Kleine Frauen, Band 1: Jugendträume - Louisa May Alcott - E-Book

Kleine Frauen, Band 1: Jugendträume E-Book

Louisa May Alcott

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Beschreibung

Kaum ein Buch wurde jemals mit besserer Absicht veröffentlicht als "Kleine Frauen." Gerade weil es nicht "predigt", hat es seinen Weg in die Herzen von Millionen von Lesern gefunden. Ehrliche, kleine Mädchen, die danach streben, gut zu sein und ihre Bürden fröhlich zu tragen, schätzen dieses Buch seit Generationen; es hat ihnen einen besseren Blick für die kleinen Dinge des Lebens gegeben, die so sehr für das wahre Glück zählen; aber die glänzendsten Juwelen in diesem Buch sind die Strahlen der Mutterliebe, die durch es hindurchleuchten. Die Mädchen der Familie March lieben ihre Mutter, machen sie zu ihrer Vertrauten und wenden sich bei jeder Prüfung ihres Lebens an sie; sie ist Gefährtin, Freundin und Lehrerin, und so manches Mädchen und so manche Mutter hat schon ihre Lehren aus den schönen Beispielen gezogen, die diese "Kleinen Frauen" ihnen gegeben haben. Louisa May Alcott hat viele bewegende Geschichten geschrieben, aber "Kleine Frauen" steht an erster Stelle - im Regal und in den Herzen ihrer Bewunderer.

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KLEINE FRAUEN

 

Band 1: Jugendträume

Deutsche Neuübersetzung

 

LOUISA MAY ALCOTT

 

 

 

 

Kleine Frauen 1, L. May Alcott

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849653200

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

 

 

Inhalt:

VORWORT.. 1

I. DIE PILGERREISE.. 2

II. FROHE WEIHNACHTEN... 12

III. DER LAURENCE -JUNGE.. 23

IV. BÜRDEN... 33

V. GUTE NACHBARSCHAFT.. 45

VI. DER PALAST DER SCHÖNHEIT.. 56

VII. AMYS TAL DER DEMÜTIGUNG... 63

VIII. JO UND DER ENGEL DES ABGRUNDES. 70

IX. MEG UND DER MARKT DER EITELKEITEN... 81

X. DER PICKWICK-CLUB.. 97

XI. EXPERIMENTE.. 108

XII. CAMP LAURENCE.. 119

XIII. LUFTSCHLÖSSER.. 138

XIV. GEHEIMNISSE.. 147

XV. EIN TELEGRAMM... 156

XVI. BRIEFE.. 165

XVII. SPÄTE EINSICHT.. 173

XVIII. DUNKLE TAGE.. 180

XIX. AMYS LETZTER WILLE.. 188

XX. VERTRAULICH.. 196

XI. LAURIE MACHT UNFUG UND JO STIFTET FRIEDEN... 203

XXII. DIE SCHÖNE WIESE.. 215

XXIII. TANTE MARCH KLÄRT DIE ANGELEGENHEIT.. 222

VORWORT

 

Es gibt wohl kaum einen Kanon klassischer, amerikanischer Literatur, in dem sich Louisa May Alcotts Werk "Little Women" nicht finden lässt.

Der Titel wurde sofort ein kommerzieller Erfolg und einer der Lieblingstitel der Leser, die mehr über die Charaktere wissen wollten. Schnell schloss Alcott einen zweiten Band ab (unter dem Titel "Good Wives" in Großbritannien veröffentlicht, obwohl dieser Name vom Verlag und nicht von Alcott stammt). Auch dieser war sehr erfolgreich. Die beiden Bände wurden 1880 als Sammelband herausgegeben.

Dieser Band, "Kleine Frauen, Band 1: Jugendträume" ist die neue, deutsche Übersetzung des Originalbandes "Little Women." Die Fortsetzung "Good Wives" wird als "Kleine Frauen, Band 2: Der Ernst des Lebens" erscheinen.

Noch eine kleine Anmerkung des Übersetzers, bevor es losgeht. Dem geneigten Leser wird sehr schnell auffallen, dass ab und an Wortschöpfungen auftauchen, die so noch nie gelesen wurden. Diese kommen von Amy, der jüngsten der Schwestern, die sehr gerne ein ausgesuchtes Vokabular verwendet, das sie aber keineswegs beherrscht. Es handelt sich also mitnichten um Rechtschreibfehler.

Und nun hinein ins Vergnügen. Der Vorhang möge sich öffnen für Familie March und die Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy.

 

I. DIE PILGERREISE

 

"Ohne Geschenke wird Weihnachten kein Weihnachten sein", meckerte Jo und streckte sich auf dem Teppich aus.

"Es ist so schrecklich, arm zu sein!", seufzte Meg und betrachtete ihr altes Kleid.

"Ich glaube nicht, dass es gerecht ist, wenn manche Mädchen viele schöne Dinge besitzen, und andere Mädchen überhaupt nichts", fügte die kleine Amy leise schniefend hinzu.

"Wir haben Vater und Mutter und einander", sagte Beth zufrieden aus ihrer Ecke.

Die vier jungen Gesichter, auf denen der Schein des Feuers leuchtete, erhellten sich durch diese aufmunternden Worte, verdunkelten sich aber sofort wieder, als Jo traurig sagte: "Wir haben Vater nicht und werden ihn noch lange nicht haben". Sie sagte nicht "vielleicht nie mehr", aber jeder fügte es schweigend hinzu und dachte an Vater, der weit weg war, wo die Kämpfe stattfanden.

Eine Minute lang sprach niemand; dann sagte Meg in verändertem Tonfall: "Du weißt, dass der Grund, warum Mutter vorgeschlagen hat, dieses Weihnachten keine Geschenke zu verteilen, darin lag, dass es ein harter Winter für alle werden wird; und sie denkt, dass wir kein Geld für unser Vergnügen ausgeben sollten, wenn die Männer in der Armee so leiden müssen. Wir können nicht viel daran ändern, aber wir können unsere kleinen Opfer bringen und sollten das gerne tun. Aber ich fürchte, das tue ich nicht", und Meg schüttelte den Kopf, als sie bedauernd an all die schönen Dinge dachte, die sie sich wünschte.

"Ich glaube nicht, dass das Wenige, was wir ausgeben würden, daran etwas änderte. Wir haben alle je einen Dollar, und die Armee könnte sich nicht viel davon kaufen, wenn wir ihr das Geld geben würden. Es ist in Ordnung, nichts von Mutter oder dir zu bekommen, aber ich möchte 'Undine' und 'Sintran' für mich selbst kaufen. Das wollte ich schon so lange", sagte Jo, die ein Bücherwurm war.

"Ich wollte mein Geld in neue Musik investieren", sagte Beth mit einem kleinen Seufzer, den außer der Herdplatte und dem Wasserkessel niemand hörte.

"Ich werde mir eine schöne Schachtel mit Zeichenstiften leisten; die brauche ich wirklich", sagte Amy entschieden.

"Mutter hat nichts von unserem Geld gesagt, und sie wird nicht wollen, dass wir alles aufgeben. Lasst uns alle kaufen, was wir wollen, und ein wenig Spaß haben; ich bin sicher, wir arbeiten hart genug, um das verdient zu haben", rief Jo und untersuchte vornehm die Absätze ihrer Schuhe.

"Ich ganz bestimmt –diese lästigen Kinder fast den ganzen Tag zu unterrichten, wo ich mich danach sehne, mich zu Hause amüsieren zu können", begann Meg wieder in ihrem klagenden Ton.

"Du hast es nicht halb so schwer wie ich", sagte Jo. "Wie wäre es, wenn du stundenlang bei einer gereizten, kleinlichen alten Dame wärst, die dich laufen lässt, nie zufrieden ist und dir solange auf die Nerven geht, bis du bereit bist, aus dem Fenster zu springen oder zu weinen?"

"Es ist unartig, sich so aufzuregen, aber ich denke, Geschirr zu spülen und Ordnung zu halten ist die schlimmste Arbeit der Welt. Sie regt mich auf und meine Hände werden so steif, dass ich überhaupt nicht mehr richtig üben kann." Beth sah ihre rauen Hände an und stieß einen Seufzer aus, den dieses Mal jeder hören konnte.

"Ich glaube nicht, dass einer von euch so leidet wie ich", schrie Amy, "denn ihr müsst nicht mit frechen Mädchen zur Schule gehen, die dich quälen, wenn du deinen Stoff nicht gelernt hast, über deine Kleider lachen und deinen Vater bemitleiden, weil er nicht reich ist – und dich auslachen, weil deine Nase nicht schön ist."

"Wenn du 'beleidigen' meinst, würde ich das auch sagen, und nicht 'bemitleiden' sagen, als ob Papa das verdient hätte", riet Jo und lachte.

