Kleintiere stressarm behandeln - Barbara Schneider - E-Book

Kleintiere stressarm behandeln E-Book

Barbara Schneider

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Beschreibung

Die erfahrenen Autorinnen geben konkrete Empfehlungen für eine optimierte Praxiseinrichtung. Auch Low-stress Handling-Techniken, die korrekte Deutung der tierischen Körpersprache und der tierfreundliche Umgang mit Hunden, Katzen, Heimtieren und Vögeln werden ausführlich thematisiert. Mit praktischen Tipps und Tricks lässt sich die „Mitarbeit“ der Tiere bei der Untersuchung deutlich verbessern. Das Buch richtet sich an alle Kleintierpraktiker, die ihren Umgang mit den tierischen Patienten so tierfreundlich und erfolgreich wie möglich gestalten möchten. Das besondere Plus sind die Handouts im Anhang des Buches zur Schulung der Tierbesitzer. x Tierfreundlich: Effizient und stressfrei mit zufriedenen Tierhaltern und Patienten x Up-to-date: Low-stress Handling-Techniken, Praxistipps und Empfehlungen zur optimalen Praxiseinrichtung x Plus: Handouts zur Schulung der Tierbesitzer

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Kleintiere stressarm behandeln

Handling – Beratung – Praxisgestaltung

Barbara Schneider, Dorothea Döring, Daphne Ketter

70 Abbildungen

Vorwort

Für viele Tiere ist der Besuch beim Tierarzt mit Angst und Stress verbunden. Diese Belastungen lassen sich jedoch vermeiden oder zumindest reduzieren, was aus Tierschutzgründen anzustreben ist. Aber auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist es sinnvoll, den Aufenthalt in einer Tierarztpraxis oder Tierklinik so angenehm wie möglich für Patienten und Besitzer zu gestalten. Denn je wohler sich das Tier beim Tierarzt fühlt, desto eher wird der Besitzer mit ihm auch wieder dorthin zurückkehren. Nicht zuletzt wird der Praxisalltag auch für Tierärztinnen und Tierärzte sowie das Personal angenehmer, entspannter und sicherer. Durch eine Anpassung der Praxis und der Abläufe an die Bedürfnisse der Tiere, durch eine adäquate Beratung der Besitzer und eine sinnvolle Vorbereitung kann man auch im hektischen Praxisalltag einiges erreichen.

Wir möchten daher mit diesem Buch allen praktizierenden Kolleginnen und Kollegen eine einfache Hilfe an die Hand geben, um mit leicht umsetzbaren Maßnahmen eine deutliche Stressreduktion bei der Behandlung zu erreichen. In diesem Buch, das auf unserer jahrelangen Erfahrung in den Bereichen Verhaltenskunde und Tierschutz basiert, zeigen wir daher, dass oft schon durch einfache Veränderungen ein deutlich entspannteres Arbeiten mit den tierischen Patienten möglich sein kann. Zusätzlich informieren wir auch darüber, wie man erkennen kann, ob ein Patient gestresst ist oder Schmerzen hat.

Wir hoffen, dass dieses Buch dazu beiträgt, den Tierarztbesuch nicht nur für Besitzer und Tierärzte, sondern vor allem für die Tiere angenehmer zu gestalten.

Es war uns ein ganz besonderes Anliegen, dieses Buch zu schreiben, und wir wollen uns in erster Linie ganz herzlich bei Frau Dr. Sandra Schmidt bedanken, die das Projekt sofort unterstützt hat, und uns in ihrer kompetenten, freundlichen und vor allem geduldigen Art betreut hat. Auch Frau Désirée Schwarz gilt unser Dank für die weitere, wunderbare Begleitung des Buches.

Zu guter Letzt möchten wir noch all den anderen Menschen danken, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass dieses Buch in der vorliegenden Form möglich gemacht wurde. Wir bedanken uns zunächst ganz herzlich bei unseren Fotografinnen und Fotografen Dr. Ilona Backofen, Britta Brandl, Jane Englmeier, Sandra Pedretti, Dr. Maria Stobbe, Stephan Vollmar und Dr. Pia Zausinger für ihre anschaulichen Fotos. Wir bedanken uns außerdem sehr bei Herrn Prof. Rüdiger Korbel für seine hilfreichen Korrekturen und Anmerkungen zum Vogelkapitel. Ein spezieller, besonders herzlicher Dank geht auch an unsere wundervollen Familien, die uns mit viel Geduld und Liebe durch dieses Projekt begleitet haben.

Im gesamten Buch wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form (z.B. Tierarzt etc.) verwendet, dennoch sind selbstverständlich auch unsere Kolleginnen ausdrücklich angesprochen.

