Kleines Handbuch für den Umgang mit Unwissen - Nassim Nicholas Taleb - E-Book

Kleines Handbuch für den Umgang mit Unwissen E-Book

Nassim Nicholas Taleb

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  • Herausgeber: Knaus
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Eine Anleitung zum Nach-, Quer- und Gegendenken

»Ich weiß, dass ich nichts weiß«, erkannte bereits Sokrates. Wie wir aber mit dem Unbekannten, mit dem, was wir nicht wissen, faktisch umgehen und idealerweise umgehen sollten, das beschreibt der Risikoforscher und Essayist Nassim Nicholas Taleb in seinem Handbuch. Er enthüllt die Begrenztheiten unserer Datenverliebtheit genauso wie die folgenschweren Irrtümer und Voreingenommenheiten unseres Denkens. So zeigt er, wie uns Denkfehler, falsche Kategorien und blinde Flecken immer wieder in die Irre führen – und wie wir mit Unwissen gewinnbringend umgehen können. Denn: »Für den einen ist ein Irrtum bloß ein Irrtum, für den anderen ist er eine Information.«

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Seitenzahl: 96

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Über das Buch

»Ich weiß, dass ich nichts weiß« erkannte bereits Sokrates. Wie wir aber mit dem Unbekannten, dem, was wir nicht wissen, faktisch umgehen und idealerweise umgehen sollten, das beschreibt Nassim Nicholas Taleb (Autor der Bestseller Der schwarze Schwan undAntifragilität). Er enthüllt die Begrenztheiten unserer Datenverliebtheit genauso wie die folgenschweren Irrtümer und Voreingenommenheiten unseres Denkens.

Der Autor

Nassim Nicholas Taleb, geboren im Libanon, ist Finanzmathematiker, philosophischer Essayist und Forscher in den Bereichen Risiko und Zufall. Seine Einsichten bezieht er in erster Linie aus einer zwanzigjährigen Tätigkeit im Handel mit Derivaten. Taleb lebt in New York.

Zuletzt erschien im Knaus Verlag: Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen.

Nassim Nicholas Taleb

Kleines Handbuch für den Umgang mit Unwissen

Aus dem Englischenvon Susanne Held

Knaus

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Bed of Procrustes. Philosophical and Practical Aphorisms« 2010 bei Random House, einem Verlag der Random House, Inc., New York.

Copyright der Originalausgabe © 2010

by Nassim Nicholas Taleb

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013

beim Albrecht Knaus Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Lektorat: Margret Trebbe-Plath

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München Umschlagillustration: Shutterstock/Marinika

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-11991-1V003www.knaus-verlag.de

Inhalt

Vorwort:Das Bett des Prokrustes

Präludien

Gegenerzählungen

Ontologisches

Das Heilige und das Profane

Zufall, Erfolg, Glück und Stoizismus

Mehr oder weniger charmante Dummkopf-Probleme

Theseus oder Leben wie ein Unzeitgemäßer

Die Gelehrtenrepublik

Das Allgemeine und das Besondere

Narren des Zufalls

Ästhetik

Ethik

Antifragilität

Ludische Verzerrung und Kontextabhängigkeit

Epistemologie und subtraktives Wissen

Das Ärgernis der Prognosen

Die Kunst, Philosoph zu sein – und es zu bleiben

Das Wirtschaftsleben und andere Vulgaritäten

Der Weise, der Schwache und der Großartige

Das Implizite und das Explizite

Variationen über Liebe und Nichtliebe

Ende

Nachwort

Für Alexander N. Taleb

Vorwort:Das Bett des Prokrustes

Prokrustes, eine Gestalt aus der griechischen Mythologie, war ein grausamer Gutsbesitzer, der in Korydallos in Attika lebte, in der Nähe des Weges, der von der Stadt Athen nach Eleusis führte, dem Ort der Mysterienspiele. Prokrustes hatte eine eigenartige Auffassung von Gastfreundschaft: Er entführte Reisende, setzte ihnen ein üppiges Nachtmahl vor und lud sie dann ein, die Nacht in einem höchst sonderbaren Bett zu verbringen. Er wollte Gast und Bett unter allen Umständen passend machen. Zu großen Männern wurden deshalb die Beine mit einer scharfen Axt abgehackt; die zu kleinen wurden auf die richtige Länge gedehnt. (Der eigentliche Name des grausamen Wirts soll Damastes oder Polyphemon gewesen sein, »Prokrustes« ist ein Beiname und bedeutet »der Strecker«.)