"Ich weiß, was ich meine, und du brauchst nicht statirisch zu sein. Es ist richtig, gute Worte zu verwenden und sein Vokibular zu verbessern", antwortete Amy würdevoll.

"Nicht aufeinander rumhacken, Kinder. Wünschst du dir nicht auch, wir hätten das Geld, das Papa verloren hat, als wir klein waren, Jo? Meine Güte! Wie glücklich und fein raus wären wir, wenn wir keine Sorgen hätten", sagte Meg, die sich an bessere Zeiten erinnern konnte.

"Du sagtest neulich, dass du der Meinung bist, dass wir ein gutes Stück glücklicher dran wären als die Kinder der Kings, weil diese die ganze Zeit miteinander kämpfen und streiten, trotz ihres Geldes."

"Das stimmt, Beth. Ich glaube, dass dem wirklich so ist. Denn obwohl wir arbeiten müssen, machen wir uns über uns selbst lustig und sind ein ziemlich vergnügtes Völkchen, wie Jo sagen würde."

"Jo benutzt solche merkwürdigen Wörter!", bemerkte Amy mit einem tadelnden Blick auf die lange Gestalt, die sich auf dem Teppich ausstreckte.

Jo setzte sich sofort auf, steckte ihre Hände in ihre Taschen und begann zu pfeifen.

"Nicht, Jo. Das ist so jungenhaft!"

"Deshalb mache ich es doch."

"Ich hasse unverschämte Mädchen, die sich nicht wie eines benehmen!"

"Und ich hasse affektierte Hosenmätze, die etepetete sind!"

"Wenn man im selben Nest sitzt, beschmutzt man sich nicht gegenseitig", flötete Beth, die Friedensstifterin, mit einem so lustigen Gesicht, dass beide schimpfenden Stimmen in ein Lachen übergingen und das "Aufeinanderrumhacken" erstmal beendet war.

"Wirklich, Mädchen, ihr seid beide schuld", sagte Meg und begann in der Art einer älteren Schwester zu belehren. "Du bist alt genug, um auf kindische Tricks zu verzichten und dich besser zu benehmen, Josephine. Das war nicht so wichtig, als du ein kleines Mädchen warst, aber jetzt bist du so groß und steckst deine Haare hoch; du solltest dich daran erinnern, dass du eine junge Dame bist."

"Das bin ich nicht! Und wenn das Hochstecken meiner Haare mich zu einem macht, werde ich es in zwei Pferdeschwänzen tragen, bis ich zwanzig bin", rief Jo, zog ihr Haarnetz ab und schüttelte eine kastanienbrauen Mähne herunter. "Ich hasse es zu denken, dass ich erwachsen werden und Miss March sein muss; dass ich lange Kleider tragen und so primitiv wie eine Gartenaster aussehen muss! Es ist schon schlimm genug, ein Mädchen zu sein, wenn ich die Spiele, die Arbeit und das Benehmen der Jungs mag! Ich kann meine Enttäuschung darüber, kein Junge zu sein, nicht überwinden. Und es ist schlimmer als je zuvor, denn ich brenne darauf, mit Papa zu kämpfen. Und ich darf nur zu Hause bleiben und stricken, wie eine schäbige alte Frau!"

Und Jo schüttelte die blaue Armeesocke, bis die Stricknadeln wie Kastagnetten klapperten und der Ball durch den Raum flog.

"Arme Jo! Es ist zu schade, aber du kannst es nicht ändern. Also musst du versuchen, dich damit zufrieden zu geben, einen Jungennamen annehmen und für uns Mädchen den Bruder zu spielen", sagte Beth und streichelte ihren Kopf mit einer Hand, die selbst das ganze Geschirrspülen und Staubwischen der Welt nicht rau machen konnte.

"Was dich betrifft, Amy", fuhr Meg fort, "du bist insgesamt zu speziell und prüde. Deine Launen sind jetzt noch lustig, aber du wirst eine affektierte, kleine Gans werden, wenn du das nicht änderst. Ich mag deine netten Manieren und deine kultivierte Art zu sprechen, wenn du nicht versuchst, elegant zu sein. Aber deine abstrusen Worte sind so schlimm wie Jos Slang."

"Wenn Jo ein Wildfang und Amy eine Gans ist, was bin ich dann, bitte?", fragte Beth, um ihren Teil des Vortrages abzubekommen.

"Du bist ein Schätzchen und nichts anderes", antwortete Meg herzlich, und niemand widersprach ihr, denn die "Maus" war der Liebling der Familie.

Da alle Leser gerne wissen möchten, "wie die Leute aussehen", werden wir diesen Moment nutzen, um euch ein kleines Bild der vier Schwestern zu vermitteln, die in der Dämmerung strickten, während draußen ruhig der Dezemberschnee fiel und das Feuer fröhlich knisterte. Es war ein gemütlicher Raum, obwohl der Teppich verblasst und die Möbel sehr schlicht waren. Ein oder zwei schöne Bilder hingen an den Wänden, Bücher füllten die Nischen, Chrysanthemen und Weihnachtsrosen blühten in den Fenstern und eine angenehme Atmosphäre des inneren Friedens durchdrang das ganze Zimmer.

Margaret, die Älteste der Vier, war sechzehn Jahre alt und sehr hübsch, rundlich und schön, mit großen Augen, viel weichem braunen Haar, einem süßen Mund und weißen Händen, auf die sie sich ziemlich viel einbildete. Die fünfzehnjährige Jo war sehr groß, dünn und braun und erinnerte einen an ein Hengstfohlen, denn sie schien nie zu wissen, was sie mit ihren langen Gliedmaßen anfangen sollte, die ihr ständig im Weg waren. Sie hatte einen entschlossenen Mund, eine lustige Nase und scharfe, graue Augen, die alles zu sehen schienen und abwechselnd scharf, lustig oder nachdenklich blickten. Ihr langes, dickes Haar war ihre einzige Schönheit, aber normalerweise packte sie es in ein Netz, damit es ihr nicht im Weg war. Jo besaß runde Schultern, große Hände und Füße und das unbequeme Aussehen eines Mädchens, das zu schnell zur Frau hochschoss und dies nicht mochte. Elisabeth oder Beth, wie sie jeder nannte, war ein rosiges, glatthaariges, putzmunteres Mädchen von dreizehn Jahren, mit einer schüchternen Art, einer furchtsamen Stimme und einem friedvollen Ausdruck, der selten gestört wurde. Ihr Vater nannte sie "kleines, stilles Fräulein", und der Name passte hervorragend zu ihr, denn sie schien in einer eigenen, glücklichen Welt zu leben, die sie nur verließ, um die paar Menschen zu treffen, denen sie vertraute und die sie liebte. Amy, obwohl die Jüngste, war eine sehr wichtige Person, zumindest ihrer eigenen Meinung nach. Eine richtiggehende Schneejungfrau, mit blauen Augen und gelben Haaren, das sich auf ihren Schultern kräuselte; sie war blass und schlank, benahm sich immer wie eine junge Dame, ganz auf ihre Manieren bedacht. Was die Charaktere der vier Schwestern angeht, über die werden wir später reden.

Die Uhr schlug sechs und nachdem sie die Feuerstelle ausgefegt hatte, legte Beth ein Paar Pantoffeln davor, um diese aufzuwärmen. Irgendwie hatte der Anblick der alten Schuhe einen guten Einfluss auf die Mädchen, denn Mutter kam nach Hause und alle heiterten sich auf, um sie willkommen zu heißen. Meg hörte auf zu dozieren und zündete die Lampe an, Amy stieg unaufgefordert aus dem Sessel, und Jo vergaß, wie müde sie war, als sie sich aufsetzte, um die Pantoffeln näher ans Feuer zu halten.

"Sie sind ziemlich ausgelatscht. Mami braucht ein neues Paar."

"Ich wollte ihr eigentlich von meinem Dollar neue kaufen", sagte Beth.

"Nein, das will ich!", rief Amy.

"Ich bin die Älteste", begann Meg, aber Jo unterbrach sie mit entschiedener Stimme. "Ich bin der Mann in der Familie, jetzt, da Papa weg ist, und ich werde die Pantoffeln kaufen, denn er sagte mir, ich solle mich besonders um Mutter kümmern, während er weg ist."

"Ich sage dir, was wir tun werden", sagte Beth, "Lasst uns alle ihr etwas zu Weihnachten besorgen und nichts für uns selbst."

"Das sieht dir ähnlich, Liebes! Was sollen wir denn für sie kaufen?", rief Jo.