Syndey und München, Sommer 2018

Barbara Schneider, Dorothea Döring und Daphne Ketter

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Die Kleintierpraxis und ihre Patienten – Einführung

1.1 Gestaltung von Empfang und Wartezimmer

1.1.1 Empfangsbereich

1.1.2 Wartezimmer

1.1.3 Ausgang

1.1.4 Schallreduktion und Böden

1.2 Gestaltung des Behandlungsraumes

1.2.1 Beleuchtung

1.2.2 Taktile Reize

1.2.3 Gerüche

1.3 Gestaltung des stationären Bereiches

1.4 Handling der Patienten

1.4.1 Fixierung

1.4.2 Hilfsmittel

1.5 Gegenkonditionierung

1.5.1 Jungtiere

1.5.2 Erwachsene Tiere

1.6 Anleitung der Patientenbesitzer

1.6.1 Autofahrt

1.6.2 Medical Training

1.6.3 Im Wartezimmer

1.6.4 Im Behandlungsraum

1.7 Euthanasie

1.8 Literatur

2 Hunde

2.1 Allgemeines

2.1.1 Angstverhalten bei Hunden in der Tierarztpraxis

2.1.2 Kommunikationsformen

2.1.3 Schmerzen

2.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

2.2.1 Züchter

2.2.2 Hundeerziehung

2.2.3 Halsband, Brustgeschirr, Leine und Maulkorb

2.2.4 Der Weg zum Tierarzt und Auslastung vor dem Tierarztbesuch

2.3 Situationen in der Tierarztpraxis

2.3.1 Mensch-Hund-Begegnungen

2.3.2 Behandlungsraum und Handling des Patienten

2.3.3 Vertrauensbildende Maßnahmen im Praxisalltag

2.3.4 Weitere Hilfsmittel in der Tierarztpraxis

2.3.5 Tabletteneingabe

2.3.6 Stationärer Aufenthalt

2.4 Nach dem Tierarztbesuch

2.5 Literatur

3 Katzen

3.1 Allgemeines

3.1.1 Normalverhalten und Implikationen für die Tierarztpraxis

3.1.2 Körpersprache

3.1.3 Vokalisation

3.1.4 Erkennen von Schmerzen

3.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

3.2.1 Gewöhnung an den Katzenkorb

3.2.2 Medical Training

3.2.3 Der Weg zum Tierarzt

3.3 Situationen in der Tierarztpraxis

3.3.1 Vorbereitung des Behandlungsraumes

3.3.2 Handling des Patienten

3.3.3 Stationärer Aufenthalt

3.4 Nach dem Tierarztbesuch

3.4.1 Probleme nach großer Erregung

3.4.2 Probleme durch Nichterkennen

3.5 Literatur

4 Kaninchen

4.1 Allgemeines

4.1.1 Körpersprache

4.1.2 Vokalisation

4.1.3 Erkennen von Schmerzen

4.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

4.2.1 Augenmerk auf Besonderheiten

4.2.2 Hinweise an Besitzer

4.2.3 Vorbereitende Maßnahmen

4.3 Situationen in der Tierarztpraxis

4.3.1 Handling

4.3.2 Stationärer Aufenthalt

4.4 Nach dem Tierarztbesuch

4.4.1 Vorsichtsmaßnahmen

4.5 Literatur

5 Meerschweinchen

5.1 Allgemeines

5.1.1 Normalverhalten und Implikationen für die Tierarztpraxis

5.1.2 Körpersprache

5.1.3 Vokalisation

5.1.4 Erkennen von Schmerzen

5.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

5.3 Situationen in der Tierarztpraxis

5.3.1 Handling

5.3.2 Stationärer Aufenthalt

5.4 Nach dem Tierarztbesuch

5.5 Literatur

6 Goldhamster

6.1 Allgemeines

6.1.1 Körpersprache

6.1.2 Vokalisation

6.1.3 Erkennen von Schmerzen

6.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

6.2.1 Augenmerk auf Besonderheiten

6.2.2 Hinweise an Besitzer

6.2.3 Vorbereitende Maßnahmen

6.3 Situationen in der Tierarztpraxis

6.3.1 Handling

6.4 Literatur

7 Ratten

7.1 Allgemeines

7.1.1 Körpersprache

7.1.2 Vokalisation

7.1.3 Erkennen von Schmerzen

7.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

7.2.1 Augenmerk auf Besonderheiten

7.2.2 Hinweise an Besitzer

7.2.3 Vorbereitende Maßnahmen

7.3 Situationen in der Tierarztpraxis

7.3.1 Handling

7.4 Nach dem Tierarztbesuch

7.4.1 Vorsichtsmaßnahmen

7.5 Literatur

8 Weitere kleine Heimtiere

8.1 Allgemeines

8.2 Mäuse

8.2.1 Körpersprache

8.2.2 Vokalisation

8.2.3 Erkennen von Schmerzen

8.2.4 Handling

8.3 Degus

8.3.1 Körpersprache

8.3.2 Vokalisation

8.3.3 Erkennen von Schmerzen

8.3.4 Handling

8.4 Chinchillas

8.4.1 Körpersprache

8.4.2 Vokalisation

8.4.3 Erkennen von Schmerzen

8.4.4 Handling

8.5 Literatur

9 Vögel

9.1 Allgemeines

9.1.1 Körpersprache

9.1.2 Vokalisation

9.1.3 Erkennen von Schmerzen

9.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

9.2.1 Handzahmheit trainieren

9.2.2 Einfangen und fixieren trainieren

9.2.3 Kommandos trainieren (für Großpapageien)

9.2.4 Transportkäfig

9.3 Situationen in der Tierarztpraxis

9.3.1 Handling

