Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - Burkhard Voß - E-Book

Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer E-Book

Burkhard Voß

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Beschreibung

Von Neurosen, Phobien und andere Psychosen – Eine Polemik

Wenn Schüchternheit plötzlich »soziale Phobie« heißt und therapiewürdig geworden ist, sollten die Alarmglocken einsetzen. Laut Weltgesundheitsorganisation sollen psychische Erkrankungen in den nächsten Jahrzehnten dramatisch zunehmen. Doch stimmt dies wirklich? Immer häufiger wird das Gewöhnliche, Banale und Alltägliche so mit enormer Bedeutung aufgepumpt, dass die Psychoanalyse alle widersprüchlichen seelischen Regungen als Neurose klassifizieren kann. Daran hängt nicht nur eine milliardenschwere Industrie von Pharmakonzernen, Psychologen und Psycho-Ratgebern – alle, die sich mit der Thematik befassen, werden davon überrollt. So bietet dieses Lexikon viele Informationen, in erster Linie aber auch eine Menge Zündstoff.

  • Informativ, brisant und dabei noch unterhaltsam
  • Lesevergnügen pur von einem Autor, der seinen eigenen Berufsstand aufs Korn nimmt

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GÜTERSLOHER VERLAGSHAUS

Dr. Burkhard Voß, geboren 1963, studierte von 1985 bis 1991 Medizin in Münster, anschließend folgte die Ausbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Von 2001 bis 2004 leitete Burkhard Voß den sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Krefeld. Nach dem Erhalt der Zusatzbezeichnung Psychotherapie arbeitet er seit 2005 in eigener Praxis als Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Krefeld.

Inhaltsverzeichnis

GÜTERSLOHER VERLAGSHAUSÜber den AutorInschriftVorwortA
AbhängigkeitAbstinenzAchtsamkeitAgrammatismusAlkoholismusAlternative PsychiatrieAmbivalenzAnamnese, biografischeAnxious discomfortableAnfall, hysterischerAngsterkrankungenAnpassungsstörungAnstalt, geschlosseneAnti-AgingAntidepressivaArbeitspsychologieAstrologeAufarbeitenAyurveda
B
Bedeutungserleben, wahnhaftesBedürfnisseBenzodiazepin-AbhängigkeitBeratung, institutionalisierte und professionalisierteBeratungsstörungBetreuungsgesetzBetreuung, psychologischeBetriebspsychiaterBiologische PsychiatrieBiologische UhrBipolare ErkrankungBorderlineExkursBore-outBurn-out
C
Chirurgie, kosmetischeChronic-Fatigue-Syndrom (CFS)Cinderella-KomplexClowns in psychiatrischen KlinikenCoaching, systemisches
D
DarmsanierungDemenzDenken, magischesDepressionDeutungDiagnoseDummheit
E
ElektrosmogEnergetikEngel-TherapieEntschädigungsneuroseEntscheidungsfindungsgruppeEntschlackenEpidemie, psychischeEpikriseErlebnis, traumatischesErnährungsberaterinErwartungsangstErziehungsberatungsstelleEsoterikExhibitionismusExorzismus
F
False-Memory-SyndromFamilienaufstellungFamilientherapieFeng-ShuiFrustrationstoleranz
G
GeburtstraumaGenderGenetischGesprächstherapieGesprächstherapie, defokussierendeGespürGesundGesundheits-CoachGewalt-Krisen-Trauma-CoachGleichstellungsbeauftragteGruppentherapie
H
Hilfe, professionelleHintergrund, komplex-familiärerHypochondrieHypochondrische BefürchtungHysterieHysterikerinnen, Gebrauchsanweisung fürHysterikerinnen, Trostworte für
I
ICD-10ImpulskontrollstörungIntelligenz, emotionale
K
Katathymes BilderlebenKindheitKindheit, schlimmeKleptomanieKonfabulationKortison und andere GifteKränkung
L
LampenfieberLebensunzufriedenheitExkursLoslassen
M
Medizin, holistischeMethadonMissbrauchsopferMobbingopferMultiple Chemical SensitivityMultiple Persönlichkeit
N
Neurologie, Arzt fürNarzissten, Trostworte fürNarzisstinnen, Trostworte fürNeurose
O
Ödipus-KomplexExkursOrthorexieOverprotection
P
PaartherapiePanikParamedizinParanoikerPersönlichkeitsstörungenPersönlichkeitsstörung, zwanghafteExkursPhobienPositives DenkenPosttraumatische BelastungsstörungProblembewusstseinPsychiater, schweigenderPsychiatriePsychiatrie, Arzt fürPsychiatrie, Chefarzt derPsychische ErkrankungPsychoanalysePsychodramaPsychohygienePsychopharmakaPsychoratgeberPsychosePsychotherapeutische Medizin, Facharzt fürPsychotherapiePsychotherapie, spirituellePsychotraumatologie
Q
QualitätsmanagementQualitätszertifikatQuartalssäuferQuerulanten
R
Rehabilitation, psychosomatischeRentenneuroseRuhestand
S
SchizoideSchmerz, seelischerSelbstfürsorgeSelbstbeobachtungSelbsthilfegruppenSissi-SyndromSozialpsychologeStalkingStimulanzienStörungStressSuchttherapeutSupervision
T
TäterTiefenpsychologieThematisierenTherapiejargonTherapeut, guterTherapeut, schlechterTherapiekulturTierheilpraktikerToleranzTraumdeutung ITraumdeutung II
U
Über-IchUnbewusstUrschrei
V
VerlustängsteVersorgung, psychosozialeVerständnis
W
Wasserlassen, schamhaftesExkursWille, freierWohlbefinden und Lebensqualität, Steigerung von
Z
ZertifizierungZwangsneurose
Anhang
Der Terminologie-GeneratorHitliste der dümmsten Therapeutensprüche  – und was sie in Wahrheit bedeuten
Platz 10: »Das braucht Zeit.«Platz 9: »Wozu ist das Problem da?«Platz 8: »Horchen Sie in sich hinein.«Platz 7:»Gehen Sie achtsam mit sich um.«Platz 6: »Die Lösung zum Problem haben Sie bereits in sich.«Platz 5: »Achten Sie auf Empfindungen von Druck, Spannung oder Ermüdung.«Platz 4: »Atmen Sie bitte weiter.«Platz 3: »Entspannen … Loslassen.«Platz 2: »Sie träumen und Sie assoziieren so schön.«Platz 1: »Nehmen Sie nur Patienten, die Ihnen guttun.«
LiteraturCopyright