Alle dachten eine Minute lang angestrengt nach, dann verkündete Meg an, als ob ihr die Idee beim Anblick ihrer eigenen schönen Hände gekommen wäre: "Ich werde ihr ein schönes Paar Handschuhe schenken."

"Armeeschuhe, die bekommt man am leichtesten", rief Jo.

"Einige Taschentücher, alle gesäumt", sagte Beth.

"Ich kaufe eine kleine Flasche Parfüm, das mag sie, und es kostet auch nicht viel, also habe ich noch etwas übrig, um meine Stifte zu kaufen", fügte Amy hinzu.

"Wie sollen wir die Sachen übergeben?", fragte Meg.

"Wir stellen sie auf den Tisch und holen sie rein, damit sie die Päckchen öffnen kann. Weißt du nicht mehr, wie wir uns an unseren Geburtstagen gemacht haben?", antwortete Jo.

"Ich weiß noch, wie viel Angst ich davor hatte, auf dem Stuhl zu sitzen mit der Krone auf dem Kopf, und euch alle kommen zu sehen, um mir die Geschenke mit einem Kuss zu überreichen. Ich mochte die Geschenke und die Küsse, aber es war schrecklich, wie ihr mich angesehen habt, während ich sie öffnete", sagte Beth, die gleichzeitig ihr Gesicht und das Brot für den Tee mit Butter bestrich.

"Lassen wir Mami denken, dass wir die Sachen für uns selbst besorgen, und überraschen sie dann. Wir müssen morgen Nachmittag einkaufen gehen, Meg. Es gibt so viel zu tun wegen des Stücks an Heiligabend", sagte Jo und marschierte mit den Händen hinter ihrem Rücken und ihrer Nase in der Luft auf und ab.

"Ich möchte danach nicht mehr mitmachen. Ich werde zu alt für solche Dinge", bemerkte Meg, die immer noch ein Kind war, wenn es um scherzhafte Verkleidungsspiele ging.

"Du wirst damit nicht aufhören, das weiß ich, solange du mit offenem Haar in einem weißen Kleid herumlaufen und Goldpapierschmuck tragen kannst. Du bist die beste Schauspielerin, die wir haben, und alles wird zu Ende sein, wenn du die Bühne verlässt", sagte Jo. "Wir sollten heute Abend proben. Komm her, Amy, und spiel die Szene, in der du ohnmächtig wirst, denn du bist darin so steif wie ein Stock."

"Ich kann nichts dafür. Ich habe noch nie jemanden ohnmächtig werden sehen, und ich werde mir bestimmt keine blauen Flecken holen, wen ich so hinfalle, wie du es tust. Wenn ich mir sicher nicht wehtun werde, lasse ich mich fallen. Wenn nicht, falle ich ganz anmutig in einen weichen Stuhl. Es ist mir egal, ob Hugo mit einer Pistole auf mich zukommt", antwortete Amy, die nicht viel dramatisches Talent besaß, sondern ausgewählt wurde, weil sie klein genug war, um vom Bösewicht des Stückes kreischend rausgetragen zu werden.

"Mach es so. Umklammere deine Hände so, und dann taumle durch den Raum und schreie verzweifelt: "Roderigo! Rette mich! Rette mich!" Mit einem melodramatischen Schrei, der wirklich nervenzerreißend war, ging Jo weg.

Amy folgte ihr, streckte aber ihre Hände steif vor sich aus und ruckelte beim Gehen so, als ob sie von einer Maschine gezogen werden würde, und ihr "Au!", ließ eher vermuten, dass jemand sie mit Nadeln piekte, als dass es aus Angst und Qual entstammte. Jo gab ein verzweifeltes Stöhnen von sich, und Meg lachte herzlich, während Beth ihr Brot verbrennen ließ, während sie den Spaß mit Interesse beobachtete. "Es hat keinen Zweck! Tue das Beste, was du kannst, wenn die Zeit kommt, aber wenn das Publikum lacht, gib mir nicht die Schuld. Komm schon, Meg."

Diesmal ging alles glatt; Don Pedro trotzte der Welt in einer zweiseitigen Rede, ohne dass er sich einmal verhaspelte. Hagar, die Hexe, sang eine schreckliche Beschwörungsformel über ihrem Wasserkocher mit darin siedenden Kröten, allerdings mit seltsamer Wirkung. Roderigo zerriss mannhaft seine Ketten, und Hugo starb einen qualvollen Tod, teils aus Reue, teils wegen des Arsens, und verschied mit einem wilden, "Ha! Ha! Ha!".

"Das ist das Beste, was uns bisher gelungen ist", sagte Meg, als sich der tote Bösewicht aufsetzte und seine Ellbogen rieb.

"Ich verstehe nicht, wie du so großartige Dinge schreiben und spielen kannst, Jo. Du bist ein wahrhaftiger Shakespeare", rief Beth aus, die fest daran glaubte, dass ihre Schwestern in allen Dingen mit wunderbarem Talent gesegnet waren.

"Nicht ganz", antwortete Jo bescheiden. "Ich denke, 'Der Fluch der Hexe, eine Operntragödie' ist ziemlich nett, aber ich würde gerne Macbeth ausprobieren, wenn wir nur eine Falltür für Banquo hätten. Ich wollte schon immer den Teil mit dem Töten spielen. 'Ist das ein Dolch, den ich vor mir sehe?,' " murmelte Jo, rollte die Augen und griff mit einer Hand in die Luft, wie sie es bei einem berühmten Tragiker gesehen hatte.

"Nein, es ist die Röstgabel, mit Mutters Schuh drauf, anstelle des Brotes. Beths Bühnenerfolg", rief Meg, und die Probe endete mit einem allgemeinen Lachanfall.

"Schön, euch so fröhlich zu sehen, meine Mädchen", sagte eine fröhliche Stimme an der Tür, und Schauspieler und Publikum wandten sich um, um eine große, mütterlich aussehende Dame zu begrüßen, die diese wirklich entzückende "Kann ich euch helfen"-Aura versprühte. Sie war nicht elegant gekleidet, sah aber sehr vornehm aus, und die Mädchen dachten, dass in dem grauen Umhang und unter der altmodischen Haube die prächtigste Mutter der ganzen Welt steckte.

"Nun, ihr Lieben, wie geht es euch heute? Es gab so viel zu tun, die Kisten für morgen mussten fertig werden, und ich habe es nicht zum Abendessen nach Hause geschafft. Hat jemand nach mir gefragt, Beth? Wie geht es deiner Erkältung, Meg? Jo, du siehst todmüde aus. Komm und gib mir einen Kuss, Baby."

Während sie diese mütterlichen Nachfragen stellte, zog Mrs. March ihre nassen Sachen aus, die warmen Pantoffeln an, setzte sich in den Sessel, zog Amy auf ihren Schoß und bereitete sich darauf vor, die glücklichste Stunde ihres arbeitsreichen Tages zu genießen. Die Mädchen huschten herum und versuchten, es ihr bequemer zu machen, jedes auf seine Weise. Meg deckte den Teetisch, Jo brachte Feuerholz und platzierte die Stühle und alles, was sie berührte, klapperte, fiel oder kippte um. Beth trabte eilig und still zwischen der Stube und der Küche hin und her, während Amy allen Anweisungen gab und mit gefalteten Händen dasaß.

Als sie sich um den Tisch versammelten, sagte Mrs. March mit einem besonders fröhlichen Gesicht: "Ich habe nach dem Abendessen eine Überraschung für euch."

Schnell ging ein strahlendes Lächeln wie ein Sonnenstrahl durch die Runde. Beth klatschte in die Hände, ungeachtet des Kekses, den sie gerade hielt, und Jo warf ihre Serviette hoch und schrie: "Ein Brief! Ein Brief! Dreimal Hoch auf Vater!"

"Ja, ein schöner langer Brief. Es geht ihm gut und er denkt, dass er die kalte Jahreszeit besser überstehen wird, als wir befürchtet haben. Er sendet alle möglichen liebevollen Wünsche zu Weihnachten und eine besondere Nachricht an euch Mädchen", sagte Mrs. March und tätschelte ihre Tasche, als hätte sie dort einen Schatz gefunden.

"Beeilt euch und werdet fertig! Lass deinen kleinen Finger über den Teller fliegen, Amy", rief Jo, verschluckte sich an ihrem Tee und ließ vor lauter Vorfreude auf den versprochenen Brief ihr Brot mit der gebutterten Seite nach unten auf den Teppich fallen.

Beth aß nicht mehr weiter, sondern schlich sich weg, um in ihre schattigen Ecke zu sitzen und auf das kommende Vergnügen zu warten, bis die anderen bereit waren.

"Ich finde, es war großartig von Vater, als Kaplan zu gehen, weil er zu alt war, um eingezogen zu werden, und nicht stark genug für einen Soldaten", sagte Meg warmherzig.