9.3.2 Stationärer Aufenthalt

9.4 Literatur

10 Anhang

10.1 Gewöhnung an Autofahrt (Hund/Katze)

10.2 Liegeplatztraining

10.3 Maulkorbtraining

10.4 Gewöhnung an Transportbox (Katze)

10.5 Tabletteneingabe bei der Katze

10.6 Kleine Heimtiere: Gewöhnungstraining

10.7 Kleine Heimtiere: Vorbereitung auf Tierarztbesuch

10.8 Schmerzerkennung beim Kaninchen

10.9 Schmerzerkennung bei der Ratte

Autorenvorstellung

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Die Kleintierpraxis und ihre Patienten – Einführung

Barbara Schneider

An eine moderne Kleintierpraxis werden heutzutage sowohl vom tierärztlichen Team als auch von Klienten bzw. Patientenbesitzern hohe Anforderungen gestellt. Die eigene Praxis soll selbstverständlich funktionell und hygienisch sein, aber gleichzeitig auch freundlich und angenehm wirken. Zudem soll in der Regel die Praxis-Philosophie gleich auf den ersten Blick erkennbar sein; die Räume sind somit eine Art Aushängeschild der Praxis.

Tierbesitzer wünschen sich fachlich kompetente Tierärzte. Neben dem fachlichen Können spielen für die Klienten dabei jedoch auch andere Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nach einer Studie von Bergler ▶ [5] etwa wünschen sich 80% der Befragten einen Tierarzt mit Einfühlsamkeit für Mensch und Tier. Für 86% der Befragten ist zudem die „Tierliebe“ des Tierarztes von Bedeutung. Wenn ein Tierarzt als besonders tierlieb empfunden wird, oder wenn das eigene Tier bei einem bestimmten Tierarzt wenig Angstverhalten und Stress zeigt, dann neigen die Besitzer dazu, diesen Tierarzt in Zukunft öfter aufzusuchen. Eine tierfreundliche Tierarztpraxis ist somit nicht nur aus Tierschutzgründen erstrebenswert, sondern auch unter ökonomischen Gesichtspunkten.

Es ist nicht immer einfach, allen Ansprüchen an eine moderne Kleintierpraxis gerecht zu werden, und Kompromisse sind oft notwendig. Da auch häufig bereits bestehende Räumlichkeiten für eine Praxis genutzt werden, sind die Möglichkeiten für Umbaumaßnahmen oder größere Umgestaltungen im Einzelfall deutlich begrenzt. Dennoch können verschiedene bauliche Maßnahmen getroffen oder aber Räume mit teilweise einfachen Mitteln umgestaltet werden, um eine Praxis tierfreundlicher zu gestalten.

Neben den räumlichen Gegebenheiten ist – wie bereits erwähnt – der Umgang mit den Tieren ein wesentlicher Faktor hinsichtlich der Tierfreundlichkeit einer Praxis. Dafür ist eine entsprechende Schulung des Personals, aber auch der Patientenbesitzer im Umgang mit Tieren in der Tierarztpraxis erforderlich.

Im Folgenden soll ein Überblick über verschiedene hilfreiche Maßnahmen gegeben werden.

1.1 Gestaltung von Empfang und Wartezimmer

Idealerweise kann eine Tierarztpraxis vor dem Bau detailliert geplant werden. In solch einem Fall sollte unbedingt auch auf die Größe und Gestaltung des Wartezimmers und des Empfangsbereiches besonderer Wert gelegt werden.

1.1.1 Empfangsbereich

Der Empfangsbereich sollte im Idealfall so gelegen sein, dass die Klienten mit ihren Tieren nicht durch ein Spalier bereits wartender Tiere gehen müssen. Um den Empfangstresen nicht direkt hinter der Eingangstür aufstellen zu müssen, lässt sich mithilfe von hohen oder halbhohen Raumteilern (z.B. Kommoden, Regale mit undurchsichtiger Rückwand) ein vom Wartezimmer getrennter Eingangsweg schaffen ( ▶ Abb. 1.1).

Abb. 1.1 Beispiel für einen durch Raumteiler geschaffenen Eingangsweg durch das Wartezimmer.

Insgesamt ist eine Entzerrung der Patientendichte vor allem im Eingangsbereich immer anzustreben – denn auch für eigentlich ausgeglichene und freundliche Tiere kann das Aufeinandertreffen mit unbekannten Tieren auf engem Raum so belastend sein, dass sie reaktiv werden.

1.1.2 Wartezimmer

Dem Wartezimmer kommt eine besondere Funktion in einer Tierarztpraxis zu. Es ist zum einen häufig der Raum, durch den die Kleintierpraxis betreten wird. Zum anderen verbringen die Tiere mit ihren Besitzern darin in der Regel eine gewisse Zeit. Daher sollte dieser Raum besonders sorgfältig geplant und eingerichtet werden.

Merke

Die Situation im Wartezimmer stellt für die meisten Tiere einen nicht zu unterschätzenden Stressor dar.