In einem Akt wahrer poetischer Gerechtigkeit wurde Prokrustes dann aber mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Einer der Wanderer war der furchtlose Theseus, der im weiteren Verlauf seiner Heldenkarriere den Minotaurus besiegen sollte. Nach dem üblichen Abendessen zwang Theseus Prokrustes in das Bett. Um ihn in gewohnter Perfektion einzupassen, schlug Theseus dem Prokrustes den Kopf ab, womit er der Vorgehensweise von Herkules folgte, Vergehen mit gleicher Münze heimzuzahlen.

In perfideren Versionen der Geschichte (etwa jener aus der Bibliotheca von Pseudo-Apollodor) verfügt Prokrustes über zwei Betten, ein kleines und ein großes – kleinen Opfern wies er das große Bett zu, großen das kleine.

Jeder Aphorismus in diesem Buch handelt letztlich von einer Art Prokrustesbett.1 Es geht um Situationen, in denen wir Menschen mit Grenzen des Wissens konfrontiert werden, mit Dingen, die wir nicht ohne Weiteres begreifen können, mit neuen, unbekannten Sachverhalten. Wir lösen die Spannung, die daraus entsteht, indem wir Leben und Welt in handhabbare Standards zwängen und auf bekannte Kategorien, einen spezifischen Wortschatz und vorgefertigte narrative Muster zurechtstutzen, was dann und wann explosive Konsequenzen hat. Dabei sind wir uns offenbar nicht bewusst, dass wir eine pervertierte Anpassung vornehmen – ähnlich der eines Schneiders, der seinen ganzen Ehrgeiz darein setzt, einen perfekt sitzenden Anzug zu liefern, dieses Ziel allerdings dadurch erreicht, dass er die Gliedmaßen seines Kunden chirurgisch bearbeitet. So scheinen sich beispielsweise nur wenige Menschen über den Widersinn im Klaren zu sein, der darin liegt, mit Hilfe von Pillen das Gehirn von Schulkindern zu verändern, damit sie mit dem Lehrplan besser zurechtkommen, anstatt den Lehrplan an die Kinder anzupassen.

Da Aphorismen ihren Zauber verlieren, wenn sie erklärt werden, bringe ich hier lediglich das zentrale Thema des Buchs zur Sprache und verweise für weitergehende Erörterungen auf das Nachwort. Der Leser findet auf den folgenden Seiten für sich stehende, komprimierte Gedanken, die sich um meine zentrale Frage drehen, wie wir mit dem, was wir nicht wissen, faktisch umgehen und idealerweise umgehen sollten; um Themen also, die eingehender in meinen Büchern Der schwarze Schwan, Narren des Zufalls und Antifragilität behandelt werden.

1 Ich verwende die Metapher vom Prokrustesbett nicht nur dafür, dass wir etwas in die falsche Schublade stecken; meist geht es um eine Inversion, um die Änderung der falschen Variablen – im Bild gesprochen: der Person anstelle des Betts. Man beachte, dass jedes Versagen der Instanz, die wir als »Klugheit« (in Verbindung mit technischem Know-how) zu bezeichnen pflegen, auf eine Prokrustesbett-Situation reduzierbar ist.

Präludien

Der Mensch, dem zu widersprechen man die größte Furcht hat, ist man selbst.

Eine Idee beginnt dann interessant zu werden, wenn man Angst hat, sie konsequent zu Ende zu denken.