"Wie ich wünschte, dass ich als Trommler, oder Trompeter gehen könnte – oder wie heißen die? Oder als Krankenschwester, damit ich in seiner Nähe sein und ihm helfen kann", rief Jo laut aufstöhnend.

"Es muss sehr unangenehm sein, in einem Zelt zu schlafen und alle möglichen schlecht schmeckenden Dinge zu essen und aus einem Blechbecher zu trinken", seufzte Amy.

"Wann wird er nach Hause kommen, Mami?", fragte Beth, mit einem kleinen Zittern in ihrer Stimme.

"Erst in vielen Monaten, Liebes, es sei denn, er wird krank. Er wird bleiben und seine Arbeit so lange wie möglich pflichtgetreu verrichten, und wir werden ihn erst hier erwarten, wenn er wirklich nicht mehr gebraucht wird. Jetzt kommt und hört euch den Brief an."

Alle setzten sich ans Feuer, Mutter in den großen Stuhl mit Beth zu ihren Füßen, Meg und Amy jeweils auf einen der beiden Arme des Stuhls, und Jo lehnte sich an den Rücken, wo niemand ihre Gefühle sehen würde, wenn der Brief sie berühren sollte. In diesen schweren Zeiten wurden nur wenige Briefe geschrieben, die nicht berührend waren, besonders nicht solche, die Väter nach Hause schickten. In diesem hier wurde wenig über die erlittenen Härten, die Gefahren oder das überwundene Heimweh gesprochen. Es war ein fröhlicher, hoffnungsvoller Brief, voll von lebhaften Beschreibungen des Lagerlebens, von Märschen und Neuigkeiten des Militärs, und erst am Ende floss das Herz des Schreibers über vor väterlicher Liebe und Sehnsucht nach den kleinen Mädchen zu Hause.

"Sag ihnen allen, dass ich sie liebe und gib ihnen einen Kuss. Sag ihnen, dass ich bei Tag an sie denke, bei Nacht für sie bete und immer und zu jeder Zeit meinen Trost in ihrer Zuneigung finde. Ein Jahr zu warten, bevor ich sie sehe, scheint mir eine sehr lange Zeit zu sein, aber erinnere sie daran, dass wir alle arbeiten können, während wir warten, damit diese harten Tage nicht verschwendet sein werden. Ich weiß, dass sie sich an alles erinnern werden, was ich zu ihnen gesagt habe; dass sie dir gegenüber liebevolle Kinder sein und treu ihre Pflicht erfüllen sollen, dass sie tapfer gegen ihre Busenfeinde kämpfen und sich so beherrschen werden, dass ich, wenn ich zu ihnen zurückkomme, stolz wie nie zuvor auf meine kleinen Frauen sein kann." Alle schnieften, als sie zu diesem Teil kamen. Jo schämte sich nicht der großen Träne, die am Ende ihrer Nase heruntertropfte, und Amy kümmerte sich nicht um ihre zerknüllten Locken, als sie ihr Gesicht auf die Schulter ihrer Mutter legte und schluchzte: "Ich bin ein egoistisches Mädchen! Aber ich werde wirklich versuchen, mich zu bessern, damit er nicht irgendwann von mir enttäuscht ist."

"Das werden wir alle", rief Meg. "Ich denke zu viel über mein Aussehen nach und hasse es zu arbeiten; aber das werde ich nicht mehr, wenn ich es verhindern kann."

"Ich werde versuchen, so zu sein, wie er mich so gerne nennt – 'eine kleine Frau'; und nicht ungehobelt und wild zu sein, sondern hier meine Pflicht zu tun, anstatt woanders sein zu wollen", sagte Jo und dachte, dass es viel schwieriger sei, sich zu Hause zu beherrschen, als sich einem oder zwei Rebellen im Süden zu stellen.

Beth sagte nichts, sondern wischte sich ihre Tränen mit der blauen Armeesocke ab und begann mit aller Kraft zu stricken. Sie verlor keine Zeit, die Pflicht zu tun, die ihr am nächsten lag, während sie in ihrer stillen, kleinen Seele entschloss, all das zu sein, was Vater sich wünschte, wenn das Jahr vorbei war und die glückliche Heimkehr bevorstand.

Mrs. March brach das Schweigen, das auf Jos Worte folgte, indem sie mit ihrer fröhlichen Stimme sagte: "Erinnert ihr euch, wie ihr früher Bunyans 'Pilgerreise' gespielt habt, als ihr noch klein wart? Nichts hat euch mehr Spaß bereitet, als euch meine Stofftaschen auf den Rücken zu binden, euch Hüte, Stöcke und Papierrollen zu holen, und vom Keller, der die 'Stadt des Verderbens' war, zum Dachboden zu pilgern, wo ihr all die schönen Dinge gesammelt hattet, die man für eine 'himmlische Stadt' brauchte."

"Wie lustig das war; vor allem, an den Löwen vorbeizukommen, gegen Apollyon zu kämpfen und durch das Tal zu wandern, wo die Kobolde waren", sagte Jo.

"Ich mochte die Stelle, an dem die Bündel herunterfielen und nach unten stürzten", sagte Meg.

"Ich erinnere mich wirklich daran, außer dass ich Angst vor dem Keller und dem dunklen Eingang hatte und immer den Kuchen und die Milch mochte, die wir oben im Dach hatten. Wenn ich für solche Dinge nicht zu alt wäre, würde ich es gerne noch einmal spielen", sagte Amy, die im reifen Alter von zwölf Jahren davon sprach, auf kindliche Dinge zu verzichten.

"Wir sind dafür nie zu alt, meine Liebe, denn das ist ein Stück, das wir die ganze Zeit auf die eine oder andere Weise spielen. Unsere Lasten sind hier, unser Weg liegt vor uns, und die Sehnsucht nach Güte und Glück ist der Leitfaden, der uns durch viele Schwierigkeiten und Fehler zum Frieden führt, wo sich die wahre himmlische Stadt befindet. Nun, meine kleinen Pilger, angenommen, ihr würdet von vorne beginnen, nicht im Spiel, sondern im Ernst, und sehen, wie weit ihr kommen könnt, bevor Vater nach Hause kommt."

"Wirklich, Mutter? Wo sind unsere Bündel?", fragte Amy, die als junge Dame alles sehr wörtlich nahm.

"Außer Beth hat jeder von euch soeben gesagt, was seine Last ist. Ich glaube fast, dass sie keine hat", sagte ihre Mutter.

"Doch, die habe ich. Meine sind Geschirr und Staubwedel, der Neid auf Mädchen mit schönen Klavieren und die Angst vor Menschen."

Beths Lastenbündel war so lustig, dass alle lachen wollten, aber niemand es tat, weil es ihre Gefühle sehr verletzt hätte.

"Lasst es uns tun", sagte Meg nachdenklich. "Es ist nur ein anderer Name für den Versuch, gut zu sein, und die Geschichte kann uns dabei helfen, denn obwohl wir gut sein wollen, ist es harte Arbeit und wir könnten es vergessen und nicht unser Bestes geben."

"Wir waren heute Abend im 'Sumpf der Verzagtheit', und Mutter kam und zog uns heraus, wie der Helfer im Buch. Wir sollten auch eine Wegbeschreibung haben, wie Christian. Was können wir da tun?", fragte Jo, erfreut über die Idee, die der sehr langweiligen Aufgabe, seine Pflicht zu erfüllen, ein wenig Romantik verlieh.

"Schaut am Weihnachtsmorgen unter eure Kissen, und ihr werdet euren Reiseführer finden", antwortete Mrs. March.

Während die alte Hannah den Tisch abräumte, sprachen sie über den neuen Plan; dann kamen die vier kleinen Arbeitskörbe heraus, und die Nadeln flogen, als die Mädchen Laken für Tante March machten. Es war langweilig zu nähen, aber an diesem Abend meckerte niemand deswegen. Sie übernahmen Jos Plan, die langen Nähte in vier Teile zu schneiden und die Viertel Europa, Asien, Afrika und Amerika zu nennen. So machten sie glänzende Fortschritte, besonders wenn sie über die verschiedenen Länder sprachen, während sie sich ihren Weg durch sie hindurch nähten.