Der Aufenthalt im Wartezimmer ist insgesamt als nicht zu unterschätzender Stressfaktor für Tiere zu werten. So wiesen beispielsweise sogar unter einer kontrollierten Testsituation ohne weitere Tiere im Wartezimmer ein Viertel der in einer Studie untersuchten Hunde Anzeichen für einen hohen Stresslevel auf ▶ [11]. Diese Hunde mit hohem Stresslevel zeigten beim anschließenden Gang vom Wartezimmer in den Behandlungsraum signifikant häufiger Widerstand als Hunde mit einem niedrigeren Stresslevel. Insgesamt zeigten zwei Drittel der Hunde während einer dreiminütigen Beobachtungsphase mindestens ein Anzeichen von Stress. Bemerkenswert in dieser Studie ist zudem, dass die Einschätzung des Stresslevels durch die Besitzer nicht sehr stark mit der Einschätzung durch einen Verhaltensexperten korrelierte. Das bedeutet, dass auch der Tierarzt sowie sein Personal gefordert sind, Stress im Wartezimmer zu erkennen und entsprechend dagegen vorzugehen. Dies kann beispielsweise durch das Separieren besonders gestresster Individuen in einen separaten Wartebereich geschehen.

Die erwähnte Studie wurde nur mit Hunden ohne gesundheitliche Probleme durchgeführt. Ist ein Tier jedoch krank oder verletzt, so muss davon ausgegangen werden, dass die Zeit im Wartezimmer eine noch deutlich höhere Belastung darstellt, da das körperliche Unwohlsein erschwerend hinzukommt.

Platz ist eines der wichtigsten Kriterien bei der Planung und Gestaltung eines tierfreundlichen Wartezimmers. Je mehr Platz vorhanden ist, desto eher können sich scheue Tiere zurückziehen, und umso besser können verschiedene Tierarten getrennt werden. Idealerweise stehen entweder verschiedene Zimmer oder aber mehrere, klar abgetrennte Bereiche zur Verfügung, sodass zumindest eine Trennung von Hunden und Katzen, sowie auch von kleinen Heimtieren und Beutegreifern möglich ist ( ▶ Abb. 1.2).

Abb. 1.2 In dieser Tierarztpraxis stehen verschiedene Wartebereiche zur Verfügung, sodass auch ein Vorraum – falls nötig – als Wartebereich genutzt werden kann.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

Sollte nur ein einziger Raum als Wartebereich vorhanden sein, dann muss dieser immer so gut wie möglich in mehrere, separate Bereiche eingeteilt werden. Gerade für die Halter von sehr ängstlichen, aggressiven oder anderweitig schwierigen Tieren ist der Aufenthalt im Wartezimmer immer mit besonders viel Stress verbunden. Dieser Stress des Halters überträgt sich zudem auf das Tier. So kann ein regelrechter Teufelskreis entstehen. Solche Tiere und ihre Halter sollten daher nach Möglichkeit immer in getrennten Zimmern warten können. Dies kann enorm dazu beitragen, die Wartezeit für alle Beteiligten zu erleichtern. Wenn kein weiterer Raum vorhanden ist, bietet es sich auch an, schwierige Patienten vorübergehend in einem nicht benötigten Behandlungsraum unterzubringen. Besitzern von schwierigen Tieren sollte dabei immer klar mitgeteilt werden, dass sie die Möglichkeit haben separat zu warten. Dies sollte diskret und wertfrei erfolgen, um die Besitzer nicht vor anderen Klienten bloßzustellen.

Bei ausreichendem Platz, wie es beispielsweise oft in einer größeren Klinik gegeben ist, können auch durch einen Eingangsweg und entsprechende Raumteiler getrennte Wartebereiche angelegt werden ( ▶ Abb. 1.1).

1.1.3 Ausgang

Wenn irgend möglich, empfiehlt es sich, mehr als einen Ein- bzw. Ausgang zur Praxis zu haben. Idealerweise führt der zweite Eingang auch nicht durch das Wartezimmer, sondern direkt in ein Behandlungszimmer oder in den Gang. Der zweite Eingang kann beispielsweise für solche Tiere genutzt werden, die besonders ängstlich und/oder besonders aggressiv auf andere Tiere reagieren. Wenn sie durch einen separaten Eingang geleitet werden können, mindert dies nicht nur die Belastung für den Patienten, sondern auch für dessen Besitzer und weitere, bereits in der Praxis wartende Klienten mit ihren Tieren.

Praxistipp

Ein zweiter Ein- oder Ausgang ist prinzipiell sinnvoll. Er kann nicht nur für besonders ängstliche oder aggressive Patienten genutzt werden, sondern auch, wenn die Klienten nach einem emotional belastenden Erlebnis gerne unbeobachtet aus der Praxis gehen möchten.

1.1.4 Schallreduktion und Böden

Tiere haben normalerweise ein sensibleres Gehör als Menschen. Vor allem kleine Heimtiere sind besonders geräuschempfindlich. Bereits bei Umgebungsgeräuschen von 85 dB – entspricht in etwa dem Lärm eines Rasenmähers oder einer Hauptverkehrsstraße – sind deutliche Stressanzeichen festzustellen ▶ [1]. Es ist daher empfehlenswert, den Geräuschpegel bei maximal 60 dB zu halten ▶ [9].