… Worte wie ein Offenbarungswort untersuchen und von der Deutung das eigene Lebensglück abhängig machen. Nichts kann verfehlter sein …

Franz Kafka

Vorwort

Psychische Erkrankungen sollen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den nächsten Jahrzehnten dramatisch zunehmen. Stimmt das wirklich? Schauen wir uns doch zunächst einmal die Definition von Gesundheit durch die WHO an: »Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.« Eine solch utopische Definition lässt gerade den Vorrat an den weniger objektivierbaren psychischen Erkrankungen ins Gigantische anwachsen. Und psychische Erkrankungen sind mehr als organische immer im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zu sehen. So gehören Angsterkrankungen in Deutschland mittlerweile zum guten Ton, während sie in Italien kaum verbreitet sind. Mindestens 50 % aller Krankschreibungen hinsichtlich psychischer Erkrankungen halten einer kritischen Überprüfung nicht stand und 80 % der Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sind schlichtweg falsch. Unsere Gegenwartskultur ist maßgeblich geprägt vom philosophischen Konzept der Postmoderne. Dieses nebulöse Zeitgeistphänomen räumt subjektiven Sichtweisen und Interessen letztlich den Vorrang vor Fakten und Beweisen ein. Bei kritischer Betrachtung löst sich das Konzept jedoch als eleganter Unsinn auf. Gegenwärtig kann jedoch davon nicht die Rede sein. Im Gegenteil, es besteht eine deutliche Tendenz darin, das Gewöhnliche und Banale so mit Bedeutung aufzupumpen, dass alle Aspekte des Alltäglichen von enormer Wichtigkeit geworden sind. Und mit der Psychoanalyse können alle widersprüchlichen seelischen Regungen als Neurose klassifiziert werden. Die Tyrannei der Banalität kann beginnen.