Um neun Uhr hörten sie auf zu arbeiten und sangen, wie üblich, bevor sie zu Bett gingen. Niemand außer Beth konnte dem alten Klavier richtige Musik entlocken, aber sie hatte die Fähigkeit, die gelben Tasten sanft zu berühren und die einfachen Lieder, die sie sangen, angenehm zu begleiten. Meg hatte eine Stimme wie eine Flöte, und sie und ihre Mutter leiteten den kleinen Chor. Amy zwitscherte wie eine Grille, und Jo irrlichterte nach eigenem Ermessen durch die Lieder und kam immer trillernd oder quakend an der falschen raus, so dass sie auch die gedankenvollste Melodie verdarb. Sie hatten das schon immer getan, sogar als sie nur lispeln konnten, und so war es zum Brauch geworden, denn die Mutter war eine geborene Sängerin. Das erste Geräusch an einem Morgen war ihre Stimme, die wie eine Lerche durch das Haus flog, und das letzte Geräusch in der Nacht war der gleiche, fröhliche Klang, denn die Mädchen wurden nie zu alt für das vertraute Schlaflied.

 

II. FROHE WEIHNACHTEN

 

Jo war die erste, die in der grauen Dämmerung des Weihnachtsmorgens aufwachte. Am Kamin hingen keine Strümpfe, und für einen Moment war sie genauso enttäuscht wie vor langer Zeit, als ihre kleine Socke herunterfiel, weil sie so voll gestopft war mit Leckereien. Dann erinnerte sie sich an das Versprechen ihrer Mutter, und als sie ihre Hand unter ihr Kissen schob, zog sie ein kleines Buch mit karminrotem Deckel hervor. Sie kannte es sehr gut, denn es war diese schöne alte Geschichte des besten Lebens, das je gelebt wurde, und Jo spürte, dass dies ein echter Reiseführer für jeden Pilger war, der auf eine lange Reise ging. Joe weckte Meg mit einem "Frohen Weihnachten" und ließ sie nachsehen, was unter ihrem Kissen war. Ein Buch mit grünem Deckel erschien; darin war das gleiche Bild und ein paar von ihrer Mutter geschriebenen Worte, was ihr Geschenk in ihren Augen sehr wertvoll machte. Bald wachten Beth und Amy auf, stöberten und fanden ihre kleinen Bücher, das eine taubengrau, das andere blau, und alle saßen da, betrachteten und sprachen über sie, während im Osten der kommende Tag rosig aufzog.

Trotz ihrer kleinen Eitelkeiten besaß Margaret eine süße und fromme Natur, die unbewusst auf ihre Schwestern abfärbte; besonders auf Jo, die sie zärtlich liebte, und ihr gehorchte, weil ihr Ratschläge so behutsam und umsichtig waren.

"Mädchen", sagte Meg ernsthaft und schaute vom durchwühlten Kopf neben sich auf die beiden kleinen im Raum daneben, die noch Nachtmützen trugen, "Mutter will, dass wir diese Bücher lesen, lieben und darauf aufpassen, und damit müssen wird sofort anfangen. Früher waren wir gewissenhaft damit, aber seit Vater weg ist und uns all diese Kriegswirren erschütterten, haben wir vieles vernachlässigt. Ihr könnt das halten, wir ihr wollt, aber ich werde mein Buch hier auf dem Tisch liegen lassen und jeden Morgen, sobald ich aufwache, ein wenig darin lesen, denn ich weiß, es wird mir guttun und mir durch den Tag helfen."

Dann öffnete sie ihr neues Buch und begann zu lesen. Jo legte ihren Arm um sie, berührte Megs Wange mit ihrer und las ebenfalls mit dem ruhigen und entspannten Gesichtsausdruck, der so selten bei ihr zu sehen war.

"Wie gut Meg doch ist! Komm, Amy, lass uns es ihr gleichtun. Ich helfe dir bei den schweren Worten, und die beiden erklären uns die Dinge, dir wir nicht verstehen", flüsterte Beth, die sehr beeindruckt war von den schönen Büchern und dem Beispiel ihrer Schwester.

"Ich bin froh, dass meins blau ist", sagte Amy. Dann wurden die Räume sehr ruhig, während die Seiten sanft umgeblättert wurden, und sich die Wintersonne hereinschlich, um die gescheiten Köpfe und ernsten Gesichter mit einem Weihnachtsgruss zu erfreuen.

"Wo ist Mutter?", fragte Meg, als sie und Jo eine halbe Stunde später hinunterliefen, um ihr für ihre Geschenke zu danken.

"Das weiß nur der liebe Gott. Ein armer Landstreicher kam vorbei und bettelte, und deine Mutter ging sofort los, um zu sehen, was er benötigte. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die so freigiebig Verpflegung, Getränke oder Kleidung hergab", antwortete Hannah, die seit Megs Geburt bei der Familie lebte und mehr als Freundin als eine Dienstmagd angesehen wurde.

"Ich denke, sie wird bald zurück sein, also solltest du die Pfannkuchen und auch den Rest fertigmachen", sagte Meg und schaute sich die Geschenke an, die in einem Korb gesammelt waren und unter dem Sofa aufbewahrt wurden, um zur richtigen Zeit herausgeholt werden zu können. "Wo ist Amys Parfümflasche?", fügte sie hinzu, als die kleine Flasche nicht auftauchte.

"Sie nahm sie vor einer Minute heraus und ging mit ihr los, um einen Schlupf dranzumachen, oder so etwas ähnliches", antwortete Jo und tanzte durch den Raum, um die steifen, neuen Armeepantoffeln etwas biegsamer zu machen.

"Wie schön meine Taschentücher aussehen, nicht wahr? Hannah wusch und bügelte sie für mich, und ich habe sie alle selbst gekennzeichnet", sagte Beth und sah stolz auf die etwas schiefen Buchstaben, die sie viel Arbeit gekostet hatten.

"Gott segne dieses Kind! Sie hat es mit 'Mutter' anstelle von 'M. March' beschriftet. Wie lustig", rief Jo und nahm eines in die Hand.

"War das nicht richtig? Ich dachte, es wäre besser so, denn Megs Initialen sind M.M., und ich will nicht, dass jemand außer Mami dieses Taschentuch benutzt ", sagte Beth und sah besorgt aus.

"Es ist in Ordnung, Liebes, und eine sehr schöne Idee; obendrein noch sehr vernünftig, denn niemand kann sie jetzt je verwechseln. Es wird ihr sehr gefallen, das weiß ich", sagte Meg mit einem Stirnrunzeln an Jos Adresse und einem Lächeln für Beth.

"Da kommt Mutter. Versteck den Korb, schnell", rief Jo, als eine Tür zuschlug und in der Diele Schritte erklangen.

Amy kam eilig herein und sah ziemlich verlegen aus, als sie bemerkte, dass ihre Schwestern alle auf sie warteten.

"Wo warst du, und was versteckst du hinter deinem Rücken?", fragte Meg überrascht, als sie an ihrer Kapuze und ihrem Umhang sah, dass die faule Amy so früh draußen gewesen war.

"Lach mich nicht aus, Jo! Ich wollte nicht, dass es jemand mitkriegt, bevor die Zeit dafür gekommen ist. Ich wollte die kleine Flasche nur gegen eine große tauschen, und habe mein ganzes Geld dafür ausgegeben, um sie zu bekommen; und ich versuche wirklich, nicht mehr egoistisch zu sein."

Während sie sprach, zeigte Amy die stattliche Flasche, die die kleine ersetzen sollte. Dabei sah sie in ihrem bescheidenen Versuch, sich selbst hintenanzustellen, so ernst und demütig aus, dass Meg sie auf der Stelle umarmte, Jo sie als 'die Beste' bezeichnete, und Beth zum Fenster rannte und dort die schönste Rose auswählte, um die hübsche Flasche zu verzieren.

"Wisst ihr, ich schämte mich für mein Geschenk, nachdem ich heute Morgen darüber gelesen und geredet hatte, gut zu sein; also rannte ich zum Geschäft an der Ecke, tauschte es um und bin deswegen so froh, denn meines ist jetzt das schönste."

Ein weiterer Knall der Haustür ließ den Korb unter dem Sofa verschwinden, und die Mädchen gingen, begierig auf das Frühstück wartend, zum Tisch.

"Frohe Weihnachten, Mami! Und noch viele weitere! Vielen Dank für unsere Bücher. Wir haben schon darin gelesen und wollen das jeden Tag tun", schrien sie alle im Chor.

"Frohe Weihnachten, ihr kleinen Töchter! Ich bin froh, dass ihr sofort damit angefangen habt, und hoffe, dass ihr auch weitermacht. Aber ich möchte noch etwas sagen, bevor wir uns setzen. Nicht weit von hier liegt eine arme Frau mit einem Neugeborenen. Sechs Kinder kuscheln sich in ein Bett, um nicht zu erfrieren, denn sie haben kein Feuer. Da drüben gibt es nichts zu essen, und der älteste Junge kam hierher, um mir zu erzählen, dass sie Hunger hatten und unter der Kälte litten. Meine Mädchen, würdet ihr ihnen euer Frühstück als Weihnachtsgeschenk geben?"