Die Stimmen des Praxispersonals sollten immer ruhig und freundlich klingen. Eventuell stressige Geräusche aus Nebenräumen sollten, wenn nötig, mithilfe von weißem Rauschen oder leisen Hintergrundgeräuschen ausgeblendet werden ▶ [9]. Im gesamten Bereich einer Praxis, in dem sich Patienten kurz- oder langfristig aufhalten, ist zudem auf die Verwendung schallschluckender Materialien für Decken und Böden Wert zu legen. Aus diesem Grund sollten beispielsweise auch nur die nötigsten Orte gefliest werden. Vorhänge, Decken aus Gipskarton etc. helfen ebenfalls den Schallpegel niedrig zu halten. Werden aus hygienischen Gründen keine Vorhänge verwendet, so ist größerer Wert auf die Decken- und Bodengestaltung zu legen ( ▶ Abb. 1.3).

Abb. 1.3 Aus hygienischen Gründen wurde in dieser Praxis auf Vorhänge verzichtet. Der Boden und die Decke sollten in einem solchen Fall immer mit schalldämpfendem Material gestaltet werden.

(Quelle: Dr. Pia Zausinger, Niederaichbach.)

Als Bodenbeläge in der Tierarztpraxis eignen sich vor allem PVC und Kautschuk, da sie eine ausreichende Rutschsicherheit gewährleisten sowie hygienisch abwaschbar sind. Bei Holzböden ist aufgrund der Ritzen und Spalten eine hygienische Reinigung nur schwer möglich. Ein weiterer Vorteil von Kautschuk ist zudem, dass der Boden schallschluckender und somit leiser ist als beispielsweise ein PVC-Boden. Es empfiehlt sich bei den Böden mindestens einen Haftreibwert von R9 anzustreben, wie er für Arztpraxen laut BGR 181 ▶ [8] nötig ist. Noch besser ist ein Haftreibwert von R10. Dieser Boden ist trittsicher bis zu einem Neigungswinkel von 10–19° und bietet gerade aufgeregten Hunden besseren Halt.

1.2 Gestaltung des Behandlungsraumes

Auch für den Behandlungsraum sollten die oben erwähnten Anforderungen an Böden und verwendete ▶ Baumaterialien erfüllt werden. Zudem sollte ein Behandlungsraum immer so groß wie möglich gehalten werden, um Tier, Besitzer und Praxisteam nicht unnötig einzuengen. Dies ist wichtig, damit sich Tierarzt und Assistent uneingeschränkt rund um den Behandlungstisch bewegen können. Aber auch die Patienten (v.a. Hunde) benötigen genug Bewegungsfreiraum. Bewegung hilft dabei, Stress abzubauen.

Darüber hinaus fühlen sich Klienten in der Regel ebenfalls wohler, wenn der Behandlungsraum weitläufiger gestaltet ist – und so gelingt es ihnen eher, diese positiven Gefühle auf ihre Tiere zu übertragen.

Zusätzlich sollten sich nach Möglichkeit nicht zu viele Personen auf einmal im Behandlungsraum aufhalten. Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Belastung für das Tier dar – besonders dann, wenn viele dem Tier unbekannte Personen anwesend sind ( ▶ Abb. 1.4).

Abb. 1.4 Überfüllter, vollgestellter Behandlungsraum. Der Hund, ein Korea Jindo Dog, zeigt Stressanzeichen: hohe Körperspannung, geweitete Pupillen und Beobachten des Ausgangs.

Im Einzelfall muss somit überlegt werden, welche Personen eventuell gebeten werden sollten draußen zu warten.

Im Behandlungsraum sollte ein stabiler, feststellbarer Behandlungstisch stehen, der sich in der Höhe so verstellen lässt, dass ein Hund bequem hinaufsteigen kann. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die meisten Hunde sehr ängstlich auf das Hochfahren des Tisches bzw. auf das damit verbundene Motorgeräusch reagieren.

Wenn möglich, sollte bei Hunden eine Untersuchung auf dem Boden durchgeführt werden. Vor allem große, schwere Hunde haben meist wenig Platz auf dem Behandlungstisch. Selbstverständlich sollte der Behandlungstisch mit einer rutschfesten Auflage ausgestattet ist. Wenn die Pfoten oder Krallen der Patienten auf dem Tisch Halt finden, reduziert dies den Stress, dem die Tiere in einer solch exponierten Position ausgesetzt sind. Meist beugt eine solche Auflage auch einem größeren Wärmeverlust durch den kalten, metallenen Tisch vor.

1.2.1 Beleuchtung

Die Leuchten im Behandlungsraum, vor allem aber über dem Behandlungstisch, sollten nach Möglichkeit dimmbar sein. Einerseits ist eine helle Beleuchtung für manche Untersuchungen unerlässlich, andererseits sind die Augen vieler tierischer Patienten jedoch sehr empfindlich. Daher sollte die hellste Lichteinstellung nur für die Dauer der notwendigen Untersuchung gewählt werden. Ansonsten sind Lichter zu dimmen.

