiner Stirn entzündeten.

Und nun jagte sein Feuer das Schiff dem Feind entgegen, nun schuf sein Feuer die Kraft, welche die Panzertürme drehte. Aus hundert Kanonen brüllte der Tod übers Meer . . . draußen war die mörderische Schlacht und bei ihm, tief unten im dunklen Bauch des Schiffes, dem Meeresgrunde am nächsten, war der Anfang . . .

— — — — — — — — — — — — — — — — — —

Am Telefonrohr im Feuerraum stand der jüngste Heizer und horchte.

Der Kommandant des Panzerkreuzers ließ alle Phasen des Kampfes durch das Netz der Telefonleitung der gesamten Mannschaft unter Deck mitteilen.

So jagte er ihnen allen das Blut rascher durch die Adern, so nahm er ihnen die Angst der Ungewissheit, so ließ er sie teilhaben am Erfolg des Werks, dessen Helfer die Heizer und Trimmer und Gasten ebenso gut waren wie die Artilleristen am Rohr, wie die Maate im Turm, wie der Kommandant auf der Brücke.

„Mit sieben englischen Schlachtschiffen und vielen Torpedobooten im Treffen!“ kam die Botschaft durchs Rohr.

Der Panzerkreuzer erbebte wie unter einem Sturzbach von Gewittern. Man spürte an den unaufhörlichen Erschütterungen, wie sich Schuss auf Schuss aus den Rohren löste.

„Herrgott im Himmel! Wir sind gewaltig bei der Arbeit!“ schrie Jan.

„Zwei Volltreffer beim Feind. Ein englischer Panzerkreuzer brennt!“ rief der junge Heizer am Telefonrohr, der vor Aufregung vom einen Bein aufs andere trat.

Jan lachte brüllend, warf die schwarz berußten Arme drohend in die Luft und schrie:

„Eine Breitseite auf die Kerle! Herunter mit ihnen!“

Er hieb mit seiner langen Eisenstange auf den Verschluss der Eisentür und riss sie auf. Glühend schoss das weiße Licht heraus und prallte beißend auf die nackte Haut. Zwei, drei Schaufeln Kohlen flogen hinein, krachend und knirschend stürzten die schweren, schwarzen Stücke in die Glut, schwarzrot prasselte eine dicke Rauchwolke auf, weißgelbe Glut lohte mit dumpfem Fauchen hinterdrein, dann rasselte die eiserne Tür wieder ins Schloss, das flammende Licht im Raum erlosch jäh, die Heizer standen im Dämmern, und nur durch die leuchtenden Ritzen sah man die Glut der Hölle.

Da ging es wie ein entsetzlicher Schrei durch die Metallmasse des Kreuzers. Die Heizer fuhren zusammen und lauschten atemlos mit vorgestreckten Köpfen. Kam der Tod so früh . . . so schrecklich früh?

Dumpf, wie Rollen aus fernen Gewitterwolken, drang der Lärm der Schlacht zu ihnen hin. Sie spürten, wie die Kolbenstöße der Maschinen langsamer und unregelmäßig wurden. Mit weit aufgerissenen Augen, in denen das Weiße glänzte, starrten die Männer einander an.

Kam wirklich das Ende? . . . So früh, so unfassbar früh das Ende?

Der junge Heizer am Telefon schrie:

„Volltreffer mittschiffs! Feuer am Heck! Alle Geschütze schießen weiter!“

Seine Stimme bebte vor Angst.

„Junge, was greinst du!“ rief Jan und hob die Faust gegen den Burschen, der mit verstörten Augen die Kameraden ansah. „Das bisschen Feuer! Horch! Wir speien‘s ihnen zehnfach zwischen die Zähne!“

Wie aus weiter Ferne hörten sie das Klingeln des Maschinentelegraphen, hörten sie das langsame Klopfen des ehernen Herzens, das ruckweise Stoßen der stählernen Muskeln, denen sie aus ihren feuerumlohten Kesseln den Lebensatem schickten. Sie standen vor ihren Feuerungen, standen in der Tiefe, umschlossen von Stahlblöcken, eingeengt in die Finsternis, dicht über dem Wasser . . . und nur eine schmale, steile Eisenstiege führte hinauf in die Freiheit, in die Helligkeit . . . da standen sie, hingegeben an ihr schweres Amt, und ihre Seelen sahen das Bild der lange und glühend ersehnten Schlacht. Sie sahen wie in einer Vision von furchtbarer Deutlichkeit das kunstvolle Gleiten der Kreuzer, geleitet von dem kühnen Willen des Admirals auf dem Flaggschiff, das Wenden und Drehen der Gruppen, alle bestrebt, möglichst viele Geschütze auf den Feind zu richten. Sie sahen die gelb zuckenden Flammen und den Dampf und die Geschosse aus den langen Rohren brechen, die aufgewühlte See unter den einschlagenden Stahlgranaten zu hohen Schaumfontänen aufsprudeln, sahen zwischen schwer geballtem Rauch zerfetzte Schornsteine niederstürzen, brechende Masten, zerspringende Panzerplatten und jäh zum Himmel aufsteigende Flammen, sie sahen, wie die Kanoniere vor ihren Geschützen in heroischer Mannszucht arbeiteten, wie das Paternosterwerk unermüdlich die schlanken Geschosse aus den Munitionskammern in der Tiefe heraufholte. Aber sie sahen auch Männer, die an ihren Geschützen stöhnend zusammenknickten und ihr rotes Blut verströmten . . . und andere, die kaltblütig und mit ruhig entschlossenen Gesichtern, aber heiß brennenden Augen an den Platz ihrer verwundeten oder toten Kameraden traten . . . und zwischen den stampfenden und bebenden Schiffsleibern quirlte, schäumte, zischte und spritzte das aufgestörte Meer. Mit aller Grausamkeit der Fantasie erlebten die Seelen der Männer tief unten in den Feuerräumen, wo die Hitze bellte und fauchte, diese Bilder. Stahlwände umkerkerten ihre harte Arbeit . . ., aber sie taten ihre Pflicht, Helden wie die Männer oben auf Deck, mit zusammengebissenen Zähnen, fiebrig arbeitenden Hirnen, heiß klopfenden Herzen und ekstatisch glühenden Augen . . .

Die Telefonglocke schrillte. Jan stürzte zum Rohr.

„Feuer achteraus gelöscht. Ein englischer Panzerkreuzer schert aus. Zwei englische Torpedoboote sinken. Englische Schlachtordnung vollkommen verwirrt!“

Eine tolle Freude kam über Jan.