Nachdem sie fast eine Stunde gewartet hatten, waren alle ungewöhnlich hungrig, und für eine Minute sprach niemand – aber nur eine Minute, dann rief Jo ungestüm aus: "Ich bin so froh, dass du gekommen bist, bevor wir angefangen haben!"

"Darf ich mitgehen und helfen, die Sachen zu den armen, kleinen Kindern zu bringen?", fragte Beth eifrig.

"Ich werde die Sahne und die Muffins nehmen", fügte Amy hinzu und verabschiedete sich damit heldenhaft von ihrer Lieblingsspeise.

Meg bedeckte bereits die Pfannkuchen und stapelte das Brot auf einem großen Teller.

"Ich dachte mir schon, dass ihr helfen wollt", sagte Mrs. March und lächelte zufrieden. "Ihr könnt alle mitgehen und mir helfen, und wenn wir zurückkommen, werden wir mit Brot und Milch frühstücken und uns dafür beim Abendessen entschädigen."

Bald waren sie fertig und konnten ihre Prozession beginnen. Glücklicherweise war es noch früh, und sie gingen durch die Seitenstraßen, so dass sie nur wenige Leute sahen und niemand über die seltsame Gesellschaft lachte.

Es war ein armseliges, kahles, klägliches Zimmer, mit zerbrochenen Fenstern, zerschlissener Bettwäsche, einer kranken Mutter, einem jammernden Baby, ohne Feuer, und einer Gruppe blasser, hungriger Kinder, mittendrin, die sich unter einer alten Decke zusammenkuschelten und versuchten, sich warm zu halten.

Wie die großen Augen aufleuchteten und die blauen Lippen lächelten, als die Mädchen hereinkamen.

"Ach, mein Gott! Es sind gute Engel, die kommen zu uns", sagte die arme Frau und weinte vor Freude.

"Lustige Engel in Kapuzen und Handschuhen", sagte Jo und brachte sie damit zum Lachen.

In wenigen Minuten schien es wirklich so, als wären dort freundliche Geister am Werk gewesen. Hannah, die Holz getragen hatte, machte ein Feuer und verstopfte die zerbrochenen Scheiben mit alten Hüten und ihrem eigenen Umhang. Mrs. March gab der Mutter Tee und Haferschleim und tröstete sie mit dem Versprechen, ihr auch weiter zu helfen, während sie das kleine Baby so zärtlich anzog, als wäre es ihr eigenes. Die Mädchen deckten inzwischen den Tisch, stellten die Kinder um das Feuer herum und fütterten sie, als wären es hungrige Vögel. Dabei lachten, redeten und versuchten sie, das lustige, gebrochene Englisch zu verstehen.

"Das ist gut!" "Die Engel-kinder" schrien die Armen, als sie aßen, und ihre violetten Hände am gemütlichen Feuer erwärmten. Die Mädchen waren noch nie zuvor Engel-Kinder genannt worden und fanden es sehr angenehm, besonders Jo, die seit ihrer Geburt als "Wirbelwind" galt. Es war ein sehr fröhliches Frühstück, obwohl sie nichts davon abbekommen haben. Und als sie sich verabschiedeten und die mitgebrachte Gemütlichkeit zurückließen, gab es in der ganzen Stadt wohl keine vier fröhlichere Menschen als die hungrigen, kleinen Mädchen, die ihr Frühstück verschenkt hatten und sich am Weihnachtsmorgen mit Brot und Milch begnügten.

"Das bedeutet, unsere Nächsten mehr zu lieben als uns selbst, und das mag ich", sagte Meg, als sie ihre Geschenke auslegten, während ihre Mutter oben war und Kleider für die arme Familie Hummel sammelte.

Es war kein außergewöhnlich prächtiger Anblick, aber die wenigen, kleinen Päckchen waren mit viel Liebe verpackt worden, und die hohe Vase mit roten Rosen, weißen Chrysanthemen und etwas Grün, die in der Mitte stand, verlieh dem Tisch eine ziemlich elegante Note.

"Sie kommt! Beeil dich, Beth! Mach die Tür auf, Amy! Dreimal Hoch auf Mami", rief Jo und tänzelte herum, während Meg losging, um Mutter zum Ehrenplatz zu führen.

Beth spielte ihr fröhlichstes Stück, Amy warf die Tür auf, und Meg gab sehr würdevoll das Geleit. Mrs. March war überrascht und berührt zugleich und lächelte mit feuchten Augen, als sie ihre Geschenke betrachtete und die kleinen Anmerkungen las, die an ihnen steckten. Die Pantoffeln wurden sofort angezogen, ein neues, nach Amys Parfüm duftendes Taschentuch in ihre Tasche gesteckt, die Rose an ihrem Busen befestigt, und die schönen Handschuhe passten einfach perfekt.

Es gab viel zu lachen, zu küssen und zu erklären, alles auf die einfache und liebevolle Art und Weise, die diese Hausfeste so angenehm macht, so süß, dass man sich noch lange danach daran erinnert. Dann begaben sich alle an die Arbeit.

Ihre morgendliche Wohltat und Feierstunde hatten so viel Zeit in Anspruch genommen, dass der Rest des Tages der Vorbereitung der abendlichen Feierlichkeiten gewidmet werden musste. Da die Mädchen noch zu jung waren, um oft ins Theater zu gehen, und nicht reich genug, um sich einen großen Aufwand für private Aufführungen leisten zu können, setzten sie ihren Verstand ein, und da Not bekanntlich erfinderisch macht, stellten sie alles, was sie brauchten, selbst her. Einige ihrer Fertigungen waren sehr clever, zum Beispiel Gitarren aus Pappe, antike Lampen aus altmodischen Butterdosen, die mit Silberpapier überzogen waren, wunderschöne Gewänder aus alter Baumwolle, die mit Zinnpailletten aus einer Gurkenfabrik glitzerten, und Rüstungen, die mit den gleichen, nützlichen, diamantförmigen Teilen bedeckt waren, die in den Blättern zurückblieben, wenn man die Deckel von Einmachtöpfen ausschnitt. Die große Kammer war Schauplatz vieler unschuldiger Enthüllungen.

Da keine Gentlemen zugelassen waren, spielte Jo nach Herzenslust Männerrollen und berauschte sich geradezu an einem Paar rostroter Lederstiefel, die ein Freund gegeben hatte, der eine Dame kannte, die einen Schauspieler kannte. Diese Stiefel, eine alte Folie und ein kaputtes Duplet, das einst von einem Künstler zum Malen verwendet worden war, waren Jos größte Schätze und wurden zu allen Gelegenheiten verwendet. Das kleine Ensemble machte es notwendig, dass die beiden Hauptdarsteller mehrere Rollen pro Stück spielten, und sie verdienten sicherlich etwas Anerkennung für die harte Arbeit, die sie beim Erlernen von drei oder vier verschiedenen Rollen, beim An- und Ausziehen verschiedener Kostüme und beim Gestalten der Bühne geleistet haben. Es war eine ausgezeichnete Übung für ihre Erinnerungen, eine belanglose Unterhaltung und beschäftigte sie viele Stunden, die sonst ungenutzt, einsam oder in einer weniger vorteilhafter Gesellschaft verbracht worden wären.

In der Weihnachtsnacht drängten sich ein Dutzend Mädchen auf das Bett, das der erste Rang war, und saßen in einer sehr schmeichelhaften Erwartungshaltung vor den blauen und gelben Chintz-Vorhängen. Hinter dem Vorhang gab es viel Rascheln und Flüstern, dazu sah man ein wenig Rauch von einer Lampe und hörte ein gelegentliches Kichern von Amy, die dazu neigte, in der Aufregung des Augenblicks hysterisch zu werden. Bald ertönte eine Glocke, die Vorhänge flogen auseinander, und die Liebestragödie begann.

"Ein düsterer Wald", wie ihn der einzig vorhandene Theaterzettel ankündigte, wurde durch ein paar Sträucher in Töpfen, grünen Fries auf dem Boden und eine Höhle in der Ferne dargestellt. Diese Höhle bestand aus einem Kleiderständer als Dach und Kommoden als Wände; darin stand ein kleiner, befeuerter Ofen, mit einem schwarzen Topf darauf und einer alten Hexe, die sich darüber beugte. Die Bühne war dunkel und das Glühen des Ofens hatte eine tolle Wirkung, besonders als echter Dampf aus dem Kessel stieg, als die Hexe den Deckel abnahm. Nach einem Moment, in dem der erste Nervenkitzel nachließ, stolzierte Hugo, der Bösewicht, mit einem klirrenden Schwert an seiner Seite, einem krummen Hut, schwarzem Bart, geheimnisvollem Umhang und den besagten Stiefeln herein. Nachdem er ziemlich aufgeregt hin und her geschritten war, schlug er sich gegen die Stirn und brach in eine wilde Beschimpfung aus, sang von seinem Hass auf Roderigo, seiner Liebe zu Zara und seinem gefälligen Entschluss, den einen zu töten und die andere für sich zu gewinnen. Die schroffen Töne aus Hugos Stimme und der gelegentliche Schrei, wenn seine Gefühle ihn überwältigten, waren sehr beeindruckend, und das Publikum applaudierte in dem Moment, als er für einen Atemzug innehielt. Er verbeugte sich in der Manier eines an öffentliches Lob gewöhnten Menschen, stahl sich in die Höhle und befahl Hagar gebieterisch, nach vorne zu treten: "Was ist los, Scherge! Ich brauche dich!"