Dies ist besonders bei Albinos wichtig, deren Augen sehr viel lichtempfindlicher sind als pigmentierte Augen. Bei Albinoratten kann die Retina beispielsweise schon bei sehr geringer Lichtintensität Schaden nehmen (u.a. ▶ [17]). Bei Stress weitet sich zudem die Pupille der Tiere, und helles Licht kann ungehindert in die Augen dringen ( ▶ Abb. 1.5). Aber auch bei älteren ▶ Katzen ist es angebracht, kein zu helles Licht zu verwenden. Gerade fluoreszierendes Licht wird als unangenehm empfunden. Natürlichem Licht ist nach Möglichkeit immer der Vorzug zu geben.

Abb. 1.5 Maximal geweitete Pupillen bei einem gestressten Meerschweinchen auf dem Schoß seines Besitzers.

1.2.2 Taktile Reize

Kalte, glatte Oberflächen, wie sie meistens auf dem Behandlungstisch zu finden sind, werden von Patienten in der Regel als negativ empfunden. Vor allem kleine Heimtiere können auf einem metallenen Tisch auch schnell auskühlen. Warme, weiche Oberflächen sind zu bevorzugen. Gummimatten oder auch angewärmte Handtücher können hier sehr hilfreich sein und sollten nach Möglichkeit auf jedem Behandlungstisch verwendet werden ( ▶ Abb. 1.6). Aus hygienischen Gründen müssen die Handtücher selbstverständlich nach jedem Tier ausgetauscht werden. Eine ökonomischere Variante ist es, den Besitzer eigene Handtücher mitbringen zu lassen.

Da wackelige Untergründe zu unnötigem Stress führen, muss der Behandlungstisch immer stabil und gerade stehen.

1.2.3 Gerüche

Tiere haben im Allgemeinen einen besseren Geruchssinn als Menschen, da sie sich überwiegend geruchlich orientieren. Es ist somit essenziell, dass der Behandlungsraum möglichst frei von unangenehmen Gerüchen ist. Dennoch sollten die benutzten Oberflächen zwischen zwei Patienten immer sorgfältig abgewischt werden – besonders, wenn gerade ein sehr gestresstes Tier behandelt wurde. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Pheromone, die Informationen über den empfundenen Stress beinhalten, entfernt werden. Nach einer Desinfektion zwischen zwei Patienten im Behandlungszimmer oder im stationären Bereich sollte eine kurze Zeit abgewartet werden – dann sind die chemischen Düfte verflogen, bevor ein neuer Patient das Behandlungszimmer betritt ▶ [9].

1.2.3.1 Appeasing Pheromone

Die sogenannten Appeasing Pheromone, die für Katzen und Hunde kommerziell erhältlich sind, können eventuell dazu beitragen, die Stressbelastung für Tiere im Behandlungsraum zu reduzieren. Es liegen zu diesen Produkten verschiedene Studien vor, die teilweise etwas widersprüchliche Ergebnisse aufweisen. Die meisten Studien kommen aber zu dem Schluss, dass die Pheromone hilfreich sind (u.a. ▶ [13], ▶ [15]). Vor allem auch bei stationär aufgenommenen Hunden haben sich die Produkte bewährt. So finden beispielsweise Siracusa et al. ▶ [18] durchaus auch positive Effekte eines synthetischen Dog-appeasing Pheromone (DAP)-Produktes im Aufwachraum nach einer Operation bei Hunden. DAP kann laut Kim et al. ▶ [10] auch bei stationär aufgenommenen Hunden Verhaltensweisen reduzieren, die mit Trennungsangst assoziiert sind.

Aus diesen Gründen kann eine Anwendung der Pheromone in der Tierarztpraxis im Behandlungsraum sowie im stationären Bereich durchaus empfohlen werden, auch wenn es selbstverständlich keine 100%ige Erfolgsgarantie gibt. Die jeweiligen Produkte (Adaptil® für Hunde und Feliway® für Katzen) können allgemein im Behandlungsraum verbreitet ( ▶ Abb. 1.6) oder aber gezielt auf den Behandlungstisch gesprüht werden, bevor das Tier hereingebracht wird.

Abb. 1.6 Ein Feliway®-Stecker im Behandlungsraum einer Kleintierpraxis (hinten im Bild) kann bei der Behandlung von Katzen hilfreich sein. Beachte auch die warme Decke, die zusätzlich zur Gummiauflage auf dem Behandlungstisch verwendet wird.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

Das Pheromonprodukt Felifriend® kann bei der Behandlung von ▶ Katzen ebenfalls hilfreich sein. Es ist allerdings momentan nicht verfügbar.

Ein Adaptil®-Zerstäuber bzw. ein Feliway®-Diffusor können darüber hinaus auch im Wartezimmer zum Einsatz kommen. Da die darin enthaltenen synthetischen Pheromone der innerartlichen Kommunikation dienen, ist kein negativer Effekt auf die jeweils andere Spezies zu erwarten.