Wenn ich kritisch genug hinterfragt habe, was mein innerstes Selbst tatsächlich will, was ich dringend und was ich weniger dringend benötige, und wenn ich hierüber mit meinem Gegenüber in Kommunikation treten kann, dann kann sich durchaus eine Gelegenheit ergeben, wo über die wirklichen Probleme gesprochen werden kann, um eine bewusstseinsnähere Kultur zu ermöglichen.

Durch dieses spezifische Vokabular wird eine Reflexivität ermöglicht, die Endlosschleifen von unbefriedigten Bedürfnissen erzeugt.

Wie krank muss eine Gesellschaft sein, die es zulässt, dass Probleme nur so formuliert werden, dass Psychologen sie lösen können?

Es existieren derzeit mindestens 2.500 Persönlichkeitstests, an denen eine milliardenschwere Industrie hängt.

Auf der anderen Seite wird die Hirnforschung in den nächsten Jahren in der Lage sein, für jedes Verhalten eine zelluläre bzw. molekulare Grundlage zu finden, natürlich inklusive psychopharmakologischer Beeinflussung.

Für die Hersteller von Psychopharmaka ist die breite Masse der Bürger ein riesiger Markt, stellen die psychischen »Erkrankungen« gleichsam eine schlummernde Goldreserve dar. Und dank geschickter Veröffentlichungen ist aus der normalen Schüchternheit ein klinisches Leiden geworden, welches nun »soziale Phobie« heißt. Das hiergegen angeblich wirksame Antidepressivum Paroxetin kann nun Millionen unter Schüchternheit leidenden Menschen verschrieben werden.

Doch was Therapiebedürftigkeit ist, bestimmen nicht nur Pharmakonzerne und Psychologen, sondern in zunehmendem Maße jeder, der sich mit Psychoratgebern befasst. Er kann sich aus dem Internet das Entsprechende zurechtlesen und -legen. Es werden sich therapeutische Subkulturen entwickeln. Ein Fass ohne Boden hat begonnen sich zu öffnen. Daran wird auch dieses Buch nichts ändern. Aber es ist mir ein Vergnügen, dem Zeitgeist einmal so richtig die Ohren lang zu ziehen! Der Stil ist bewusst sarkastisch bis polemisch. In einer Zeit, in der Behinderung für manche Intellektuelle eine Stigmatisierung darstellt und durch die Bezeichnung Menschen mit besonderen Eigenschaften ersetzt werden sollte, in der in den USA die Idee aufkam, kleinwüchsige Menschen als »vertically changed people« zu bezeichnen, um sie ja nicht zu stigmatisieren, reicht ein einfacher Klartext meines Erachtens nicht aus. Hier muss der Kontrapunkt zur allumgreifenden Nivellierung und Egalisierung schon wesentlich deutlicher ausfallen.

Die Durchpsychologisierung der Gesellschaft hat den Menschen nicht gutgetan. Denn die meisten sozialen Konflikte und Gespräche sind in einer komplizierten Welt noch komplizierter geworden.

Dr. Burkhard Voß

Krefeld, im Herbst 2011

A

Abhängigkeit

Abhängigkeit rein negativ zu sehen, wäre verkehrt. Wir alle sind abhängig von Luft, Liebe, Räuschen und Ritualen. Doch die verhängnisvollsten Abhängigkeiten sind nicht die von Alkohol, Nikotin oder anderen Genussmitteln, sondern die sich schleichend entwickelnde Abhängigkeit von Therapeuten oder professionellen Beratern, ohne die die meisten Menschen zu einer eigenen Entscheidung kaum noch fähig sind.

Abstinenz

Langweiliger therapeutischer Ratschlag von humorlosen und staubtrockenen Vertretern der psychotherapeutischen Zunft, die schon in Kindheit und Jugend als nörgelnde Spielverderber auffielen.

Achtsamkeit

Die Therapeuten, die bei Hempels unterm Sofa aufgewachsen sind, besuchen nach dem Studium Kurse über Achtsamkeit und Empathie. Damit können sie ihre Patientinnen achtsam zur Couch führen, um dann gemeinsam fürsorgevoll und empathisch zu entspannen.

Agrammatismus

Ausdruck einer formalen Denkstörung in der Gruppe der Schizophrenien. Rein formal betrachtet. In Zeiten der Nivellierung und Egalisierung durchaus normale Kommunikationskultur in der sprachlichen Verarmung. Ein wesentlicher Baustein hierfür scheint mir die Rechtschreibreform zu sein, die nichts anderes war als eine Prostituierung mit der Mittelmäßigkeit.