Auftritt Meg, mit grauem Pferdehaar, das ihr ins Gesicht hing, einem rot-schwarzen Gewand, einem Stab und kabbalistischen Zeichen auf ihrem Umhang. Hugo verlangte einen Trank, der Zara dazu bringen sollte, ihn anzubeten, und einen weiteren, um Roderigo zu vernichten. Hagar versprach mit feiner, dramatischer Melodik beides und rief den Geist herbei, der den Liebestrank bringen sollte.

 

Hierher, hierher, von deinem Haus,

Geist der Lüfte, ich bitte dich, komm heraus!

Geboren aus Rosen, genährt mit Tauen,

Zauber und Tränke kannst du brauen?

Bring ihn hierher, mit Elfenrauch,

Den duftenden Trank, den ich brauch.

Mach ihn süß und schnell, was auch geschieht,

Geist, antworte jetzt auf mein Lied!

 

Eine sanfte Musik ertönte, und dann erschien auf der Rückseite der Höhle eine kleine Gestalt in verschwommenem Weiß, mit glitzernden Flügeln, goldenen Haaren und einem Kränzchen aus Rosen auf dem Kopf. Mit einem Zauberstab winkend, sang sie .....

 

Hierher komme ich,

Aus meinem luftigen Zuhause,

Weit weg vom silbernen Mond.

Nimm den Zauberspruch,

Und benutze ihn gut,

Oder seine Macht wird bald verschwinden!

 

Nachdem er eine kleine, vergoldete Flasche vor die Füße der Hexe fallen lassen hatte, verschwand der Geist. Ein weiterer Gesang Hagars ließ eine weitere Erscheinung auftreten; aber dieses Mal keine schöne, denn mit einem Knall erschien ein hässlicher, schwarzer Kobold, der, nachdem er eine Antwort gekrächzt hatte, eine dunkle Flasche nach Hugo warf und mit einem spöttischen Lachen verschwand. Nachdem er seinen Dank geträllert und die Tränke in seine Stiefel gelegt hatte, ging Hugo ab, und Hagar informierte das Publikum, dass sie ihn verflucht hatte, da er vor einiger Zeit einige ihrer Freunde tötete, und beabsichtigte, seine Pläne zu vereiteln und sich an ihm zu rächen. Dann fiel der Vorhang, das Publikum entspannte sich, aß Süßigkeiten und sprach über die Verdienste des Stückes.

Es wurde viel gehämmert, bevor sich der Vorhang wieder hob, aber als sich herausstellte, was für ein Meisterwerk den Bühnenbauern gelungen war, beschwerte sich niemand wegen der Verzögerung. Es war wirklich großartig. Ein Turm ragte hoch zur Decke, auf halbem Weg nach oben fand sich ein Fenster mit einer darin brennenden Lampe, und hinter dem weißen Vorhang erschien Zara in einem schönen, blau-silbernen Kleid und wartete auf Roderigo. Dieser kam in wunderschöner Aufmachung, mit gefiederter Kappe, rotem Umhang, kastanienfarbenen Locken, einer Gitarre und natürlich den Stiefeln. Er kniete am Fuße des Turms und sang mit herzzerreißenden Tönen eine Serenade. Zara antwortete und stimmte nach einem musikalischen Dialog zu, zu fliehen. Dann folgte der große Effekt des Stücks. Roderigo holte eine Strickleiter mit fünf Stufen hervor, warf ein Ende hoch und forderte Zara auf, zu ihm herabzusteigen. Schüchtern kroch sie aus ihrem Gitterwerk, legte ihre Hand auf Roderigos Schulter und wollte gerade anmutig nach unten springen, als sie – "Ach! Ach, Zara" – ihre Schleppe vergaß. Sie verfing sich im Fenster, der Turm wankte, kippte nach vorne, fiel krachend um und begrub die unglücklichen Liebenden in seinen Ruinen.

Ein allgemeiner Schrei erhob sich, als sich die rostroten Stiefel aus den Ruinen erhoben und ein goldener Kopf auftauchte, der ausrief: "Ich habe es dir gesagt! Ich habe es dir gesagt!" Mit herausragender Geistesgegenwart stürmte Don Pedro, der grausame Vater, herein, und zog seine Tochter heraus, sagte nebenbei "Nicht lachen! Tut so, als wäre alles in Ordnung", befahl Roderigo zu sich und verbannte ihn mit Zorn und Verachtung aus dem Königreich. Obwohl Roderigo durch den Sturz des Turms noch merklich erschüttert war, widersetzte er sich dem alten Herrn und weigerte sich zu gehen. Dieses unerschrockene Beispiel imponierte Zara. Auch sie verabscheute ihren Vater, und so warf dieser sie beide in die tiefsten Verliese der Burg. Ein kräftiger, kleiner Gefolgsmann kam mit Ketten herein und führte sie weg. Er sah sehr verängstigt aus und hatte offensichtlich den Text vergessen, den er hätte sagen sollen.

Der dritte Akt spielte in der Schlosshalle, und hier erschien Hagar, die gekommen war, um die Liebenden zu befreien und Hugo zu töten. Sie hörte ihn kommen und versteckte sich, sah, wie er die Tränke in zwei Tassen Wein gab und den schüchternen kleinen Diener bat: "Trag sie zu den Gefangenen in ihre Zellen und sag ihnen, dass ich gleich kommen werde." Der Diener nahm Hugo beiseite, um ihm etwas zu sagen, und in dieser Zeit tauschte Hagar die Tassen gegen zwei andere, harmlose aus. Ferdinando, der "Diener", trug sie weg, und Hagar stellte den Becher zurück, in dem sich das für Roderigo bestimmte Gift befand. Hugo, der nach dem langen Trällern durstig war, trank es, verlor seinen Verstand, und fiel nach einem großartigen Todeskampf auf den Boden und starb, während Hagar ihn mit einem Lied von exquisiter Kraft und Melodie darüber in Kenntnis setzt, was sie getan hat.

Dies war eine wirklich spannende Szene, obwohl einige Zuschauer der Meinung waren, dass das plötzliche Herabfallen einer Menge langer, roter Haare die Wirkung des Todes des Bösewichts eher beeinträchtigte. Er wurde vor den Vorhang gerufen, und erschien sehr anständig mit Hagar, deren Gesang als wunderbarer empfunden wurde als der ganze Rest der Vorstellung zusammen.

Der vierte Akt zeigte den verzweifelten Roderigo, der kurz davor war, sich zu erstechen, weil ihm gesagt worden war, dass Zara ihn verlassen hat. Kurz bevor der Dolch sein Herz trifft, wird unter seinem Fenster ein schönes Lied gesungen, das ihn darüber informiert, dass Zara ihn doch liebt, aber in Gefahr schwebt, und er sie retten kann, wenn er will. Ein Schlüssel wird hineingeworfen, der die Tür öffnet, und in einem Ausbruch der Entzückung reißt er seine Ketten durch und eilt davon, um die geliebte Frau zu finden und zu retten.

Der fünfte Akt wurde mit einer stürmischen Szene zwischen Zara und Don Pedro eröffnet. Er wünschte sich, dass sie in ein Kloster ginge, aber sie will davon nichts hören und wird nach einem berührenden Appell fast ohnmächtig, als Roderigo hereinstürzt und um ihre Hand bittet. Don Pedro weigert sich, weil Roderigo nicht reich ist. Sie schreien und gestikulieren ungeheuerlich, können sich aber nicht einigen, und Rodrigo will die erschöpfte Zara wegtragen, als der schüchterne Diener mit einem Brief und einer Tasche von Hagar hereinkommt, die auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Im Brief steht, dass sie dem jungen Paar unermesslichen Reichtum hinterlässt und Don Pedro ein schreckliches Schicksal prophezeit, wenn er sie nicht glücklich macht. Die Tasche wurde geöffnet, und eine Menge Zinngeld prasselte auf die Bühne, bis diese überall glitzerte. Dies erweichte das Herz des strengen Vaters. Ohne Murren stimmt er der Hochzeit zu, alle fallen in einen fröhlichen Chor ein und der Vorhang fällt auf die Liebenden, die vor Don Pedro niederknien, um in einer Haltung höchst romantischer Anmut dessen Segen zu empfangen.