1.3 Gestaltung des stationären Bereiches

Auch im stationären Bereich einer Tierarztpraxis können Maßnahmen ergriffen werden, um den Aufenthalt für die Tiere angenehmer zu gestalten.

Platz ist hier wieder eine wichtige Grundvoraussetzung. Besonders wenn den Tieren ein tagelanger Aufenthalt in den Klinikräumen bevorsteht, ist es wichtig, dass sie ausreichend Platz haben, um sich bewegen zu können. Daher sollten immer möglichst große Käfige angeschafft werden. Große Boxen lassen sich in der Regel einfacher tiergerecht gestalten, da sie in verschiedene Funktionsbereiche aufgeteilt werden können. Dies ist nicht nur für das Wohlbefinden von Hunden und Katzen wichtig, sondern auch von kleinen Heimtieren. So streben beispielsweise Ratten danach, Ruhe- und Kotorte räumlich voneinander zu trennen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn genügend Grundfläche zur Verfügung steht ▶ [7].

Bei Beutetieren, wie etwa Ziervögeln oder den kleinen Heimtieren, ist es wichtig, die Käfige möglichst hoch anzubringen bzw. die Tiere möglichst nur in solche Boxen zu setzen, die sich auf Augenhöhe befinden. Alle kleinen Beutetiere fürchten sich nämlich vor plötzlichen Bewegungen von oben. Dies ist beispielsweise bei ▶ Meerschweinchen besonders ausgeprägt.

Auch für Katzen ist es eine besondere Belastung, wenn sie in Käfigen im Bodenbereich untergebracht sind, da sie eine Beobachtung der Umgebung von einem erhöhten Standpunkt aus brauchen, um sich sicher zu fühlen. ▶ Katzen benötigen zudem einen sicheren Unterschlupf, in den sie sich zurückziehen können, um sich wirklich sicher zu fühlen. Die Transportkiste kann dabei als einfache Höhle im Käfig fungieren – vorausgesetzt, es ist noch genügend Platz für Futterschüssel und eine ausreichend große Katzentoilette. Zusätzlich zu einer Höhle zum Verstecken kann ein teilweises Abhängen der Käfigtüren mit Handtüchern ängstlichen Tieren mehr Sicherheit geben.

Merke

Auch im stationären Bereich sind alle oben genannten Anforderungen an Schalldämmung, Licht und Gerüche gültig.

1.4 Handling der Patienten

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein möglichst tierfreundliches Handling ist Zeit. Gerade bei als schwierig bekannten Patienten sollte daher nach Möglichkeit auch in einer geschäftigen Tierarztpraxis ausreichend Zeit eingeplant werden.

Eine weitere Grundvoraussetzung für tiergerechtes Handling ist es, sich der eigenen Körpersprache bewusst zu sein, und diese gezielt einzusetzen. Als Primaten tendieren Menschen dazu, gerade auf jemanden zuzugehen, Blickkontakt zu halten und von oben zu streicheln. Dies wird jedoch von den meisten Tierarten als unangenehm empfunden. Gerade das direkte Starren in die Augen wird von Hunden und auch Katzen als Drohung gewertet. Es ist daher strikt zu vermeiden.

Merke

Gerade Hunden und Katzen sollte man nach Möglichkeit nie in die Augen starren. Der Blick sollte neben das Auge fallen.

Bei allen Tieren sollten plötzliche, von oben kommende Bewegungen generell vermieden werden. Von kleinen Heimtieren und Vögeln werden diese Bewegungen unter Umständen als Angriff eines Beutegreifers empfunden und lösen extreme Stressreaktionen aus. Für Hunde und Katzen können sie wiederum eine klare Drohung darstellen.

Die Einstellung des Menschen, der sich mit einem Tier befasst, hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Qualität des Umgangs ▶ [9]. Tierärzte müssen daher besonders darauf achten, dass das Praxispersonal über ausreichend ethologische Grundkenntnisse verfügt, um zu erkennen, dass ein Patient ängstlich ist oder sich bedroht fühlt – und nicht „störrisch“ oder „widerspenstig“ ist. Auch wenn ein Tierarzt bemerkt, dass dem Besitzer das Verständnis für das Verhalten des Tieres fehlt, sollte er das Verhalten sowie die Gründe dafür ausführlich zu erklären, ohne aber dabei den Besitzer bloßzustellen.

Insgesamt ist auf einen ruhigen, sanften Umgang zu achten. Das gesamte Praxispersonal sollte regelmäßig Schulungen zum stressarmen Handling von Tieren in der Tierarztpraxis besuchen. Auf artspezifische Besonderheiten ( ▶ Hunde, ▶ Katzen, ▶ Kaninchen, ▶ Meerschweinchen, ▶ Goldhamster, ▶ Ratten, ▶ weitere kleine Heimtiere, ▶ Vögel) ist besondere Rücksicht zu nehmen.

Für jeden Patienten sollte umgehend in der Patientenakte vermerkt werden, welches Handling bzw. welche Strategie besonders gut oder besonders schlecht funktioniert hat. Auf diese Weise können zukünftige Besuche noch effektiver und tierfreundlicher gestaltet werden, ganz besonders in Praxen mit viel Personal.