Pharmazieunternehmen verstehen sich besser darauf, Krankheiten zu erfinden, die zu existierenden Medikamenten passen, als Medikamente zu erfinden, die zu existierenden Krankheiten passen.

Um die befreiende Wirkung der Askese zu verstehen, sollte man bedenken, dass es weniger schmerzhaft ist, sein gesamtes Vermögen zu verlieren als nur die Hälfte.

Will man einen Narren zugrunde richten, versorge man ihn mit Informationen.

Die akademische Welt verhält sich zum Wissen wie die Prostitution zur Liebe; an der Oberfläche scheint es gewisse Ähnlichkeiten zu geben, doch für den Unverblendeten ist es nicht dasselbe.2

In der Wissenschaft muss man die Welt verstehen; im Geschäftsleben muss man andere dazu bringen, die Welt misszuverstehen.

Ich vermute, Sokrates wurde hingerichtet, weil zu klares Denken über die Maßen unattraktiv, befremdlich und unmenschlich ist.

Bildung macht den Weisen etwas weiser, den Narren hingegen sehr viel gefährlicher.

Die Originalität einer Idee erweist sich nicht dadurch, dass sie keinen Vorgänger hat, sondern dadurch, dass es viele, aber miteinander unvereinbare waren.

Die doppelte Strafe der Moderne besteht darin, uns vorzeitig altern und länger leben zu lassen.

Ein Gelehrter ist jemand, der nicht alles zur Schau stellt, was er weiß; bei Journalisten oder Beratern verhält es sich umgekehrt.

Das Gehirn ist am intelligentesten, wenn man ihm keine Vorgaben macht – Leute, die unter der Dusche stehen, entdecken das gelegentlich.

Wenn der eigene Zorn mit der Zeit nachlässt, hat man unrecht gehandelt; wird er stärker, hat man Unrecht erlitten.

Wer glaubt, bei einer Religion gehe es um den »Glauben«, versteht die Religion nicht und nicht den Glauben.

Arbeit zerstört Ihre Seele, indem sie in den Stunden, die nicht offiziell der Arbeit gewidmet sind, heimlich Ihr Gehirn besetzt; seien Sie also wählerisch bei der Berufswahl.

Ich frage mich, ob diejenigen, die den Wert von Großzügigkeit mit dem Argument preisen, sie zahle sich aus, sich ihrer Widersprüchlichkeit bewusst sind; oder ob es sich bei dem, was sie Großzügigkeit nennen, nicht vielmehr lediglich um eine raffinierte Investmentstrategie handelt.3

In der Natur wiederholen wir niemals ein und dieselbe Bewegung; in der Gefangenschaft (Büro, Fitnessstudio, Weg zur Arbeit, Sport) wird Leben zu einer Dauerschädigung aufgrund wiederkehrender Belastung. Kein Platz für den Zufall.

Wer als Entschuldigung anführt, anderen gehe der gesunde Menschenverstand ab, lässt ihn selbst vermissen.

Mit der Zwangsjacke strenger (aristotelischer) Logik übereinzustimmen, ist nicht dasselbe wie fatale Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.

Die Wirtschaftswissenschaft wird mit der Idee nicht fertig, dass das Kollektiv (und die Gesamtheit) unverhältnismäßig weniger vorhersehbar sind als das Individuum.

Man rede im Zusammenhang mit langer Lebensdauer, Sicherheit oder Bequemlichkeit nicht von »Fortschritt«, bevor man nicht Tiere im Zoo mit Tieren in der freien Wildbahn verglichen hat.

Wenn man morgens mit einiger Genauigkeit sagen kann, wie der Tag aussehen wird, ist man schon ein bisschen tot – je höher die Genauigkeit, desto toter.

Zwischen Eis und Wasser gibt es keine Übergangszone, zwischen Leben und Tod schon: geregelte Arbeit.

Ein ausgewogenes Leben führen wir, wenn das meiste von dem, was wir fürchten, die prickelnde Anmutung von Abenteuer hat.