Es folgte stürmischer Applaus, der aber vollkommen unerwartet abebbte, als das Kinderbett, auf dem der erste Rang aufgebaut war, plötzlich zusammenklappte und das begeisterte Publikum verschwinden ließ. Roderigo und Don Pedro eilten zur Rettung herbei, und alle wurden unverletzt herausgeholt, obwohl viele vor Lachen sprachlos waren. Die Aufregung hatte kaum nachgelassen, als Hannah erschien und mit "Mrs. Marchs Empfehlung" alle Damen zum Abendessen bat.

Das war selbst für die Schauspieler eine Überraschung, und als sie den gedeckten Tisch sahen, sahen sie sich staunend an. Es war typisch für Mami, ein kleines Leckerli für jeden von ihnen zu haben, aber so etwas Feines wie hier ward seit den vergangenen Tagen des Überflusses nicht mehr gesehen. Es gab Eis, tatsächlich sogar zwei Schüsseln davon, pink und weiß, Kuchen, Obst, französische Bonbons und in der Mitte des Tisches standen vier große Sträuße mit Treibhausblumen.

Der Anblick raubte ihnen den Atem, und sie starrten abwechselnd den Tisch und dann ihre Mutter an, die aussah, als ob sie es sehr genießen würde.

"Waren das Feen?", fragte Amy.

"Der Weihnachtsmann", sagte Beth.

"Mutter war es." Meg schenkte ihrer Mutter ihr schönstes Lächeln, das man trotz ihres grauen Bartes und ihrer weißen Augenbrauen sehen konnte.

"Tante March war so lieb und hat das Abendessen geschickt", rief Jo, die wohl eine plötzliche Eingebung hatte.

"Alles falsch. Der alte Mr. Laurence hat es geschickt", antwortete Mrs. March.

"Der Großvater des Laurence-Jungen! Was in aller Welt ist in ihn gefahren? Wir kennen ihn ja nicht mal", entfuhr es Meg.

"Hannah hat einem seiner Diener von eurer Frühstücksparty erzählt. Er ist ein seltsamer alter Herr, aber das hat ihm gefallen. Er hat meinen Vater gekannt, und heute Nachmittag schickte er mir eine höfliche Nachricht, in der er mich bat, ihm zu erlauben, seine freundlichen Gefühle für meine Kinder auszudrücken, indem er ihnen zu Ehren des Tages ein paar Kleinigkeiten schickte. Ich konnte nicht ablehnen, und deswegen gibt es heute Abend ein kleines Festessen als Ausgleich für das Frühstück mit Brot und Milch."

"Dieser Junge hat es ihm in den Kopf gesetzt, das weiß ich ganz genau! Er ist ein feiner Kerl, und ich wünschte, wir könnten uns bekanntmachen. Er schaut manchmal so, als wolle er uns kennen lernen, aber er ist schüchtern, und Meg ist so prüde, dass sie mich nicht mal mit ihm sprechen lässt, wenn wir ihn treffen", sagte Jo, als die Teller die Runde machten und das Eis unter vielen zufriedenen 'Ohs' und 'Ahs' immer weniger wurde.

"Du meinst die Leute, die im großen Haus nebenan wohnen, nicht wahr?", fragte eines der Mädchen. "Meine Mutter kennt den alten Mr. Laurence, sagt aber, dass er sehr stolz ist und sich nicht gerne mit seinen Nachbarn einlässt. Er verbietet seinem Enkel den Mund, wenn er nicht gerade mit seinem Lehrer reitet oder spazieren geht, und lässt ihn sehr viel lernen. Wir haben ihn zu unserer Party eingeladen, aber er ist nicht gekommen. Mutter sagt, er ist sehr nett, obwohl er nie mit uns Mädchen spricht."

"Einmal lief unsere Katze weg, und er brachte sie zurück; wir unterhielten uns über den Zaun und machten dabei mächtig Fortschritte, alles über Cricket, und so weiter – bis er Meg kommen sah und wegging. Ich möchte ihn eines Tages kennenlernen, denn er braucht etwas Spaß, da bin ich mir sicher", sagte Jo entschieden.

"Ich mag seine Manieren, und er sieht aus wie ein kleiner Gentleman, also habe ich nichts dagegen, dass ihr ihn kennenlernt, wenn sich die richtige Gelegenheit bietet. Er brachte die Blumen selbst vorbei, und ich hätte ihn hereingebeten, wenn ich mir sicher gewesen wäre, was oben vor sich ging. Er sah so wehmütig aus, als er wegging, das Herumtoben hörte und offensichtlich selbst nichts zu lachen hatte."

"Gott sei Dank, hast du es nicht getan, Mutter!", lachte Jo und sah auf ihre Stiefel. "Aber irgendwann werden wir ein anderes Stück aufführen, das er sehen kann. Vielleicht hilft er beim Schauspielern. Wäre das nicht lustig?"

"Ich hatte noch nie zuvor einen so schönen Strauß! Wie schön er ist!" Meg untersuchte ihre Blumen mit großem Interesse.

"Sie sind alle wunderschön. Aber Beths Rosen gefallen mir am besten", sagte Mrs. March und roch an dem schon halb verwelkten Strauß.

Beth schmiegte sich an sie und flüsterte leise: "Ich wünschte, ich könnte Vater meinen Strauß schicken. Ich fürchte, er hat nicht so ein frohes Weihnachtsfest wie wir."

 

III. DER LAURENCE -JUNGE

 

"Jo! Jo! Wo bist du?", rief Meg vom Fuße der Treppe zum Dachboden.

"Hier!", antwortete eine heisere Stimme von oben, und als Meg hinaufrannte, fand sie ihre Schwester, die, eingehüllt in eine Bettdecke auf einem alten, dreibeinigen Sofa am sonnigen Fenster sitzend, Äpfel aß und über den Erben von Redclyffe weinte. Dies war Jos Lieblingsrefugium, und sie liebte es, sich hierher mit einem halben Dutzend Renetten und einem schönen Buch zurückzuziehen, um die Ruhe und die Gesellschaft einer zahmen Ratte zu genießen, die in der Nähe lebte und sich nicht im Geringsten um sie scherte. Als Meg erschien, verschwand Scrabble in seinem Loch. Jo schüttelte die Tränen von ihren Wangen und wartete gespannt darauf, was es Neues gab.

"So ein Spaß! Sieh nur! Eine echte Einladung von Mrs. Gardiner für morgen Abend", rief Meg, winkte mit dem kostbaren Papier und las es dann mit mädchenhafter Freude.

"'Mrs. Gardiner würde sich freuen, Miss March und Miss Josephine bei einem kleinen Tanz an Silvester begrüßen zu dürfen. Mami ist einverstanden, dass wir gehen sollten, aber was sollen wir anziehen?"

"Was bringt es, sich das zu fragen, wenn du doch weißt, dass wir unser Popelin tragen werden, weil wir schlicht nichts anderes haben", antwortete Jo mit vollem Mund.

"Wenn ich nur etwas aus Seide hätte!", seufzte Meg. "Mutter sagt, vielleicht wenn ich achtzehn bin, aber zwei Jahre sind eine ewige Zeit, um zu warten."

"Ich bin sicher, unsere Popelinkleidung sieht aus wie Seide, und ist schön genug für uns. Deine ist so gut wie neu, aber ich habe den Brandfleck und den Riss in meiner glatt vergessen. Was soll ich nur tun? Den Fleck sieht man sehr gut, und ich kann ihn nicht einfach herausschneiden."

"Du musst stillsitzen, so gut es geht, und niemandem den Rücken zukehren. Die Vorderseite ist in Ordnung. Ich brauche ein neues Band für mein Haar, und Mami wird mir ihre kleine Perlenbrosche leihen, und meine neuen Pantoffeln sind so schön, und meine Handschuhe werden es auch tun, obwohl sie nicht so schön sind, wie ich es gerne hätte."

"Meine sind mit Limonade versaut, und ich kann mir keine neuen leisten, also muss ich auf sie verzichten", sagte Jo, die sich nie viel Sorgen um ihre Kleidung gemacht hat.

"Du musst Handschuhe tragen, sonst gehe ich nicht", rief Meg entschieden. "Handschuhe sind wichtiger als alles andere. Du kannst nicht ohne sie tanzen, und wenn du es doch tust, würde es mich zutiefst beschämen."