1.4.1 Fixierung

Für einige Eingriffe oder Untersuchungen ist es notwendig, den Patienten zu fixieren. Insgesamt sollten die Tiere aber so wenig wie möglich fixiert werden. Automatisches Ausführen von Nackengriff etc. bei kleinen Heimtieren sollte unterbleiben. Sanfteren Methoden – wie etwa dem Einwickeln in ein Handtuch oder dem Abdecken der Augen – ist wenn möglich immer der Vorzug zu geben.

Ist eine Fixation unumgänglich, sollte sie immer möglichst sicher und kurz durchgeführt werden. Während der Fixierung ist das Tier umfassend zu stützen. Sollte ein Patient während der Fixierung für länger als drei Sekunden zappeln, so empfiehlt es sich, den Griff neu zu positionieren, nachdem das Tier sich wieder beruhigt hat ▶ [9].

Im Einzelfall ist abzuwägen, ob ein Tier für eine bestimmte Untersuchung sediert werden kann und muss.

Merke

Patienten sollten immer so wenig wie möglich fixiert werden.

1.4.2 Hilfsmittel

Eine weitere Möglichkeit, eine Prozedur oder Untersuchung für das betroffene Tier angenehmer zu gestalten, ist die Verwendung von verhaltenstherapeutischen Tools wie Calming Cap® oder Anxiety Wrap®. Letzteres ist eine Art Bandage, die um den betreffenden Hund gelegt wird und gleichmäßigen, sanften Druck auf den Körper ausübt. Dies hat auf manche Tiere einen beruhigenden Effekt. Die Calming Cap® ist eine Stoffkappe, die Hunden über die Augen gezogen werden kann. Die damit verbundene Sichteinschränkung beruhigt manche Hunde, besonders nachdem sie eine Sedierung verabreicht bekommen haben. Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass diese Produkte nur bei einem kleinen Prozentsatz an Tieren hilfreich sind. Gerade bei angstaggressiven Hunden kann es kontraproduktiv sein, den Kopf zu manipulieren, wie das etwa für das Anlegen einer Calming Cap® notwendig wäre.

Die Verwendung eines ▶ Maulkorbs bei Hunden ist zum Schutz des Personals in einer Tierarztpraxis häufig notwendig. Nach Möglichkeit sollten die Besitzer daher angehalten werden, das Tolerieren eines ▶ Maulkorbs zu trainieren

Schlaufen-Maulkörbe, bei denen der Hund sein Maul nicht öffnen kann, sollten nur für sehr kurze Eingriffe verwendet werden ▶ [3]. Korb-Maulkörbe sind immer zu bevorzugen.

1.5 Gegenkonditionierung

Aus Tierschutzgründen muss es ein allgemeines Anliegen von Tierärzten sein, die Angst von Tieren in der tierärztlichen Praxis generell zu reduzieren. Dadurch können unnötige Belastungen für die tierischen Patienten vermieden werden. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass es in Bezug auf die Kundenbindung von Vorteil ist, wenn ein Tier die tierärztliche Praxis freudig und freiwillig betritt und sich auch während der Behandlung entspannt verhält.

Eine gute Möglichkeit, die Tierarztpraxis bzw. bestimmte Prozeduren für die tierischen Patienten positiv zu besetzen, ist eine sogenannte klassische Gegenkonditionierung. Hierbei handelt es sich um eine Trainingsmethode, die auf der klassischen Konditionierung basiert. Ein Reiz (z.B. der Tierarzt) wird dabei mit besonders schmackhaftem Futter kombiniert. Auf diese Weise kann auf Dauer etwas Unangenehmes für den Hund zum positiven Schlüsselreiz umfunktioniert werden. Durch viele positive Erfahrungen (Leckerli) in der ursprünglichen Problemsituation wird schließlich eine langanhaltende Verhaltensänderung erreicht.

Praxistipp

Grundsätzlich sollte das Prinzip der Gegenkonditionierung nach Empfehlung von Herron u. Shreyer ▶ [9] u.a. in folgenden Situationen zur Anwendung kommen:

Injektionen

Festhalten durch einen Fremden

Nägelkürzen

rektale Temperaturmessung

Palpation

Untersuchungen mit dem Otoskop

Mikrochip-Injektionen

Platzieren auf einem kalten Tisch

Futterbelohnungen sind für die Gegenkonditionierung in der Tierarztpraxis in besonderem Maße geeignet. Wann immer sie nicht eingesetzt werden dürfen oder können, sollten verbales Lob, Streicheleinheiten, Spiel etc. als Verstärker verwendet werden. Besonders Hunde sprechen beispielsweise meist gut darauf an, Tricks vorführen zu dürfen. Dies kann auch vom Praxispersonal in den verschiedensten Situationen genutzt werden ( ▶ Abb. 1.7).

Abb. 1.7 Dieser Hund wird an den Behandlungstisch gewöhnt. Nachdem er den Tisch freiwillig betreten hat, führt er den Befehl „Gib Pfote“ aus.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)