Alkoholismus

Alkoholkonsum wird heute eingeteilt in moderaten, überdurchschnittlichen, riskanten und Hochkonsum. Wie spannend! Die Realität spricht eine andere Sprache. Goethe trank bis zu drei Liter Rotwein pro Abend, und sogenannten Suchtmedizinern fällt nichts Besseres ein, als die schillerndsten Gestalten der Geschichte wie Winston Churchill, Humphrey Bogart oder Edith Piaf (die Liste ließe sich beliebig fortsetzen) zu Alkoholikern abzustempeln. Die inspirierendsten Werke der Weltliteratur wären ohne den Einfluss von Alkohol wahrscheinlich gar nicht erst entstanden.

Alternative Psychiatrie

Steigerung der schon bestehenden Begriffsverwirrung in der psychiatrischen Disziplin. Intellektuell auf dem Niveau von Schamanismus, Knochen-in-die-Luft-Werfen und Kaffeesatzlesen. Verursacht mehr Neuerkrankungen als Heilungen, was wiederum der schulmedizinischen Psychiatrie zugutekommt.

Ambivalenz

Der Luxus vieler Menschen, nicht zu wissen, was man eigentlich möchte. Wird es dann doch einmal gewusst, kann ohne ein reflektierendes, supervidierendes und natürlich empathisch-therapeutisches Gesprächssetting keine eigene Entscheidung getroffen werden. Ambivalenz ist der Motor der Beratungsindustrie, die in schulmedizinischer Verkleidung als Psychotherapie erstrahlt. Die an sie gestellten Erwartungen erfüllen sich so gut wie nie.

Anamnese, biografische

Hinsichtlich der Kausalität reichlich überbewertete Befragung des Patienten nach seiner Lebensgeschichte. Die Theorien der psycho-mythologischen Mottenkiste können hierbei gut angewendet werden, und Psychotraumatologen bekommen mit dem Patienten die einmalige Chance, das unverarbeitete Trauma zu bewältigen, wie einem Vierjährigen der Schnuller weggerissen wurde.

Anxious discomfortable

Übersetzt: Angst vor ungewohnten Anstrengungen. Früher nannte man das Faulheit. Altkanzler Gerhard Schröder (Sie wissen schon: der joviale Kumpeltyp im Nadelstreifenanzug, der schon mal im Vorbeigehen ganze Berufsgruppen verunglimpfte durch Bemerkungen wie »Lehrer, sind wir doch mal ehrlich, sind doch alles faule Säcke«, dann aber auch mal wieder die deutsche Volksseele erwärmen konnte mit Sprüchen wie »Gib mir mal ne Pulle Bier, sonst streik ich hier«) verstieg sich gar zu der Aussage: »Es gibt kein Recht auf Faulheit.« Und das als Sozi! Von wegen. Das Recht auf Faulheit ist nun auch medizinischpsychotherapeutisch abgesegnet als anxious discomfortable.

Anfall, hysterischer

Der Situation nicht angemessenes, völlig unkontrolliertes und enthemmtes Verhalten in Form von Toben, Schreien, Grimassieren, etc.

Jenseits des klinischen Alltags häufig zu beobachtendes Phänomen in Talk-Shows oder des neudeutschen Betroffenheits-Journalismus.

Angsterkrankungen

Jenseits des neurobiologischen Dogmas die logische Konsequenz einer zunehmenden Absicherungs- und Risikovermeidungsgesellschaft. Wie die meisten psychischen Erkrankungen sind auch Angsterkrankungen Kulturkrankheiten. Es sind die direkten Folgen einer Gesellschaft, die ihr Heil in persönlicher Absicherung, Gesundheit und Erfolg festgeschrieben hat.

Anpassungsstörung

Sie sind freundlich, engagiert und können sich rasch auf neue Situationen einstellen?

Ja, dann kann man bei Ihnen ja noch nicht einmal eine Anpassungsstörung diagnostizieren! Ein Zustand mit subjektivem Leid und emotionalen Schwierigkeiten nach einem entscheidenden Lebensereignis, was immer das auch sein mag.

Anstalt, geschlossene