Prokrastination ist das Aufbegehren der Seele gegen ihre Gefangenschaft.

Niemand will vollkommen transparent sein; nicht für andere und gewiss nicht für sich selbst.

2 Hier muss ich präzisieren: Es gibt Ausnahmen, kennt man doch auch zahlreiche Fälle von Prostituierten, die sich in einen Kunden verliebt haben.

3 Ein Akt der Großzügigkeit ist dadurch definiert, dass er nicht mit einer Gegenleistung rechnet, sei sie finanzieller, sozialer oder emotionaler Art; ein deontischer Akt (bedingungslose Einhaltung von Pflichten), kein utilitaristischer (der auf einen kollektiven oder individuellen Vorteil oder Gewinn zielt).

Gegenerzählungen

Am wirkungsvollsten rächt man sich an einem Lügner, indem man ihn glauben macht, man nehme ihm seine Lügen ab.

Wenn wir etwas zu tun beabsichtigen, von dem wir unbewusst annehmen, es sei zum Scheitern verurteilt, dann suchen wir bei anderen Rat, um jemanden zu haben, dem wir das Scheitern in die Schuhe schieben können.

Es ist schwerer, Nein zu sagen, wenn man es ernst meint, als wenn man es nicht ernst meint.

Sag nie zweimal Nein, wenn es dir wirklich ernst damit ist.

Ihr Ruf wird am stärksten durch das beeinträchtigt, was Sie zu seiner Verteidigung vorbringen.

Das einzige objektive Merkmal für das Älterwerden ist, dass jemand anfängt, über das Älterwerden zu sprechen.

Man wird um Erfolg, Wohlstand, Intelligenz, Aussehen, gesellschaftlichen Status beneidet – kaum aber je um Weisheit.

Das meiste von dem, was gemeinhin als Bescheidenheit bezeichnet wird, ist nichts anderes als erfolgreich verborgene Arroganz.

Wenn man jemanden dazu bringen will, ein bestimmtes Buch zu lesen, braucht man es nur als überschätzt zu bezeichnen.

Eine Auseinandersetzung haben Sie erst in dem Moment gewonnen, da man anfängt, Ihre Person zu attackieren.

Nichts ist dauerhafter als »vorübergehende« Arrangements, Mängel, Vereinbarungen und Beziehungen; und nichts vergänglicher als »dauerhafte«.

Am unangenehmsten sind nicht die Stunden, die wir mit uninteressanten Leuten verbringen, sondern jene, die wir mit uninteressanten Leuten verbringen, die sich mit aller Gewalt interessant machen wollen.

Hass ist Liebe mit einem Fehler im Programmiercode – korrigierbar, aber sehr schwer aufzuspüren.

Ich frage mich, ob mein ärgster Feind eifersüchtig würde, wenn er herausfände, dass ich einen anderen hasse.

Das charakteristische Merkmal eines Versagers besteht darin, über menschliche Schwächen, Vorurteile, Widersprüchlichkeiten und Irrationalismen zu schwadronieren, ohne sie als Quelle von Witz und Profit zu benutzen.

Dass einem ein Buch wirklich gefallen hat, kann man daran erkennen, dass (und wie oft) man es noch einmal gelesen hat; dass man sich in der Gesellschaft eines Menschen wirklich wohlgefühlt hat, kann man daran erkennen, dass man ihn wieder (und wieder) sehen will – alles andere ist Augenwischerei oder die Art von Gefühlsduselei, die man heutzutage Selbstwertgefühl nennt.

Wir fragen: Warum ist er reich (oder arm)?, nicht: Warum ist er nicht reicher (oder ärmer)?; Warum ist die Krise so tief?, nicht: Warum ist sie nicht tiefer?

Hass lässt sich ungleich viel schwerer heucheln als Liebe. Man spricht von vorgegaukelter Liebe, nie aber von vorgegaukeltem Hass.

Das Gegenteil von Männlichkeit ist nicht Feigheit, sondern Technologie.